Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Nach Unterzeichnung der Neufas- sung des § 218 durch den Bundes- präsidenten wurde in unserer Kli- nik eine spezielle Sprechstunde zur Beratung von Frauen, die eine
Schwangerschaftsunterbrechung vornehmen lassen wollen, einge- richtet. Die Zahl der bis jetzt bera- tenen Frauen reicht sicher nicht aus, um heute schon statistisch ge- sicherte Aussagen machen zu kön- nen. Was sich aber bereits jetzt ganz klar abzeichnet, ist die er- schreckende Unkenntnis über die Möglichkeiten der Antikonzeption.
Alle von uns bisher beratenen Frauen sind „Opfer" dieser Un- kenntnis!
Das einzige allgemein bekannte Verhütungsmittel war die „Anti- Baby-Pille". Sie wurde auch von Zweidrittel der beratenen Frauen zeitweise genommen. Die eine Hälfte von ihnen setzte sie aber selbständig wegen Unverträglich- keit ab, die andere verzichtete,
meist wegen erhöhter Thrombose- gefahr, auf ärztlichen Rat hin auf die weitere Einnahme von Ovula- tionshemmern. Bevorzugter „Er- satz" war die Methode nach
Knaus-Ogino, ohne daß jedoch die erforderlichen Kenntnisse über ihre physiologischen Grundlagen vorhanden waren. Dadurch wird die- se ohnehin nicht zuverlässige Me- thode natürlich noch unsicherer.
Als einzige sonstige Verhütungs- mittel wurden Kondome benutzt.
Ein Drittel der Frauen betrieb zur Zeit des Eintritts der ungewollten Schwangerschaft überhaupt keine Antikonzeption. Über chemische Antikonzeptiva und über das In- trauterinpessar wußte keine der beratenen Frauen Bescheid; auch daß man die Sicherheit durch Kombination mehrerer Methoden wesentlich erhöhen kann, war ih- nen nicht bekannt. Im allgemeinen hatten wir den Eindruck, daß die Frauen, die keine Ovulationshem- Nahrungsfette
Milch, Schlagsahne und Eiscreme, denen das Milchfett weitgehend oder vollständig entzogen und durch Pflanzenöle ersetzt worden ist (sogenannte filled-milk-Produk- te). Neuerdings wird auch bei der Herstellung von Wurstwaren ver- sucht, tierische, gesättigte Fettsäu- ren durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren zu ersetzen.
Um diese Ernährungsumstellung auch praktisch durchführen zu können, ist eine konsequente Über- prüfung der im Handel befindlichen Lebensmittel notwendig. Entspre- chende Lebensmittel müssen über- all verfügbar, preiswert und für den Verbraucher verständlich gekenn- zeichnet sein.
0 Ist der Verbraucher nicht bereit, seinen Fettverzehr zu beschränken, sollte er jedenfalls 10 bis 15 Pro- zent der aufgenommenen Kalorien durch mehrfach ungesättigte Fette befriedigen. Tabelle 5 unterrichtet über die Fettsäurenzusammenset- zung der in Nahrungsmitteln vor- kommenden Fette.
0 Da viele Nahrungsmittel neben wesentlichen Anteilen an Eiweiß auch verstecktes Fett enthalten, ist es bei entsprechender Aufmerk- samkeit möglich, für begrenzte Ka- lorienaufnahme eine im Fettanteil ausgewogene Nahrung zusammen- zustellen (Tabelle 5).
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. H. Rottka Max-von-Pettenkofer-Institut des Bundesgesundheitsamtes Abt. Ernährungsmedizin und Ernährungsphysiologie 1 Berlin 33 (Dahlem)
WISSENSCHAFT UND PRAXIS
Erste Erfahrungen aus der Beratungs-Sprechstunde
für Schwangerschaftsabbruch
Norbert Höhn und Sven Sievers
Aus der Frauenklinik (Direktor: Professor Dr. med. Peter Stoll) im Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg
Bei allen Frauen, die mit dem Wunsch nach Schwangerschaftsab- bruch in unsere Beratungssprechstunde kamen, bestanden nur sehr mangelhafte Kenntnisse über die Möglichkeiten der Empfängnisver- hütung. Durch bessere Aufklärung müßte es möglich sein, die Zahl der ungewollten Schwangerschaften wesentlich zu reduzieren.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 3. April 1975 969
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Beratungssprechstunde für Schwangerschaftsabbruch
mer nahmen, sich mit dem erhöh- ten Risiko, schwanger zu werden, weitgehend abgefunden hatten. Im Bewußtsein dieses Risikos wurden praradoxerweise die gewählten an- deren Verhütungsmethoden oft nicht konsequent angewandt.
Was uns als Ärzte aufhorchen las- sen muß, ist die Tatsache, daß kei- ne der von uns beratenen Frauen sich von einem Arzt über die Mög- lichkeiten, die neben der „Pille"
zur Empfängnisverhütung beste- hen, aufklären ließ. Bei etwa einem Viertel der Patientinnen wäre sogar eine definitive Unfruchtbarma- chung indiziert gewesen, da eine weitere Schwangerschaft eine ern- ste Bedrohung für die Gesundheit der Mutter darstellte. Die Patientin- nen waren sich dieser Möglichkeit überhaupt nicht bewußt.
