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Parodontale und mikrobiologische Veränderungen nach kombiniert kieferorthopädisch-chirurgischer Therapie

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Academic year: 2022

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Aus der Klinik für

Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde des Zentrums Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

der Medizinischen Hochschule Hannover (Direktor: Prof. Dr. W. Geurtsen)

Parodontale und mikrobiologische Veränderungen nach kombiniert kieferorthopädisch-chirurgischer Therapie

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Zahnheilkunde in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Knut Weinspach

aus Hildesheim

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am: 17.01.2011

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann

Betreuer der Arbeit: Prof. Dr. Hüsamettin Günay / Dr. Ingmar Staufenbiel Referent / Referentin: Prof. Dr. Dr. Oskar Bauß

Korreferent / Korreferentin: PD Dr. Dr. Horst Kokemüller Tag der mündlichen Prüfung: 17.01.2011

Promotionsausschussmitglieder:

Prof. Dr. Dr. André Eckardt PD Dr. Michael Eisenburger Prof. Dr. Jochen Ehrich

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ...………..…….………... 1

1.1 Skelettale Dysgnathien ……….……….. 2

1.2 Kombiniert kieferorthopädisch-chirurgische Therapie ……….. 4

1.2.1 Ablauf der kieferorthopädisch-chirurgischen Therapie ……….………... 5

1.2.2 Komplikationen von Umstellungsosteotomien ….………... 7

1.3 Gingivale Rezessionen ……….……….. 9

1.3.1 Ätiologie gingivaler Rezessionen ……….……….. 9

1.3.1.1 Anatomische Faktoren ……… 10

1.3.1.2 Zahnposition und kieferorthopädische Zahnbewegungen ... 11

1.3.1.3 Mechanisches Trauma ……… 11

1.3.1.4 Lokale Plaqueretentionsstellen ………... 12

1.4 Bakterieller Biofilm ... 13

1.4.1 Entstehung des Biofilms ... 13

1.4.2 Auswirkungen des Biofilms auf das pardodontale Gewebe ... 15

1.4.2.1 Gesunder Zustand ………..……….. 15

1.4.2.2 Initiale Läsion (physiologischer Zustand) ……...……… 15

1.4.2.3 Frühe Läsion (akute Gingivitis) ... 16

1.4.2.4 Etablierte Läsion (chronische Gingivitis) ... 17

1.4.2.5 Fortgeschrittene Läsion (Parodontitis) ………. 17

1.4.3 Parodontalpathogene Bakterien ... 18

1.4.3.1 Aggregatibacter actinomycetemcomitans (Aa) ………. 19

1.4.3.2 Porphyromonas gingivalis (Pg) ………... 20

1.4.3.3 Treponema denticola (Td) ………. 21

1.4.3.4 Tannerella forsythensis (Tf) ……….. 22

1.4.3.5 Prevotella intermedia (Pi) ………. 23

1.4.4 Nachweis parodontalpathogener Bakterien ……… 23

1.5 Fragestellungen ………..…. 24

2 Material und Methode ... 25

2.1 Einschlusskriterien ………..….. 25

2.2 Operative Verfahren ………..…... 25

2.2.1 Umstellungsosteotomie des Oberkiefers ……….. 25

(4)

2.3 Klinische Untersuchung ………. 28

2.4 Mikrobiologische Analyse der subgingivalen Mikroflora ……… 29

2.5 Statistische Auswertung ………. 31

2.5.1 Statistische Auswertung im Bereich der Schnittführung ……… 31

3 Ergebnisse ………..…… 33

3.1 Patientendaten ………..……. 33

3.2 Vergleich der Untersuchungszeitpunkte T0, T1 und T2 ……… 33

3.2.1 Sondierungstiefe (ST) ……… 33

3.2.2 Gingivale Rezession (GR) ………. 34

3.2.3 Klinisches Attachmentlevel (KAL) ……… 34

3.2.4 Bluten nach Sondieren (BnS) ………... 35

3.2.5 Plaqueindex (PI) ………..…….. 36

3.2.6 Mikrobiologischer Befund ……….……… 39

3.3 Vergleich der Untersuchungszeitpunkte T0 und T2 ……….. 41

3.3.1 Sondierungstiefe (ST) ……… 41

3.3.2 Gingivale Rezession (GR) ………. 42

3.3.3 Klinisches Attachmentlevel (KAL) ……… 42

3.3.4 Bluten nach Sondieren (BnS) ……….. 43

3.3.5 Breite der keratinisierten Gingiva (BKG) ……….. 44

3.3.6 Parodontale Veränderungen im Bereich der Schnittführung ……….. 44

3.3.6.1 Oberkiefer ……..……… 44

3.3.6.2 Unterkiefer ……..……… 44

3.3.7 Einfluss des gingivalen Phänotyps ……… 45

3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse ……….. 47

4 Diskussion ………..……… 49

4.1 Diskussion der Materialien und der Methodik ……..………. 49

4.1.1 Patientenauswahl ………..……….. 49

4.1.2 Operative Verfahren ………..………... 49

4.1.3 Klinische Untersuchung ……….……….. 50

4.1.4 Statistische Auswertung ………... 50

4.2 Diskussion der Ergebnisse ……… 52

4.2.1 Sondierungstiefe (ST) ……….. 52

4.2.2 Gingivale Rezession (GR) ……… 53

4.2.3 Klinisches Attachmentlevel (KAL) ……….. 54

(5)

4.2.4 Bluten nach Sondieren (BnS) ………. 54

4.2.5 Plaqueindex (PI) …... 54

4.2.6 Auswirkungen des gingivalen Phänotyps ………. 55

4.2.7 Mikrobiologischer Befund ……… 56

4.3 Einordnung der vorliegenden Daten in die aktuelle Literatur ………. 60

4.4 Schlussfolgerungen ………. 65

5 Zusammenfassung ………. 67

6 Literaturverzeichnis ………. 69

7 Danksagung ……….. 87

8 Lebenslauf ……….. 88

9 Erklärung nach §2 Abs. 2 Nr. 5 und 6 PromO ……… 89

(6)

1 Einleitung

Umstellungsosteotomien haben sich zu einer etablierten Behandlungsmöglichkeit dentofazialer Deformitäten entwickelt. Trotz zahlreicher Vorteile, die mit kiefer- orthopädischer Chirurgie in Zusammenhang gebracht werden, bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Le Fort I Osteotomie des Oberkiefers und der sagittalen Spaltung des Unterkiefers um Wahleingriffe handelt, die mit seltenen aber gravierenden Komplikationen assoziiert sein können. Zu diesen Komplikationen zählen unter anderem Nekrosen der verlagerten Kiefersegmente, Infektionen oder exzessive Blutungen. Objektiv betrachtet stellen parodontale Veränderungen im Vergleich zu diesen schwerwiegenden Komplikationen eher unbedeutende Folgen für den Patienten dar. Dennoch können ausgeprägte gingivale Rezessionen, die als Folge von Umstellungsosteotomien entstehen, das ästhetische Erscheinungs- bild nachhaltig beeinträchtigen und die chirurgische Intervention in den Augen des Patienten als Misserfolg erscheinen lassen. Insofern erscheint es sinnvoll, den Einfluss von Umstellungsosteotomien auf die parodontalen Gewebe zu unter- suchen, um so das individuelle Risiko für gingivale Rezessionen und andere parodontale Veränderungen abschätzen zu können.

Die Einleitung beschäftigt sich zu Beginn mit den skelettalen Formanomalien des Ober- und Unterkiefers sowie mit der Definition, dem Ablauf und den Komplikatio- nen von Umstellungsosteotomien. In der Literatur existieren einige Fallberichte, die davon berichten, dass nach Umstellungsosteotomien ausgeprägte gingivale Rezessionen entstanden waren. Daher werden im Anschluss die möglichen Ursachen für gingivale Rezessionen beschrieben.

Darüber hinaus bergen Umstellungsosteotomien ein erhöhtes Risiko für Plaque- akkumulation und somit für plaquebedingte parodontale Veränderungen. Wie der orale Biofilm entsteht und welche Bedeutung er für die parodontalen Gewebe und die orale Mikroflora hat, soll am Ende der Einleitung Erwähnung finden.

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1.1 Skelettale Dysgnathien

Der Begriff Dysgnathie beschreibt Anomalien der Zahnstellung, der Okklusion und der knöchernen Kieferbasen. Skelettale Dysgnathien bezeichnen per definitionem Anomalien der Kieferposition und Kiefergröße und entstehen immer dann, wenn ein unproportionales Wachstum von Ober- und Unterkiefer zueinander sowie zur anterioren Schädelbasis vorliegt. Darüber hinaus sind skelettale Anomalien in der Regel mit Anomalien der Zahnstellung und der Okklusion vergesellschaftet.

