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Wie die KOF die Datenflut in ihre Prognosen einbezieht | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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18 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2014

Monatsthema

Börseninformationen, Import- und Ex - portstatistiken, Mediendaten sowie ökono- mische Indikatoren aus anderen Ländern produzieren heute eine schier unüberschau- bare Masse von Daten. Die grösste Heraus- forderung besteht darin, diese als Big Data bezeichnete Datenflut mit eigenen Daten – beispielsweise aus den KOF-Konjunkturum- fragen – sinnvoll zu kombinieren, um präzise Einschätzungen der Wirtschaftslage in der Schweiz zu liefern.

Neben der «traditionellen» Prognose- erstellung produzieren Forscherinnen und Forscher an der KOF vermehrt Nowcasts.

Damit sind Prognosen für die Gegenwart, die nahe Zu kunft oder sogar die Vergangenheit ge meint. Das Wort, das sich aus «now» und

«Forecast» zusammensetzt, ist der Meteoro- logie entnommen und beschreibt dort sehr kurzfristige Wettervorhersagen von typi- scherweise 0 bis 12 Stunden. Die Nowcasts lassen sich dank Big Data auf eine viel brei- tere Datenbasis stützen. Die Nachfrage nach solchen Prognosen stieg insbesondere im Nachgang zur Finanzkrise, die viele Ökono- men auf dem falschen Fuss erwischt hatte.

Verzögerte Erfassung der Gegenwart Dass Ökonomen zu «Nowcasts» übergehen, hat wenig damit zu tun, dass die Zukunft uner- gründbar bleibt. Dies ist vielmehr der Tatsache geschuldet, dass bereits die Gegenwart und sogar die Vergangenheit datenmässig schwer zu fassen sind – trotz Big Data. Oftmals erschei- nen wichtige Daten zu einer bestimmten Peri- ode erst mit Verzögerung. So ist es in der Schweiz üblich, dass eine erste offizielle Quar- talsschätzung des Wachstums des Brutto- inlandprodukts (BIP), wie sie das Staatssekreta- riat für Wirtschaft (Seco) publiziert, erst acht Wochen nach Ablauf eines Quartals veröffent- licht wird. Noch länger muss warten, wer die endgültigen Zahlen des Bun desamtes für Statis- tik (BFS) zum BIP-Wachstum verwenden möchte. Hinzu kommt, dass das Schweizer BIP noch drei Jahre (oder sogar noch später) nach Veröffentlichung revidiert werden kann.

Die Schweizer Konjunktur in Echtzeit Aufbauend auf dem dynamischen Fak- tormodell von Giannone, Reichlin und Small

(2008), haben Siliverstovs und Kholodilin (2012) ein Nowcasting-Modell für die Schwei- zer Wirtschaft entwickelt. In dieses Modell fliessen knapp 600 ökonomische Variablen ein, inklusive der KOF-Umfragedaten. Ziel ist es, zeitnahe Prognosen für das laufende Quar- talswachstum des Schweizer BIP zu erstellen.

Angesichts der verzögerten Veröffentlichung der offiziellen Daten durch das Seco liefert das Modell einen Nowcast für das BIP, der der offiziellen Bekanntgabe um rund drei bis sechs Monate vorausläuft. Ein Vorteil dieser Prog- nosemethode liegt in der ständigen Aktuali- sierung des zugrunde liegenden Datensets mit für das Quartal informativen ökonomischen Variablen. Das Modell wird seit 2010 an der KOF vierteljährlich auch als Ergänzung zum KOF-Makromodell angewandt.

Grafik 1 zeigt die jüngsten Nowcast- Sequenzen für 2013 und das erste Quartal 2014. Jeder Punkt zeigt eine BIP-Wachstums- prognose an einem bestimmten Tag mit den zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Daten. So basiert beispielsweise die prognos- tizierte Wachstumsrate von 0,27% im ers- ten Quartal 2013 auf Informationen, die am 4. Dezember 2012 zur Verfügung standen. Die danach folgende Prognose von 0,02% basiert auf Informationen, die am 11. Dezember zur Verfügung standen. Ständig fliessen positive und negative Neuigkeiten via Daten in das Modell ein. Die ultimative Prognose für das erste Quartal 2013 wurde am 1. März 2013 veröffentlicht. Mit einem Wert von 0,56% traf diese den vom Seco am 30. Mai 2013 publi- zierten offiziellen Wert praktisch punktgenau (0,55%). Im zweiten Quartal 2013 lieferte der letzte Nowcast vom 3. Juni mit 0,50% eine prä- zise Schätzung des offiziellen Werts (0,52%), der am 3. September 2013 veröffentlicht wurde. Im dritten Quartal 2013 lag der Now- cast bei 0,44% (3. September) und der offizi- elle Wert bei 0,52% (28. November).

