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Rudolf Wolfs Jugendtagebuch, 1835-1841

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Research Collection

Monograph

Rudolf Wolfs Jugendtagebuch, 1835-1841

Author(s):

Wolf, Rudolf Publication Date:

1993

Permanent Link:

https://doi.org/10.3929/ethz-a-000921030

Rights / License:

In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

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ETH Library

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Rudolf Wolfs Jugendtagebuch 1835 - 1841

Zürich: ETH-Bibliothek 1993

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Rudolf Wolfs Jugendtagebuch 1835 - 1841

Zürich: ETH-Bibliothek 1993

(5)

Zum Inhalt

Die vorliegende Nummer der "Schriftenreihe der ETH-Bibliothek" enthält die Umschrift eines Tagebuches von Rudolf Wolf, das er über die Jahre 1835 bis 1841 führte.

Das Tagebuch stammt, wie viele andere Wolfiana der Wissenschaftshistorischen Sammlungen der ETH-Bibliothek, aus dem ''Nachlass'' der Eidg. Sternwarte in Zürich. Auf den 150 eng beschriebenen Seiten eines Pappbandes gibt Wolf zuerst einen kurzen Abriss seiner Jugend- zeit (1816-1834), beschreibt dann ausführlich eine Vermessungsreise ins Bünderland und ins Tessin (1835) und anschliessend eine gut zweijährige Studienreise, die ihn vor allem nach Wien, Berlin und Paris führte (Sept. 1836 bis Ende 1838). Im letzten Teil des Tagebuches berichtet er über die neun Monate in Zürich vor seiner Abreise nach Bern «Okt. 1839), sowie über die ersten beiden Berner Jahre. Anfang Juli 1841 bricht das Tagebuch (in eigentlich gar nicht Wolfscher Art) unvermittelt ab. Als Anhang enthält es das "Verzeich- nis der erhaltenen Briefe und Billette", eine chronologische Liste von 607 Dokumenten, die ausser Namen und Daten jeweils auch den Ort angtbt, an dem Wolf den Brief empfangen hat. Diese Liste wurde in der vorliegenden Umschrift weggelassen. Am Anfang des Tagebu- ches hat Wolf ausserdem seine ersten vier Publikationen (bis 1S41) aufgeführt (ebenfalls weggelassen). Zur Art der Entstehung des Tagebuches ist insofern ein Fragezeichen zu setzen, als die Einträge vom 5. März bis zum 17. Apri11838 von Lisette, Wolfs Schwester, geschrieben wurden. Die Handschrift Lisettes schliesst nahtlos, ja gar mittem

im

Satz, an jene von Rudolf an. Dies lässt die Vermutung zu, dass das Tagebuch erst nachträglich (nach der Rückkehr in die Schweiz?) in die vorliegende Form gebracht wurde.

In

der Original-Vorlage wurden die Seiten 17/18 und 101/102 sowie Teile der Seiten 33/34, 51/52 und 53/54 von unbekannter Hand herausgeschnitten.

Zur Form der Umschrift

Die vorliegende Umschrift ist eine "Rohfassung". Sie verzichtet vollständig auf Anmerkungen zu Personen

usw.

und

will

auch typographisch nicht perfekt sein (kann letzteres kaum, da mit Schreibmaschine verfertigt ...). Nicht eindeutig lesbare Namen wurden, sofern ohne grossen Aufwand möglich, mit Hilfe von Nachschlagewerken verifiziert, offengebliebene Zweifelsfälle mit "(?) gekennzeichnet.

Behandlung der Randbemerkungen:

Am Rand notierte Ergänzungen wurden

im

Typoskript eingerückt wiedergegeben. Ab S. 109 des Originals (1839) hat Wolf jeweils am Rand auf die

im

Text genannten Briefempfänger verwiesen; diese Verweise wurden in der Umschrift weggelassen.

Unterstreichungen:

Wolfs Unterstreichungen der Datumsangaben, Orts- und Personennamen wurden ins Typo-

skript übernommen; um das Auffinden der einzelnen Tagesseinträge zu erleichtern, wurde

(6)

~ Donnerstag (Jupiter)

~ Freitag (Venus)

~ Samstag (Saturn)

wiedergegeben.

Angabe der Wochentage:

Wolf hat die Wochentage mit astronomischen Zeichen notiert;

im

Typoskript wurden sie (in heutiger Schreibweise) ausgeschrieben.

.0 Sonntag (Sonne) ({ Montag (Mond) O"'Dienstag (Mars)

~ Mittw~ch (Merkur)

Abkürzungen:

Die von Wolf verwendeten Abkürzungen für Artikel, Pronomen, Präpositionen und Konjuk- tionen sowie für Wortendungen wurden in der Umschrift ausgeschrieben. Andere, regelmässig vorkommende Abkürzungen wie "kl." für klein, "1." für lieb ("die 1. Meinigen") usw. wurden hingegen übernommen.

Seitenzahlen:

Die Seitenzahlen der Originalvorlage wurden

in

der Umschrift jeweils

links

am Rand vermerkt.

Verschiedenes:

Gekürzt (mit Oberstrich über dem einfach geschriebenen Buchstaben) wiedergegebene Doppellaute wurden

im

Typoskript ausgeschrieben, offensichtliche Flüchtigkeitsfehler

im

Interesse besserer Lesbarkeit verbessert. Von Wolf durchgestrichene Wörter und Buchstaben wurden weggelassen, Satzzeichen wie in der Vorlage gesetzt.

Umschrift des "J" mit Unterlänge

(1):

entsprechend heutiger Schreibweise, "Jsenschmid"

=

Isenschmid, "Juli"

=

Juli.

Das wiederholt vorkommenden Zeichen ''I-'' bei der Angabe von Geldbeträgen ist vermutlich ein Kürzel für Florin (Gulden); es wurde mit "f1." wiedergegeben.

Hinweise

Ausschnitte aus dem Tagebuch wurden veröffentlicht in:

- Burckhardt, JJ. ("Eine AIpenreise von Rudolf Wolf im Jahre 1835"); Die Alpen, 65, 2.Quartal (1989): 96-101.

Jaeggli-Etter, R. ("Die "drei W' von Zürich"); Librarium, Jg.16, Heft 1 (1973): 48-62.

Larcher, V. ("Rudolf Wolfs Jugendtagebuch 1835-1841"); Vierteljahrsschr.d.Naturforsc- h.Ges. in Zürich, 138/4 (1993).

Wolfer, A ("Auszüge aus einem Tagebuch von Prof. Rudolf Wolf..."); Vierteljahrsschr.d.N- aturforsch.Ges. in Zürich, 70 (1925): 302-31R

In der "Schriftenreihe der ETH-Bibliothek" sind zu Rudolf Wolf zwei weitere Hefte erschie- nen:

- Jaeggli, A ("Die Berufung des Astronomen Joh. Rudolf Wolf nach Zürich"); Nr. 11

(1968).

(7)

- Lutsdorf, H. (''Rudolf Wolf, 1816-1893"); Nr. 31 (1993).

Die in den Wissenschaftshistorischen Sammlungen der ETH-Bibliothek archivierten Wolfiana sind verzeichnet in:

- ''Rudolf Wolf ...; Manuskripte, Korrespondenz und biographische Dokumente"; Handschrif- ten und Autographen der ETH-Bibliothek, 6 (1983/1993).

- Verzeichnisse der Sammlungen der Eidg. Sternwarte in Zürich: Handschriften und Autogra- phen der ETH-Bibliothek, Nr. 116, 191-121.

6.10.1993 Verena Larcher

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Ich wurde am 7. Juli 1816 zu Fällanden geboren, wo mein Vater (geb. den 9 IX 1768) seit 1798 Pfarrer war, und sich am 27 VII 1802 mit meiner Mutter, Regula Gossweiler (geb. den 27 VIII 1780) verehlicht hatte. Bey meinem Eintritt in die Welt begrüssten

mich 2 Schwestern: Lisette (geb. den 29 V 1804) und Renette (geb.

den 12 X 1811), und ein Bruder Jean (geb. den 23 I 1813). Den ersten Unterricht gab mir meine Stiefgrossmutter Esther Goss- weiler-Wolf (geb. den 19 V 1749) und mein 1. Vater, bis lezte- rer am 4 V 1827 plötzlich von einem Steckfluss in Zürich dahin- gerafft wurde. Am 28 IX 1827 zogen wir in die Stadt zu Beck Vo- gel im Niederdorf, und ich erhielt von Hr Schoch (nachmaligem Pfarrer in Dielstorf) Privatunterricht, bis ich am Neujahr 1828 den 3jährigen Curs in der Kunstschule betrat, wo mich bald Prof.

