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Vom alten zum neuen Barometer
Der Vorgänger des heutigen KOF-Kon- junkturbarometers wurde 1976 entwickelt und 1998 letztmals revidiert. Er war als Indi- kator für die Entwicklung des BIP im Vor- jahresvergleich mit einem Vorlauf von sechs bis neun Monaten konzipiert. Die Konstruk- tion beruhte auf einer Auswahl von vor- laufenden Indikatoren, die mittels Haupt- komponentenextraktion zusammengefasst wurden.
Indikatormodelle, die auf der Fortschrei- bung von in der Vergangenheit beobachteten Zusammenhängen basieren, haben eine be- grenzte Lebensdauer. Das KOF-Konjunktur- barometer bildete keine Ausnahme und zeig- te bei einer Überprüfung im Jahr 2005 erheblichen Revisionsbedarf. So war ein Vor- lauf praktisch nicht mehr zu erkennen. Hin- zu kam eine zunehmende Informationsinef- fizienz, da zwischenzeitlich mehrere neue KOF-Umfragen (Baugewerbe, Projektie- rungssektor, Banken und Versicherungen) lanciert worden waren. Darüber hinaus hat- ten Verbesserungen der EU-Statistik dazu ge- führt, dass wir uns 2005 ein besseres Bild von der Konjunktur in den wichtigsten Schweizer Exportdestinationen machen konnten als zu- vor. Zudem kam es durch den zum Glätten verwendeten symmetrischen Filter zu erheb- lichen Revisionen. Daher entschloss sich die KOF, das traditionelle Barometer durch ei- nen umfassend neu konzipierten Frühindi- kator zu ersetzen. Im Jahr 2005 wurde ein Prototyp entwickelt und getestet. Das auf dieser Basis konstruierte heutige KOF-Kon- junkturbarometer löste seinen Vorgänger im Mai 2006 ab.
Ein multisektoraler Vorlaufindikator Das multisektoriale KOF-Konjunkturba- rometer beruht auf der Identifikation und Zusammenfassung von vorlaufenden Indika- toren. Da mit dem vorigen Barometer das selbst gesetzte Ziel eines Vorlaufs von sechs bis neun Monaten verfehlt wurde, ist der nunmehr avisierte Vorlauf mit rund einem Quartal weniger ambitioniert, dafür aber verlässlicher. Die wesentliche Neuerung be- steht darin, dass der Konjunkturverlauf nicht als eindimensionaler Vorgang modelliert wird, sondern als mehrdimensionales Phäno- men. Wir unterscheiden also sektorale Kon- junkturen, die separat abgebildet und an- schliessend zur Gesamtkonjunktur aggregiert werden. Die Wahl der drei Module beruht darauf, dass die separate Erfassung des Kon- junkturverlaufes solcher Sektoren, die von der Gesamtkonjunktur abweichen, besonders wichtig ist. Dies ist damit zu erklären, dass die konjunkturelle Entwicklung in dem Mas- se von einem eindimensionalen Modell schlechter erfasst wird, in dem sich die Teil- bereiche vom Gesamtbild unterscheiden. Mit Blick auf die Schweiz fällt dabei die erste Wahl auf das Kreditgewerbe. Auch der Bausektor ist durch ausgeprägte Sonderkon- junkturen gekennzeichnet.
Die aus diesen Erwägungen resultierende multisektorale Struktur des Sammelindika- tors ist in Grafik 1 dargestellt. Die Gesamt- konjunktur ergibt sich demnach aus den drei Modulen Kreditgewerbe, Baugewerbe und Kern-BIP. Das Kern-BIP, das den Grossteil der gesamten Wirtschaftsaktivität umfasst, wird dabei als ein eindimensionaler Vorgang verstanden. Zur robusten Messung wird es aber anhand dreier Aspekte erfasst:
– durch die Schweizer Industriekonjunk- tur;
– durch die Schweizer Konsumnachfrage;
– durch die Konjunktur in den wichtigsten Schweizer Exportdestinationen.
Unseres Wissens wird ein ähnlicher An- satz sonst nur beim konjunkturellen Früh- indikator des Deutschen Instituts für Wirt- schaftsforschung (DIW) in Berlin verfolgt. In der Modellierung der Einzelmodule verfährt das DIW jedoch anders, und für Randschät- zungen einzelner Module greift es auf univa-
Das KOF-Konjunkturbarometer – wie entwickelt sich das Schweizer BIP?
Michael Graff
Bereichsleiter Konjunktur, KOF – Konjunkturfor- schungsstelle, ETH Zürich
Das Konjunkturbarometer der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) ist ein aus 25 Einzelindikatoren berechneter Sammelindikator für die Schwei- zer Konjunktur. Es wird monatlich publiziert und gibt mit einem rund vierteljährigen Vorlauf Hin- weise auf die Entwicklung der Vorjahreswachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP). Das Barometer wurde 2006 umfas- send überarbeitet und weist seit- dem eine Reihe von methodischen Innovationen auf. Dadurch wur- den die Prognosegüte verbessert und die Revisionen verringert.