Eine ziemlich grosse Differenz zwischen Nowcast (0,55%, 28. November 2013) und offizieller Schätzung (0,16%, 27. Februar 2014) ergibt sich für das vierte Quartal 2013. Der tiefe offizielle Wert wird von den Zahlen, die ins Nowcasting-Modell fliessen, nicht unter- stützt. Somit sind hierfür andere, ausserhalb des Modells liegende Gründe oder Informati- onen verantwortlich zu machen, die erst nach dem 28. November zur Verfügung standen.

Wie die KOF die Datenflut in ihre Prognosen einbezieht

Die gigantischen Technologie­

sprünge der letzten Jahre haben nicht nur zu einer Explosion der Datenmenge geführt, sondern auch zahlreiche neue Möglichkeiten eröffnet. Die Konjunktur forschungsstelle der ETH Zürich versucht, diese Möglichkeiten zu nutzen, insbe­

sondere im Prognosebereich. In Kombination mit Ansätzen wie der Gegenwartsprognose, dem sogenannten Nowcasting, ergeben sich potente Instru­

mente, um den Konjunktur­

verlauf präzise zu erfassen.

David Iselin Wissenschaftlicher Mitarbeiter, KOF Kon- junkturforschungsstelle der ETH Zürich

Dr. Boriss Siliverstovs Höherer wissenschaftli- cher Mitarbeiter, KOF Konjunkturforschungs- stelle der ETH Zürich

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19 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2014

Monatsthema

1 Die Echtzeit-Prognosegüte des dynamischen Faktor- modells von Kholodilin und Siliverstovs (2012) wur- de für die Jahre 2010 und 2011 in Siliverstovs (2012) dokumentiert.

2 Vgl. Iselin und Siliverstovs (2013). Die Unter- suchung lehnt sich an den von der Zeitschrift

«The Economist» entwickelten Rezessions-Index an.

Für das erste Quartal 2014 liegt der Nowcast mit 0,69% (3. März 2014) sehr hoch. Getrie- ben wurde der hohe Wert vor allem von einer signifikanten Verbesserung der Situation der von der KOF befragten Industriefirmen im Februar. Ob die offiziellen Daten diesen posi- tiven Ausblick für die Schweizer Wirtschaft bestätigen, wird sich erst am 27. Mai 2014 zei- gen, wenn die nächste Seco-Schätzung folgt.1

Volltextsuche bringt gute Resultate Ein weiterer Nowcasting-Ansatz an der KOF kombiniert Big Data aus dem Medien- bereich mit Kurzfristprognosen und basiert auf der Volltextsuche, die angibt, wie oft ein bestimmtes Schlagwort («Rezession») genannt wird. Eine Volltextsuche, wie sie dieser Ansatz verlangt, war bis vor weni- gen Jahren undenkbar. Erst der technologi- sche Fortschritt der letzten Jahre hat dies zu einem einfachen Unterfangen gemacht. In einer Untersuchung für die Schweiz2 lässt sich zeigen, dass eine mit einer einfachen Schlag- wortsuche in Zeitungen angereicherte Prog- nose akkurate Nowcasts für die Vorjahresver- änderung des BIP liefert. Die Resultate dieses Ansatzes erwiesen sich insbesondere auf dem Höhepunkt der Finanzkrise von 2008/09 im Vergleich mit anderen Ansätzen als sehr gut.

Das neue KOF­Konjunkturbarometer ist lernfähig

Schliesslich hat die KOF in jüngerer Ver- gangenheit einiges an Ressourcen aufge- wendet, um das KOF-Konjunkturbarometer grundlegend zu revidieren. Die Basis des neuen Barometers bildet eine viel grössere Zahl von Indikatoren: Aus einer Ausgangs- menge von 476 Variablen, die in insgesamt 4356 Transformationen resultieren, kommen derzeit 219 Variablen zur Berechnung des KOF-Konjunkturbarometers zum Einsatz.