Keller in der Mathematik und Jkr Gottfried Escher im Zeichnen und den Naturwissenschaften am meisten ansprachen; nebenbey war ich Cadett und Turner, machte Ferienaufenthalte in Fällanden, Dü- bendorf, Greifensee und Eglisau, im August 1829 ein Reischen mit Hr Vetter Bremi nach Schaffhausen, und im Juli 1830 mit meinen Geschwistern und Jean Meyer ein Reischen über den Rigi nach Lu- zern. 1829 erlitt unsere Familie neue Lücken, indem am 8 VIII unsere Grossmutter in Folge von mehreren Schlag flüssen starb, und schon am 19 IX Renette ihr an der Abzehrung folgte.

*)

über Fällanden siehe Pag 112

&

113

Der 1. Papa unterrichtete mich im Schreiben, Rechnen

undde~ Lateinischen; Rechnen und Schreiben waren mir sehr lieb, obschon ich im Schreiben ungeschickt war und mir dadurch oft Strafe zuzog, - das Lateinische dagegen war mir in der Seele zuwider, und es wurde 1826 gegen Unterricht im Französischen bey Pfarrer Bodmer in

Schwerzenbach vertauscht. - Lügen und Naschen waren mei- ne Capitalfehler, - dagegen war ich immer fröhlich. - Für häusliche und ländliche Arbeit hatte ich vielen Sinn. - Grosse Freude machten mir in Fällanden Besuche aus der Stadt (mit denen Spazierfahrten an den Ustermer- bach etc verbunden wurden), Badenfahrt und Besuche in der Stadt bey uns ern Grosstanten Escher auf der grossen Hofstadt und zum Knabenschiessen.

Die Kunstschule durchlief ich mit dem Vorsatze ein Kauf- mann zu werden.

Bey Professor Keller an der Kunstschule, der zu faul war um schon 8 Uhr Morgens Unterricht zu geben, spielte ich in seiner Abwesenheit den kleinen Professor, indem ich meine Mitschüler abhörte,und berechtigt war sie die Plätze wechseln zu lassen, sogar ihnen Striche zu machen.

Hiefür wurde ich aber öfters von ihnen ausgeklopft.

1831

Am Neujahr 1831 kam ich ans technische Institut, wo ich besonders die mathematischen Vorlesungen von Hr Dr Gräffe besuchte, denn die Bekanntschaft mit DenzIer von Eglisau und Ingenieur Fehr liessen mich die Carriere eines Ingenieurs wählen. Neben dem zeichnete ich bey Hr Architekt Brem, und lernte bey Hr Stoll Französisch. Zu meiner grossen Freude wurde ich an Hr Hofrath

*)

Am Rand des Manuskriptes notierte Ergänzungen sind hier eingerückt wiedergegeben.

(9)

Horner und Hr Oberst Pestalutz empfohlen, und durfte sie bis- weilen besuchen. In den Sommerferien machte ich mit Hofmeister an der Höcklerbrücke eine kleine Vermessung, und am 10. Juli trat ich für etwa 7 Tage mit meinen Geschwistern ein Reischen auf den Rigi, nach Luzern, Sarnen, zu dem mahlerischen Lungern- see, in den Ranft, nach Stanz, in das übersaarete Engelberger- thaI, über den Surenen nach Altorf, Schwyz und Aegeri, an. Am 14. IX zogen wir in den Magazinhof, und am 22. gab ich Abraham Wirz die erste Stunde Mathematik, - es war der erste Eintritt in den Schulkarren. Zur Weinlese ging ich nach Eglisau, besuchte das Wehntha~ und mit Hr Dr Graf von Rafz den Kaltwangen. Im No- vember wurde ich in die Turngesellschaft aufgenommen.

1832

Im Jahreskurs 1832 sezte ich meine Studien bey Gräffe fort, und lernte Gustav Schulthess und Johannes Wild kennen. Am 12 IV reis- te Arnold Nüscheler auf die Universität, und am 23. reiste ich zum Turnfeste nach Aarau, wo ich beym Hr Statthalter Herosee ein- quartirt wurde. Am 22. Juli besuchte ich DenzIer, der damals in Hüni's Institut in Horgen die Mathematik lehrte, und dann ging S.2 ich für circa eine Woche zu Wild nach Richtersweil, wo es mir

äusserst behaglich im Kreise der L Seinigen wurde, und ein Aus- flug nach Einsiedeln zur Ausführung kam. Im Dezember wurde ich durch Hr Helfer Pestalozzi am Prediger confirmirt.

Bey der Confirmat. fiel mir das Gelübde sehr schwer;

nicht dass ich mich gerade an bestimmten Punkten stiess, - aber die Vernunft stiess sich schon am kindlichen

Glauben. Ich konnte kein bestimmtes Ja hervorbringen.

1833

Am 23. Februar ging ich zur Fastnacht nach Richtersweil. - Vom 30. März bis zum 27. Aprill war ich in Winterthur um den Zehn- tenbezirk der Stadt zu triangulieren. Am Anfang war Prof. Ehren- berg, der diese Arbeit übernommen hatte bey mir, und führte mich zu Hr von Klais (wo ich unter anderm Hr Dr. Saynitsch aus Nord- amerika kennen lernte) und Hr Ammtman Biedermann im Pflanzengar- ten; dann kam Wild, die Operationen verwirren sich, der Meister läuft fort, und wir sitzen im Dr .•. -

Hr Auer von Unterhallau , der die Detailvermessu~EIlEhren- berg abgenommen hatte, förderte meine Arbeit in den lez- ten Tagen gewaltig, indem er den bösen Geist bannte, der in Ehrenberg beym Ausstecken wohnte. Ich konnte der Vernunft folgen und es ging!

Am 29. Aprill war die Eröffnung der Cantons- und Hochschule. Ich nahm bey Ehrenberg Zeichnen, praktische Geometrie, Land- und Strassenbau, trat jedoch im Spätsommer aus noch ehe der Profes- sor gejagt wurde. Bey Raabe hörte ich Mechanik nach Pontecoulant bey Eschmann Astronomie. Am 16 VI hielt Jean seine erste Predigt in Schwerzenbach. Am 17 VII trat ich mit meinen Geschwistern ein Reischen nach Engelberg, über das Joch nach Meyringen, über den Reichenbach und die grosse Scheidegg nach Grindelwald und Zwey- lütschenen, über Lauterbrunnen, Staubbach und die Wengernalp nach Grindelwald, Zweylütschenen und Interlachen; durch das Sim- menthal nach Lenk (Hr Pfarrer Abegg, Siebenbrunnen und Iphigen- bach), Adelboden, Fruttigen, zum Nebelbild und zum Sonnenaufgang auf denNiessen nach Thun, auf der Kalberflotte nach Bern, und

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"Mit Vergnügen wird von mir hierdurch bezeugt, dass Herr Rudolf Wolf meine sämmtli- ehen Vorlesungen an der technischen Lehranstalt mit dem grössten Fleisse besucht hat, und während dieser Zeit stets grosse Vorliebe und Eifer für das Studium der Mathema- thik bezeigte. Da er hiermit Talente verband, so konnte es nicht fehlen, dass er grosse Fortschritte in dieser Wissenschaft machte, und es bleibt mir daher nichts weiter zu wünschen übrig, als dass er auf dieser Bahn stets fortschreiten möge, um so mehr als die engen Grenzen unserer Anstalt seiner Wissbegierde keinen grossen Spielraum darbieten konnt$n. Da nun.schon jetzt dieser Wunsch stets mehr und mehr re- alisiert wird, so hege ich die Hoffßung, dass er einst seinem Vaterlande nützlich und zur Zierde seyn werde.

