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4 Diskussion

4.2 Diskussion der Ergebnisse

4.2.6 Auswirkungen des gingivalen Phänotyps

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, reagiert der dicke gingivale Phänotyp auf plaquebedingte Entzündungen für Gewöhnlich mit Taschenbildung, wohinge-gen der dünne Phänotyp eher zur Rezessionsbildung neigt (Eickholz 2005). In der vorliegenden Untersuchung zeigt der Vergleich der Daten von T0 und T2, dass es weder beim dünnen noch beim dicken Phänotyp zu einem signifikanten Anstieg der Sondierungstiefe gekommen war. Dafür waren für beide Phänotypen signifi-kante Rezessionszunahmen zu verzeichnen. Die Tatsache, dass die in der vorlie-genden Studie gemessenen parodontalen Veränderungen nicht mit den Aussagen

von Eickholz (2005) übereinstimmen, kann als mögliches Indiz dafür gewertet werden, dass die Rezessionsbildungen nach Umstellungsosteotomien weniger auf ein entzündliches Geschehen als vielmehr auf das operative Trauma und post-operative Wundheilungsprozesse zurückzuführen sind.

4.2.7 Mikrobiologischer Befund

Nach Umstellungsosteotomien kommt es auf Grund verschiedener Faktoren zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Mundhygiene des Patienten. Zu diesen Faktoren gehören die vorübergehende Karenz der mechanischen Plaquekontrolle (erste postoperative Woche), die Anwendung des Okklusionssplints und der Gummizüge (erste bis sechste postoperative Woche), die festsitzenden kiefer-orthopädischen Apparaturen und nicht zuletzt die postoperativen Beschwerden (Schmerzen, Schwellung, Kieferklemme). Aus den genannten Gründen erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass sich insbesondere in schwer zugänglichen Arealen Plaque ungestört über einen längeren Zeitraum akkumulieren kann. In diesem Zusammenhang sei noch einmal erwähnt, dass sich bereits zwei bis vier Tage nach Beginn der Plaqueakkumulation gramnegative Kokken und Stäbchen und nach neun bis 15 Tagen bereits vermehrt anaerobe Bakterienspezies (z.B.

Spirochäten) nachweisen lassen. Ein bakterieller Shift in Richtung anaerobe parodontalpathogene Bakterien ist demnach im Rahmen von Umstellungs-osteotomien hypothetisch möglich. Die mikrobiologische Untersuchung der 11 parodontalpathogenen Markerkeime hat jedoch – abgesehen von der kurzfristigen Erhöhung der Eikenella-corrodens-Konzentration – keinen signifikanten Shift zu parodontalpathogenen Bakterien nachweisen können. Als Erklärungen für das Ausbleiben des bakteriellen Shifts kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:

1) Die perioperative Penicillingabe (10 Millionen internationale Einheiten Penicillin G als single shot Dosis)

2) Die postoperative Anwendung chlorhexidinhaltiger Mundspüllösungen

Zu Hypothese 1:

Penicilline gehören zu den Betalactamantibiotika und sind in vitro gegen die meisten parodontalpathogenen Bakterien wirksam. Das Wirkungsspektrum von Penicillin G umfasst (1) grampositive Bakterien außer Penicillinase-bildende Staphylokokken, Enterokokken und Listerien, (2) gramnegative Kokken außer Penicillinase-bildende Gonokokken und (3) anaerobe gramnegative Stäbchen außer Spirochäten und bestimmte Bacteroides-Arten (Stahlmann und Lohde 2005). Die Wirkungsweise des Penicillins beruht auf der Beeinträchtigung der bakteriellen Zellwandsynthese (Mureinsynthetase), so dass durch Penicillin vor allem in der Zellteilung befindliche Bakterien gehemmt werden (bakteriostatische Wirkung). Da sich jedoch in der parodontalen Tasche in der Regel ausreichend Betalactamase (Penicillinase) befindet, die die Betalactambindung hydrolytisch spaltet, geht die Wirkung des Penicillins in vivo meist schnell verloren. Eine unbehandelte Parodontitis kann durch die Einnahme nicht betalactamasefester Penicilline sogar exazerbieren und multiple Parodontalabszesse nach sich ziehen (Müller 2006). Deshalb werden bei der Behandlung parodontaler Infektionen routinemäßig Breitspektrumpenicilline (z.B. Amoxicillin) und Nitroimidazole (z.B.

Metronidazol) eingesetzt (Haffajee et al. 2003).