Dieses Phänomen ist darauf zurückzuführen, dass sich durch kompensatorische Zahnbewegungen ein funktioneller Ausgleich zur skelettalen Diskrepanz ausbildet (Athanasiou et al. 1989, Bailey et al. 1999).

Angle-Klasse II Angle-Klasse III

Abb. 1:

Profilbild einer mandibulären Re- trognathie mit eingefallenem un- terem Gesichtsdrittel und ausge- prägter Sublabialfalte

Abb. 2:

Profilbild einer mandibulären Pro- gnathie mit prominentem unterem Gesichtsdrittel und kurzer, einge- fallener Oberlippentreppe

Skelettale Anomalien können sich in allen drei Dimensionen des Raumes mani- festieren. Daher werden im Rahmen der Diagnostik drei Raumebenen (sagittal,

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Sagittale Anomalien lassen sich durch die Bezeichnungen Prognathie und Retrognathie voneinander unterschieden. Dabei bezeichnet der Begriff Prognathie die Ventralposition und der Begriff Retrognathie die Dorsalposition eines Kiefers in Relation zur Schädelbasis. Je nach Lokalisation lassen sich mandibuläre und maxilläre Prognathien und Retrognathien voneinander unterscheiden (Abb. 1-3).

Abb. 3: Die acht skelettalen Varianten sagittaler Formanomalien (nach Fuhrmann 2002)

Analog zu Formanomalien in der Sagittalen können auch in der Vertikalen Kiefer- position und -größe variieren. In der Vertikalen werden definitionsgemäß skelettal offene und skelettal tiefe Relationen voneinander unterschieden. Während bei

a) mandibuläre Prognathie b) mandibuläre Retrognathie c) mandibuläre und maxilläre

Prognathie

d) mandibuläre und maxilläre Retrognathie

e) maxilläre Retrognathie f) maxilläre Prognathie g) maxilläre Retrognathie und

mandibuläre Prognathie h) maxilläre Prognathie und

mandibuläre Retrognathie

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einer skelettal tiefen Relation ein relativ kurzes Untergesicht vorliegt, zeichnet sich eine skelettal offene Relation durch ein verhältnismäßig langes Untergesicht aus („long face syndrome“).

In der Transversalen sind in der Regel unterschiedlich große Kieferbasen für die skelettalen Diskrepanzen verantwortlich. Als Folge können im Seitenzahnbereich Kopf- und Kreuzbisse sowie bukkale Nonokklusion entstehen. Generell gilt, dass alle Anomalien in der Sagittalen mit solchen in der Vertikalen und Transversalen kombiniert sein können.

1.2 Kombiniert kieferorthopädisch-chirurgische Therapie

Dentofaziale Anomalien stellen für Patienten sowohl funktionell als auch ästhe- tisch kompromittierende Krankheitsbilder dar. Bei der Indikationsstellung für eine kombiniert orthodontisch-chirurgische Therapie liegt daher das Augenmerk nicht nur auf der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes, sondern auch auf der Beseitigung kraniomandibulärer Dysfunktionen und der Verbesserung der Abbeiß- und Kaufunktion. Nahezu alle Dysgnathien können heute konservativ, also rein kieferorthopädisch behandelt werden – vorausgesetzt, die Behandlung wird recht- zeitig begonnen und die Compliance des Patienten ist gegeben. Nur in sehr schweren Dysgnathiefällen mit kieferorthopädisch nicht beeinflussbarem Kiefer- bzw. Schädelwachstum ist eine kieferorthopädisch-chirurgische Kombinationsthe- rapie mit chirurgischer Verlagerung des bzw. der zahntragenden Kiefersegmen- te(s) erforderlich. Eine operative Korrektur mit begleitender kieferorthopädischer Behandlung kann aber auch dann sinnvoll sein, wenn die kieferorthopädische Therapie nicht rechtzeitig begonnen, durch ungünstige Wachstumsschübe negativ beeinträchtigt oder wegen fehlender Patientencompliance nicht erfolgreich abgeschlossen wurde (Schopf 2000).

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1.2.1 Ablauf der kieferorthopädisch-chirurgischen Therapie

Die kombiniert kieferorthopädisch-chirurgische Therapie gliedert sich in folgende drei Phasen:

1) Präoperative orthodontische Dekompensation 2) Umstellungsosteotomie (chirurgischer Eingriff)

3) Postoperative orthodontische Feineinstellung der Okklusion.

Ziel der präoperativen kieferorthopädischen Behandlung ist es, kongruente Zahnbögen zu schaffen und die Zähne achsengerecht auf den jeweiligen Kiefer- basen einzustellen. Abhängig vom Umfang der erforderlichen Maßnahmen, nimmt die präoperative kieferorthopädische Behandlung zirka 12 bis 24 Monate in Anspruch. Da skelettale Dysgnathien häufig von Anomalien der Zahnstellung im Sinne eines Kompensationsmechanismus begleitet sind, müssen diese Kompen- sationsmechanismen präoperativ orthodontisch zurückgeführt, also dekompensiert werden. Dies bedeutet in vielen Fällen, dass die Anomalie zunächst verstärkt wird.

Grundsätzlich werden alle orthodontischen Zahnbewegungen mit festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen durchgeführt, die während des gesamten Behandlungszeitraumes, also auch während der Operation, im Mund des Patienten verbleiben.

Abb. 4:

Therapiesimulation im Artikulator:

Kieferorthopädisches Set-up in der Oberkieferfront und Modelloperation im Unterkiefer (aus Fuhrmann 2002)

Die Umstellungsosteotomie ist die eigentliche Therapie der skelettalen Anomalie und wird in der Regel erst nach Abschluss des Gesichtsschädelwachstums durch-

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geführt, um so einem postoperativen Rezidiv vorzubeugen. Bei Mädchen endet das Wachstum in der Regel bereits mit 16 Jahren, bei Jungen etwa zwei Jahre später. Durch die Umstellungsosteotomie ist es möglich, das mobilisierte Kiefer- segment dreidimensional zu verlagern und mit hoher Präzision in der präoperativ mittels Modelloperation (Schwestka-Polly et al. 1999) oder Computersimulation (Schendel und Jacobson2009) ermittelten Position zu fixieren.

Abb. 5:

Profilbild einer mandibulären Retro- gnathie zu Beginn der Therapie

Abb. 6:

Profilbild mit harmonischen skelettalen Relationen zum Abschluss der Therapie

Um die im Rahmen der Modelloperation errechneten Verlagerungsstrecken auf den Operationssitus übertragen zu können, werden präoperativ interokklusale Splinte aus Polymethylmethacrylat (PMMA) angefertigt, die sowohl intraoperativ als auch postoperativ zur Lagesicherung der verlagerten Kieferbasen beitragen.

Nach einer sechswöchigen Heilungsphase erfolgt wieder eine orthodontische Phase von sechs bis 12 Monaten, in der die letzten okklusalen Feineinstellungen durchgeführt werden. Ziel ist die Einstellung einer stabilen Okklusion, die am zuverlässigsten einem Rezidiv vorbeugen kann (Dannhauer und Krey 2009).

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1.2.2 Komplikationen von Umstellungsosteotomien

In der Literatur sind im Zusammenhang mit der kieferorthopädisch-chirurgischen Kombinationstherapie zahlreiche Vorteile genannt worden. Zu diesen Vorteilen zählen die Verbesserung der Kaufunktion (Karabouta und Martis 1985, White und Dolwick 1992, Zarrinkelk et al. 1996), die Prävention parodontaler Erkrankungen (Schultes et al. 1998), der verminderte Gesichtsschmerz (Magnusson et al. 1986, Magnusson et al. 1990, Rodrigues-Garcia et al. 1998) und ein verbessertes ästhetisches Erscheinungsbild (Tucker 1995, Cheng et al. 1998, Altug-Atac et al.

2008, Islam et al. 2010). Dennoch muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass Umstellungsosteotomien Wahleingriffe sind, die mit einer Reihe von Komplikatio- nen assoziiert sein können.

