M 038/2000 VOL 9. August 2000 43 C Motion
2392 Bütler, Bern (SP)
Mitunterzeichner: 51 Eingereicht am: 01.02.2000
Koordinationsstelle gegen Schwarzarbeit
Der Regierungsrat wird beauftragt, eine Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Schwarz- arbeit zu schaffen. Die Aufgaben der Koordinationsstelle sind insbesondere die aktive Ermittlung gegen Schwarzarbeit, Information, Kontrolle und Koordination der Zusammen- arbeit im Bereich der Schwarzarbeit.
Die Koordinationsstelle beinhaltet unter anderem die Vernetzung der Sozialpartner, der Sozialversicherungen, der Steuerbehörden, der POM und der VOL.
Begründung:
Auch der Kanton Bern ist von Schwarzarbeit betroffen. Bisher werden im Kanton Bern keine aktiven regelmässigen Kontrollen und Untersuchungen durchgeführt. die spärlichen statistischen Erhebungen beruhen einzig auf „Denunziationen“. Ausserdem werden Unternehmen und Private, die Schwarzarbeiterinnen und -arbeiter einstellen, mit Bagatellbussen bestraft. Dieser Zustand muss sich ändern!
Die Schwarzarbeit hat in der Schweiz in den letzten Jahren eine Ausmass angenommen, das aufschrecken lässt. Eine Studie von Prof. Friedrich Schneider rechnet mit 30 Milliarden Franken, ca. 8 Prozent des BIP, die der Sozialversicherung und dem Staat jährlich entgehen. Dieser volkswirtschaftliche Schaden ist nicht annehmbar. Der Kanton muss hier handeln, indem er die Schwarzarbeit, wie andere Delikte an der Gesellschaft verfolgt, und mit solchen Massnahmen bestraft, die eine Wiederholung möglichst verhindern.
Die Kantone haben neben dem Bund, der zur Zeit auch aktiv ist, die Pflicht, gegen die Schwarzarbeit aktiv zu werden. Der Bund fordert die Kantone sogar auf, dies zu tun, da die
„Schwachstellen im Vollzug auf kantonaler Ebene liegen“. Gewisse Kantone (vor allem GE, VD, VS) sind bereits gegen die Schwarzarbeit aktiv geworden und haben verschiedene Modelle der Bekämpfung erarbeitet und eingeführt.
Die Bernische Koordinationsstelle könnte z.B. folgende Massnahmen einführen:
1. Der Kanton startet eine Informationskampagne gegen Schwarzarbeit. Er informiert gegen innen (Verwaltung) und gegen aussen (die betroffenen Unternehmungen, Private und die Öffentlichkeit). Die Information des Kantons beinhaltet u.a. Aufklärungen über den gesamtgesellschaftlichen Schaden und zeigt auf, dass Schwarzarbeit kein Kavaliersdelikt ist.
2. Der Kanton verschärft die Strafen aufgrund von Schwarzarbeit und wird diesbezüglich beim Bund vorstellig.
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3. Unternehmen und Private, die Schwarzarbeit tolerieren, erhalten in Zukunft keine Aufträge der öffentlichen Hand. Bestehende Verträge mit Unternehmen, gegen die wegen Schwarzarbeit ermittelt wurde, werden aufgelöst.
4. Der Kanton Bern führt eine Liste, die alle Unternehmen aufführt, die Schwarzarbeiter- innen und -Arbeiter eingestellt hatten.
5. Der Kanton schafft Anreize zur Verhinderung von Schwarzarbeit, z.B. Vereinfachung von Verwaltungsabläufen, Zentralisierung der Anmeldung zu den Sozialversicherungen usw.
Der Grosse Rat hat das Problem erkannt. Im September 1998 hat er die Motion Sidler („Schwarzarbeit ernsthaft bekämpfen“) überwiesen - dies entgegen der Regierung, die das Anliegen nur als Postulat entgegennehmen wollte. Unter anderem argumentierte der Regierungsrat in seiner vorsichtigen Antwort auf die Motion damit, dass „nicht zuletzt angesichts der wenig konkreten Eingriffsmöglichkeiten und der knappen personellen Ressourcen die in der Motion angesprochenen Probleme nicht allein auf kantonaler Ebene gelöst werden können“. Frau Andres sagte damals in der Ratsdebatte. „Ich nehme aber zur Kenntnis, dass es (die Bekämpfung der Schwarzarbeit) ein Anliegen ist, dass Sofort- massnahmen gefordert sind“. Eine Arbeitsgruppe wurde eingesetzt, leider liegen bis heute allerdings keine konkreten Massnahmen vor.
