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Archiv "Patientenverfügung: Ärzte sind Anwälte des Lebensrechts" (20.11.2009)

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A 2368 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 47

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20. November 2009 und darf daher nicht durchgeführt

werden.“

Konsequenterweise dürfte man zum Beispiel den Wunsch eines im Ster- ben liegenden Patienten nicht erfül- len, ihm durch eine „kurzfristige Verlängerung“ seines Lebens viel- leicht doch noch einen Abschied von seinem – aus dem Urlaub anreisen- den – Sohn zu ermöglichen oder umgekehrt den Wunsch dieses Soh- nes zu erfüllen, den Vater bei seiner Ankunft möglichst noch lebend vor- zufinden! Der Arzt also als Richter über den Wert einer „kurzfristigen“

(Zwei Stunden? Zwei Tage? Zwei Wochen?) Lebensverlängerung – oh- ne Dialog mit den Betroffenen? For- dert nicht die in diesem Fall gegebe- ne Situation der „Palliation“ – dieses Stichwort fehlt unter den von den Autoren angegebenen „allgemein akzeptierten Therapiezielen“! – eine ganzheitliche, also auch die sozialen Bezüge inkludierende Betrachtungs- weise? An den Tübinger Kliniken jedenfalls praktizieren wir ein huma- neres Konzept von „Indikation“.

Punkt II: In dem Artikel heißt es:

Existiert eine Patientenverfügung (PV) „und trifft (sie) eindeutig auf die aktuelle klinische Situation zu, so informiert der Arzt die Angehörigen (einschließlich des Betreuers/Bevoll- mächtigten, falls vorhanden) und be- handelt entsprechend dem voraus- verfügten, unmittelbar fortwirkenden Patientenwillen – es sei denn, es lie- gen konkrete Anhaltspunkte für ei- nen zwischenzeitlichen Widerruf der Patientenverfügung vor“.

Demnach dürfte der Arzt im Allein- gang entscheiden, ob eine vorliegen- de PV die aktuelle Patientensituation trifft, und er hätte gegebenenfalls den Betreuer/Bevollmächtigten lediglich über seine Entscheidungen zu infor- mieren (per E-Mail?). Der Arzt also als souveräner Richter über die Trif- tigkeit einer PV – ohne Dialog mit dem Betreuer/Bevollmächtigten?

Das halte ich nicht nur für ethisch inakzeptabel, sondern auch für con- tra legem – und zwar aus drei Grün- den: Erstens weist das BGB § 1901 a Abs. 1 dem Betreuer(!) das Recht zu und die Pflicht, die Triftigkeit der PV zu prüfen. Zweitens – und das ist vielleicht noch wichtiger – enthält

§ 1901 b („Gespräch zur Feststellung

des Patientenwillens“) die Verpflich- tung des Arztes zum Dialog mit dem Betreuer/Bevollmächtigtem: Auf dieser Basis dieses Dialogs hat der Betreuer seine Entscheidung zu treffen. Drittens kann auf dem Weg purer Information – ohne Dialog – gar nicht geklärt werden, was die Autoren zu Recht als stets klärungs- bedürftig ansehen: ob „konkrete Anhaltspunkte für einen zwischen- zeitlichen Widerruf der Patienten- verfügung vorliegen“.

Dr. Clemens Ruhnau, MB, Katholische Klinikseelsorge, Uniklinik Tübingen, Crona Kliniken, Hoppe-Seyler-Straße 3, 72076 Tübingen

Ärzte sind Anwälte des Lebensrechts

Der vorliegende Beitrag zum Um- gang mit dem neuen Patientenverfü- gungsgesetz zeichnet sich durch eine beklagenswerte ideologische Eng- führung mit dem alleinigen Ziel des Sterbenlassens nicht einwilligungs- fähiger Kranker aus. Die Autoren weisen dazu auf suggestive Weise den Weg: Entweder liegt eine ver- bindliche, auf den konkreten Fall passende Patientenverfügung nach

§ 1901 a Abs. 1 BGB vor, die einen Therapieabbruch künftig in jedem Krankheitsstadium erzwingt. Ist dies nicht der Fall, so hat es der Arzt in der Hand, den Tod des Patienten dennoch eintreten zu lassen, indem er feststellt, dass keine medizinische Indikation für eine lebenserhaltende Behandlung gegeben sei. Das ist dann zwar Pech für den Kranken, doch nach Meinung der Autoren nützlich für das Verhältnis des Arz- tes zu den Hinterbliebenen, denn:

„Eine Entscheidung aufgrund einer fehlenden Indikation kann die Ange- hörigen emotional entlasten, da sie nicht mit der Vorstellung weiterleben müssen, ‚schuld’ am Ableben des Patienten zu sein.“ Der Patient ist tot, doch das Angehörigengewissen bleibt rein und unbefleckt. Leider verschweigen die Autoren, dass in ihrer Definition des Begriffs „Indi- kation“ die ethisch-normative Be- wertung der betreffenden Therapie- maßnahme bereits implizit und in fehlerhafter Weise enthalten ist.

Nach § 1904 Abs. 4 BGB ist die Ge- nehmigung eines Therapieabbruchs

durch das Betreuungsgericht nicht erforderlich, wenn zwischen Betreu- er und behandelndem Arzt Einver- nehmen darüber besteht, dass dies dem Willen des Betreuten entspricht.

Die Autoren versäumen es dabei, auf die Gefahr einer „unheiligen Alli- anz“ zwischen den durch das dro- hende langwierige Verfahren vor dem Betreuungsgericht frustrierten Ärzten und zielstrebigen Betreuern bzw. Bevollmächtigten auf Kosten des Lebensrechts des Patienten hin- zuweisen. Darüber hinaus raten die Autoren den Ärzten sogar, von der Bestellung eines Betreuers ganz ab- zusehen, wenn eine „eindeutige“ Pa- tientenverfügung vorliege oder wenn sich keine Indikation zur Therapie ergebe. Damit hinge dann aber das Leben des einwilligungsunfähigen Patienten allein am seidenen Faden der Deutungshoheit von Ärzten und Angehörigen sowie am Behand- lungswillen der Mediziner.

Der in sterbepolitischen Debatten rhetorisch immer wieder verkündete Anspruch, es solle das Selbstbestim- mungsrecht des Patienten geachtet und gestärkt werden, wird in dem vorliegenden Beitrag vollends zur Farce, wenn die Autoren dazu auf- fordern, den Patienten und dessen Familie als eine „Betreuungseinheit“

zu verstehen, wobei Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse so zu gestalten seien, „dass sie für die An- gehörigen nicht zu einer zusätzli- chen Belastung in der Trauerphase führen“. Der tote Patient klagt schließlich nicht mehr – weder dem Arzt sein Leid noch gegen diesen vor Gericht.

Es ist erschreckend zu lesen, wie führende Palliativmediziner, Richter und Medizinethiker das geänderte Betreuungsrecht argumentativ linear als eine Einbahnstraße in den

„selbstbestimmten“ Tod interpretiert sehen wollen. Werden die Ärzte die- se offiziöse Anleitung kritiklos ak- zeptieren? Sie sind schließlich die letzten Anwälte des Lebensrechts der ihnen anvertrauten Patienten, nicht aber die Erfüllungsgehilfen der Angehörigen.

Prof. Dr. med. Axel W. Bauer, Mitglied des Deut- schen Ethikrates, Vorsitzender des Klinischen Ethik-Komitees der Universitätsmedizin Mannheim, Ludolf-Krehl-Straße 7–11, 68167 Mannheim

B R I E F E

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