Hinsichtlich der Le Fort I Osteotomie des Oberkiefers sind die möglichen intra- und perioperativen Komplikationen von Kramer et al. (2004) ausführlich beschrieben worden. Sie untersuchten die Komplikationen von 1000 konsekutiven Patienten, bei denen ein kieferchirurgischer Eingriff zur Verlagerung des Oberkiefers durch- geführt worden war, und unterschieden anatomische, hämorrhagische, septische und ischämische Komplikationen. Als anatomische Komplikationen wurden nach dem chirurgischen Eingriff Deviationen des Nasenseptums (1,6 Prozent), eine fehlende Verknöcherung des Osteotomiespaltes (0,8 Prozent) und Fehlpositionen der Maxilla (0,2 Prozent) beobachtet. Eine hämorrhagische Komplikation lag definitionsgemäß immer dann vor, wenn zusätzlich zur präoperativ gewonnenen Eigenblutspende Erythrozytenkonzentrate von Fremdspendern verabreicht werden mussten, um den operationsbedingten Blutverlust zu kompensieren. Transfusio- nen von Fremdspenderkonzentraten waren in 1,1 Prozent der Fälle erforderlich.

Zu den septischen Komplikationen zählten Abszedierungen (0,5 Prozent) und Sinusitiden im Bereich der Kieferhöhle (0,6 Prozent). Ischämische Komplikationen beinhalteten zum einen Nekrosen der verlagerten Kiefersegmente (0,2 Prozent) und zum anderen gingivale Rezessionen (0,8 Prozent).

Eine vergleichbare Studie ist für die sagittale Spaltung des Unterkiefers von Teltzrow et al. (2005) veröffentlicht worden. Diese Autoren untersuchten die perioperativen Komplikationen von 1264 konsekutiven Patienten und berichteten von postoperativen Infektionen (2,8 Prozent), iatrogener Schädigung des

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N. alveolaris inferior (2,1 Prozent), Deformierung oder Fraktur des Osteosynthese- materials (1,4 Prozent), exzessiven Blutungen (1,2 Prozent) und partieller Fazialis- schwäche (0,6 Prozent). Die Inzidenz gingivaler Rezessionen wurde in dieser Untersuchung jedoch nicht erwähnt.

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass die Bildung eines Mukoperiostlappens zur Rezessionsbildung führen kann (Velvart und Peters 2005, von Arx et al. 2007, 2009, Deschner et al. 2009). Da auch in Case Reports ausgeprägte gingivale Rezessionen nach Umstellungsosteotomien beschrieben worden sind (Yeo et al.

1989, Omnell et al. 1994, Gardner 2007), stellt sich die Frage, ob Umstellungs- osteotomien ein erhöhtes Risiko für gingivale Rezessionen darstellen und wenn ja, welche Maßnahmen getroffen werden können, um dieses Risiko zu minimieren.

Der nächste Abschnitt befasst sich daher mit der Definition, der Ätiologie und den Risikofaktoren gingivaler Rezessionen.

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1.3 Gingivale Rezessionen

Bei parodontal gesunden Individuen befindet sich die marginale Gingiva zirka 0,5 bis 1 mm koronal der Schmelz-Zement-Grenze und die Zahnwurzeln sind voll- ständig von Zahnhalteapparat bedeckt. Gingivale Rezessionen sind durch Apikal- verlagerung des Zahnfleischsaumes in Relation zur Schmelz-Zement-Grenze charakterisiert und auf klinischen Attachmentverlust zurückzuführen. In der Litera- tur werden zahlreiche Faktoren diskutiert, die bei der Ätiopathogenese von Rezes- sionen eine Rolle spielen. Diese Faktoren sollen im Folgenden Erwähnung finden.

1.3.1 Ätiologie gingivaler Rezessionen

In der Literatur existieren hinsichtlich der Ätiologie gingivaler Rezessionen unter- schiedliche Klassifikationssysteme. Tugnait und Clerehugh (2001) schlugen in ihrem Review-Artikel zwei ätiologische Subkategorien vor:

1) Rezessionen ohne pathologischen Alveolarknochenverlust 2) Rezessionen mit pathologischem Alveolarknochenverlust.

Während nicht-pathologischer Alveolarknochenverlust durch anatomische Fakto- ren, Zahnposition, kieferorthopädische Zahnbewegungen, mechanisches Trauma und lokale Plaqueretentionsstellen induziert werden kann, ist pathologischer Alveolarknochenverlust auf eine parodontale Erkrankung und / oder Nikotinabusus zurückzuführen. Darüber hinaus scheinen gingivale Rezessionen zu entstehen, wenn oralchirurgische Eingriffe in direktem Kontakt zu mukogingivalen Geweben durchgeführt werden (Velvart und Peters 2005). Die postoperative Narbenbildung und die konsekutive Kontraktion der Kollagenfasern können Zug auf die muko- gingivalen Gewebe ausüben und dadurch gingivale Rezessionen verursachen.

Im Folgenden sollen abgesehen von Rezessionen mit pathologischem Alveolar- knochenverlust die einzelnen auslösenden und prädisponierenden Risikofaktoren für Rezessionen kurz erläutert werden.

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1.3.1.1 Anatomische Faktoren

Die Gingiva des Menschen zeigt hinsichtlich ihrer Morphologie große interindivi- duelle Unterschiede (Seibert und Lindhe 1989, Olsson und Lindhe 1991). Man unterscheidet in der Literatur zwischen einem dünnen und einem dicken gingiva- len Phänotyp (Müller und Eger 1997, Kao et al. 2008), wobei die Übergänge von einem zum anderen fließend sind. Personen mit schlanken Zahnformen haben zumeist eine dünne, fragile Gingiva, wohingegen Personen mit eher quadratischen Zahnkronen besonders dicke und derbe Gingiva aufweisen. Der dicke Phänotyp zeichnet sich durch eine hohe Belastbarkeit gegenüber mechanischer Traumata aus und reagiert auf subgingivale Infektionen zumeist mit Taschenbildung. Der dünne Phänotyp dagegen ist sehr empfindlich gegenüber mechanischer Trauma- ta und begegnet bakteriellen Reizen in der Regel mit Rezessionsbildung (Eickholz 2005).

Abb. 7:

Aufnahme einer ausgeprägten Knochen- dehiszenz an Zahn 41 im Rahmen eines mukogingivalchirurgischen Eingriffs

Abb. 8:

Das marginal einstrahlende Lippenbändchen und die Narbenzüge als Folge eines chirur- gischen Eingriffs an Zahn 41 haben eine adäquate mechanische Plaquekontrolle be- hindert und so zur Ausbildung einer gingi- valen Rezession geführt.

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Knochen bedeckt ist (Abb. 7). Die darüber liegende Gingiva ist meist sehr dünn und dadurch anfällig für mechanische Traumata und Rezessionen (Löst 1984).

Einen weiteren Einflussfaktor stellen marginal einstrahlende Wangen- und Lippen- bändchen dar (Abb. 8), die zum einen eine adäquate mechanische Plaque- entfernung behindern und zum anderen Zug auf das mukogingivale Gewebe ausüben können (Trott und Love 1966).

1.3.1.2 Zahnposition und kieferorthopädische Zahnbewegungen

Nach kieferorthopädischen Zahnbewegungen sind besonders häufig Unterkiefer- schneidezähne von bukkal gelegenen Rezessionen betroffen. Das ist insbesonde- re dann zu beobachten, wenn Zähne aus dem Alveolarfortsatz hinaus nach bukkal bewegt werden, so dass knöcherne Dehiszenzen entstehen, die bei gleichzeitiger Anwesenheit bakterieller Plaque ein prädisponiertes Areal für Rezessionen darstellen (Steiner et al. 1981). Außerdem sind während des Zahnwechsels sehr weit bukkal durchbrechende Zähne und Zähne im Bereich von Lippen-Kiefer- Gaumenspalten auch auf Grund der fehlenden befestigten Gingiva besonders häufig von Rezessionsbildung betroffen (de Almeida et al. 2010).

1.3.1.3 Mechanisches Trauma

Bei kontinuierlicher Anwendung einer traumatisierenden Zahnputztechnik kommt es häufig zu bukkal oder oral gelegenen Rezessionen, die mit keilförmigen Defek- ten im Bereich der freigelegten Wurzeloberfläche vergesellschaftet sein können.

Für die Entstehung und Progression nicht entzündlicher gingivaler Rezessionen scheinen die Zahnputzdauer, der Anpressdruck, die Häufigkeit des Zahnbürsten- wechsels, die Borstenhärte und die angewandte Putztechnik wichtige Einflussfak- toren zu sein (Rajapakse et al. 2007). So konnte beispielweise in Bezug auf die Borstenhärte in einer Studie von Khocht et al. (1993) gezeigt werden, dass bei Personen, die Zahnbürsten mit harten Borsten anwendeten, signifikant häufiger

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bukkale und orale Rezessionen zu finden waren als bei Personen, die Zahn- bürsten mit mittelharten bis weichen Borsten benutzten.