In der Literatur existieren keine Studien, die bei Umstellungsosteotomien den Effekt einer systemischen Penicillingabe auf parodontalpathogene Bakterien untersucht haben. Dafür konnte in zahlreichen parodontologischen Untersuchun-gen gezeigt werden, dass im Rahmen der nicht-chirurgischen Parodontitistherapie systemisch verabreichte Antibiotika einen zusätzlichen klinischen und mikrobio-logischen Nutzen aufweisen (Loesche et al. 1984, Lopez und Gamonal 1998, Feres et al. 2001). Der Erfolg einer systemischen Antibiotikatherapie ist jedoch laut Mombelli (2006) an eine vorausgehende oder begleitende mechanische Beseitigung der bakteriellen Plaque von den subgingivalen Wurzeloberflächen gebunden. Erst durch die mechanische Reduktion der Bakterienmasse und die Zerstörung der strukturellen Bakterienaggregate ist es dem antimikrobiellen Agens möglich, seine volle Wirkung zu entfalten und die größtmögliche Keimzahl-reduktion zu erreichen. In diesem Zusammenhang sei auch noch auf eine in vitro Studie von Eick et al. (2004) verwiesen. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass durch die alleinige Anwendung systemischer Antibiotika ohne ein begleitendes

Scaling und Root planing keine vollständige Elimination der Bakterien zu erwarten ist und dass daher die Rezidivgefahr als sehr hoch eingeschätzt werden kann.

Andererseits konnte eine Studie von Lopez et al. (2006) nachweisen, dass auch eine alleinige systemische Antibiotikagabe ohne mechanisches Debridement einen positiven Effekt auf klinische und mikrobiologische Parameter haben kann.

In der vorliegenden Untersuchung sprechen zwar die niedrigen Konzentrationen an parodontalpathogenen Bakterien sowohl am Anfang als auch am Ende des Beobachtungszeitraums für die protektive Wirkung der perioperativen Penicillin-gabe. Allerdings stehen Penicilline mit einer Eliminationshalbwertszeit von zirka einer Stunde nur einen sehr begrenzten Zeitraum in ausreichend hoher Konzen-tration zur Verfügung (Stahlmann und Lohde 2005), so dass ein langfristiger plaquehemmender bzw. antibakterieller Effekt der single shot Dosis eher unwahrscheinlich erscheint.

Zu Hypothese 2:

Chlorhexidin ist nach wie vor das am besten wirkende orale Antiseptikum und wird zu diesem Zweck zumeist in Form des Digluconatsalzes verwendet. Auf Grund seiner zweifach positiven Ladung besitzt Chlorhexidin eine sehr hohe Substantivi-tät an Zahn- und Mundschleimhautoberflächen und kann deshalb über 12 Stunden in aktiver Form in der Mundhöhle verfügbar sein. Chlorhexidin besitzt antimikro-bielle Wirksamkeit gegen ein breites Spektrum an Mikroorganismen, zu denen sowohl grampositive als auch gramnegative Bakterien gehören, und wird deshalb routinemäßig als Infektionsprophylaxe nach oralchirurgischen Eingriffen angewen-det (Müller 2006). Für die häusliche Mundhygiene sind chlorhexidinhaltige Mund-spüllösungen in Konzentrationen von 0,1 bis 0,2 Prozent auf dem Markt, die insbesondere für die Bekämpfung supragingivaler Biofilme geeignet sind (Slots 2002). Bei subgingivaler Anwendung konnten Studien belegen, dass 0,2-prozentiges Chlorhexidin nicht effektiv genug ist, um in der parodontalen Tasche eine ausreichende Keimzahlreduktion zu bewirken (Rams und Slots 1996, Quirynen et al. 2002). Dennoch konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden, dass Chlorhexidin einen plaque- und gingivitishemmenden Effekt aufweist (Loe und Schiott 1970, Lang et al. 1982).

Für die vorliegende Untersuchung ist es schwer zu beurteilen, inwieweit die Anwendung chlorhexidinhaltiger Mundspüllösungen das Ausbleiben mikrobio-logischer Veränderungen beeinflusst hat.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die alleinige chemische Plaquekontrolle mittels Chlorhexidin nicht in der Lage war, eine signifikante Plaquezunahme innerhalb der ersten postoperativen Woche zu verhindern. Die Tatsache, dass die Plaqueindex-Werte sechs Wochen nach dem chirurgischen Eingriff bereits wieder auf prä-operativem Niveau lagen, lässt den Schluss zu, dass die Patienten relativ schnell wieder eine adäquate mechanische Plaquekontrolle durchführen konnten und dass die niedrigen Konzentrationen an parodontalpathogenen Bakterien eher auf diese adäquate Mundhygiene als auf die Applikation systemischer Antibiotika oder lokaler Chlorhexidinspülungen zurückzuführen waren.