DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Diabetes
auf die Prävention der Risikofak- toren ein. Die Problematik der Hy- perinsulinämie als Risikofaktor der Makroangiopathie, die viel- fach unbekannt ist, wurde ange- sprochen. Dies wäre beim Typ-II- Diabetes zum Beispiel ein Hin- weis auf den Nutzen einer Kombi- nationstherapie (Sulfonylharnstof- fe plus kleine Dosen Insulin) als Alternative zur alleinigen Insulin- therapie, die wesentlich höhere
Insulinspiegel in der peripheren Blutbahn induziert.
Ohne allen Zweifel und vielfach belegt ist das Auftreten von diabe- tischer Retinopathie und Glome- rulosklerose — als Ausdruck der Mikroangiopathie — in deutlicher Abhängigkeit von der Dauer der manifesten diabetischen Stoff- wechselstörung. Typ-Il-Diabetiker sind — entgegen landläufiger Mei- nung — keineswegs vor einer kli- nisch relevanten Mikroangiopa- thie geschützt.
Die Wahrscheinlichkeit, daß eine möglichst gute, am besten nor- moglykämische Diabeteseinstel- lung mikrovaskuläre Komplikatio- nen verhindern kann, ist heute als sehr hoch einzuschätzen. Die Mi- kroalbuminurie hat sich als inter- essanter prognostischer Faktor entwickelt, auch wenn sie bisher nur in wenigen Labors diagnosti- ziert werden kann und noch recht teuer ist. Lange bevor mit den her- kömmlichen Bestimmungsmetho- den eine Eiweißausscheidung im Urin festgestellt werden kann, signalisiert eine persistierende Mikroalbuminausscheidung von wenigen Milligramm das Anbah- nen einer mikroangiopathischen Schädigung der Nieren.
Bei der terminalen Niereninsuffi- zienz sind alle sogenannten Nie- renersatztherapien auch bei Dia- betikern anwendbar. Die ambu- lante Peritonealdialyse (CAPD) ist mit besonders gutem Erfolg bei Diabetikern einsetzbar, da Shunt- Probleme und Glaskörperblutun- gen (Retinopathie!) vermieden werden können. Das Problem der Peritonitis bei diesem Verfahren
scheint allerdings bei Diabetikern größer zu sein als bei Nichtdiabe- tikern. Laser- und Lichtkoagula- tion sind als Therapie der Wahl bei beginnender proliferativer Re- tinopathie anzusehen. Hier konn- ten hervorragende Ergebnisse in kontrollierten Studien gezeigt werden. Bei erblindeten vollge- bluteten Augen kann heute auch eine sogenannte Vitrektomie in Frage kommen. Dabei wird über eine Kanüle der hämorrhagische Glaskörper mit dem proliferativen Gewebe abgesaugt und durch ei- ne klare Flüssigkeit ersetzt. In et- wa 50 Prozent der Fälle kann der Visus beträchtlich verbessert wer- den.
Vorsorgeprogramm für alle Diabetiker
Standl setzte sich energisch für ein Vorsorgeprogramm ein, um die makro- und mikrovaskulären Spätkomplikationen rechtzeitig erkennen und therapieren zu kön- nen. Es würde nach seiner Mei- nung und der Meinung der Teil- nehmer des Round-Table-Ge- sprächs in der Praxis einen gro- ßen Fortschritt für die Therapie der diabetischen Spätkomplika- tionen bedeuten, wenn alle Diabe- tiker — zusätzlich zur alleinigen Kontrolle des Blutzuckers — vor- sorglich weiteren einfachen La- borkontrollen und klinischen Maß- nahmen zur möglichst frühzeit- igen Diagnose von zusätzlichen Risiken sowie vaskulären Kompli- kationen unterzogen würden. Die- se Vorsorgeprogramm sollte um- fassen: jährliche Messungen von Cholesterin und Triglyzeriden im Serum, augenärztliche Untersu- chungen, Überprüfungen des Harnstatus, eventuell unter Ein- schluß der Mikroalbuminurie, Ge- fäßstatus einschließlich Blut- druckmessung, Auskultation des Herzens, EKG, Palpation und Aus- kultation der Hirn- und Extremitä- ten-versorgenden Arterien, gege- benenfalls Ultraschall-Doppler- Verfahren, orientierende Untersu- chungen des peripheren Nerven- systems.
In der auch an dieses Referat an- schließenden lebhaften Diskus- sion wurden von einem Ophthal- mologen die möglicherweise gün- stigen Einflüsse von Kalziumant- agonisten bei der Retinopathie diskutiert. Über die Wichtigkeit von Schulungsmaterial, das von pharmazeutischen Firmen dan- kenswerterweise zur Verfügung gestellt wird, waren sich alle einig.
Die Schulung ist die Grundlage ei- ner optimalen Therapie, die wie- derum die entscheidende Präven- tion gegenüber den Spätkompli- kationen darstellt. Für die diabeti- sche Polyneuropathie wurden die exakte Diabeteseinstellung — ge- gebenenfalls mit Insulinpumpen — Thioctsäure in hohen Dosen (in- travenös), gelegentlich Tegretal und in Zukunft Aldosereduktase- hemmer, die sich allerdings noch in der klinischen Prüfung befin- den, empfohlen.
Professor Dr. med.
Hellmut Mehnert
Chefarzt der III. Medizinischen Abteilung des
Städtischen Krankenhauses München-Schwabing Kölner Platz 1 8000 München 40
NOTIZ
Blinder Fleck
In Heft 4/1986 des Deutschen Ärzteblattes ist auf Seite 186 in dem Übersichtsaufsatz „Künst- liches Fieber in der Krebstherapie"
ein Fehler durch den gesamten Produktionsprozeß vom Manu- skript bis zum Druck unbemerkt geblieben: Der berühmte Arzt der Antike heißt dort „Hypokrates"
statt „Hippokrates". Offenbar hat das so häufige Wort „Hyperther- mie" in diesem Aufsatz bei allen Beteiligten einen „blinden Fleck"
verursacht, so daß der falsche „Hy- pokrates" niemandem mehr auf- fiel. Natürlich war Hippokrates nicht ein Unterherrscher, sondern ein Pferdebeherrscher. MWR 616 (52) Heft 10 vom 5. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A