• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "US-Gesundheitswesen: Überraschender Ausgabenrückgang" (05.08.2013)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "US-Gesundheitswesen: Überraschender Ausgabenrückgang" (05.08.2013)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 1482 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 31–32

|

5. August 2013

E

s sind Meldungen, die US- Präsident Barack Obama auf- horchen lassen: Mehr und mehr Studien belegen, dass die Gesund- heitskosten in den USA, die seit Jahren schier ins Unermessliche zu steigen schienen, konstant sinken.

Das Wachstum bei Gesundheitsaus- gaben lag nach offiziellen Angaben zwischen 2009 und 2011 lediglich bei je 3,9 Prozent. Zuvor lagen die Wachstumsraten über viele Jahre zwischen sechs und zehn Prozent jährlich. Die Gesundheitsforscher von Pricewaterhouse Coopers prog- nostizieren, dass die Gesundheits- kosten im Jahr 2014 sogar noch ge- ringer wachsen werden als 2013.

Andere Studien – etwa der Harvard- Universität – kommen zu ähnlichen Ergebnissen, wobei niemand zu sagen vermag, ob die sinkenden Ausgaben von Dauer sein werden.

Für den Rückgang der Ausgaben werden mehrere Gründe genannt:

Die Rezession und die schwache Konjunktur hätten dazu geführt, dass sich die US-Bürger bei Ge-

sundheitsausgaben zurücknahmen.

Auch weniger Neueinführungen in der Medizintechnik und bei Medi- kamenten könnten von Bedeutung sein. Viele Experten rechnen den Rückgang den Umwälzungen zu, die seit der Unterzeichnung der Gesundheitsreform durch das Sys- tem gehen.

Patienten müssen mehr aus eigener Tasche bezahlen

Obamacare, dessen primäres Anlie- gen die Ausweitung der Versorgung auf 95 Prozent der US-Amerikaner ist, verfolgt mehrere Ansätze, um die Kosten im System zu drücken. Das Gesetz soll Überversorgung und Ver- schwendung reduzieren, etwa bei Medicare, dem staatlichen Programm für Senioren. Zuwendungen für Ver- sorgungseinrichtungen werden ge- kürzt, Bezahlmodelle geändert und höhere Beteiligungen finanzkräftiger Patienten eingefordert. Die Langzeit- perspektive des Programms habe sich dank der Einsparungen nach of- fiziellen Angaben „leicht verbes-

sert“. 500 Milliarden Dollar sollen in den kommenden zehn Jahren allein hier eingespart werden.

Doch die sinkenden Staatskosten sind nur eine Seite der Medaille.

Trotz der positiven Ausgabenent- wicklung sind die Belastungen für viele US-Bürger weiterhin immens.

„Der Rückgang bei den Gesund- heitskosten ist für den Durchschnitts- bürger völlig realitätsfern“, sagte Drew Altman, Präsident der unab- hängigen Kaiser Family Foundation, der „New York Times“. Die Gesund- heitsexperten sähen nur die Gesamt- summe. Die Kosten, die von den Bürgern im Gesundheitssektor getra- gen würden, seien in den vergange- nen zehn Jahren um 140 Prozent ge- stiegen. Dies liegt vor allem daran, dass die Anzahl der Leistungen, die die Patienten aus eigener Tasche be- zahlen, deutlich zugenommen hat.

Ab 1. Januar 2014 greift in den USA die Pflicht zur Versicherung, bereits ab 1. Oktober können sich unversicherte Amerikaner für den Erwerb von Gesundheitsplänen ein- US-GESUNDHEITSWESEN

Überraschender Ausgabenrückgang

Erstmals seit Jahren sinken in den USA die Gesundheitskosten. Die Umwälzungen durch Obamacare sollen mitverantwortlich für die positive Entwicklung sein.

