A3082 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 45⏐⏐9. November 2007
P O L I T I K
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wei frisch gebackene „MTU“haben ihre erste Stelle in rheinischen Frauenarztpraxen an- getreten. Sie werden die Gynäkolo- gen als blinde „Medizinische Tast- untersucherin“ (MTU) bei der Früherkennung von Brustkrebs un- terstützen. Ende Oktober legten sie ihre Abschlussprüfung vor der Ärztekammer Nordrhein ab, die im Rahmen des Forschungsprojekts
„Discovering Hands“ ein Zertifikat für das neue Qualifizierungsprofil entwickelt hat.
„Blinde trainieren in Ermange- lung ihres Gesichtssinns das ver- bleibende Sensorium intensiver“, war die Überlegung des Projekt- gründers, Dr. med. Frank Hoff- mann. Der Duisburger Frauenarzt hatte die Idee, die besondere Sensi- bilität blinder Frauen fachlich aus- zubilden, „um die Früherkennung des Brustkrebses als eine der vor- rangigen Aufgaben der gynäkologi- schen Vorsorgepraxis zu optimie- ren“. Im Verbund von Ärztekam- mer, Berufsförderungswerk für Blinde in Düren, Landschaftsver- band Rheinland und der Univer- sitätsfrauenklinik Essen, die das Projekt wissenschaftlich begleitet, wurde ein Curriculum für die neue Helferinnentätigkeit erprobt.
Nach einem Aufnahmeverfahren absolvieren die Bewerberinnen ei-
ne halbjährige Theoriephase im Berufsförderungswerk. Dort ste- hen Grundlagen der Zytologie und Histologie, Anatomie, Physiologie, Pathologie und Palpation der weib- lichen Brust, medizinische Termi- nologie, Dokumentation und Ge- sprächsführung auf dem Stunden- plan. Im Pilotdurchlauf des Voll- zeitlehrgangs entwickelte das Schu- lungsteam ein Orientierungsschema mit Klebestreifen auf der Haut, um ein lückenloses Abtasten ohne Sichtkontrolle zu gewährleisten.
Auf die theoretische Prüfung folgt ein vierteljähriges Praktikum in Kliniken und Praxen. „Die MTU
ertastet detailliert, was von der Ho- mogenität des normalen Gewebes abweicht“, berichtete Dr. med.
Friedhelm Fester aus der Zusam- menarbeit mit einer angehenden MTU im Praktikum. Sie liefere eine
„genaue Topografie“ der Brust. Die Gynäkologen der Praxis zeigten sich „beeindruckt, wie gewissenhaft und sicher sie die Untersuchungen durchführt“. Aufgrund der „erstaun- lichen Sensibilität, mit der die Brust durchuntersucht wird“ – so spürte die Praktikantin eine 2-Millimeter- Verdichtung in anderthalb Zentime- tern Tiefe auf –, bestehe eher die Tendenz zu falschpositivem Ver- dachtsbefund, der dann zeitnah ab- zuklären sei. Was die blinden Helfe- rinnen im Einzelnen leisten können, wird im Rahmen einer Dissertation an der Universitätsfrauenklinik Es- sen evaluiert: Im Oktober ging
„Discovering Hands“ mit fünf neu- en Umschülerinnen in die zweite Runde.
Neben dem „Kompetenzzu- wachs im Tasten“ haben die betei- ligten Ärzte die „starke interaktive Komponente“ der etwa 30-minüti- gen Untersuchung gewürdigt: „Die Patientinnen empfinden die Unter- suchung als sehr angenehm und be- ruhigend. Von Frau zu Frau vermit- telt hier jemand auf gleicher Augen- höhe persönlich: ,Ich habe alles ge- nau abgefühlt‘“, hätten erste Patien- tenbefragungen ergeben. Die per- sönliche Zuwendung, erlebte Sorg- falt und Vertrauenswürdigkeit stär- ke die Patientenorientierung. Der Aufwand dafür ist eher bescheiden:
ein Raum mit einer Liege und ein Computer mit Brailleschrift. Die Arbeitsplätze werden, wie das ge- samte Projekt, vom Integrationsamt beim Landschaftsverband Rhein-
land gefördert. I
Leonie von Manteuffel
Fotos:Leonie von Manteuffel
BRUSTKREBSFRÜHERKENNUNG
Hohe Sensibilität blinder Frauen
Medizinische Tastuntersucherinnen sollen Gynäkologen bei der Früherkennung von Brustkrebs unterstützen.
Geprüft:Die beiden ersten Absolventinnen der MTU-Qualifikation
Weitere Informationen: www.disco vering-hands.de, Kontakt: frank.hoff mann@discovering-hands.de