Aber auch iatrogene Manipulationen an der Gingiva können die Ursache von Rezessionen sein.

1.3.1.4 Lokale Plaqueretentionsstellen

In der Mundhöhle können entweder aus anatomischen Gründen oder als Folge zahnärztlicher Restaurationen Bereiche vorliegen, die für den Patienten nicht rei- nigungsfähig sind. Zu diesen Bereichen zählen beispielsweise verschachtelt ste- hende Zähne oder überstehende Kronen- und Füllungsränder (Parma-Benfenati et al. 1985). Durch lokalisierte Plaqueakkumulation kann eine subgingivale Infektion resultieren, die insbesondere bei Patienten mit dünnem gingivalen Phänotyp zu bukkalen Rezessionen führt.

Auch im Rahmen von Umstellungsosteotomien kommt es durch die Beeinträchti- gung der häuslichen Mundhygiene nach dem chirurgischen Eingriff zu einer ver- mehrten Plaqueakkumulation. Die Entstehung des Biofilms und seine möglichen Folgen für das Parodont und die parodontale Mikroflora sind Thema des nächsten Abschnitts.

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1.4 Bakterieller Biofilm

Die Entstehung von Biofilmen wird überall dort beobachtet, wo feste Oberflächen mit bakteriell besiedelten flüssigen Medien in Berührung kommen. In der Mund- höhle bestehen Biofilme aus Mikroorganismen, extrazellulären bakteriellen Makro- molekülen und den Produkten des umgebenden Speichels bzw. der Sulkusflüssig- keit. Wie die Bakterien durch organisierte Aggregation die Zähne und andere Festkörper in der Mundhöhle besiedeln, soll im Folgenden beschrieben werden.

1.4.1 Entstehung des Biofilms

Auf einer vollständig gereinigten Zahnoberfläche bildet sich innerhalb von Sekun- den ein Film aus Glykoproteinen des Speichels, das so genannte Pellikel oder Schmelzoberhäutchen. Das Pellikel verändert die Oberflächenenergie und -ladung und erleichtert dadurch die Bakterienadhäsion (Gibbons und van Houte 1973).

Die primären Kolonisierer bilden die Grundlage eines jeden Biofilms und bestehen überwiegend aus fakultativ anaeroben grampositiven Kokken. In den ersten 24 Stunden sind auf der Zahnoberfläche zu 70 bis 100 Prozent fakultativ anaerobe grampositive Kokken zu finden, aber auch grampositive Stäbchen und Filamente (v.a. Actinomyceten) kommen nach und nach hinzu (Löe et al. 1965, Theilade et al. 1966). Durch Proliferation, die Aggregation weiterer Bakterien und die Synthese von extrazellulären Polysacchariden kommt es zu einer kontinuierlichen Volumenzunahme des Biofilms.

Ein erster bakterieller Shift ist durch die Zunahme gramnegativer Kokken und Stäbchen zu verzeichnen, die mit den grampositiven Bakterien um die ökologische Nische konkurrieren und den Selektionsdruck erhöhen. Nach zirka zwei bis vier Tagen treten gramnegative Bakterien wie Veillonellen und Fusobakterien als sekundäre Kolonisierer hinzu. Diesen Bakterienspezies ist es nur durch Anheftung an die Oberflächenrezeptoren primärer Kolonisierer möglich, sich in den Biofilm zu integrieren (interbakterielle Aggregation). Die steigende Schichtdicke des Biofilms erschwert zunehmend die Diffusion von Sauerstoff, Nährstoffen und Abfallproduk- ten in und aus den tiefen Schichten des Biofilms. Da der Sauerstoff bereits in den

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oberflächlichen Schichten des Biofilms verstoffwechselt wird, entsteht ein Sauer- stoffgradient, der anaerobes Wachstum in den tiefen Schichten des Biofilms begünstigt (Cobb und Killoy 1990).

So lassen sich nach fünf bis 9 Tagen Spirillen und nach 15 Tagen Spirochäten im Biofilm nachweisen (Listgarten 1976). Mit zunehmender Dauer steigt der Organi- sationsgrad der Plaque, was in der Ausbildung von Mikrokolonien (z.B. Maiskol- benformationen) ersichtlich wird (Listgarten et al. 1975).

Insgesamt sollte der bakterielle Biofilm weniger als ungeordnete Ansammlung, sondern vielmehr als strukturelles Netzwerk verstanden werden, in dem unter- schiedliche Bakterienspezies miteinander in Beziehung stehen und zum Teil sogar voneinander profitieren (interbakterielle Wechselwirkungen). So konnte gezeigt werden, dass die Stoffwechselprodukte bestimmter Mikroorganismen als Wachs- tumsfaktoren für andere Bakterien dienen und dass Bakterien untereinander per Plasmidtransfer genetische Informationen austauschen können (Müller 2006).

Darüber hinaus sind Mikroorganismen aus tiefen parodontalen Läsionen in der Lage, hydrolytische Enzyme (z.B. Kollagenasen) zu synthetisieren, die die Proteine des Bindegewebes spalten und dadurch ein weiteres Vordringen in das Bindegewebe des Wirtes ermöglichen. Eine weitere Charaktereigenschaft des dentalen Biofilms ist die extrazelluläre Matrix, in die die Bakterien eingebettet sind und die insbesondere Bakterien aus den tiefen Schichten der Plaque Schutz vor Abwehrmechanismen des Wirtes und Antibiotika bietet (Haffajee et al. 2003).

Daher kann bei der nicht-chirurgischen Parodontitistherapie eine adjuvante systemische Antibiotikatherapie auch nur dann erfolgreich sein, wenn begleitend eine mechanische Zerstörung des dentalen Biofilms erfolgt (Müller 2006).

Durch die genannten Virulenzfaktoren ist es den Bakterien möglich, in der ökologischen Nische zu überleben und den Lebensraum zu erweitern. Welche Auswirkungen der Biofilm auf das gingivale und parodontale Gewebe haben kann, soll im folgenden Abschnitt beleuchtet werden.

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1.4.2 Auswirkungen des Biofilms auf das pardodontale Gewebe

1.4.2.1 Gesunder Zustand

Gesunde entzündungsfreie Gingiva besitzt eine feste Konsistenz und in vielen Fällen eine Orangentüpfelung (Stippling). Sie ist blass rosa und blutet nach Sondieren nicht. Die Gingiva nimmt einen girlandenförmigen Verlauf und füllt die Interdentalräume vollständig aus. Histologisch besteht die Gingiva aus einem verhornten mehrschichtigen Plattenepithel, das kontinuierlich ins Saumepithel übergeht. Auch bei gesunder Gingiva befinden sich im Saumepithel vereinzelt Leukozyten (Kinane et al. 2001).

Basierend auf tierexperimentellen Untersuchungen lassen sich bei der Entste- hung und Progression entzündlicher Parodontalerkrankungen histopathologisch vier Phasen unterscheiden (Page und Schroeder 1976):

1) Initiale Läsion (physiologischer Zustand) 2) Frühe Läsion (akute Ginigvitis)

3) Etablierte Läsion (chronische Gingivitis) 4) Fortgeschrittene Läsion (Parodontitis)

1.4.2.2 Initiale Läsion (physiologischer Zustand)

Bereits 24 Stunden nach Beginn der Plaqueakkumulation sind im dentogingivalen Gewebe als Antwort auf den bakteriellen Reiz vasodilatative Reaktionen der Arteriolen, Kapillaren und Venolen zu beobachten. Dies führt zu einer verstärkten Durchblutung des dentogingivalen Komplexes, einer gesteigerten Exsudation ins interstitielle Bindegewebe, einer Temperaturerhöhung im Sulkus und einer Erhö- hung der Sulkusfließrate. Dabei korreliert die Menge an produzierter Sulkus- flüssigkeit mit dem Schweregrad der gingivalen Entzündung.

Die Gefäßwandveränderungen werden begleitet von einer vermehrten Leukozy- tenmigration. Sowohl polymorphkernige neutrophile Granulozyten als auch Mono-

(21)

zyten und Makrophagen wandern, durch chemotaktische Reize angelockt, zum Ort der bakteriellen Exposition und beginnen dort mit der Phagozytose von Plaquebakterien. Während sich Monozyten und Makrophagen insbesondere im subepithelialen Bindegewebe anreichern, gelangen die polymorphkernigen neutro- philen Granulozyten in großer Zahl über das Saumepithel in den Sulkus bzw. die Mundhöhle und bilden dort den ersten Abwehrwall (Schroeder 1996, Kornman et al. 1997).

Histologisch gesehen entspricht das Bild einer initialen Läsion der Situation klinisch gesunder Gingiva und kann als physiologischer Zustand verstanden werden.

