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Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 1, 2008 / 215

Glossarbeiträge

Musical(-Film)

Mit der Einführung des Tonfilms seit dem Ende der 1920er Jahre sich entwickelndes Hollywood-Genre, das in seinen heterogenen Wurzeln unter anderem aus der Music-hall-, Vaudeville- und Broadway-Tradition hervorgegangen ist. Die obligatorischen Gesangs- und Tanznummern unterbrechen die Filmhandlung in der Frühphase zunächst unvermittelt, werden später jedoch in die Narration integriert bzw. gehen motiviert aus dieser hervor und erfüllen vielfältige Funktionen: sie eröffnen irreale „Wunschräume“, nehmen Zukünftiges vorweg, kommentieren das diegetische Geschehen oder machen Subtexte sichtbar.

Es lässt sich (nach Altman) eine schnell einsetzende Aufgliederung in drei wesentliche Subgenres beschreiben:

Das Folk Musical stellt gemäß der folk art-Tradition die familiäre Gemeinschaft, das harmonische ländliche Leben vergangener Tage und das Natürlich-Spontane ins Zentrum. Die Protagonisten sind meist Amateure und im Gegensatz zu den Stars der professionellen Showbiz-Welt näher am breiten Publikum bzw. dem Volk (Bsp.: MEET MEIN ST. LOUIS (1944)).

Das Fairytale Musical hat seinen Ursprung in der Wiener Operette und präsentiert eine utopische Traumwelt. Die Genese einer märchenhaften Liebesgeschichte sowie eine idealtypischen Karriere der weiblichen Hauptfigur sind thematische Konstanten und spiegeln die Ideale des American Way of Life wider.

Die wohl populärste und insgesamt wichtigste Variante stellt das Show-Musical (backstage variety) dar, in dem inhaltlich stets die Inszenierung einer Bühnen-Show oder später auch die Produktion eines Film- Musicals im Zentrum stehen.

Diese thematische Fixierung bedingt eine für das Genre insgesamt konstitutive dichotome Grundstruktur (dual focus structure), welche der im Hollywood-Kino etablierten cause-and-effect-Syntax zuwider läuft.

Vielmehr herrscht die Opposition grundverschiedener Größen vor. So geht eine Diskrepanz

„Bühnenwelt/Gesangsnummer vs. diegetische Film-Wirklichkeit/Dialog“ mit der Gegenüberstellung

„Mann=Schöpfer/Blick vs. Frau=ausgestelltes Kunstprodukt“ einher. Im Laufe der Filmhandlung erfolgt eine Parallelführung von erfolgreicher Show-Produktion, der Verwandlung der Frau zum Star und dem positiven Ausgang der Liebesgeschichte, die sich zwischen den Protagonisten der Show respektive des Films

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Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 1, 2008 / 216

anbahnt. Es kommt im Finale zur Überbrückung der Gegensätze – Realität und ideale Kunst/Show-Welt werden letztlich eins.

Dem dualistischen Aufbau und dem „Spiel-im-Spiel“-Motiv (s. mise-en-abyme-Struktur) inhärent ist außerdem ein selbstreflexives Moment, welches in den frühen Busby-Berkeley-Musicals zwar schon angelegt ist, aber erst in den 1940er/50er Jahre im Rahmen der von RKO produzierten Astaire/Rogers- Musicals sowie den Filmen der MGM-Reihe (Freed Unit) in den Vordergrund gerückt wird (der Zuschauer wird auch häufig direkt adressiert). Die Mechanismen des Genres sowie des Star-Systems werden hier einerseits entlarvt und auch der monetärer Aspekt des Show-Business bewusst herausgestellt; andererseits wird am Ende das Prinzip „that´s entertainment“ als übergeordnete Maxime wieder eingerichtet (so z.B. in SINGIN´INTHE RAIN 1952 oder THE BAND WAGON 1953).

In späten Musicals, besonders seit den 1970er Jahren, ist erstmals ein realistischer Anspruch spürbar. Die altbewährte „happy-go-lucky“-Syntax wird ad absurdum geführt und damit die Gleichzeitigkeit von künstlerischem Erfolg und erfüllter Liebe der Performer-Protagonisten negiert. Es herrscht das „sad clown“- Motiv vor (z.B. in NEW YORK, NEW YORK 1977 oder CABARET 1972). Die konventionellen Subgenre- Strukturen sind jedoch selbst in den jüngeren Beispielen im Kern erhalten geblieben.

Auch wenn die Hochphase des schon oft tot gesagten Genres eindeutig in der Zeit von 1930 bis 1960 zu verorten ist, erfreut es sich nach wie vor großer Beliebtheit. Neben aufwendigen Hollywood-Produktionen (s.

CHICAGO 2002) entstehen heute außerdem immer wieder innovative europäische Variationen des amerikanischen Musical-Formats.

(Ingo Lehmann)

Literatur

Altman, Rick (1987) The American Film Musical. Bloomington/Indianapolis: Indiana University Press Altman, Rick (ed.) (1981) Genre: The Musical. London/Boston: Routledge&Kegan Paul

Cohan, Steven (ed.) (2002) Hollywood Musicals. The Film Reader. London/New York: Routledge Feuer, Jane (1993) The Hollywood Musical. Bloomington/Indianapolis: Indiana University Press 2nd ed.

Flügel, Trixi Maraile (1997) Das Musical im Rahmen des klassischen Hollywood-Kinos. Hamburg Green, Stanley (1981) Encyclopedia of the Musical Film. New York: Oxford University Press

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Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung, 1, 2008 / 217

Hischak, Thomas S. (2001) Film it with music. An encyclopedic guide to the American movie musical.

Westport, Conn. [u.a.]: Greenwood Press

Stern, Lee Edward (1974) Der Musical-Film. München (Heyne-Filmbib.)

Empfohlene Zitierweise:

Ingo Lehmann: Musical(-Film).

In: Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung 1, 2008.

URL: http://www.filmmusik.uni-kiel.de/beitraege.htm Datum des Zugriffs: 1.2.2008.

Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung (ISSN 1866-4768) Copyright © by Ingo Lehmann. All rights reserved.

Copyright © für diese Ausgabe by Kieler Gesellschaft für Filmmusikforschung. All rights reserved.

This work may be copied for non-profit educational use if proper credit is given to the author and „Kieler Beiträge für Filmmusikforschung“.

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