In unserer Beratungsstelle über- wiegt bis jetzt noch die Zahl der Frauen, die aus mehr oder weniger gravierenden medizinischen Grün- den eine Interruptio vornehmen lassen wollen. Dies liegt zweifellos daran, daß durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Zeit praktisch die Indikationsrege- lung gilt. Es war zu erwarten, daß sich, falls die Fristenregelung in der vom Bundestag verabschiede- ten Form in Kraft getreten wäre, das Verhältnis entscheidend zu- gunsten derjenigen Gründe ver- schoben hätte, die man unter dem Begriff „Unbequemlichkeit" zusam- menfassen kann. Was sich aber je- denfalls wohl nicht ändern wird, ist die Unkenntnis der zur Beratung kommenden Frauen über Mög- lichkeiten der Empfängnisverhü- tung. Schließlich sind ja nicht oder nur mangelhaft durchgeführte an- tikonzeptionelle Maßnahmen so gut wie immer der Grund für die unerwünschte Schwangerschaft.
Gezielte
antikonzeptionelle Beratung Von der in den Massenmedien be- triebenen Aufklärung wird offen- sichtlich ein großer Teil der Frauen nicht erreicht. Die einzige Möglich-
keit, hier weiterzukommen, ist eine gezielte Antikonzeptionsberatung durch den Arzt. Im Zusammenhang mit den sogenannten flankierenden Maßnahmen zur Novelle des § 218 ist ja die Beratung nicht nur bezüg- lich eines Schwangerschaftsab- bruchs, sondern auch bezüglich der Empfängnisverhütung zur kassen- ärztlichen Leistung erklärt worden.
Der Frauenarzt oder der gynäkolo- gisch behandelnde Hausarzt muß über die Antikonzeptionsmethode seiner Patientin ebenso Bescheid wissen wie über den organischen Befund; die Art der antikonzeptio- nellen Methode sollte in seiner Kar- teikarte vermerkt sein. Wir sind uns bewußt, daß diese Forderung nicht ganz einfach zu erfüllen ist.
Erfahrungsgemäß reagieren viele Frauen auf die Frage, was sie zur Empfängnisverhütung tun, sichtlich verlegen oder geben ausweichende Antworten. Je mehr die Patientin zögert, um so unsicherer ist dann meist die Methode. In solchen Fäl- len sollte der Arzt etwas hartnäckig sein. Keinesfalls darf er bei einer Frau die Pille absetzen, ohne sie über andere Verhütungsmethoden zu unterrichten.
Noch relativ selten wird von der Möglichkeit des Intrauterinpessars, vor allem bei Pillenunverträglich- keit, Gebrauch gemacht. Das mag mit daran liegen, daß die bisherige gesetzliche Regelung den Arzt vor eine schwierige Situation stellte:
Einmal konnte er der Patientin kei- ne absolute Sicherheit vor einer unerwünschten Schwangerschaft garantieren, zum anderen konnte er ihr auch nicht versprechen, eine eventuelle Schwangerschaft zu un- terbrechen; nach dem geltenden Recht hätte er sich strafbar ge- macht. Diese Unsicherheit ist für viele Patientinnen ein Grund, sich
kein IUD*) einsetzen zu lassen.
Da sich das Bundesverfassungs- gericht doch für eine Indikationslö- sung entschieden hat, ist zu er- wägen, ob der ernsthafte Wille zur
Kontrazeption von Frauen, die ein
*) intra-uterine-device
IUD tragen, als Indikation zur Un- terbrechung einer Schwanger- schaft anerkannt werden sollte. Das gleiche gilt natürlich für die echten Versager bei hormonaler Kontra- zeption.
Auch die Möglichkeit der Sterilisa- tion sollte öfter ins Auge gefaßt werden. Zumindest sollte sie in den Fällen nicht versäumt werden, in denen eine weitere Schwanger- schaft die Gesundheit der Mutter gefährden würde. In der Regel ist gerade bei diesen Patientinnen auch die „Pille" kontraindiziert.
Angesichts der Tatsache, daß die Schwangerschaftsunterbrechung von der Krankenkasse bezahlt wer- den soll, mutet es geradezu ana- chronistisch an, daß die Kosten ei- ner Sterilisation ohne absolute me- dizinische Indikation von der Patien- tin selbst übernommen werden müs- sen. Die ärztlichen Standesorgani- sationen sollten deshalb unbedingt bei der Bundesregierung vorstellig werden, um diesen Mißstand abzu- stellen.
Es wird natürlich immer Frauen ge- ben, die einer Aufklärung über Möglichkeiten der Empfängnisver- hütung nicht zugänglich sind. Wir glauben aber, daß bei etwa Drei- viertel der von uns beratenen Frauen bei entsprechender Aufklä- rung durch den behandelnden Arzt das Eintreten einer Schwanger- schaft vermeidbar gewesen wäre.
Die Ärzteschaft hat sich ziemlich geschlossen gegen die Fristenre- gelung ausgesprochen; sie hat da- mit aber auch die moralische Pflicht übernommen, alle Anstren- gungen zu unternehmen, um die Zahl der unerwünschten Schwan- gerschaften auf das mögliche Min- destmaß zu reduzieren.
Anschrift der Verfasser:
Dr. med. Norbert Höhn Dr. med. Sven Sievers 68 Mannheim 1 Theodor-Kutzer-Ufer
970 Heft 14 vom 3. April 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT