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Lageanalyse des Schweizer Tourismus | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Dossier

58 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 9-2010

Entwicklung des Schweizer Tourismus Zwischen 1950 und 1970 entwickelte sich der Wintertourismus rasch zum lukrativen Geschäft; die Schweizer Alpen wurden da- mals flächendeckend erschlossen. Die Hotel- übernachtungen verdoppelten sich von 15 auf rund 35 Millionen. Dieser Aufschwung wurde vor allem durch die ausländischen Gäste getragen. Seit den frühen 1970er-Jahre stagnieren mengenmässig die Hotelüber- nachtungen und seit dem Beginn der 1980er- Jahre die Übernachtungen in der vermieteten Parahotellerie. Eine überdurchschnittliche Entwicklung verzeichneten hingegen in den letzten 15 Jahren der Städtetourismus sowie

grosse alpine Destinationen, die internatio- nal ausgerichtet sind (vgl. Kasten 1). Insge- samt entwickelte sich die schweizerische Ho- tellerie zwischen 2000 und 2008 leicht schwächer als jene unserer Nachbarländer (vgl. Grafik 1).

Schweizer Tourismus mit grossem Potenzial

Die Globalisierung hat den Tourismus stark verändert: 1950 gehörte die Schweiz zu den fünf grössten Tourismusländern. Heute belegt die Schweiz den Rang 27. Der Touris- mus ist weltweit mit jährlichen Wachstums- raten von 4% bis 5% einer der am stärksten wachsenden Wirtschaftssektoren. Gemäss Prognosen der Weltorganisation für Touris- mus (UNWTO) wird der grenzüberschrei- tende Tourismus in den nächsten 10 Jahren um durchschnittlich rund 4% pro Jahr zu- nehmen.

Das touristische Potenzial der Schweiz ist gemäss der Beurteilung durch das WEF sehr gross.1 Der Schweizer Tourismus verfügt über viele Stärken. So bietet die Schweiz viele na- türliche Vorteile für den Tourismus, wozu insbesondere die attraktive Landschaft zählt.

Lageanalyse des Schweizer Tourismus

Davide Codoni Stv. Leiter, Ressort Touris- mus, Direktion Standort- förderung, Staatssekreta- riat für Wirtschaft SECO, Bern

Dr. Karl Koch

Wissenschaftlicher Mitar- beiter, Ressort Tourismus, Direktion Standortförde- rung, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern

Der Tourismus ist für die Schwei­

zer Volkswirtschaft von grosser Bedeutung. Die Einnahmen be­

liefen sich gemäss Satelliten­

konto Tourismus im Jahr 2008 auf 36 Mrd. Franken. Mit Exportein­

nahmen von gut 15,6 Mrd. Fran­

ken (2008) ist der Tourismus für die Schweiz der viertwichtigste Exportsektor. Insbesondere für die alpinen Regionen ist er ein Leitsektor mit strategischer Be­

deutung. Im Bericht «Wachs­

tumsstrategie für den Tourismus­

standort Schweiz» wird die aktuelle Situation des Schweizer Tourismus dargestellt. Die Stär­

ken werden gegen die Schwächen abgewogen und daraus Heraus­

forderungen abgeleitet. Nachfol­

gend werden die wichtigsten Aus­

sagen zur Lageanalyse des Schweizer Tourismus zusammen­

gefasst.

Die steigende Schneesicherheitsgrenze ist die im Alpenraum am häufigsten im Zusammenhang mit dem Tourismus diskutierte Konsequenz einer Klimaveränderung. Die Schweizer Tourismuswirtschaft muss sich anpassen und ihr

Angebot diversifizieren. Bild: Keystone

1 The Travel & Tourism Competitiveness Report 2009, World Economic Forum.

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Dossier

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kende Distanzkosten verbilligen Waren und Dienstleistungen, erleichtern den Austausch von Ideen und erhöhen die Mobilität der Touristen. Insgesamt wird sich dadurch der Wettbewerbs- und Konkurrenzdruck auf die Schweizer Tourismuswirtschaft erhöhen.

Gleichzeitig bietet die Globalisierung aber auch Chancen zur Erschliessung und Bear- beitung neuer Märkte.

Veränderungen im Nachfrageverhalten

Europa- und weltweit verändert sich die Alterspyramide. Im Jahr 2050 wird auf der Erde jeder fünfte Mensch 60 Jahre oder älter sein. Somit werden in Zukunft mehr ältere Menschen reisen. Aufgrund der wachsenden Reiseerfahrung steigen die Ansprüche. Der Trend zur Individualisierung der Gesellschaft macht vor dem Tourismus nicht halt. Insge- samt werden die Gäste anspruchsvoller. Sie werden höhere Erwartungen an die Qualität der touristischen Angebote haben, was einen dauernden Anpassungsdruck auf die Touris- musunternehmen auslöst.

Technologischer Fortschritt

Der technologische Wandel hat den Tou- rismus in den vergangenen 50 Jahren vor allem über die zunehmende Motorisierung und die Weiterentwicklung der Flugtechnik stark beeinflusst. Diese Dynamik wird weiter auf den Tourismus einwirken. Im Indivi- dualverkehr wartet man auf die Verbreitung umweltfreundlicher Technologien, welche die heutigen Unterschiede zwischen dem öf- fentlichen und privaten Verkehr nivellieren könnten. Im Flugverkehr vollzieht sich ein weiterer Schritt in Richtung Grossraumflug- zeuge. Eine weitere Senkung der Distanzkos- ten ist trotz steigender Energiepreise wahr- scheinlich. Hierfür spricht die zunehmende Ressourceneffizienz (vgl. Kasten 2).

Grössere technische Veränderungen wer- den in der Distribution erwartet. Die Touris- muswirtschaft wird die neuen technischen Möglichkeiten im Bereich des Mobile Com- puting und der Informationsvisualisierung systematisch nutzen. Die Online-Ver- marktung senkt die Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren und intensiviert den Wettbewerb. Auf Basis massgeschneiderter Ferien (Dynamic Packaging) können die Gäs te die gesamte Reise zusammenstellen und zu tagesaktuellen Preisen buchen. Diese Entwicklungen erhöhen den Innovations- druck im Schweizer Tourismus.

Klimawandel und Umweltgefährdung

Der Klimawandel ist für den Schweizer Tourismus eine schleichende Herausforde- rung und wird die Destinationen dauerhaft verändern. Dabei wird es Gewinner und Ver- Das touristische Angebot ist vielseitig und

attraktiv; das Wissen und Können im Touris- mus ist ausgewiesen und auf hohem Niveau.

Der Schweizer Tourismus weist aber auch ernst zu nehmende Schwächen auf. Dazu ge- hören zersplitterte Destinations- und klein- gewerbliche Betriebs- und Branchenstruk- turen. Zudem hat der Schweizer Tourismus mit Kostennachteilen und einer geringen Ar- beitsproduktivität zu kämpfen.

Herausforderungen des Tourismuslandes Schweiz

Ausgehend von den vorhandenen Stärken und Schwächen werden im Folgenden wich- tige Herausforderungen für den Schweizer Tourismus abgeleitet. Bedeutende Treiber der zukünftigen Entwicklung sind die Globali- sierung, die Veränderung im Nachfragever- halten, die technologische Entwicklung sowie der Klimawandel. Die vielfältigen Verände- rungen, die innerhalb des Tourismus stattge- funden haben, aber auch die veränderten Rahmenbedingungen erschweren das Her- ausschälen der zentralen Herausforderungen;

diese werden auf folgende fünf Herausforde- rungen reduziert.

Fortschreitende Globalisierung

Angebot und Nachfrage werden in Zu- kunft weltweit deutlich zunehmen. Die wich- tigste Ursache der Globalisierung sind die sinkenden Distanzkosten. Darunter versteht man Transportkosten, Handelshindernisse, aber auch Zeitfaktoren und Ähnliches. Sin-

Kasten 1

Was ist eine Destination?

Angebotsseitige Definition: Eine Des- tination ist eine Konzentration mehrerer touristischer Branchen an einem Ort bzw. in einem Raum. Sie kann auch als eine touris- tische Agglomeration bezeichnet werden, in der touristische Einzelleistungen in Form von Wertschöpfungssystemen zu Aufenthalts-, Reise- und Ferienerlebnissen verschmelzen.

Touristische Agglomerationen können auf unterschiedlichen geografischen Massstabs- ebenen definiert werden. Sowohl ein Ort, eine Region als auch ein Land können eine touris- tische Agglomeration bzw. eine Destination darstellen.

Die angebotsseitige Definition des Des- tinationsbegriffs legt den Fokus auf die tou- ristischen Unternehmen und Branchen sowie deren Interaktion. Neben der angebotssei- tigen Definition existiert auch eine nachfra- geseitige Definition des Destinationsbegriffs, welcher insbesondere für das Tourismusmar- keting wichtig ist.

Nachfrageseitige Definition: Eine Des- tination wird nachfrageseitig definiert als geografischer Raum, den der jeweilige Gast als Reiseziel auswählt. Sie enthält sämtliche für den Aufenthalt notwendigen Einrich- tungen für Beherbergung, Verpflegung und Unterhaltung. Der durch den Nachfrager wahrgenommene Raum stellt ein Leistungs- bündel dar, nicht notwendigerweise einen Ort. Die Destination kann für den Gast ent- sprechend seiner Wahrnehmung ein Ort, eine Region oder ein Land sein.

Index 2000 = 100

Schweiz Italien Deutschland Frankreich Österreich EU4

2008

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

90 95 100 105 110 115 120

Quelle: BAK Basel 2010 / Die Volkswirtschaft Grafik 1

Entwicklung der Anzahl Hotelübernachtungen in der Schweiz und den umliegenden Ländern, 2000–2008

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tinationsstrukturen in der Schweiz nach wie vor zu fragmentiert, zu vielschichtig und zu kompliziert. Die zahlreichen öf- fentlichen und gemischtwirtschaftlichen Tourismusorganisationen sollten zu Orga- nisationen angemessener Grösse zusam- mengefasst werden.

Finanzierung: Zur Finanzierung des Des- tinationsmanagements und insbesondere des Tourismusmarketings existieren heute im Schweizer Tourismus verschiedene Modelle und Ansätze. Neben Kurtaxen und Tourismusförderungsabgaben wer- den insbesondere auch allgemeine Steuer- mittel eingesetzt. Die Finanzierungssys- teme sind häufig schwerfällig und im Vollzug mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden.

Gesamtatmosphäre: Viele der historisch gewachsenen Schweizer Destinationen weisen grosse atmosphärische Defizite wegen Mängel in der Erlebnisinszenie- rung auf. Handlungsbedarf besteht be- züglich der Dichte an Attraktionen, der Gestaltung der Szenerie oder der Besu- cherlenkung.

Einzelbetriebliches Angebot: Auch auf ein- zelbetrieblicher Ebene ist das Angebot zu fragmentiert. Die Beherbergungswirt- schaft hat vor allem zwei Strukturpro- bleme: Zum einen ist der Anteil der klei- nen Betriebe noch immer sehr hoch. Zum andern belastet das partielle Überangebot an Zweitwohnungen die Beherbergungs- struktur. Je intensiver und professioneller die Gästebetten bewirtschaftet werden, desto besser werden auch die übrigen tou- ristischen Kapazitäten ausgelastet. In vie- len Schweizer Regionen ist der Zweitwoh- nungsanteil ausgesprochen hoch: Er macht vielerorts mehr als 50% des Ge- samtwohnungsbestandes aus. In den Re- gionen Wallis, Tessin und in den Waadt- länder Alpen ist nur rund jedes zehnte Gästebett ein Hotelbett.

Fazit

Im Schweizer Tourismus müssen Produk- tivität und Rentabilität erhöht werden. Im internationalen Wettbewerb führen die vor- handenen strukturellen Defizite zu einem andauernden Wandlungsdruck. Das Poten- zial, das im Schweizer Tourismus steckt, muss noch besser genutzt werden. Basis für eine erfolgreiche Entwicklung des Schweizer Tou- rismus ist die neue Wachstumsstrategie. lierer geben. Während die Mittelmeer-

regionen in den Sommermonaten vermehrt Hitze wellen erleben werden, leiden tief ge- legene Alpenregionen zunehmend unter ver- minderter Schneesicherheit. Die steigende Schneesicherheitsgrenze ist die im Alpen- raum am häufigsten im Zusammenhang mit dem Tourismus diskutierte Konsequenz einer Klimaveränderung. Die Schweizer Tou- rismuswirtschaft muss sich anpassen und ihr Angebot diversifizieren. Das heisst der Diversifika tionsdruck wird zunehmen.

Aber auch der Nachhaltigkeitsdruck wird steigen: Zu den Herausforderungen gehören die Erhaltung der Landschaftsqualität und ei- ne geordnete Siedlungsentwicklung in touri- stischen Gebieten, insbesondere beim Bau von Zweitwohnungen. Tourismus- und Raum- entwicklung sind so aufeinander abzustim- men, dass die Ressourceneffizienz des Touris- mus steigt.

Strukturelle Defizite

Die Destinationsstrukturen in der Schweiz sind historisch gewachsen und entsprechen nur teilweise den Anforderungen der globali- sierten Märkte. Auf Destinationsebene be- steht die Herausforderung primär darin, marktwirtschaftliche Prozesse und öffent- liche Strukturen in Übereinstimmung zu bringen. Die Destination ist in vielen Belan- gen ein öffentliches Gut (vgl. Kasten 2), na- mentlich deren Marke, welche durch das De- stinationsmarketing aufgebaut wird. Die wichtigen Fragen im Destinationsmanage- ment sind die richtige Aufgabenteilung, die Finanzierung sowie die Gestaltung einer für die Besucher attraktiven Atmosphäre.

Aufgabenteilung: Trotz grossen Bemühun- gen sind die historisch gewachsenen Des-

Kasten 2

Weitere Definitionen

Ressourceneffizienz: Ressourceneffizienz besagt, dass mit dem geringstmöglichen Input an Ressourcen (Kapital, Arbeit, Boden, Umwelt, Wissen) ein gegebener Output er- reicht oder mit den gegebenen Ressourcen der bestmögliche Output angestrebt werden soll.

Öffentliche Güter: Öffentliche Güter werden gemeinsam genutzt. Der Konsum ist nicht rivalisierend und der Ausschluss vom Konsum ist unmöglich oder sehr aufwändig. Das Tou- rismusimage der Schweiz ist ein Beispiel für ein öffentliches Gut.

Fortschreitende Globalisierung im Tourismus

Konkurrenzdruck Veränderung im Nachfrageverhalten

Anpassungsdruck

Technologische Entwicklungen

Innovationsdruck Klimawandel und Umweltgefährdung

Diversifikations- und Nachhaltigkeitsdruck

Strukturelle Schwächen im Schweizer Tourismus

Wandlungsdruck

Quelle: SECO / Die Volkswirtschaft Grafik 2

Wichtigste Herausforderung für den Schweizer Tourismus

Referenzen

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