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Archiv "US-Sozialsystem: Millionen Kinder ohne Schutz" (07.09.2007)

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A2384 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 36⏐⏐7. September 2007

P O L I T I K

D

er Zähler läuft unaufhörlich.

Fast 425 000 Kinder, so zeigt er an, wurden in den USA ohne Krankenversicherungsschutz gebo- ren, seit der 110. Kongress Anfang Januar 2007 in Washington seine Arbeit aufgenommen hat. Und die Uhr läuft ständig weiter. In weniger als einer Minute kommt ein Kind hinzu. Mit der Zählung macht die Nichtregierungsorganisation „Chil- dren’s Defense Fund“ mit Sitz in der US-Hauptstadt auf ihrer Internetsei- te auf eins der drängendsten Proble- me des Sozialsystems in den Verei- nigten Staaten von Amerika auf- merksam: Neun Millionen Minder- jährige aus gering verdienenden Fa- milien sind dort nicht oder nur unzu- reichend versichert. Weil die Regie- rung von Präsident George W. Bush eine Ausweitung des staatlichen Krankenversicherungsschutzes für sie ablehnt, droht sich die Lage nun zu verschärfen.

Dabei ist das Problem nicht neu.

Bereits vor zehn Jahren wurde in Washington ein Schutzprogramm aufgelegt, das Kinder und Jugendli- che aus gering verdienenden Fami- lien vor dem Verlust der Kranken- versicherung bewahren sollte. Bei dem „State Children’s Insurance Program“ (SCHIP) handelte es sich um eine der größten sozialpoliti- schen Initiativen seit Beginn des Medicaid-Programms in den 60er- Jahren. SCHIP ist für die Kinder derjenigen Eltern vorgesehen, deren Verdienst die Armutsgrenze um 200 Prozent überschreitet. Bei einer dreiköpfigen Familie sind das der- zeit 42 900 US-Dollar im Jahr. Die Versicherungslücke zwischen gänz- lich verarmten und hinreichend ver- dienenden Familien zu schließen, war wichtig. Denn immer öfter konnten gerade Eltern mit geringem Gehalt, aus Gelegenheitsjobs etwa,

die Raten für die privaten Versiche- rungen nicht mehr bezahlen – und verloren damit den Versicherungs- schutz für die ganze Familie. Allein im Haushaltsjahr 2006 profitierten von dem SCHIP-Programm 6,9 Mil- lionen Kinder und Jugendliche.

Doch als die Initiative nach zehn Jahren fortgeführt werden sollte, kam es zum Streit zwischen dem Kongress und der US-Bundesregie- rung. Wegen „philosophischer Ein- wände“ lehnte Präsident Bush die von Sozialverbänden und Abgeord- neten geforderte Ausweitung des SCHIP-Programms Ende Juli ab.

Wenn der Staat vorschnell für Nichtversicherte einspringe, wür- den zu viele Familien ohne Zwang von der privaten in die staatliche Versorgung wechseln, so der Staats- chef: „Und dann würde auch die Qualität der Versorgung leiden.“

Bush kündigte an, gegen eine Aus- weitung des SCHIP-Programms zu stimmen, wie sie vom Kongress ge- fordert worden war.

Bush will staatliche Zuschüsse gering halten

Das Aufsehenerregende an der an- haltenden Debatte ist, dass nur we- nige Tage nach dieser Stellung- nahme zunächst das Repräsentan- tenhaus und dann der Senat gegen die präsidiale Meinung und für eine Fortführung sowie Ausweitung des SCHIP-Programms votierten; mit Unterstützung beider Parteien, der regierenden Republikaner wie auch der Demokraten. Das Repräsentan- tenhaus behandelte das Thema am 1. August, im Senat wurde die In- itiative zwei Tage später mit 68 zu 31 Stimmen angenommen. Die Ent- scheidung der beiden Kammern sei beachtlich, schrieb die soziale Lobbyorganisation „Families USA“

daraufhin, „weil sich die Senatoren

nicht nur für das Wohl von Millio- nen Kindern entschieden haben, sondern auch gegen die beschämen- de Drohung des Präsidenten, sein Veto einzulegen“.

Einer der exponierten Kritiker der Regierungslinie ist Max Baucus.

Der Abgeordnete der Demokrati- schen Partei aus dem Bundesstaat Montana und Vorsitzende des Fi- nanzkomitees des Senats warnte in der Tageszeitung „New York Times“

vor einer Abkehr von dem Pro- gramm, weil dann „der Schutz Zehn- tausender Kinder gefährdet wäre“.

Während der Präsident die staatli- chen Zuschüsse im Krankenversi- cherungswesen gering halten will, weisen seine Kritiker auf die Erfolge des Programms hin. Nach einer Stu- die der Brigham Young University im US-Bundesstaat Utah könnte sich die Einschränkung des SCHIP- Programms als Milchmädchenrech- nung erweisen. Denn nicht versi- cherte Kinder seien weniger gesund und würden häufiger als Notfälle be- handelt. Für diese Kosten müsse der Staat dann auf jeden Fall aufkom- men. Darauf wies auch der Kolum- nist der „New York Times“, Paul Krugman, hin. Schwer asthmakran- ke Kinder, die von dem SCHIP-Pro- gramm profitierten, hätten 60 Pro- zent weniger Anfälle, die stationäre und ambulante Behandlung gehe um 70 Prozent zurück. Auch das mag ein Grund dafür sein, dass nach einer Umfrage der Washingtoner George- town-Universität rund 90 Prozent der US-Amerikaner das Programm befürworten. Selbst unter Mitglie- dern der Republikanischen Partei sind es noch 83 Prozent.

Nach den Parlamentsferien im September sollen sich die beiden Kammern des Kongresses, Abgeord- netenhaus und Senat, erneut mit dem Fall beschäftigen. Die Regierung will für die kommenden fünf Jahre lediglich 30 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen, in den ersten zehn Jahren waren es 40 Milliarden.

Nach Ansicht von Experten und Ab- geordneten sind hingegen 50 Milliar- den US-Dollar notwendig, um den jetzigen Versicherungsstand zu wah- ren. Und selbst dann blieben Millio- nen Minderjährige außen vor. I Harald Neuber

US-SOZIALSYSTEM

Millionen Kinder ohne Schutz

Die Regierung von Präsident George W. Bush lehnt es ab,

den staatlichen Krankenversicherungsschutz für Minderjährige

aus sozial schwachen Familien auszuweiten.

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