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Archiv "Präventionsprojekt: Therapie für Pädophile" (17.06.2005)

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mart sieht er aus, der junge Mann in der S-Bahn. Ein Frauentyp könnte man meinen. Doch seine Aufmerk- samkeit gilt nicht der attraktiven Mut- ter, die mit ihrem Sohn das Abteil be- tritt. Es ist das blonde Kind, das den Puls des Mannes rasen lässt. Erst als Mutter und Kind an der nächsten Stati- on aussteigen, beruhigt sich der Herz- schlag des Mannes.

„Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?“, fragt eine Stimme am Ende des TV-Spots. Unter diesem Motto steht eine Medienkampagne, mit der ab sofort nach Probanden für ein außerge- wöhnliches Forschungsprojekt gesucht wird. Mit einem weltweit einmaligen Therapieversuch will das Institut für Se- xualmedizin der Berliner Charité po- tenzielle Triebtäter von Übergriffen auf Kinder abhalten. Dafür stehen insge- samt 180 unentgeltliche Therapieplätze zur Verfügung.

In Deutschland werden jährlich nach polizeilichen Kriminalstatistiken etwa 20 000 Kinder Opfer sexueller Über- griffe. Dabei sind sich Experten einig, dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegt. „Wir gehen davon aus, dass das Dunkelfeld 15- bis 20-mal so groß ist“, sagt Jerome Klein von der Opfer- schutz-Stiftung „Hänsel und Gretel“.

An die so genannten Dunkelfeld- täter richtet sich das Angebot der Cha- rité, das die Volkswagen-Stiftung mit 517 000 Euro fördert und das strikt un- ter ärztlicher Schweigepflicht steht. Bis- lang gebe es keinerlei therapeutische Prävention. „Insofern hat unser Projekt

Pioniercharakter“, sagt Prof. Dr. Dr.

Klaus Beier, Direktor des Instituts für Sexualmedizin an der Charité und Lei- ter des Forschungsvorhabens. Man dür- fe das Programm aber nicht als Täter- schutz missverstehen. Vielmehr gehe es darum, Kinder vor sexuellem Miss- brauch zu bewahren.

Der Behandlungsansatz besteht aus einer kombinierten Psycho- und Phar- makotherapie, der sowohl verhal- tenstherapeutische als auch spezielle sexualmedizinische Behandlungskon- zepte zugrunde liegen. Nach einer vier- monatigen Diagnosephase beginnt die eigentliche Therapie. „Man kann Pädo- philie nicht heilen, aber man kann ler- nen, sie zu kontrollieren, sodass sie nie- manden gefährdet“, sagt Studienleiter

Beier. Deshalb sollten die Patienten in Einzel- und Gruppensitzungen dazu ge- bracht werden, ihre Veranlagung zu ak- zeptieren.Weil sie damit leben müssten, lernten die Probanden in einem näch- sten Schritt, mit diesen Gefühlen umzu- gehen. „Das ist richtiges Training“, meint Beier. Zur Unterstützung könnten alle Teilnehmer Medikamente zur Dämp- fung sexueller Impulse einnehmen.

Nach Ansicht Beiers sind solche An- gebote dringend nötig. Denn an Pädo- philie litten ungefähr so viele Menschen wie an Schizophrenie, etwa ein Prozent der Bevölkerung. Gleichzeitig handele es sich um Patienten, die potenziell fremdgefährdend seien, was bei Schizo- phrenie selten sei. Doch während es für psychotische Symptome Therapiemög- lichkeiten gebe, bleibe die Patienten- gruppe der Pädophilen vollkommen unterversorgt.

Dr. med. Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin und Beirats- mitglied des Forschungsprojektes be- grüßt die Initiative der Charité. „Wir Erwachsenen haben die Pflicht, unsere Kinder so weit wie möglich vor sexuel- len Übergriffen zu schützen.“ Jedoch bedürfe die Diagnostik und Therapie sexueller Präferenz- und Verhaltens- störungen spezieller Kenntnisse, die bisher nicht Bestandteil von Facharzt- oder Fachtherapeutenausbildung seien, so Jonitz. „Auch sind Präventionsan- gebote nicht Leistungsgegenstand der Krankenkassen“, ergänzt Diplom-Psy- chologe Christoph Joseph Ahlers vom Sexualwissenschaftlichen Institut der Charité: „Was keiner lernt und keiner bezahlt bekommt, das bietet auch kei- ner an.“

Dabei sei die Nachfrage groß, sagt Sexualforscher Beier. „Seit Jahren stel- len sich bei uns Männer vor, die sagen, dass sie sexuelle Fantasien mit Kindern haben, und bitten um Hilfe.“ Schon vor dem Start der PR-Aktion hätten sich mehr als 50 Männer gemeldet. Dies be- reitet Beier aber auch Sorgen: „Sollten wir nach der viermonatigen Medien- kampagne mehr Teilnahmewillige ha- ben, als wir behandeln können, haben wir ein Problem.“ Samir Rabbata

A

A1712 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005

Auf der Website www.kein-taeter-werden.de erhalten Interessierte weitere Informationen und Kontaktdaten.

Mit TV-Spots und Zeitungsanzeigen sollen Pädophile auf das Präventionsprojekt der Charité aufmerksam gemacht werden.

Präventionsprojekt

Therapie für Pädophile

Die Charité startet das weltweit

erste Behandlungsprogramm

zur Vorbeugung von sexuellen

Übergriffen auf Kinder.

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