Der Kanton muss - auch im Hinblick auf das Inkrafttreten der bilateralen Verträge - aktiv gegen Schwarzarbeit vorgehen können, wie dies auch die Motion Blatter („Vollzug der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit im Rahmen der Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU“) fordert. Dafür ist eine geeignete Stelle zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu schaffen, die u.a. die Arbeit zwischen POM und VOL koordiniert.
Antwort des Regierungsrates:
Einleitung
Unter dem Begriff Schwarzarbeit werden alle Arbeitstätigkeiten verstanden, die unter Missachtung der staatlich verlangten Rahmenbedingungen ausgeführt werden. Dabei erleiden der Staat und seine Institutionen durch das Hinterziehen von Gebühren, Abgaben und Steuern bedeutende Einnahmenausfälle. An einem Seminar im Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) im Januar 2000 bezifferte Professor Friedrich Schneider von der Universität Linz den Umfang des von der Schattenwirtschaft erzielten Umsatzes für die Schweiz im Jahr 1998 mit 8 Prozent bezogen auf das gesamte Bruttoinlandprodukt. Dies entspricht einem Betrag von 31 Mrd. Franken. Unternehmen, die sich an die geltenden Bestimmungen halten, verlieren Aufträge an Firmen, welche sich durch Schwarzarbeit Preisvorteile verschaffen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlieren wegen fehlenden Beitragsleistungen zusätzlich oft Ansprüche auf Entschädigungen der Sozialversicherungen, vor allem bei Unfallereignissen und bei der Altersversorgung.
Vermehrte Schwarzarbeit wird erwartet, wenn nach Einführung des freien Per- sonenverkehrs mit der EU die heutigen Kontrollen von Lohn- und Arbeitsbedingungen für Ausländer nicht mehr im gleichen Ausmass möglich sind. Daher wird in den flankierenden Massnahmen zum Vertrag über den freien Personenverkehr die Durchsetzung der Einhaltung der geltenden Vorschriften über Lohn- und Arbeitsbedingungen verlangt. Die Schwarzarbeit muss bekämpft werden. Die Aufsicht ist eine Vollzugsaufgabe der Kantone.
Eingeleitete Massnahmen
Im Sinne der Motionärin wurden folgende Massnahmen bereits eingeleitet:
• Im Rahmen der angelaufenen Arbeiten zur Umsetzung der bilateralen Verträge im Kanton Bern wurde zu Beginn dieses Jahres ein verwaltungsinterner Arbeitsausschuss gebildet, der sich mit den arbeitsmarktlichen Aspekten des freien Personenverkehrs
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und den flankierenden Massnahmen befasst. Er wird durch das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) geleitet.
• Im April hat die Volkswirtschaftsdirektion die Federführung bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit übernommen und das KIGA mit der Führung der bereits bestehenden, von der Motionärin erwähnten kantonalen Arbeitsgruppe, die sich aufgrund der überwiesenen Motion Sidler mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit auseinandersetzt, beauftragt.
• Die Volkswirtschaftsdirektorin hat am 23. Mai 2000, zwei Tage nach der Zustimmung des Schweizervolkes zu den bilateralen Verträgen mit der EU, das KIGA beauftragt, eine Aufsichtsstelle zu schaffen, die die Umsetzung des freien Personenverkehrs sowie der flankierenden Massnahmen, (mithin die Bekämpfung der Schwarzarbeit) überwacht.
Zu den Anliegen der Motionärin
Der Regierungsrat anerkennt die Wichtigkeit der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Bereits heute werden durch die Behörden in verschiedenen Direktionen Massnahmen zu deren Verhinderung getroffen. Mit der Schaffung der erwähnten Aufsichtsstelle im KIGA soll eine Koordination der Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Aufdeckung und Bekämpfung der Schwarzarbeit sichergestellt werden. Zu den Anregungen der Motionärin nimmt der Regierungsrat wie folgt Stellung:
Informationskampagne gegen Schwarzarbeit
Die von der Motionärin erwähnte kantonale Arbeitsgruppe hat die Durchführung einer solchen Kampagne im vergangenen Jahr beschlossen. Sie soll im Herbst dieses Jahres durchgeführt werden.
Verschärfte Strafen bei erwiesener Schwarzarbeit
Die von der Motionärin geforderte Verschärfung der Strafen sowie der administrativen Sanktionen aufgrund von Schwarzarbeit ist im Expertenentwurf zu einem neuen Bun- desgesetz für Ausländerinnen und Ausländer enthalten. Die parlamentarische Vorlage ist für den Frühling 2001 vorgesehen. Das neue Gesetz soll das geltende Gesetz vom 26.