1.4.2.3 Frühe Läsion (akute Gingivitis)

Besteht die ursächliche Plaque weiterhin, geht die initiale Läsion nach vier bis sieben Tagen in die frühe Läsion über (Payne et al. 1975, Brecx et al. 1988).

Neutrophile Granulozyten gelangen in immer größerer Zahl durch Diapedese in den Sulkus, um der zunehmenden Bakterienmasse Einhalt zu gebieten. Außer- dem steigt die Zahl an Leukozyten im subepithelialen Bindgewebe an, wobei sich insbesondere Makrophagen subepithelial anreichern. Makrophagen sind im Ent- zündungsgeschehen wichtige Vermittler zwischen unspezifischer und spezifischer Immunität. Sie können zudem Bakterien durch Phagozytose eliminieren und eine Reihe von Entzündungsmediatoren bilden. Durch die Ausschüttung von Entzün- dungsmediatoren nimmt die Zahl an Lymphozyten im gingivalen Gewebe zu, so dass sie in der frühen Läsion zusammen mit neutrophilen Granulozyten die vorherrschende Gruppe an Leukozyten bilden. Insgesamt macht das entzündliche Infiltrat der frühen Läsion etwa 15 Prozent des Volumens der freien Gingiva aus.

Durch die Verschiebung des Bindegewebsstoffwechsels zu kollagenabbauenden Prozessen lockert sich die Kollagenstruktur in lateraler und apikaler Richtung auf, und auch die Basalzellen des Saumepithels beginnen nach apikal zu proliferieren.

Bereits zwei Wochen nach Einstellung jeglicher Mundhygienemaßnahmen kann subgingival bakterielle Plaque gefunden werden. Klinisch können entzündliche

(22)

1.4.2.4 Etablierte Läsion (chronische Gingivitis)

Zirka einen Monat nach Beginn der Plaqueakkumulation erreichen sowohl die gingivale Exsudation als auch das subgingivale Infiltrat ein Maximum, das über lange Zeit stabil bleiben kann. Dieses Phänomen ist dadurch zu erklären, dass sich ein Gleichgewicht zwischen bakterieller Attacke und der Abwehrreaktion des Wirtes einstellt. Im koronalen Anteil des Infiltrats befinden sich zahlreiche Plasma- zellen, die jedoch nur etwa 10 Prozent des gesamten leukozytären Infiltrats aus- machen (Liljenberg et al. 1994). Auf Grund struktureller Veränderungen geht das epitheliale Attachment zur Zahnoberfläche verloren. Dies ist auf die Umwandlung des Saumepithels in das so genannte Taschenepithel und den zunehmenden Kollagenverlust zurückzuführen. Da das Taschenepithel im Vergleich zum Saum- epithel dünner und fragiler ist, weist die epitheliale Barriere eine höhere Permeabi- lität und eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber Bakterien und bakteriel- len Stoffwechselprodukten auf.

Der Übergang von der chronischen Gingivitis zur Parodontitis ist fließend und kann abhängig vom lokalen Immunstatus des Wirtes unterschiedlich lange Zeit- spannen in Anspruch nehmen oder auch gar nicht eintreten (Lindhe et al. 1968, Page et al. 1975). Generell gilt: Jeder Parodontitis geht eine Gingivitis voraus, aber nicht jede Gingivitis entwickelt sich zwangsläufig zur Parodontitis. Eine Plasmazellzunahme scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass destruktive Prozesse im Gegensatz zu protektiven Prozessen überwiegen und die Gingivitis in eine Parodontitis übergeht (Kinane und Lindhe 1997).

1.4.2.5 Fortgeschrittene Läsion (Parodontitis)

Die Parodontitis ist eine entzündliche, durch bakterielle Beläge verursachte Erkrankung, die alle Anteile des Zahnhalteapparates (Gingiva, Desmodont, Wurzelzement, Alveolarknochen) betrifft und durch fortschreitenden Attachment- verlust gekennzeichnet ist. Sowohl die subgingivale Plaque als auch das entzündliche Infiltrat breiten sich, der parodontalen Destruktion folgend, in apikaler Richtung aus. Der entscheidende Unterschied zur akuten und chronischen

(23)

Gingivitis ist, dass Attachment verloren geht und Knochenabbau beobachtet werden kann (Flemmig 1999).

Die Zerstörung des Zahnhalteapparates ist kein kontinuierlicher Prozess. Aktive Phasen mit progressivem Attachmentverlust wechseln sich mit inaktiven Phasen ab, in denen ein Gleichgewicht zwischen bakteriellem Angriff und Wirtsabwehr besteht und resorptive und regenerative Prozesse sich die Waage halten.

1.4.3 Parodontalpathogene Bakterien

In der Mundhöhle existieren mehr als 500 verschiedene Bakterienspezies (Haffajee und Socransky 1994, Moore und Moore 1994, Urbán et al. 2010). Von diesen ist jedoch nur ein sehr geringer Anteil für die Pathogenese der Parodontitis verantwortlich. Als besonders parodontalpathogen werden lediglich ein Dutzend Bakterienspezies eingestuft. Zu diesen gehören unter anderem Aggregatibacter actinomycetemcomitans (Aa), Porphyromonas gingivalis (Pg), Treponema denticola (Td), Prevotella intermedia (Pi) und Tannerella forsythensis (Tf). Ihre besondere Bedeutung erlangen diese Bakterien durch ihre destruktive Potenz, die zum einen auf ihre Dominanz in der ökologischen Nische (der parodontalen Tasche) und zum anderen auf ihre spezifischen Virulenzfaktoren zurückzuführen ist. Unter dem Begriff „Virulenzfaktor“ versteht man Moleküle, durch die es einer Bakterienspezies möglich ist, sich innerhalb eines Wirtsorganismus zu etablieren und dort zu persistieren (Holt et al. 1999).

Darüber hinaus konnte in mikrobiologischen Untersuchungen gezeigt werden, dass sich die subgingivale Mikroflora signifikant zwischen parodontal gesunden und parodontal erkrankten Stellen unterscheidet (spezifische Plaquehypothese) (Slots 1976 und 1977). Im Folgenden werden die fünf oben genannten parodontal- pathogenen Bakterien vorgestellt. Alle im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Bakterien sind hinsichtlich ihres Zellwandaufbaus (grampositiv versus gram- negativ) und ihres Wachstums (mikroaerophil versus anaerob) in der Tabelle 1 aufgeführt.

(24)

mikroaerophil:

 Peptostreptococcus micros

Grampositiv

anaerob:

 Campylobacter rectus

 Eubacterium nodatum

mikroaerophil:

 Aggregatibacter actinomycetemcomitans

 Capnocytophaga-Spezies

 Eikenella corrodens

Gramnegativ

anaerob:

 Porphyromonas gingivalis

 Prevotella intermedia

 Tannerella forsythensis

 Fusobacterium nucleatum

 Treponema denticola

Tab. 1: Charakteristika der untersuchten parodontal- pathogenen Mikroorganismen (nach Eickholz 2005)

1.4.3.1 Aggregatibacter actinomycetemcomitans (Aa)

Bei Aggregatibacter actinomycetemcomitans handelt es sich um ein kleines, nicht bewegliches, gramnegatives, mikroaerophiles Stäbchen, das zur Spaltung von Saccharose befähigt ist und in Kultur ein charakteristisches Sternmuster ausbildet (Fives-Taylor et al. 1999). Zu seinen bekanntesten Virulenzfaktoren zählt die Produktion Gewebe schädigender Stoffwechselprodukte, wie beispielsweise Kollagenase und Leukotoxin. Zambon et al. (1983) konnten Unterschiede hinsicht- lich der Oberflächenantigene und Leukotoxinproduktion feststellen und führten daher die drei Genotypen a, b und c ein, zu denen später noch d, e, f und g hinzugefügt wurden (Asikainen et al. 1991, Gmür et al. 1993, Takada et al. 2010).

Der Genotyp b besitzt das größte parodontalpathogene Potenzial und wird des- halb auch als hoch toxischer Klon bezeichnet. Er synthetisiert besonders potentes Leukotoxin und ist vor allem bei aggressiven Formen der Parodontitis nachweis-

(25)

bar. Genotyp a hingegen ist häufiger bei chronischer Parodontitis anzutreffen.

Genotyp c wird insbesondere bei parodontal gesunden Verhältnissen vorgefunden (Asikainen 1986, Haffajee und Socransky 1994). Während der Genotyp b keinem Komplex zugeordnet werden kann, besteht für den Genotyp a eine enge Verbin- dung zum grünen Komplex (Abb. 9).