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Internet
www.kof.ethz.ch, «Produkte/Publika- tionen», «Indikatoren».
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der ersten Hauptkomponente zu einem sek- toralen Sammelindikator zusammengefasst.2 In den zwei nächsten Schritten werden die verfügbaren Werte der sektoralen Referenz- reihen auf die sektoralen Hauptkomponen- ten regressiert (womit die Schätzwerte dieser Regressionen den aus der Hauptkomponente folgenden prognostizierten Wachstumsraten entsprechen) sowie die Wachstumsraten der drei Sektoren mit den vom Bundesamt für Statistik (BFS) ausgewiesenen Sektoranteilen gewichtet und zum multisektoralen Sammel- indikator aufaddiert. Zuletzt wird die resul- tierende Reihe mit einem eigens hierfür entwickelten randwertstabilen Filter von sai- sonalen Schwankungen und Zufallseinflüs- sen bereinigt.3
Wie zuverlässig ist das neue Barometer?
Seit der Einführung des aktuellen KOF- Konjunkturbarometers im Mai 2006 sind rund zweieinhalb Jahre vergangen. Zur Be- urteilung der Verlässlichkeit des Barometers können wir somit zum jetzigen Zeitpunkt auf maximal elf BIP-Quartalswerte zurück- greifen. Diese sind allerdings alle noch provi- sorisch,4 sodass bei der Interpretation eine gewisse Zurückhaltung geboten ist.
Grafik 2 zeigt die Vorjahreswachstumsrate des BIP (geglättet und in monatliche Fre- quenz transformiert) sowie die monatlichen Barometerwerte, wobei zum Vergleich so- wohl das heutige Barometer als auch der seit 2006 nicht mehr publizierte Vorgänger dar- gestellt sind. Es ist ersichtlich, dass das heuti- ge KOF-Konjunkturbarometer recht verläss- liche Signale über die Entwicklung des Schweizer BIP vermittelt und dabei dem Vor- gänger sowohl bezüglich der Amplitude (Hö- he der Wachstumsrate) als auch der Phase (Vorlauf) deutlich überlegen ist.
Grafik 3 illustriert die Randwertproble- matik beim Vorgänger. Es zeigt sich, dass in Echtzeit – insbesondere an den Wendepunk- ten – teilweise erheblich andere Signale über- mittelt wurden als in der Rückschau. Dieses Problem wurde bei der Entwicklung des heu- tigen Barometers deutlich entschärft (siehe Grafik 4). Das neue Barometer weist nicht nur eine bessere Übereinstimmung mit der BIP-Wachstumsrate auf als sein Vorgänger, sondern auch erheblich weniger Revisionen der zuerst publizierten Werte.
Für eine vertiefende Analyse der Barome- tereigenschaften ist die Geschichte seit der Einführung des aktuellen Instruments zu kurz. Wichtige Hinweise gibt aber bereits jetzt die Untersuchung des 2005 entwickelten und auf dem Datenstand von 2002 beruhen- den Prototypen.5 Dabei zeigt sich, dass die Verbesserungen sowohl auf die grössere An- riate Zeitreihenverfahren zurück, während
wir uns ausschliesslich auf Indikatorenschät- zungen stützen.
Berechnung und Aggregation der Module Die Vorgehensweise ist für alle Module gleich. Zuerst wird die Modul-Referenzreihe in Vorjahreswachstumsraten berechnet.
Dann werden die ausgewählten Einzelindi- katoren1 nach ihrem Vorlauf vor der Refe- renzreihe synchronisiert. Anschliessend wird die Varianz der Vorlaufindikatoren in Form
Referenzreihe:
BIP-Vorjahres- wachstumsrate
Modul Baugewerbe
Messmodell
Schweizer Industrie Messmodell
Schweizer Konsum Messmodell
Konjunktur Exportdestinationen Modul
Kern-BIP Modul
Kreditgewerbe
Quelle: KOF / Die Volkswirtschaft Grafik 1
Struktur des multisektoralen KOF-Konjunkturbarometers
Vorjahres-BIP Barometer ex post, neu Barometer ex post, alt
Jan. 2008 Jan. 1
991 Jan. 1
992 Jan. 1
993 Jan. 1
994 Jan. 1
995 Jan. 1
996 Jan. 1
997 Jan. 1
998 Jan. 1
999
Jan. 2000 Jan. 200 1
Jan. 2002 Jan. 2003 Jan. 200 4
Jan. 2005 Jan. 2006 Jan. 200 7 –3
–2 –1 0 1 2 3 4 5
Quelle: KOF / Die Volkswirtschaft Grafik 2
BIP-Wachstumsrate und KOF-Konjunkturbarometer (alt und neu), 1991–2008
1 Zu den Kriterien für die Auswahl der Indikatoren vgl. Graff (2006).
2 Für das Modul Kern-BIP werden drei den Messmodellen entsprechende erste Hauptkomponenten berechnet und diese wiederum mit einer Hauptkomponentenextraktion zusammengefasst.