März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer ablösen. Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens wird der Regierungsrat diesem Anliegen besondere Beachtung schenken. Besondere Sanktionen der Kontrollorgane sind zudem im neuen Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und flankierende Massnahmen vorgesehen. Weitere spezialgesetzliche Strafbestimmungen bestehen für Tatbestände, die auch, aber nicht nur im Zusammenhang mit Schwarzarbeit, erfüllt werden. So beispielsweise im Steuerrecht und bei den Sozialversicherungen. Weiter- gehende Massnahmen sind zur Zeit nicht erforderlich.
Keine öffentlichen Aufträge an Firmen mit Schwarzarbeit
Die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion führt seit einigen Jahren Abklärungen durch, wenn ihr von den zuständigen paritätischen Kommissionen Unternehmen gemeldet werden, die gegen allgemeinverbindlich erklärte Lohn- und Arbeitsbedingungen verstossen. Das KIGA ist Aufsichtsstelle für die private Arbeitsvermittlung und zugleich zu- ständig für die Bewilligungen von ausländischen Erwerbstätigen. Es ermittelt bei gemel- deten Verstössen gegen das Gesetz über die private Arbeitsvermittlung und bei uner- laubter Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften. Die Fremdenpolizei verfolgt Zuwiderhandlungen gegen das Ausländergesetz.
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Bei Verstössen werden, abhängig von der Schwere und der Häufigkeit der Verstösse, Sanktionen ausgesprochen. Diese können bis zum Ausschluss von Auftragsvergaben oder bis zum Widerruf der Bewilligung für die Arbeitsvermittlung oder die Beschäftigung von Ausländern gehen können. Weitergehende strafrechtliche Sanktionen wie Bussen, Wegweisungen und Einreisesperren für Ausländer sind zusätzlich möglich.
Die Ahndung von Vergehen greift heute vor allem in Branchen, in denen paritätische Kommissionen die Aufsicht über die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen ausüben. Eine Sanktionierung von Verstössen ist jedoch auch in den übrigen Wirt- schaftsbereichen wünschenswert. Damit würde sichergestellt, dass alle Unternehmen gleiche Marktbedingungen vorfinden und die verlangten Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden.
Kantonale Listen von Betrieben mit Schwarzarbeit
Heute wird bezüglich Verstössen gegen die Bestimmungen der Gesamtarbeitsverträge und anderer gesetzlicher Bestimmungen zwischen den am häufigsten betroffenen Amtsstellen und den paritätischen Kommissionen ein Informationsaustausch gepflegt. Für das Erstellen einer „schwarzen Liste“ fehlen die gesetzlichen Grundlagen. Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen verlangt die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion in einer verwaltungsinternern Weisung von den anbietenden Unternehmen den Nachweis der Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften wie die fristgerechte Bezahlung von Steuern, AHV- und Vorsorgebeiträgen sowie die Einhaltung des GAV usw. Diese Nachweise stellen eine Ergänzung der Selbstdeklaration dar. Sie dürfen nicht älter als 1 Jahr sein und müssen seit dem 1. Juli 2000 erbracht werden.
Schaffung von Anreizen zur Verhinderung von Schwarzarbeit
Die Vereinfachung von Verwaltungsabläufen und der Verbesserung der Kundenkontakte schenkt die Verwaltung seit einiger Zeit grosse Beachtung. Es wurde erkannt, dass mit einer transparenten, kundenfreundlichen Gestaltung von Gesuchs- und Meldeverfahren die Bereitschaft des Einzelnen zur Einhaltung der Vorschriften zunimmt.
Wegen der Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden sind viele Be- hördenstellen auf verschiedensten Ebenen mitbeteiligt. Eine Vereinfachung ist deshalb eine langfristige Aufgabe, die vom Bund gefördert und koordiniert werden muss. Soweit nur die Zusammenarbeit von kantonalen Behörden betroffen ist, werden im Rahmen der wirkungsorientierten Verwaltungsführung (NEF) gegenwärtig Reorganisationsarbeiten in Angriff genommen, die eine höhere Transparenz und eine Vereinfachung der Verwaltungsabläufe zum Ziel haben.
Schlussfolgerungen
Ausgehend von den dargelegten Ausführungen stellt der Regierungsrat fest, dass dem Hauptanliegen der Motionärin, der Schaffung einer Koordinationsstelle gegen Schwarzarbeit, mit den bereits eingeleiteten Massnahmen Rechnung getragen wurde und das Anliegen somit erfüllt ist.
Antrag: Annahme und gleichzeitige Abschreibung
An den Grossen Rat