Abb. 9: Mikrobielle Komplexe (nach Socransky und Haffajee 1998)

Hinsichtlich der Pathogenität konnte in Untersuchungen gezeigt werden, dass nicht allein die Anwesenheit des Keims ein Risiko für Attachmentverluste darstellt, sondern dass auch eine ausreichende Anzahl an Bakterien vorhanden sein muss, damit es zu parodontaler Destruktion kommt. Für den Genotyp b liegt dieser Grenzwert bei 3 x 104 (Haffajee und Socransky 1983).

1.4.3.2 Porphyromonas gingivalis (Pg)

Porphyromonas gingivalis ist ein gramnegatives, obligat anaerobes, asaccharo- lytisches, nicht bewegliches, kokkoides Stäbchen, das auf Blutagar zunächst weiße bis creme-farbige, später braune bis schwarze Kolonien bildet und klinisch meist zusammen mit Tannerella forsythensis und Treponema denticola zu finden

(26)

ist. Zusammen bilden diese drei Bakterien den so genannten „roten Komplex“

(Holt und Ebersole 2005).

Porphyromonas gingivalis produziert eine Reihe von Enzymen, Proteinen und Endprodukten, die die Zerstörung von Wirtsproteinen bewirken und Schutz vor Elimination durch Abwehrmechanismen des Wirtes bieten.

Die von Porphyromonas gingivalis gebildeten Virulenzfaktoren sind von Holt et al.

(1999) ausführlich beschrieben worden und in Tabelle 2 zusammengefasst.

Ausgewählte Virulenzfaktoren von Porphyromonas gingivalis

Gewebedestruktion Schutz vor Wirtsabwehr

 Kollagenase

 Gelatinase

 Aminopeptidase

 Phospholipase A

 Alkalische Phosphatase

 Saure Phosphatase

 Chondroitinsulfatase

 Hyaluronidase

 Keratinase

 Lipopolysaccharide

 flüchtige Schwefelverbindungen

 Indole

 Ammoniak

 Schwefelwasserstoff

 Degradation von

Plasmaproteaseinhibitoren

 Degradation von Eisentransportproteinen

 Inhibition polymorphkerniger neutrophiler Granulozyten

 Chemotaxisinhibitoren

 Phagozytoseinhibitoren

 Lyse und intrazelluläres Killing

 Immunglobulinproteasen

 Fibrinolysin

 Superoxiddismutase

 NADH-Oxidase

 Freie Sauerstoffradikale

Tab. 2: Virulenzfaktoren von Porphyromonas gingivalis (nach Holt et al. 1999)

In Untersuchungen konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass Aggregatibacter actinomycetemcomitans meist nur lokalisiert im Bereich von parodontalen Läsionen zu finden ist, während Porphyromonas gingivalis über die gesamte Dentition verteilt vorliegt (Asikainen und Chen 1999).

Der kritische Grenzwert für ein signifikant erhöhtes Risiko für Attachmentverluste liegt für Porphyromonas gingivalis bei 6 x 105 (Haffajee und Socransky 1983).

(27)

1.4.3.3 Treponema denticola (Td)

Treponema denticola ist ein sehr bewegliches, obligat anaerobes, gramnegatives Bakterium und gehört zu den Spirochäten. Auf Grund des obligat anaeroben Wachstums und der besonderen Anforderungen an Nährmedien gestaltet sich die kulturelle Anzüchtung von Spirochäten äußerst schwierig (Sakamoto et al. 2005).

Wie bereits beschrieben, gehört Treponema denticola zum „roten Komplex“ und nimmt damit eine herausragende Stellung bei der Pathogenese parodontaler Erkrankungen ein.

Bei gesunden parodontalen Verhältnissen ist die Konzentration von Treponema denticola sehr gering und liegt häufig unterhalb der Nachweisgrenze. Von der Gingivitis bis zur Parodontitis ist eine kontinuierliche Zunahme an Spirochäten zu verzeichnen, so dass sie in tiefen parodontalen Läsionen bis zu 50% der ge- samten Bakterienzahl ausmachen können (Listgarten 1976). Außerdem wurde beschrieben, dass Spirochäten neben weiteren Faktoren wie Immunschwäche, Mangelernährung und emotionalem Stress Ursache für nekrotisierende und ulzerierende Parodontalerkrankungen (NUG und NUP) sein können (Listgarten und Socransky 1964, Listgarten 1965).

1.4.3.4 Tannerella forsythensis (Tf)

Tanerella forsythensis ist ein gramnegatives, strikt anaerobes, spindelförmiges Stäbchen, das erstmalig von Tanner et al. (1979) beschrieben wurde. Tannerella forsythensis gehört zum „roten Komplex“ und kann besonders häufig bei schweren parodontalen Verlaufsformen nachgewiesen werden (Tanner et al. 1984, Socransky et al. 2002). So konnten zahlreiche Studien belegen, dass Tannerella forsythensis signifikant häufiger in fortgeschrittenen parodontalen Läsionen vorkommt als bei parodontal gesunden Verhältnissen (Haffajee et al. 1998, Ximenez-Fyvie et al. 2000). Zu den Virulenzfaktoren von Tannerella forsythensis gehören trypsinartige Proteasen, Sialidasen und Lipopolysaccharide (Braham und

(28)

1.4.3.5 Prevotella intermedia (Pi)

Bei Prevotella intermedia handelt es sich um ein gramnegatives, anaerobes, unbewegliches, kurzes oder filamentöses Stäbchen, das zur Familie der schwarz- pigmentierten Bacteroides gehört. Prevotella intermedia wurde in zahlreichen Studien mit der aggressiven Parodontitis in Verbindung gebracht (Kornman und Robertson 1985, Asikainen et al. 1987, Lopez et al. 1996, Albandar et al. 1997).

Darüber hinaus gilt Prevotella intermedia als ein wichtiges Pathogen in der Pathogenese der akuten nekrotisierenden Gingivitis (Loesche et al. 1982), der Schwangerschaftsgingivitis (Kornmann und Loesche 1980), der chronischen Parodontitis (Slots und Listgarten 1988) und der generalisierten aggressiven Parodontitis (Kamma et al. 1994). Prevotella intermedia zeigt eine Reihe von Virulenzfaktoren, die auch bei Porphyromonas gingivalis vorkommen: Proteasen, Kollagenasen, Lipase, Esterase und Lipopolysaccharide.

1.4.4 Nachweis parodontalpathogener Bakterien

Für den Nachweis oraler Mikroorganismen stehen zahlreiche diagnostische Test- verfahren zur Verfügung. Zu diesen Testverfahren gehören die Bakterienkultur (Qiu et al. 1994), immunologische Tests (Meghji et al. 1995), der Nachweis typischer Metabolite (Eley und Cox 1995), DNA-Sondentests (Socransky et al.

1994) und die Polymerasekettenreaktion (Polymerase-Chain-Reaction = PCR) (Watanabe und Frommel 1996).

Die PCR ist ein schnelles und sensitives Verfahren für den Nachweis parodontal- pathogener Bakterien und spielt daher bei der Diagnostik aggressiver Formen der Parodontitis eine wichtige Rolle. Die PCR ermöglicht die Identifikation dieser Bakterien weit unterhalb der Nachweisgrenze von Bakterienkulturen, Immuno- fluoreszenztechniken, Enzym- oder DNA-Sondentests (Ashimoto et al. 1996, Riggio et al. 1996). Außerdem ist es mit der PCR möglich, auch tote Mikro- organismen zu erfassen (Tran und Rudney 1999), was beispielsweise bei der Kultivierung nicht möglich ist (Zambon 1996). In Studien konnte gezeigt werden, dass die PCR im Vergleich zu Kulturverfahren die genauere Technik ist und somit

(29)

besser für den Nachweis parodontalpathogener Keime geeignet ist (Slots et al.

1995, Ashimoto et al. 1996, Riggio et al. 1996, Meurmann et al. 1997).

1.5 Fragestellungen

Momentan sind in der Literatur nur limitierte Daten verfügbar, die den Einfluss von Umstellungsosteotomien auf die parodontalen und speziell die mukogingivalen Gewebe belegen bzw. widerlegen. Mit der vorliegenden Untersuchung sollten daher folgende Fragen beantwortet werden:

 Treten nach Umstellungsosteotomien Veränderungen im Bereich der parodontalen Gewebe auf?

 Welche Rolle spielt bei diesen Veränderungen der gingivale Phänotyp?

 Sind Personen mit einem dünnen gingivalen Phänotyp stärker von Rezessionen betroffen und Personen mit einem dicken gingivalen Phänotyp eher von Taschenbildung?