T H E M E N D E R Z E I T

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 31–32

|

5. August 2013 A 1483 schreiben. Inwieweit sich die Aus-

weitung des Versicherungsschutzes auf die Preise der Versicherungen auswirken wird, ist unklar. Die Fra- gen, wie teuer die USA die Jahr - hundertreform wirklich zu stehen kommt und welche Belastungen der Einzelne zu tragen hat, sind derzeit die der meist diskutierten Fragen im Gesundheitswesen.

Fest steht: In einigen Bundes- staaten wollen Versicherer die Kos- ten ihrer Versicherungsprämien für einige Bevölkerungsgruppen stark anheben. Die Policen sollen künftig um 20 Prozent und mehr steigen.

Das „Wall Street Journal“ rechnet in einer Analyse gar vor, dass sich einzelne Versicherungsraten ver- doppeln oder gar verdreifachen könnten. Betroffen sollen vor allem Patienten sein, die nicht über den Arbeitgeber versichert sind und sich privat versichern.

Die Obama-Regierung wird nun überprüfen, ob diese hohen Stei - gerungen gerechtfertigt sind. Dazu sind die Behörden seit der Reform berechtigt. Anfang Mai kündigte die Regierung an, dass sie die Versiche- rer ab sofort dazu verpflichten wird, alle Preiserhebungen zu melden – und seien sie noch so gering – und sie wo möglich zurückzuweisen. In der Versicherungsindustrie löst die- ser Vorstoß naturgemäß Entrüstung aus, Verbraucherrechtsinitiativen ju-

beln dagegen. „Wir gratulieren der Regierung zu den neuen Melde- pflichten. Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung“, zitiert die

„New York Times“ Carmen L. Bal- ber von der Organisation Consumer Watchdog in Washington. Die Kaiser Family Foundation urteilte bereits im Herbst 2012, dass das staatliche Monitoring grundsätzlich eine posi- tive Auswirkung auf die Entwick- lung der Policen habe.

Allerdings: Dass mit der staat- lich verordneten allgemeinen Versi- cherungspflicht die Versorgung für einige teurer werde, räumt die Re- gierung offen ein. Der Preis für das Ende der Diskriminierung auf

dem Versicherungsmarkt gegenüber Menschen mit Vorerkrankungen, Frauen und älteren Patienten sei womöglich, dass Männer und junge Amerikaner künftig mehr zahlen müssten, sagte Gesundheitsministe- rin Kathleen Sebelius. Noch sei aber „alles Spekulation“.

Nicht nur im Versicherungswe- sen, auch im Kliniksektor betritt die amtierende US-Regierung im Zu- ge der Gesundheitsreform Neuland.

Sie übt massiven Druck auf die Akteure aus. Das Gesundheitsmi- nisterium veröffentlichte im Früh- sommer die Preise, die 3 000 Kran- kenhäuser landesweit für die 100 gängigsten Behandlungen nehmen – eine „bahnbrechende Initiative“, wie das renommierte „Time Magazine“

urteilte. Damit werde ein Stück der Geheimniskrämerei um Kranken- hausrechnungen beendet.

Die Preisunterschiede bei Operationen sind riesig

Das Resultat der Studie: Die Preise für Verschreibungen, Eingriffe und Operationen variieren innerhalb der USA teils drastisch, selbst wenn die Häuser nur wenige Kilometer aus - einanderliegen. So kostet beispiels- weise die Behandlung eines leichten Herzinfarkts im New Yorker Stadt- teil Brooklyn 44 000 Dollar und in einem Krankenhaus in Manhatten lediglich 16 000 Dollar. Die Kosten für ein künstliches Gelenk liegen zwischen 5 000 Dollar in Oklahoma und 220 000 Dollar in Kalifornien.

Die Versorgung einer Lungen - entzündung ohne Komplikationen schlägt in einem Krankenhaus in Philadelphia den Daten nach mit 124 000 Dollar zu Buche, im Bun- desstaat Missouri kostet sie lediglich 5 000 Dollar. Im Landesdurchschnitt werden 24 000 Dollar für die Be- handlung einer einfachen Lungen- entzündung abgerechnet.