3 Zum dabei verwendeten direkten Filteransatz vgl. Wildi und Schips (2004).
4 Der Vergleichszeitraum reicht vom zweiten Quartal 2006 bis zum vierten Quartal 2008. Für 2006 und 2007 liegen provisorische BIP-Quartalswerte des BFS vor; für die ersten Quartale des Jahres 2008 sind provisorische Schätzungen des Seco vorhanden. Für die letzten beiden Quartalswerte des Jahres 2008 greifen wir auf die KOF- Prognose vom September 2008 zurück.
5 Vgl. Graff (2006) und (2008).
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zahl von Indikatoren als auch auf die multi- sektorale Struktur zurückzuführen sind. Die Erfassung der sektoralen Konjunktur des Kreditgewerbes in Abgrenzung von der Ge- samtkonjunktur hat sich bislang gut bewährt.
Weniger erfolgreich waren die Bemühungen beim Bausektor.
Ausblick
Wenige Jahre nach der Einführung des multisektoralen Barometers arbeitet die KOF bereits an einer erneuten Revision. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das BFS 2006 die Berechnung des BIP deutlich revidiert hat. Zudem wird im Schweizer Produktions- konto die Wertschöpfung des Kreditgewerbes nur noch unter Einschluss der sogenannten Fisim6 publiziert. Die Modul-Referenzreihe des Barometers ist aber die zuvor publizierte Wertschöpfung ohne Fisim, wodurch eine Anpassung des Kreditgewerbemoduls erfor- derlich wurde. Es ist beabsichtigt, bei dieser Gelegenheit angesichts einer weiter verbes- serten Datenlage das Gastgewerbe als vierten Sektor separat zu modellieren. Kleinere tech- nische Verbesserungen sind zudem bei der Filtertechnik sowie im Umgang mit den in das Barometer eingehenden Quartalsdaten
vorgesehen.
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Literaturangaben
– Graff, Michael (2004), Estimates of the output gap in real time: How well have we been doing? Reserve Bank of New Zealand Discussion Paper DP2004/04, Wellington, Mai 2004.
– Graff, M. (2006), Ein multisektoraler Sammelindika- tor für die Schweizer Konjunktur, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 142, S. 529–577.
– Graff, M. (2008), Does a multi-sectoral design im- prove indicator-based forecasts of the GDP growth rate? Evidence from Switzerland, erscheint in: Ap- plied Economics.
– Orphanides, A. and van Norden, S. (2002), The unre- liability of output-gap estimates in real time, Review of Economics and Statistics, 84, S. 569–583.
– Stulz, J. (2005), The KOF Economic Barometer – What does it tell us and when? Swiss National Bank, Juli.
– Wildi, M. and B. Schips (2004), Signal extraction:
How (in)efficient are model-based approaches? An empirical study based on TRAMO/SEATS and Census X-12-ARIMA. KOF Working Paper Nr. 96, ETH Zürich, Dezember 2004.
Ex post Echtzeit
Mai 2008 Mai 1
998 Nov. 1998
Mai 1 999
Nov. 1999
Mai 2000Nov. 2000Mai 200 1
Nov. 200 1
Mai 2002Nov. 2002Mai 2003Nov. 2003 Mai 200
4 Nov. 200
4
Mai 2005Nov. 2005Mai 2006Nov. 2006 Mai 200
7 Nov. 200
7 –1.5
–1.0 –0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0
Quelle: KOF / Die Volkswirtschaft Grafik 3
Altes KOF-Konjunkturbarometer, Echtzeit und ex post, 1998–2008
Nov. 2008 Mai 2006 Juli 2006 Sept. 2006 Nov. 2006 Jan. 200
7 März 200
7 Mai 200
7 Juli 200
7 Sept. 200
7 Nov. 200
7
Jan. 2008 März 2008
Mai 2008 Juli 2008 Sept. 2008 –0.5
0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0
Barometer Echtzeit Barometer alt, Echtzeit
Vorjahres-BIP Barometer ex post Barometer alt, ex post
Quelle: KOF / Die Volkswirtschaft Grafik 4
BIP-Wachstumsrate, altes und neues KOF-Konjunkturbarometer, Echtzeit und ex post, 2005/06–2008/09
6 Financial Services Indirectly Measured.