 Treten im Bereich der Schnittführung vermehrt parodontale Veränderungen auf?

 Kommt es nach dem chirurgischen Eingriff zu einem subgingivalen Shift in Richtung parodontalpathogener Bakterien?

(30)

2 Material und Methode

2.1 Einschlusskriterien

Um den Einfluss von Umstellungsosteotomien auf die parodontalen Gewebe zu untersuchen, wurden 15 Patienten, die eine kombiniert kieferorthopädisch- chirurgische Behandlung in einem oder beiden Kiefern erhielten, in die vorliegende Studie einbezogen. Die chirurgische Intervention bestand aus der Le Fort I Osteo- tomie des Oberkiefers (Obwegeser 1965, Bell 1975, Epker und Wolford 1975), der sagittalen Spaltung des Unterkiefers (Trauner und Obwegeser 1957, Dal Pont 1961) oder einer Kombination aus beidem. Für die Teilnahme an der Studie waren folgende Einschlusskriterien zu erfüllen:

 bukkal gelegene, festsitzende kieferorthopädische Apparaturen in beiden Kiefern für einen Mindestzeitraum von sechs Monaten,

 Volljährigkeit,

 keine systemischen Erkrankungen,

 keine Schwangerschaft,

 keine pharmakologische oder antibiotische Therapie innerhalb der letzten sechs Wochen vor Studienbeginn,

 mindestens 20 bleibende Zähne,

 Abwesenheit von Karies oder umfangreichen prothetischen Restaurationen.

2.2 Operative Verfahren

2.2.1 Umstellungsosteotomie des Oberkiefers

Die Osteotomie des Oberkiefers in der Le Fort I Ebene wurde zwar bereits 1934 von Axhausen beschrieben, jedoch erst 1965 von Obwegeser als Standard- methode in die kieferorthopädische Chirurgie eingeführt. Basierend auf tierexperi- mentellen Studien über die Durchblutungsverhältnisse des Oberkiefers, war es

(31)

Bell (1975) sowie Epker und Wohlford (1975) möglich, den Oberkiefer im Sinne der „down-fracture“-Technik zu osteotomieren. Im Folgenden sollen die wichtig- sten Schritte des chirurgischen Eingriffs kurz beschrieben werden.

a) Ansicht von fazial:

Sicht auf die Osteotomie des Nasenseptums und der fazialen

Kieferhöhlenwand

b) Ansicht von sagittal:

Sicht auf die Osteotomie der lateralen Nasen- und Kieferhöhlenwände

c) Oberkiefer mobilisiert Zustand nach Mobilisierung der Oberkieferbasis und Fraktur („down fracture“) der hinteren

Kieferhöhlenwand Abb. 10: Le Fort I Osteotomie (aus Gattinger und Obwegeser 1996)

Nach Inzision in der beweglichen Schleimhaut des Vestibulums von regio 17 bis regio 27 erfolgt unter Bildung eines Mukoperiostlappens die Darstellung der fazia- len Kieferhöhlenwand, der Apertura piriformis, des Foramen infraorbitale und des Processus pterygoideus. Anschließend wird mit Hilfe von oszillierenden Sägen, Lindemannfräsen und Meißeln die horizontale Osteotomie durch die Kieferhöhlen vorgenommen. Nach vollständiger Mobilisation des Oberkiefers im Sinne der

„down-fracture“-Methode kann das zahntragende Kiefersegment in allen drei Dimensionen verlagert und schlussendlich in der präoperativ errechneten und per Okklusionssplint verschlüsselten Position mittels Miniplattenosteosynthese am Gesichtsschädel fixiert werden. Die Repositionierung des Mukoperiostlappens und der speicheldichte Nahtverschluss schließen den chirurgischen Eingriff ab.

(32)

2.2.2 Umstellungsosteotomie des Unterkiefers

Für die Osteotomie und Totalverlagerung des zahntragenden Unterkiefers hat sich die retromolare Spaltung als Standardmethode etabliert. Das operative Verfahren geht auf die Technik nach Trauner und Obwegeser (1957) zurück und hat in der Modifikation nach Dal Pont (1961) weltweite Verbreitung erfahren.

a) Ansicht von fazial und sagittal Verlauf der Osteotomielinie beim aufsteigenden Ast des Unterkiefers:

 an der Innenseite in der Mitte zwischen Lingula und Incisura mandibulae

 an der Außenseite nahe der Okklusionsebene, parallel zur Innenseite

b) Verlagerungsmöglichkeiten Nach Mobilisierung kann das distale Segment sowohl in der Vertikalen als auch in der sagittalen in jede Richtung verlagert und neu positioniert werden.

Abb. 11: Sagittale Spaltung des Unterkiefers (aus Gattinger und Obwegeser 1996)

Der operative Zugang erfolgt über einen beidseitig durchgeführten Schleimhaut- schnitt, der sich von der Vorderkante des aufsteigenden Unterkieferastes bis in die bewegliche Schleimhaut des Vestibulums regio 35 bzw. 45 erstreckt. Das Muko- periost wird sowohl bukkal als auch lingual des aufsteigenden Unterkieferastes abpräpariert, so dass der N. alveolaris inferior am Foramen mandibulae sichtbar wird. Die horizontale Osteotomie der lingualen Kompakta wird mit überlangen Lindemannfräsen durchgeführt, wobei zum Schutz des Nerven von kranial kommend eine Obwegeser-Rinne oder ein Metz-Haken subperiostal eingesetzt

(33)

wird. Auf der bukkalen Seite erfolgt die vertikale Osteotomie distal des endständigen Molaren. Anschließend werden die beiden Osteotomielinien auf der Vorderkante des aufsteigenden Unterkieferastes mit einer kurzen Lindemannfräse verbunden. Erst jetzt erfolgt die eigentliche sagittale Spaltung des aufsteigenden Unterkieferastes mit dünnen Meißeln, die entlang der bukkalen Kompakta geführt werden. Nach erfolgreicher beidseitiger Spaltung ist der Unterkieferkörper mobil und kann mittels Okklusionssplint und vorübergehender mandibulo-maxillärer Verdrahtung in die gewünschte Position eingestellt werden. Um eine ausreichende postoperative Funktionsstabilität zu gewährleisten, wird der Unterkieferkörper mit Miniplattenosteosynthese an den gelenktragenden, proximalen Unterkieferpartien befestigt. Die Repositionierung der Mukoperiostlappen und der speicheldichte Nahtverschluss schließen den chirurgischen Eingriff ab.

Die aus chirurgischer Sicht maximal möglichen Verlagerungsstrecken für den Ober- und Unterkiefer sind von Dannhauer und Krey (2009) beschrieben worden.

Während der Oberkiefer um 5 mm nach kranial, um 8 mm nach ventral und um 5 mm nach dorsal verlagert werden kann, sind für den Unterkiefer Bewegungen um 8 mm nach ventral und dorsal möglich.

Um einen adäquaten Schutz vor Wundinfektionen zu gewährleisten, wird jede Umstellungsosteotomie perioperativ von einer systemischen Antibiose begleitet, die aus einer einmaligen Gabe von 10 Millionen internationalen Einheiten Penicillin G besteht. Des Weiteren werden die Patienten nach dem chirurgischen Eingriff instruiert, für die Zeit der Zahnbürstenkarenz zweimal täglich mit 0,12- bis 0,2- prozentigem Chlorhexidindigluconat zu spülen, um so die Keimbelastung in der Mundhöhle zu reduzieren.

2.3 Klinische Untersuchung

Am Tag vor dem chirurgischen Eingriff (Baseline-Untersuchung – T0) sowie eine Woche (T1) und sechs Wochen (T2) postoperativ wurde eine parodontale Unter- suchung inklusive Sondierungstiefe (ST), gingivaler Rezession (GR), klinischem Attachmentlevel (KAL) und Bluten nach Sondieren (BnS) durchgeführt. Diese

(34)

T1 lediglich an den Ramfjordzähnen (Ramfjord 1959; rechter erster Oberkiefer- molar, linker mittlerer Oberkieferinzisivus, linker erster Oberkieferprämolar, linker erster Unterkiefermolar, rechter mittlerer Unterkieferinzisivus, rechter erster Unter- kieferprämolar) an sechs Stellen pro Zahn (mesio-bukkal, bukkal, disto-bukkal, mesio-oral, oral, disto-oral) erhoben. Fehlte der erste Prämolar bzw. der erste Molar, wurde stattdessen der zweite Prämolar bzw. der zweite Molar verwendet.

Darüber hinaus wurde in der gesamten Dentition der Plaqueindex (PI, Silness und Löe 1964) sowohl für bukkale als auch orale Flächen beurteilt.