Zürich den 24. Oct. 1833 Dr. C. H. Graeffe

Professor der Mathematik an der oberen Industrieschule"

(11)

durch das Emmentahl und Entlibuch nach Muri, an.

Der Abend auf der Wengernalp war der schönste Punkt der Reise: hier die schöne Alpe, dort die majestäti- schen Schneemassen der Jungfrau. Der Nebel-Abend auf dem Niesen war schaurig, da wir kaum den Weg neben den Abgründen finden, dann nicht schlafen konnten.

Im August brachte ich mit Hr Eschmann, Studer und Hofmeister mehrere Nächte auf der Sternwarte zu; zur Weinlese ging ich nach Richtersweil; am 15 XI feyerte ich mit dem Zofingervereine die Schlacht am Morgarten, und am 6. XII wurde ich zu seinem Mitgliede gewählt.

Heinrich Grob war eben Zofingerpräses.

Den Schluss des Jahres feyerte ich in meiner 2. Heimath, in Richtersweil.

1834

Am 8. Februar kamen wir mit den St. Galler Zofingern in Elg zu- sammen. Im März bildete Hr Eschmann die topographische Gesell- schaft, die sich vornahm die Umgebungen Zürichs zu vermessen, und nach dem Gutachten Hr Hofrath Horners und Hr Oberst Pesta- lozzis von der Regierung Geld zur Deckung der Auslagen erhielt.

Hr Eschmann war Präsident, ich Aktuar und Quästor, thätiges Mit- glied war noch Wild, - Hofmeister, Studer, Hüni und Peyer mach- ten fast nichts. Der Uto, Geissberg, Weid und Albisrieder Reb- berg waren die Punkte unserer ersten Triangulation, die alte Ba- sis im Sihlfelde die Grundlage. Ich verlebte so lustige Tage mit Hr Eschmann auf der Weid, und erfror in einer Nacht mit Wild beynahe im Wachthäuschen auf dem Uto. -

Prof. Raaabe hatte durch seine unermüdliche Dienst- fertigkeit in Privaterklärungen grossen Einfluss auf meine Studien. Durch Herrn Eschmann erkannte ich ihre angenehme Seite. In Hrn Hofrath erfüllten mich die Wissenschaften mit Ehrfurcht.

Der Beginn der eidgenössischen Basismessung im Sihlfelde am S.3 9. Aprill unterbrach unsere Operation für einige Zeit, da Hr

Eschmann jene leitete, und erst ich mit 6 Franken Taggeld von Hr Hofrath Horner dabey angestellt wurde, und dann noch Wild das Aktuariat übernahm. Die Messung dauerte etwa 2 Wochen, und die Zeit verfloss uns unter Arbeit, und Besuchen von General Dü- four, Ludwig Bonaparte, Oberst Buchwalder und Hofrath Horner sehr schnell, besonders als die Arbeiter einmal das Behandeln des Apparates los hatten. Bald nachher verreiste Hr Eschmann in die Berge, ich fuhr an unserer Triangulation fort, errichtete Signale auf dem Uto, bey Mit-Ellikon, im Triemli, bey der Stern- warte etc, und Wild fing die Aufnahme mit dem Messtisch an. Am 22. Juni begleitete ich Lisette über Bremgarten und Wolen nach Seengen und kehrte am folgenden Tag über Baden nach Hause. Am 1. Juli begann ich für unsere Vermessung ein Rekognoscirungs- reischen auf den Schnabel, über Richtersweli auf die hohe Rhone, dann auf den Bachtel, das Hörnli und die Forch; Isler von Wiedi- kon war mein Träger.

Wenn ich schon als klo Knabe beym Holzmahl in Fällan- den gern eine Pfeife schmauchte, mich durch ein ern- stes Uebelbefinden in Uhwiesen nicht abschrecken liess

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nach jeder Zigarre zu schiclen, und beym Eintritt in den Z.V. bereits privilegirter Raucher wurde, so bil- ich doch erst auf diesen Messungen den unentweglichen Grund meiner Rauchkunst.

Am 9. besprach ich mich mit Hr Hofrath Horner über meine Be- rufswahl; ich war unentschieden ob ich mich zur Theorie oder Praxis wenden solle, und legte die Entscheidung in seine Hän- de. Er rieth mir ein Mathematiker zu werden, doch sey die Ma- thematik ohne Anwendung gleich einem Messer, mit dem man nichts zu schneiden habe, und daher solle ich auch ihre Anwendung auf die Naturlehre studiren. Am 9. fuhr ich mit Hr Vögeli in der Papiermühle in sein Gut Ekkbühl unter Höng, nivellierte eine Kleinigkeit an der Limmath, speiste bey ihm, fuhr wieder heim, und bezog für diese Lustpartme noch 4 Frkn. Am 13. begann das grosse eidgenössische Schiessen in Zürich, und am 19. fuhr ich für einige Wochen nach Richtersweil. Am 5. August besuchte ich das Fest in Zofingen zum ersten Mahle; es waren köstliche Tage.

In Zofingen schloss ich mich besonders an Haller von Bern.

Am 18 IX fuhr ich in der Post nach Bern und am folgenden Tage nach Aarberg, wo Hr Eschmann und Wild schon einige Tage früher angelangt waren. Die grosse von Tralles und Hassler gemessene Basis von Walpersweil nach Sugy sollte wieder gemessen werden.

Unser erstes Quartier war Walpersweil; Hr Eschmann und ich be- obachteten, Wild registrirte,- das herrlichste Wetter begünstig- te uns, und 6 Frkn Taggeld erlaubten uns manche Freude, so gin- gen wir am ersten Sontag nach Biel, Neuveville und Cerlier;

ich machte die Bekanntschaft des Zofi~gersEduard Güder, dessen Vater hier Statthalter war. Das Einerley der Beobachtungen er- hielt durch die Besuche von Prof. Trechsel und Oberst Buchwal- der mit s. Eduard, und durch die Erzählungen unserer Gehülfen S.4 (Johann, Mooshausi, Hr Gemeinderath, etc), so wie durch lokale

Hindernisse auf dem mit Graben durchzogenen, höckerigen Moose einige Abwechslung. Später zogen wir nach Siselen ins Quartier und besuchten von da am 5. Oktober die Petersinsel, wo uns un- ter anderm das schwarze Loch Rousseaus gezeigt wurde. Das ange- nehmste Quartier fanden wir in der Kanalmühle, und während die- ser Zeit waren auch die meisten Regentage, in denen uns oft Roulette und Imperiale und allerlei Kartenkünste unterhalten musste. Den 1. November fuhren wir Abends in der Post nach Neu- chatel, wo wir im Faucon treffliches Quartier fanden. Am Mor- gen fuhren wir auf dem Dampfschiffe, lange Zeit in dichten Ne- bel gehüllt und mehrmals auffahrend, nach Yverdon; sehr ve~spä­

tet hatten wir kaum Zeit im Hotel de Londres zu speisen, ehe das Dampfschiff zurückging, - die Rückfahrt war schöner, beson- ders die Gegend von Cortaillon gefiel mir.

Der erste Aufenthalt in einem Lande, wo Franz. gespro- chen wurde, machte auf Wild und mich gr. Eindruck. Wie frappirte uns nicht das: Mr s et Md s , i l a sonne 10 heu- re.- Sonderbar war mir erst auf dem Dampfschiff zu Mu- the (ich hatte noch keines gesehen). Anfangs konnte ich nur im Takt der Kolben rauchen.

In Neuenburg spazierten wir noch ein wenig in den Strassen, be- suchten ein Cafe, und dann gingen wir gegen Ins zu, wo wir

Nachtquartier machten, da es uns von einer merkwürdigen Siseler-

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neuenburgersuite im rühmlichsten Andenken war; Wir trafen Trechsel daselbst, und amüsirten uns gut, bis uns Hr Eschmann in den Schlaf musicirte. Am folgenden Morgen kehrten wir zu un- serer Vermessung zurück, und es ging wieder lustig vorwärts, bis Wild die Halsschmerzen au~s Lager warfen, und der Bericht dass Hr Hofrath Horner am 3. gestorben sey, uns ganz missmuthig machte. Jezt hiess es vorwärts; hätte uns nicht der Wind die Lichter ausgeblasen, wir hätten sogar Nachts gemessen. Die lez- ten Tage brachten wir in Murten zu, und als wir eines Morgens das Signal bey Sugy mit dem von Hr Hofrath gebauten Schuhmacher- schen Basisapparate anlangten, hielten wir einen Krähanen, der nicht ohne Einwirkung an unseren Arbei tern vorü berglng. Wir zo- gen nun wieder nach Aarberg, und bald ging es über Bern nach Zürich, wo ich mitlOOfl~)Ersparnissam 14. November Morgens

früh anlangte. Ich sezte nun wieder meinen Unterricht bey Rudolf Bodmer, Adolf Bürkli und Martin fort, und hörte Collegien bey Raabe etc; auch die Basis gab noch Einiges zu rechnen. Am 5. De- zember führte mich Bobrik in die Concordia, wo Gesang und Tanz gut unterhielten. Am 17. besuchte ich mit Georg Wyss die mathe- matische Gesellschaft bey Hr Mousson. Am 29. feyerten wir Zo- finger die politische und religiöse Freyheit der Schweiz im Schützenhause, und am 30. gingen wir zum Neujahr nach Richters- weil.

*)

Währung vermutlich "fl."

=

Florin (Gulden)

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1835

S.5 Januar. Am Abend des 7. war ich sehr vernügt (sic) in der mathe- matischen Gesellschaft bey Hr Eschmann; besonders das Luftbett machte uns Spass. - Am 27. verlebte ich den Abend sehr traulich bey Hr Raabe; wir sprachen lange über die Religion, wo er mich besonders von dem Nutzen der Festlichkeiten in der kathol. Kir- chenordnung überzeugen wollte.

Februar. Sonntag den 1. Diesen Abend besuchte ich zum ersten- mahl unser sehr artiges Theater in Zürich. Hs Waldmann von Spind-

ler wurde bey vollem Hause aufgeführt; die Dekorationen und Her- wegh als Waldmann waren sehr brav. Freitag den 6. Heute besuchte ich Arnold Nüscheler, der eben von Paris angelangt war.

Aprill. Mittwoch den 1. Heute sah ich im Theater: Drey Tage ei- nes Spielers, ein schauerliches Smck; Herwegh als George von Ger- many und Beurer als Daleville ganz gut. - Samstag den 4. Vorge- stern fuhr ich mit Hr Eschmann und Felix auf dem Marktschiff nach Richtersweil, und gestern bestiegen wir trotz dem Schnee die ho- hen Rhone, stellten das gestürzte Signal wieder auf, und tranken Abends bey den 3 Königen Punsch und Glühwein auf Hr Eschmanns Ge- sundheit. Dienstag Mittag kehrten wir über Meilen nach Zürich zu- rück. - Sonntag den 26. Lezten Sontag fuhren unser 12 (Jean,

Jean Meyer, Gottfr. Schweizer, Jean und August Meyer, Noakes, Carl Orell, Emil Schinz, Joseph Schärer etc) auf der Limath, an- fangs im Schneegestöber, zur Stille hinunter, um zum Turnfest in Basel zu gehen. Noch kamen wir bis Frik (sic), und dann am Morgen, gestärkt durch Milchsuppen in Mumpf, durch Rheinfelden nach Ba- sel- .. ugst (Augusta Rauracorum), wo wir mit den Aargauerturnern.

In St.Jakob sammelten sich alle Sektionen, und zogen dann ge- meinschaftlich in das gastliche Basel, wo wir uns erst in die Quartiere zerstreuten (Jean und ich zu Bürgermeister Frey), und dann um 7 Uhr die Eröffnungsversammlung unter Ecklins Präsidium abhielten. Dienstag Morgens 8 Uhr zogen wir mit Gesang und flat- ternden Fahnen zum Turnplatz, wo in Riegen geturnt wurde, bis

die Glocke zu einer Versammlung und dann'zum Mahle auf die Safran lud.

Abends spazierten wir nach Hüningen. Am Mi ttwoch Morgen besahen wir den Münster und Conziliensaal, und dann hatte das Wettturnen bey vielen Zuschauern statt, und wir zogen mit unsern Bekränzten zu Tische. Mittags hatten wir die Schlussversammlung, beschlossen jedoch Abends im Neuhaus noch einen Tag zu weilen. Nach 10 Uhr brachten wir mit 19 Fackeln die gehörigen Ständchen. Donnerstag Morgens sahen wir den Forcardschen Garten und die Andenken an Erasmus von Rotterdam auf der Bibliothek. Mittags fuhren wir auf Leiterwagen nach Wyl, wo der gute Markgräfler ungemein belebte, besonders den 1. Haller, auch Güder und Schinz. Freytags um 8 Uhr nahmen wir Abschied, und zogen über Muttenz und Prattelen nach Liestal und dem fidelen Oltingen, und endlich nach Aarau.

Gestern in einem Familienwagen nach Wohlenschweil, und dann nach Dietikon, wo uns die Zürcher turner abholten. Heute inscribirte ich für Hr Raabe und Mousson. -

S.6 May. Dienstag den 6. Gestern arbeitete ich zum ersten Mahle bey Oeri; Georg Wyss und ich wechseln, jeder zahltmonathlich 2 Tha- ler und das verbrauchte Materiale. Sonntag den 10. Heute spa-

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1835

zierte die lQ Mama mit uns in die Schipf. Herr Oeri suspendi rt unsern Unterricht wegen v~eler Arbeit für 2 Monathe. Mittwoch den 13. Rudolf Bodmer reist nach England ab. Donnerstag den 28.

An der Auffahrt hatten wir verabredet mit den Luzerner-Turnern in Zug zusammen zu treffen, und trotz dem schlechten Wetter wanderten unser 12 (Orell, Jak. und Carl Hess, Kaffee Escher, Fr. und Gottfr. Schweizer etc) nach Zug, und hörten in Gedanken schon den Willkomm der Luzerner aus den Fenstern des Ochsens aber alles war mäuschenstill, und wir mussten uns die Zeit selbst kürzen. Abends kehrten wir über Horgen und Küssnacht heim. Freitag den 29. Diesen Abend sah ich im Theater von dem beruhmtenEsslair den Bettler und Essighändler; sein Spiel war so einfach und ungezwungen, dass man vergessen hätte im Theater zu seyn, wenn die andern Akteur.s nicht da gewesen wäreno

Junio Mittwoch den 10. Am Mittag des Sonnabends ging ich (mit) Wild über Meilen nach Richtersweil, und am Montag spazierten wir mit Frau Schmid zum:Xav~ri'an der Schindellegi; gestern Abends nach Zürich zurück.

Juli. Sonntag den 5. Gestern Abends um 10 Uhr versammelten sich bey 20 Turnern bey der Sihlbrücke, trafen beym Sonnenzeit mit Wild und einem Proviantträger zusammen, und erstiegen gemächlich den Uto. Erst nach Mitternacht erreichten wir den Gipfel, und ge- nossen erst in der Laube von dem mitgebrachten Neftenbacher,

Brod und Wurst, doch erlaubte uns der Wind nicht, ein Licht zu brennen, und darum brachen wir ins Wachthäuschen, wo wir lustig sangen und tranken und Alles umkehrteno Um 3 1/2 zündeten wir beym Signal ein Feuer an und leerten rings um dasselbe gelagert unsere Bouteillen. Die Sonne erhob sich ziemlich schön, und

Wirth würzte uns Alles durch seine Gespräche in Hexametern. Nach 5 Uhr stieg die Mehrzahl in den Höckler hinab zum Kaffee, und eben luden die Glocken zur Kirche, als wir Zürich betraten.