In welche Richtung sich die Ge- sundheitskosten für Land und Bür- ger entwickeln, wird sich verläss- lich erst im Laufe des kommenden Jahres zeigen, wenn die Pflicht zur Versicherung kommt. Fest steht aber schon jetzt: Obamacare bringt des marode Gesundheitssystem der USA mächtig in Bewegung.

Nora Schmitt-Sausen Zu langsam, nicht durchdacht, schlecht vorberei-

tet, zu komplex: Wenige Monate bevor in den USA der Weg zur allgemeinen Versicherungs- pflicht bereitet sein muss, nimmt die Unruhe im Gesundheitswesen zu. In den US-Medien häufen sich Berichte über Verzögerungen, nicht klar defi- nierte Regeln bei der Implementierung und Kla- gen über Mängel an offiziellen Informationen. An- fang Juli musste die Regierung Obama einen schweren Rückschlag einstecken. Ein zentrales Element der Reform wird um ein Jahr verscho- ben. Arbeitgeber mit mehr als 50 Mitarbeitern sind nun erst ab 2015 verpflichtet, ihren Ange- stellten Krankenversicherungsschutz zu gewäh- ren. Geplant war, dass diese Regel bereits ab dem kommenden Jahr gilt. Die Regierung beugte sich dem Druck der Arbeitgeber, die angesichts der Komplexität der Regel Bedenken hatten.

Auch der Ausbau der neuen regionalen On- line-Versicherungsmärkte, über die sich unversi- cherte Privatpersonen bereits ab dem 1. Oktober für Policen einschreiben können, stockt. Viele Bundesstaaten weigern sich, die nötigen Struktu- ren dafür zu schaffen, Washington muss einsprin- gen. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der geplan- ten Ausweitung von Medicaid, dem staatlichen Gesundheitsprogramm für sozial Schwache. Auch dieses Programm ist regional organisiert, aber viele, oft republikanisch regierte Bundesstaaten stellen sich gegen die Pläne Obamas.

Selbst populäre demokratische Politgrößen bezeichnen das Gesetz inzwischen als „extrem problematisch“ und prognostizieren große Schwierigkeiten rund um das Inkrafttreten der zentralen Säule der Reform, der Pflicht zur Versi- cherung ab Januar 2014.

KRITIK AN OBAMACARE

Gesundheitsmi- nisterin Kathleen Sebelius räumte ein, dass mit der neuen Versiche- rungspflicht die Ver- sorgung für einige teurer wird.

Fotos: picture alliance

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Verschiedene Szenarien sind mög- lich, wenn die Richter im Sommer ihr Urteil sprechen: Der Supreme Court weist die Reform vollständig zurück, oder er unterstützt das Ge- setz

Die Konservativen wollen, dass die Regierung künftig nicht mehr direkt für die Gesundheitsver- sorgung der Senioren aufkommt, sondern stattdessen Beiträge an ei- nen

Argumente der Demokraten, die Reform mache Gesundheitsversor- gung zu einem Recht für alle und nicht mehr nur zu einem Privileg für diejenigen, die es sich leisten könnten,

Eugene Schneller, Experte für Prozesskettenmanagement im Gesundheitswesen (Supply Chain Management) an der Arizona State University, macht noch einen weite- ren Punkt für

Die Kosten, die auf das wohlhaben- dere Amerika zukommen, belaufen sich nach gegenwärtigen Berech- nungen auf 450 Dollar jährlich für Personen mit einem Jahreseinkom- men von

Wenn Ihnen immer noch nicht so ganz einleuchten mag, warum ich Sie mit die- sen Boshaftigkeiten behelli- ge: So wie im Kleinen gemau- schelt wird, um bloß die Wahl zu gewinnen,

Umfragen zufolge ist die Gesundheitsversorgung – vielmehr deren Mängel – für die US-Wähler das drittwichtigste Thema in diesem Vorwahlkampf, nach der wirtschaft- lichen Lage des

~ eine dauerhafte Bindung der Arzt- und Zahnarzthonorare an die Entwicklung des Beitragsaufkom- mens bei den gesetzlichen Kran- kenkassen; die volle Einbeziehung des