Da die Variablenmenge jeden Herbst über- prüft wird, kann ihre Anzahl von Jahr zu Jahr variieren. Dadurch «lernt» das Barometer von aktuellen Entwicklungen. Wie Abberger et al.

(2014) zeigen, hat es in der neuen Version deutlich an Vorlauf gewonnen. Es bildet somit einen verlässlichen Indikator für die Schwei- zer Konjunkturentwicklung.

Big Data hat sowohl das klassische Progno- segeschäft wie auch das Nowcasting um viele neue Möglichkeiten erweitert. Doch mehr Daten sind nicht ein Wert an sich, was die Diskussion um Big Data teilweise vermuten lässt. Für Prognostiker haben Daten nur einen Wert, wenn sie klare Signale aussenden. Auch mit dem grössten Datensatz werden Progno- sen nicht von vornherein besser als mit eini- gen sorgfältig ausgewählten Indikatoren.

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1. Quartal 2013 2. Quartal 2013 3. Quartal 2014 4. Quartal 2013 1. Quartal 2014 In % des BIP

04.12.2012 11.12.2012 18.12.2012 26.12.2012 03.01.2013 08.01.2013 15.01.2013 22.01.2013 29.01.2013 05.02.2013 12.02.2013 19.02.2013 26.02.2013 01.03.2013 05.03.2013 12.03.2013 19.03.2013 26.03.2013 02.04.2013 09.04.2013 16.04.2013 23.04.2013 30.04.2013 07.05.2013 14.05.2013 21.05.2013 28.05.2013 03.06.2013 11.06.2013 18.06.2013 25.06.2013 02.07.2013 09.07.2013 16.07.2013 23.07.2013 30.07.2013 06.08.2013 13.08.2013 20.08.2013 27.08.2013 03.09.2013 10.09.2013 17.09.2013 24.09.2013 01.10.2013 08.10.2013 15.10.2013 22.10.2013 29.10.2013 05.11.2013 12.11.2013 19.11.2013 26.11.2013 28.11.2013 03.12.2013 10.12.2013 17.12.2013 24.12.2013 31.12.2013 07.01.2014 14.01.2014 21.01.2014 28.01.2014 04.02.2014 11.02.2014 18.02.2014 25.02.2014 04.03.2014

Anmerkung: Die Punkte zeigen die Nowcast-Wachstumsprognose, die durchgezogenen Linien die offiziellen Prognosen des Seco (fette Linien: Erstschätzungen, dünne Linien: Revisionen).

Grafik 1

Nowcast­Prognosen und offizielle Schätzungen des BIP­Wachstums gemäss Seco, 1. Quartal 2013–1. Quartal 2014

Kasten 1

Literatur

– Abberger, K., M. Graff, B. Siliverstovs und J.-E. Sturm (2014): The KOF Economic Baro- meter, Version 2014: A Composite Leading Indicator for the Swiss Business Cycle, KOF Working Paper Series Nr. 353, Januar.

– Iselin, D und B. Siliverstovs (2013): The R-Word Index for Switzerland, in: Applied Economics Letters, Taylor und Francis Journals, Vol. 20(11), S. 1032–1035, Juli.

– Kholodilin, K. A. und Siliverstovs, B. (2012):

Assessing the Real-Time Informational Cont- ent of Macroeconomic Data Releases for Now-/Forecasting GDP: Evidence for Switzer-

land, in: Journal of Economics and Stati- stics, Justus-Liebig University Giessen, Department of Statistics and Economics, Vol. 232(4), S. 429–444, Juli.

– Giannone, D, L. Reichlin und D. Small (2008):

Nowcasting: The Real-Time Informational Content of Macroeconomic Data, in: Journal of Monetary Economics, Elsevier, Vol. 55(4), S. 665–676, Mai.

– Siliverstovs, B. (2012): Keeping a Finger on the Pulse of the Economy: Nowcasting Swiss GDP in Real-Time Squared, KOF Working Papers Series Nr. 302, April.

Quelle: KOF, SECO / Die Volkswirtschaft

Referenzen

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