Montag den 20. Sonntag Morgens 3 Uhr ging ich mit Wild in die Sommerferien nach Richtersweil; gestern fuhr das Dampfschiff Minerva zum ersten Mahl. Montag den 27. Donnerstags ging ich zum Schützenfeste nach Rappersweil, und besuchte das schöne Staubi- sche Gut. Gestern war ich mit Hottinger bey seinen Brüdern im Furthofo

August. Sonntag den 2. Heute kehrte ich mit dem Dampfschiff nach Richtersweil zurück. Donnerstag den 20. Lezten Freytag ging ich mit Stähli als Quartiermeister nach Zofingen. Samstag Mittagsgin- gen wir mit Fehr von Aarau dem Centralausschuss an die Kreuz- strasse entgegen, bey welcher Gelegenheit Fehr und ich einen Ab- stecher nach der Feste Aarburg machten. Am Sontag Morgen fertig- ten wir die Quartierbillete an, Mittags gingen wir den Sektionen an die Kreuzstrasse entgegen (Jean, Wild, Orell, Wyss, Schulthess, Heiz etc; Haller, Güder, Isenschmid; Bugnon, Berthollet, Lebre, Aeppli etc), zogen singend in das gastliche Städtchen ein, und besahen am Abend noch den Mosaikboden im Römerbad. Montag Morgens S.7 war Versammlung unter Bugnons Vorsitz, dann wurde ein wenig ge-

turnt, und zur Tafel gesessen; der frühere Abend fand mich mit Haller und Güder in der Altiken, die Nacht im Rössli bey Punsch und Ge- sang bis 3 Uhr. Dienstag Morgens vollendeten wir trotz Scherb die Statuten, und ich sah inzwischen das Künstlerbuch auf der Bi- bliothek; Abends kegelte ich mit Haller in der Altiken, nachher brachten wir die Ständchen, und blieben dann noch lange im Röss-

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l i , wo die Welschen unter Cochand tanzten. Am Mittwoch bestie- gen wir traurig unsern Leiterwagen, und fuhren der Heimath zu.

September. Montag den 7. Gestern Morgen ging ich mit Wild, der zu diesem Zwecke bey uns übernachtet hatte um 4 Uhr von Zürich weg; wir frühstückten im Neuhaus bey Fällanden, schifften uns vom Rohr nach Niederuster ein, und langten um 12 Uhr im Schloss Wetzikon, Hr Eschmanns dermaligern Landsitze an. Nach dem Essen machten wir ein Imperial~ und dann spazirten wir gegen dem

Pfäffikersee; auf diesem Wege lud mich Herr Eschmann ein ihn auf seiner Bündnerreise, behuffs der eidgenössischen Triangulation, zu begleiten mit 4 Fr. Sold und freyem Transpött,- freudig schlug ich ein, und die Abreise wurde vorläufig auf Mittwoch festgesezt.

Vergebens wollten wir Abends noch nach Zürich zurückkehren, Hr Eschmann entliess uns nicht. Nach der Rückkehr ins Schloss fanden wir Hr Nagel und Frau, Hr Pfarrer Hug mit s. Elise, Frau Kirch- ner und Hr Wagner da, und bis 11 Uhr vernügten (sic) wir uns bey Gesang, Clavier und mündlicher Unterhaltung. Nach 9 Uhr verlies- sen wir des Morgens Wezikon, und kehrten nach kurzem Raste auf der Forch nach Zürich zurück. Donnerstag den 10. Gestern Morgen langte Hr Eschmann wirklich in Zürich an, Mittags versah ich mich eilig mit einem Pass, und Abends 5 Uhr fuhren wir schon mit dem Dampfschiff nach !a~p~r~weilab, sassen bey Wind und Re- gen in die Postkutsche, und schliefen ruhig ein. Unterdessen wa- ren wir nach Wesen gekommen, wo der Wallenstadtersee und der An- fang des Linthkanals einen ganz eigenen Eindruck auf mich machte.

Um 4 Uhr wurden wir in das Postschiff gepackt und, durch das Plätschern der Wellen im Schlafe gestört, langten wir bis 7 Uhr in dem schmuzigen Wallenstadt an, wo wir den jungen Linthescher a~

trafen, mit welchem wir ;ine-Milchsuppe versorgten, während er uns von der fürchterlichen 'Menge des gefallenen Schnee's erzähl- te, und uns von der Unmöglichkeit in die Gebirge zu dringen über- zeugen wollte. Wieder in die Post gestiegen fuhren wir durch das elende Sarg ans und eine immer schlechter bebaute, einförmige Ge- gend nach-Ra~az, wo wir Mittag hielten. Der Himmel hellte sich auf, und um etwas weniger lang in dem Rumpelkasten ausdauern zu müssen, gingen wir mit einem deutschenReisegefährten voraus.

Die Landschaft war hier ziemlich angenehm; links hatten wir

Mayenfeld, und später sahen wir rechts auf einem Berge das schön gelegene Pfäfferserkloster, in dessen Bad wir uns bey anhaltend schlechtem Wetter wahrscheinlich zurückgezogen hätten. Von der Post S.8 eingeholt hatten wir trotz des alten Karrens eine recht angenehme Fahrt. Das ThaI ist recht nett, vom breiten Beete des Rheins und manchen Kirchspielen geschmückt, und hohen Bergen umgeben; am Ca- landa, Cesaplana, Rhätikon etc erkannten wir zu unserer grossen Freude die Uebertreibungen Linth-Eschers, da der Schnee nur sel- ten die Waldgrenze erreichte. Bey der Rheinbrücke im Canton Bünd- ten angelangt, wollte uns das Fahren bald erleiden, als endlich das früher den Herren von Salis zugehörige schöne Dorf Halden- stein sich zeigte, und wir in einiger Zeit zwischen den-Landgü- tern-und Rebbergen einschliessenden Mauern in das enge Chur ein-

fuhren, wo wir uns bald in einem Deckelglase des herrlichsten Bieres in einem Kaffehaus erquickten. Später spazierten wir zum bischöflichen Sitze, der Kirche und dem uralten Kloster, die den besten Theil des Städtchens ausmachen, und eine hübsche Ansicht gewähren. Zum Schlusse kehrten wir noch einmahl aufs Kaffehaus zu- rück, lasen Zeitungen bey einem kleinen gout er ä la fourchette, und machten Imperiale bis uns die Uhr zum Nachtessen im Posthau-

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se abschickte, wo ich mir den Veltliner sehr gut schmecken

liess. Freitag den 110 Zur Compensation der vorigen Nacht schlie- fen wir bis 8 Uhr, versahen uns noch mit Taback, Schnüren, etc, und stiegen dann in die Kutsche. Wir kamen nach Reichenau, einer Besitzung der Herren von Planta, bey denen Ludwig Philipp einst Hauslehrer war; es ist ein nettes, wohlgebautes Dörfchen mit Kirche und Wirthshaus. In dem nahen kleinen Bonaduz entliessen wir uns ern Kutscher, und hielten Mittag. Der-Himmel bewölkte sich neuerdings, und wir hatten keine Lust in die Berge zu drin- gen; um jedoch die Zeit zu nutzen, bewaffneten wir uns mit un- sern Schirmen, und folgten dem Hinterrhein. Die Gegend ist schön;

jedes Hügelchen, jeder Vorsprung mit einer Ruine versehen, und das steinige Beete des Rheins nimmt meist den ganzen Thalgrund ein, der Doml~s~ha heisst. Wir kamen durch Räzün~ und Ka~i~,

sahen links jenseits des Rheins Sils am Eingang des Oberhalb- stein, und wandten uns rechts im Städtchen Thusis, wo wir uns in der alten Post mit Kaffee erquickten. Die Strasse schien sich hier zu verlieren, und machte mich nur um so begieriger auf die nahende Vla Mala. Nachdem wir einen Wildbach passirt hatten, traten wir-in die Bergschlucht. Eine schöne Strasse führte uns zwischen hohen, fast überhängenden Felswänden hindurch, bald links, bald rechts vom Rheine, der sich sein Bett in einer Tie- fe von circa 500' gegraben hat, so dass man ihn von oben oft vor den überragenden Felsen oft nicht einmal sieht. Eine schaurige Stille, nur etwa vom Brausen des Rheines, oder dem Tosen des Windes, oder einem Säumer unterbrochen, vollendet den Effekt.