In Abhängigkeit von der mukogingivalen Morphologie wurden die Patienten den Gruppen „dünner“ bzw. „dicker gingivaler Phänotyp“ zugeteilt. Beim dicken Phänotyp zeigte die Gingiva der Patienten eine deutliche Keratinisation und besaß eine Dicke von ≥ 1 mm und eine Breite von 3-5 mm. Beim dünnen Phänotyp lag eine schwache Keratinisation des Epithels vor und die Gingiva war schmaler als 1 mm (Müller 2006).

Alle numerischen Messungen erfolgten mit Hilfe einer elektronischen, druck- kalibrierten Parodontalsonde (Florida Probe Corporation, Gainsville, Florida, USA) (Gibbs et al. 1988).

2.4 Mikrobiologische Analyse der subgingivalen Mikroflora

Zu allen drei Untersuchungszeitpunkten wurden mit Hilfe von sterilen Papierspit- zen Poolproben der Sulkusflüssigkeit gewonnen. Die Probeentnahme erfolgte an den Ramfjordzähnen auf standardisierte Weise: Nach relativer Trockenlegung und vorsichtiger Trocknung der ausgewählten und angrenzenden Zähne wurden die Papierspitzen in den Sulkus eingeführt, dort für 10 Sekunden belassen und an- schließend für den Transport in sterile Eppendorf-Röhrchen überführt. In einem spezialisierten Labor (Schumacher, Bremerhaven, Deutschland) erfolgte mittels PCR die Identifikation und Semiquantifikation folgender parodontalpathogener Bakterien: Aggregatibacter actinomycetemcomitans (Aa), Porphyromonas gingivalis (Pg), Tannerella forsythensis (Tf), Treponema denticola (Td), Prevotella intermedia (Pi), Peptostreptococcus micros (Pm), Fusobacterium nucleatum (Fn), Campylobacter rectus (Cr), Eubacterium nodatum (En), Eikenella corrodens (Ec)

(35)

und Capnocytophaga-Spezies (Cs). Im mikrobiologischen Labor wurden für die Aufbereitung der Poolproben das QIAamp DNA Mini Kit (QIAGEN, Hilden, Deutschland) und der micro-IDent-Test (Hain Lifescience, Nehren, Deutschland) verwendet. Das QIAamp DNA Mini Kit diente der DNA-Extraktion und der micro- IDent-Test der PCR-Amplifikation. Für den mikrobiologischen Befund wurden die bakteriellen Konzentrationen gemäß Herstellerangaben wie folgt eingeteilt (Abb.

12):

+++ = > 107 Bakterien pro Papierspitze (Sonderfall Aa: > 106) ++ = < 106 Bakterien pro Papierspitze (Sonderfall Aa: < 105) + = < 105 Bakterien pro Papierspitze (Sonderfall Aa: < 104) (+) = 104 Bakterien pro Papierspitze (Sonderfall Aa: 103)

 = < 104 Bakterien pro Papierspitze (Sonderfall Aa: < 103)

Abb. 12: Musterbefund der mikrobiologischen Untersuchung mit Hilfe des micro-IDent-Tests inklusive Erläuterung der Keimkonzentrationen (Quelle: Hain Lifescience, Nehren, Deutschland)

(36)

2.5 Statistische Auswertung

Die Fallzahlschätzung wurde mittels nQuery Advisor 6.0 (Statistical Solutions, Saugas, MA, USA) durchgeführt und ergab, dass bei einer Fallzahl von n=15 eine Power von 80 Prozent vorliegt.

Die Dokumentation und Analyse der Daten erfolgte mit dem statistischen Auswer- tungsprogramm SPSS/PC Version 17.0 für Windows (SPSS Inc., Chicago, IL, USA) und der Unterstützung des Instituts für Biometrie der Medizinischen Hoch- schule Hannover.

Die parodontalen Parameter wurden für alle Flächen sowie für bukkale und orale Flächen separat analysiert. Das allgemeine lineare Modell (Wilks-Lambda) wurde verwendet, um statistisch signifikante Unterschiede zwischen den drei Untersu- chungszeitpunkten zu ermitteln, während der gepaarte T-Test dazu diente, die statistischen Unterschiede zwischen zwei Untersuchungszeitpunkten zu analysie- ren. Alle Tests wurden zweiseitig mit einem Signifikanzniveau von p<0,05 durch- geführt.

2.5.1 Statistische Auswertung im Bereich der Schnittführung

Für die Analyse der parodontalen Veränderungen im Bereich der Schnittführung wurden eine Test- und eine Kontrollseite definiert.

Oberkiefer: Da die Inzision im Oberkiefervestibulum von regio 17 bis regio 27 lokalisiert war, umfasste die Testseite des Oberkiefers die Bukkalflächen der Zähne 17 bis 27 und die Kontrollseite die Oralflächen der eben genannten Zähne.

Für die statistische Auswertung wurden für die Sondierungstiefe, die gingivale Rezession und das klinische Attachmentlevel die Differenzen zwischen den Untersuchungszeitpunkten T0 und T2 errechnet (T2–T0) und die Differenzen von Test- und Kontrollseite miteinander verglichen.

Unterkiefer: Für den operativen Zugang im Unterkiefer wurde eine Inzision gewählt, die sich vom Vestibulum regio 35 bzw. 45 bis zur Vorderkante des auf-

(37)

steigenden Unterkieferastes erstreckte. Somit beinhaltete die Testseite des Unter- kiefers per definitionem die Bukkalflächen der Zähne 35, 36, 37, 45, 46, 47 und die Kontrollseite die Oralflächen derselben Zähne. Auch im Unterkiefer wurden für die parodontalen Parameter die Differenzen zwischen den beiden Untersuchungszeit- punkten errechnet (T2–T0) und anschließend Test- und Kontrollseite miteinander verglichen.

(38)

3 Ergebnisse

3.1 Patientendaten

Insgesamt wurden 15 Patienten (acht Frauen und sieben Männer) mit einem Durchschnittsalter von 24,9 ± 7,7 Jahren in die vorliegende Untersuchung einbe- zogen. Sechs Patienten erhielten eine Umstellungsosteotomie im Unterkiefer, drei im Oberkiefer und sechs in beiden Kiefern.

3.2 Vergleich der Untersuchungszeitpunkte T

0

, T

1

und T

2

Auf Grund der operationsbedingten Patientenmorbidität (Schmerzen, Schwellung, Kieferklemme) wurde die erste parodontale Nachuntersuchung eine Woche nach dem operativen Eingriff (T1) auf die Ramfjordzähne beschränkt. Deshalb beziehen sich die im Folgenden aufgeführten Daten der Untersuchungszeitpunkte T0, T1 und T2 abgesehen vom Plaqueindex auf die Ramfjordzähne.

Die statistische Auswertung der parodontalen Parameter erfolgte sowohl für alle Flächen als auch für Bukkal- und Oralflächen der Ramfjordzähne getrennt. Die Ergebnisse aller bewerteten Flächen sind zusätzlich zur tabellarischen Darstellung (Tab. 3-4) in Boxplots veranschaulicht (Abb. 13-17).

3.2.1 Sondierungstiefe (ST)

Das allgemeine lineare Modell zeigte für die Sondierungstiefen nur an den Oral- flächen der Zähne signifikante Veränderungen (p=0,026). Der paarweise Vergleich zwischen den T0- und T1-Werten (p=0,009) sowie zwischen den T0- und T2-Werten (p=0,042) zeigte oral jeweils signifikante Zunahmen. Die Sondierungstiefen der Bukkalflächen zeigten zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung signifikante Ver- änderungen.

(39)

Abb. 13:

Sondierungstiefe (ST gesamt) zu den Zeitpunkten T0, T1 und T2 (p=0,088)

3.2.2 Gingivale Rezession (GR)

Das allgemeine lineare Modell zeigte eine signifikante Rezessionszunahme an allen Flächen (p=0,009) und an den Bukkalflächen der Zähne (p=0,005). Der paarweise Vergleich zwischen der Baselineuntersuchung und den beiden Nachuntersuchungen zeigte bukkal einen signifikanten Anstieg von T0 zu T1

(p=0,013) und von T0 zu T2 (p=0,001). Zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung waren signifikante Veränderungen für die Oralflächen der Ramfjordzähne nach- weisbar.

Abb. 14:

Gingivale Rezession (GR gesamt) zu den Zeitpunkten T0, T1 und T2 (p=0,009)

3.2.3 Klinisches Attachmentlevel (KAL)

Bei Verwendung des allgemeinen linearen Modells konnten für das klinische

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