Deutlich sieht man hier wie viel der Mensch vermag, wenn er

ernstlich will; denn was da für Felsmassen gesprengt und Brücken gebaut werden mussten, ist unbegreiflich, und noch geht der Wan- derer oft unter Felsen hin, besonders bey dem Felsengewölbe des S.9 ~e~l~r~n~n_L~che~. Recht wohlthätige Abwechslung biethet eine

kleine etwas sanftere Gegen~ wo man rechts eine Alpe und Häuser sieht. Aber schnell schliessen sich die Felsen neuerdings, und Regen und Wind machten den Pass für uns noch schauerlicher. In diesem 2. Engpass ist die Strasse durch die Schwemmungen ganz zerstört, und eben wird unter der Leitung des Ingenieur Lanika eine neue Strassenlinie in die Felsen gesprengt. Oben liegt Zil- lis, von wo wir in einer schwachen halben Stunde in Andeer's- - Krone anlangten. Samstag den 12. Nach dem Frühstück kehrten wir auf dem gleichen Wege, nur bey schönerem Wetter nach Tusis und bis 3 Uhr nach Bonaduz zurück. Ein unangenehmer Regen'windj agte uns Abends von einem Spaziergange bald wieder auf unser Zimmer, wo mathematische Diskussionen und Imperialen uns die Zeit kürz- ten. Sonntag den 13. Um 8 Uhr verliessen wir mit Sack und Pack Bonaduz, 2 Träger hatten den Theodolithen zu transportiren das Zelt und Gepäck führte uns der Wirth von Bonaduz nach. Vor Ve~­

sam bewunderten wir die hoch über eine Schlucht gesprengte höl- zerne Brücke. Nach Carrera hatte es einige nette Parthien, be-

sonders bey einem Fel~endurchgange, der uns lange vor dem hefti- gem Regen schützen musste. Auch schon an andern Orten, aber be- sonders in dieser Gegend bemerkten wir ungeheure Brunnentröge von 24 Fuss ins Gevierte und 2 Fuss Tiefe, die also über 600 Ctnr ,Wasser fassen. Endlich, als Koth und Regen uns ganz verun- staltet hatten, erblickten wir Ilanz zwischen dem Glenner und Vorderrhein gelagert; wir passirten jedoch die Rheinbrücke, und quartierten uns im Schweizerbund bey Hr Landammann Seelin,ein.

Dienstag den 15. Regen und Schnee halten uns hier fest, und ge-

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währen kaum kleine Spaziergänge um etwas frische Luft zu schöp- fen. Ohne die Bekanntschaft mit einigen Ilanzer-Herren, die uns unter anderm Jean Pauls Landnachtsverhandlungen mit dem Manne im Mond zu lesen gaben, und den Geschäftsführer, den vormaligen Zo- finger Trug aus Chur, hätten wir uns sehr ennujirt. Ausser eini- gen Pfaffen von Disentis waren wir die einzigen Reisenden, und mit diesen konnten wir uns nicht unterhalten, da sie bloss Ro- manisch sprachen. Mittwoch den 16. Diesen Mittag endlich wagten wir es den Weg ins Lu~n~ und Vrin~hal anzutreten. 2 Träger und 2 Säumer besorgten die Instrumente und das Gepäck. Wir folgten dem Glenner gegen seine Quelle, selbst an dem für uns rechts ligenden sanften Abhange wandelnd, während links hohe Gebirgs- stöcke über der tiefen, engen Thalschlucht thronten, durch die sich kaum der Fluss zu drängen vermochte. Der Weg war besser als wir hätten erwarten dürfen, und die Landschaft recht anziehend, besonders später. Es machte nähmlich einen ganz eigenen Ein- druck auf uns, wie sich die Menge brauner Hütten und Kirchen auf dem Wiesenteppich lagerten, der ohne Gesträuch oder Baum sich S.10 bis an die Schneefelder emporzog. Die guten Romaninnen, die mit

ihren runden Gesichtchen nur selten Anspruch auf Schönheit ma- chen können, speerten Mund und Augen auf bey unserm Erscheinen, denn nur wenige Reisende verirren sich in das abgelegene ThaI;

von den Männern dagegen, die oft ihren Verdienst im Ausland su- chen müssen, redete uns der Eine Italienisch an, der Andere

fragte uns auf Deutsch ob wir Französich sprechen. Nachdem wir Kumbels, Lumbrein und eine Menge anderer Dörfer passirt hatten, langten wir-endlich um 6 Uhr, etwas ermüdet von dem ununterbro-

chenen Marsche, in Vrin an, das etwa 2000 Fuss höher als Ilanz und daher schon nahe an der Waldgrenze ligt. In Ermangelung eines Wirthshauses quartirten wir uns bey dem alten, freundli- chen Pfarrer Caviezel ein, dessen trefflicher Veltliner bald neue Kraft in unsere Adern goss. Noch engagirten wir 9 Mann, die uns Morgen auf den Piz Tgietschen begleiten sollten. Donnerstag den

12.

Unerwartet trübes und regnerisches Wetter hielt uns heute in Vrin zurück; die Orgel der in Italienischen Geschmacke erbauten grossen Kirche, verschiedene mathematische Aufgaben, Napoleon peint par lui-meme etc mussten uns die Zeit vertreiben. Freitag den 18. Der heutige warme Regen war uns sehr willkommen, da er viel Schnee aufzulösen versprach; Religionsdispute mit dem katho- lischen Geistlichen, sein Clavier und ein Kartenspiel kürzten uns den heutigen Tag. Samstag den 19. Heute Morgen erwachten wir erst um 8 Uhr, da uns das gestrige Wetter einen langen Schlaf als das beste Mittel die Zeit zu vertreiben angerathen hatte.

Wie erstaunt waren wir nicht als, durch die runden Scheiben un- sers niedrigen Schlafgemaches, der Glanz der Vrin umringenden

Schneeberge und Gletscher drang. Schnell sezten wir uns in Be- reitschaft, trieben unsere Träger zusammen, ordneten unser Gepäck ihnen zu, versahen uns mit Lebensmitteln, frühstückten etc; Alles ging Schlag auf Schlag, und schon um 9 Uhr rückten wir unter den Glückwünschen unsers guten Gastgebers den Hochgebirgen zu. Den Anfang ausgenommen war der Weg etwas mühsam, es wechselten

Schluchten und Anhöhen, und eine Menge Bäche mussten überschrit- ten werden; doch stiegen wir immer rüstig fort, die lezten Senn- hütten und die Waldgrenze sanken unter uns, der erste Schnee nah- te und mit jedem Schritte mehrte er sich, - noch aber wollte das Ziel nicht nahen. Erst um 2 Uhr Mittags erklommen wir mit Hülfe der Zeltenstangen die lezte Höhe des Piz Tgietschen (Forcola Ros- sa, Rothspitz), und grüssten den schwarzen Steinhaufen, welcher

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hier als Signal aufgeschichtet war. Noch halfen die Träger die oberste lockere Decke des Schnees wegschaffen, und dann ent- liessen wir sie. Das erste Geschäft war nun die Fussbekleidung S.ll zu wechseln, und dann stellten wir den Theodolithen auf, um den

schönen Abend noch zu Beobachtungen zu benützen; doch bald führ- te ein tückischer Wind Nebel herbey, der uns die Aussicht raub- te. Die feuchte Käl te mahnte uns nun unser Wohnhaus zu errichten.

Wir breiteten einen wollenen Bodenteppich über den Schnee aus, stellten das Zelt darüber, rollten mit vereinter Kraft Felsblök- ke herbey um es zu beschweren, trugen unsern kleinen Hausrath in die leichte Hütte, und verkrochen uns endlich selbst hinein. Es war nun hohe Zeit zur Mittagstafel, die wir mit Eyern, jungem Kä- se und steinhartem Brode besetzen konnten; in ledernen Pokalen labte uns mit Gentian gemischtes Schneewasser. Zum Gesellschaf- ter hatten wir nur Castor, ein von Wezikon mitgenommenes freund- liches Hündchen, das mit ungemeiner Leichtigkeit uns auf den Berg folgte. Zum Nachtisch langten wir unsere Pfeifen hervor, um die Langeweile mit den Rauchwolken fortzujagen; aber ~er Taback wollte uns hier oben nicht wie gewohnt schmecken. Wir traten zur Abwechslung vor unser Sommerhaus, aber sahen vor dem Nebel nichts als das Zelt und die Steinpyramide; ein eigenes Gefühl durchbeb- te mich bey dem Gedanken an diese Felsenspitze, auf der ich nun einige Tage und Nächte~ entfernt von den Menschen und ihren Woh- nungen leben sollte. Doch ein unfreundlicher Wind blies die Re- drette, und wir zogen uns in unsre Caserne zurück, einer langen Nacht entgegensehend. Um 6 Uhr, wo die Dämmerung rasch begann, zogen wir unsere Fuchspelzjacken an, steckten uns in die schaaf- wollenen Säcke, und deckten uns noch mit Mützen, Mänteln, Decken etc zu, ohne jedoch die durchdringende Kälte meistern zu können.

Endlich schlief ich ein, und glaubte beym Wiedererwachen schon die Morgendämmerung zu sehen, und fühlte mich fast wund von dem langen Liegen auf den durch unsern Teppich stechenden Steinen;

da schlug es 10 Uhr an Hr Eschmanns Uhr, und ich fuhr wie vom

Blitze getroffen auf das kalte Lager zurück. Sonntag den 20. Freu-- dig begrüssten wir um 6 Uhr die erste Morgenröthe, und, ehe die ersten Strahlen der Sonne uns treffen konnten, traten wir an den Theodolithen, wo Hr Eschmann einige Serien nehmen konnte; doch bald erschütterte ein eisiger Sturm das Instrument ebenso heftig, als er uns erstarrte, und wir mussten schnell Alles zusammenpak- ken und in die Zelle tragen. Wir wollten nun schreiben, lesen, rechnen; nichts ging vonstatten, kaum konnten wir die Zeit mit essen und spielen vertreiben. Es war uns eine wahre Wohlthat, als sich gegen Abend der Wind wieder legte, und wir die unterbroch- S.12 nen Arbeiten wieder aufnehmen konnten. Während Hr Eschmann nivel-

lirte, betrachtete ich mit Bewunderung die Gebirgsansicht, die sich mancher berühmten an die Seite stellt; der Calanda, Cesa Plana, Tamboh, Piz Beverin, Splügen, Pizzo Forno, Blümlisalp, Monte Rosa, die Berneroberländer, der Gotthard, Dödi, Piz Rosein bilden eine herrlichen Alpenkranz, dessen Haupt der majestäti- sche, zur Zeit noch unerstiegene Dödi ist. Es ist ~rrre Gebirgs- ansicht im wahren Sinne des Wortes, eine eigentliche Versammlung der Firnen Helvetiens, die nichts fremdartiges in ihrem Schoosse duldet; kein freundliches Grün, kein Gewässer, keine Spur mensch- licher Cultur begegnet dem rings schweifenden Auge, - nichts als die Stätten des ewigen Winters. In Betrachtungen versunken

staunte ich vor mich hin, bis mich Hr Eschmann zum schreiben und reduziren seiner Beobachtungen rief. Als später der Nebel wieder

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einen dichten Schleyer um uns zog, schlüpften wir wieder in unse- re Säcke und Decken, bliesen die Luftkissen auf, und begannen den 12stündigen Schlaf. Montag den 21. Oft vom heftigen Winde ge- weckt, freuten wir uns der wiederkehrenden Sonne, und glücklich wurden die Beobachtungen vollendet. Um die 9. Stunde verkündigte uns das Gebell des treuen Castor die Rückkehr unserer Träger.

Wir waren recht erfreut wieder andere Menschen zu sehen, und als sie uns gar eine Flasche Veltliner mit einem freundlichen Briefe Caviezels an die Herren Rothspitzberger überreichten, waren wir ganz glücklich. Munter rollte vermöge des edlen Weines unser Blut wieder in den Adern, und sobald unsre Siebensachen einge- packt waren, stiegen wir rechts gegen die Lagreina hinab, glück- lich den mächtigen Windstössen trotzend. Ueber Schnee und zer- bröckelte Felsen ging es an einer steilen Wand in ein ödes ThaI hinab; das ärmlichste Grün deckte die Ufer eines Wildbaches, aber schon dieses labte meine Augen, und wie wir über die wenig sich über dies ThaI erhebende Lagreina hinüber, und durch ein sumpfiges Thälchen geschritten waren, und die ersten Matten wie- der vor uns lagen, hüpfte ich vor Freuden, - der Schnee war mir erleidet. Wiesenhänge auf und abklimmend, bey Wasserfällen und schönen Felsenparthien vorbey; über Bäche schreitend (bey deren jedem der auf dem Berge vertrocknete Mund eine reichliche Labung erhielt) und oft schaurigen Pfaden folgend, kamen wir zu einigen Sennhütten, wo wir jedoch keinen Mensch mehr fanden, sondern mit den Resten unsers Käses und Brodes vorlieb nehmen mussten. Nach einiger Ruhe ging es dann längs einem wilden Tobel, in dessen S.13 Tiefe ein Bach brauste auf kaum l ' breiten Pfaden vorwärts, fast

mehr bergauf als thalwärts. Ueble Laune, und unsre durch das Lie- gen auf dem Schnee und das viele Wasser zu Bleyklötzen geworde- nen Beine. plagten uns bis wir endlich bey einem kleinen Weiler das Plennothal erreichten. Nun wurden wir zerstreut; Hr Eschmann machte-mich ~f das reine Blau des Himmels und der Berge, die weissen Mützchen der Frauen und Kinder, die nachlässige Cultur des fruchtbaren Bodens, die kaminartigen Thürmchen der Kapellen, etc aufmerksam, und so schlenderten wir ganz gemüthlich durch das Thälchen und eine wilde Bergschlucht, an deren Ende das eigentliche Plennothal anmuthig sich vor uns ausbreitete; in seinem Vordergrunde lag Olivone, ein stattlicher Flecken, den wir bald erreichten. Es war ein wahrere Genuss für uns, als sich uns das Gasthaus präsentirte, und der Italinener unsre Lebern abspülte. Mein Magen empfing mit äusserstem Wohlgefallen die bes- sere Kost, und entleerte sich, um Platz für die Schüsseln des einfachen Nachtmahles zu gewinnen, das uns eine Fürstentafel zu seyn schien. - Dienstag den 22. Nicht so früh und freudig ver- liessen wir die weichen Betten, als auf dem Rothspitz unsere Fel- le; dann spazierten wir ein wenig und machten ein Piquet. Gerne wären wir noch am Morgen aufgebrochen, aber das Gepäcke nöthigte uns bis Nachmittags auf eine Kutsche zu warten, und dann fuhren wir auf nettem Wege längs dem das schmale ThaI oft fast erfül- lenden Wege , während mir Hr Eschmann zu meiner freudigsten Ueberraschung den Plan mittheilte nach glücklicher Besteigung des Pizzo Forno einen Ausflug nach Mayland zu machen. Ausser der Italienischen Sprache fanden wir hier auch ~n vielen Orten die Italienische Zeitrechnung, d.h. die Uhren zeigen bey Sonnenunter- gang 12 Uhr, und zählen bis auf 24. Besonders eigenthümlich wird hier der Rebbau betrieben, mit besonderer Rücksicht auf Bequem-

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lichkeit und den natürlichen Trieb des Bodens; die Reben ste- hen mitten in Wiesen, Erdäpfeläckern etc wie es sich eben

schickt, die nie beschnittenen Zweige sind über von Granitsäu- len getragene Stangen gelegt, von denen nach Innen hängenden Trauben ist oft fast keine Spur zu sehen; doch fanden wir einige um sie als Tribut für uns zu pflücken. Bey Pi~s~ kamen wir ins Livinerthal und auf die Gotthardstrasse, und folgten dem Tessin gegen seine Quelle bis Giornico, wo wir uns in der Krone sehr bequem einquartirten. Mittwoc~den 23. Am Morgen spazierten wir beym herrlichsten Wetter bis über Piasca hinaus, und liessen uns die grossen blauen Trauben, deren wir für ein Geringes im Ueberfluss erhielten, trefflich schmecken. Mittags setzten wir unsere Effekten für den Pizzo Forno in Bereitschaft, accordirten mit Trägern, und unterhielten uns am Abend mit einem durchreisen- den Neuenburger. Donnerstag den 24. Mittags um 2 Uhr verliessen wir beym klarsten Wetter mit unsern Trägern Giornico, besahen uns die am Berge ligende alte, meisterlich bemahlte (die hintere S.14 Wand z.B. stellt das jüngste Gericht vor) Kirche, und kamen dann nach Chironico,wo wir beym witzigen Pfarrer mit unSern Leu- ten eine Flasche Wein tranken. Wir stiegen hierauf längs einem wilden Tobel (dessen Bach hinten einen ziemlich hohen und brei-

ten Wasserfall bildet) immer aufwärts nach Cara, einem armseli- gen Dörfchen, dessen Bewohner sich hauptsächlich von zahlreichen Ziegen unterhalten. Wir quartirten uns in eine der bedeutendern Hütten ein, und tranken etwas Milch. Nur einem Lager auf nassem Heu entgegensehend, machten Hr Eschmann und ich bey einem But- terlichte bis gegen 11 Uhr Piquet, und scharrten uns dann neben die Träger in-unser ländliches Lager ein. Freitag den 25. Nach einer langsam an uns vorüberschleichenden, schlaflosen, kalten Nacht erhoben wir uns'um 5 Uhr, tranken noch warme Milch, und legten dann vor Sonnenaufgang eine hübsche Strecke zurück. Es ging ziemlich steil aber sonst gut aufwärts bis oben an die Waldregion; aber dann kam es anders. Der Pfad verlor sich, und bey einer Stunde stiegen wir über Felstrümmer, was sehr mühsam, aber doch erst eine Vorbereitung war. Denn nach einiger Zeit wa- ren wir aus Mangel an jedem andern Wege gezwungen eine fast

senkrechte hohe Kluft hinauf zu klimmen; zwar dienten uns hier die Felstrümmer als Staffeln, aber sie waren oft so hoch, dass wir sie eigentlich im Sturme einnehmen mussten, und die klei- rern wichen unter den Füssen aus, und rollten zum Schreck der hintern Bergsteiger pfeilschnell abwärts. Mit gesunden Glie- dern erreichten wir die Höhe der Kluft, und hofften nun bald oben zu seyn; aber Eitel Trug und Schein. Wir gingen einen mit Felsbröcken und Schnee besäeten Abhang hinauf, und hielten oben etwas Rast uns mit Brod und Urselerkäs erquickend. Dann ging es wieder ~ufwärts. Das Umbiegen um Felsen und diese selbst wurden uns zur Gewohnheit, und wir waren ganz zufrieden wenn sich nur das kleinste Vorsprüngchen zeigte, auf das wir den Fuss abset- zen oder uns daran halten konnten. Doch konnte ich mich des Ge- dankens an das bequemere und gefahrlosere Leben zu Hause nicht enthalten, besonders an 2 Stellen, die wir nicht ohne unsere Leu- te und diese selbst nicht ohne gegenseitige Unterstützung hätten passiren können; das eine Mahl sollten wir von einem Felsenvor- sprunge auf einen andern höhern übersetzen; das andere Mahl mussten wir in vereinter Kette an einer senkrechten glatten Felswand emporklimmen, - der kleinste Fehltritt hätte das Leben geraubt. Als wir endlich pey dem schwarzen steinernen Signale anlangten, das den Gipfel der scharfen Gräthe des Pizzo Forno einnimmt, dankten wir Gott für die glücklich besta;dene Gefahr.

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Der Berg biethet den Umwohnern so rein gar nichts als Stein- blöcke, dass ihn Niemand besteigt, und wir somit ganz aufs Gerathwohl hinauf klettern sollten, und ist man einmal in der Mitte dieses Trümmerlabyrinthes drin, so ist nicht mehr viel S.15 zu wählen. Auf der nördlichen Seite des Berges lag tiefer Schnee,

und wir mussten lange scharren, bis nur der Theodolith sichern Stand auf untergelegten Steinen erhielt; wir waren froh keines Zeltes zu bedürfen, denn es hätte sich nicht leicht Platz für dasselbe gefunden. Die Aussicht war der auf der Forcola Rossa ähnlich, nur anmuthiger durch das Livinenthal und 2 nahe Berg- seechen. In 3 Stunden waren beyangestrengtestem Fleisse trotz Wind und Luftzittern genugsam gute Beobachtungsserien vorhan- den, und rasch begann die Rückkehr. Aufs Gerathwohl hin verfolg- ten wir den entgegengesezten Kamm des Berges, und die Wahl fiel glücklich aus, denn ausser den hier unvermeidlichen Felstrümmern und einigen Bächen fanden wir keine Hindernisse. Durst trieb Hr Eschmann und mich an den Führern voranzueilen, und trotz dem bedeutenden Umwege und den ermüdenden Sprüngen, und einer Irr- fahrt in der Waldregion, kamen wir noch so munter in Cara an, dass wir nur etwas Milch tranken, und dann noch nach Giornico eilten, um nicht länger zu fasten, und etwa noch eine-2~ Nacht auf dem nassen Heustocke zuzubringen. Kaum langten wir noch an, als ein schweres Gewölk sich zu entladen begann.

Samstag den 26. Nach langem köstlichem Schlafe und einer Italie- nischen Lection, packten wir unsern Tornister, und gingen nach einem magern Mittagessen im Begleit von Regen und unfreundlichem Winde längs dem Tessin (ich unterhalten durch Hr Eschmanns Er- zählungen von Napoleon) nach Piasca und Osogna, wo wir mit Heiss- hunger einen Schaafsbraten verzehrten. Das-Livinerthal schien mir sehr einförmig und langweilig, wozu freylich auch die un- günstige Witterung bey tragen mochte; ein starker Schritt führte uns bis zur lezten Dämmerung, die uns eben noch die 3 Schlösser Uri, Schwyz und UnterwaIden unterscheiden liess, nach Bellinzona, das uns beym Eintritte durch die vielen erleuchteten Buden~ Kaf- feehäuser (die ich erst für Apotheken hielt), und seine Stein- bahnen wohl gefiel. Wir quartirten uns im Adler ein, und tranken noch im nahen Cafe ein Gläschen Curasso. Sonntag den 27. Am Mor- gen gefiel uns die Stadt nicht mehr so gut; wir sahen einem ver- hundeten Gottesdienste zu, und amüsirten uns im Cafe mit den Karten. Nach aufgehobener table d'hote jagte uns ein furchtbarer Platzregen noch einmal ins Cafe, und erst um 4 1/2 konnten wir nach Maaa~ino aufbrechen, wo wir, ermüdet von der geraden Stras- se, nach 7 Uhr im albergo nationale anlangten. Montag den 28.

Nach einer regnerischen Nacht bestiegen wir um 5 Uhr mit gerech- ter Hoffnung auf besseres Wetter das Dampfschiff, eine ziemlich alte Geräthschaft. Wir fuhren zuerst gegen Locarno hinüber, und folgten wir immer ziemlich nahe dem Sardinischen Strande, der belebter als der Oestreichische ist. Oft hielten Barken am Schiff um Reisende zu bringen oder zu holen; mit einer solchen verirrte S.16 sich bey Canobia, ohne dass wir es erst bemerkten, unser Castor.

Wir fuhren bey einer Menge durch niedrige Dächer und blendend weisses Mauerwerk freundliche Dörfer und Städtchen, wie z.B.

Intra, Palanza, Arona etc vorbey. Zwischen Intra und Palanza ligen die berühmten der Familie Boromäus zugehörigen isola madre und isola bella, näher am Lande die Fischerinsel. An der ersten hat die Natur mehr gearbeitet, an der 2. die Kunst; zuerst war uns der Anblick der madre reizender, von späterem Standpunkte

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aus aber gefiel die Bella wieder besser; auf der 3. Insel steht ein Dörfchen; hätten wir nicht einen ganzen Tag opfern müssen, so wären wir jedenfalls nach den Inseln übergefuhren - unter diesen Umständen aber nahmen wir mit der flüchtigen Ansicht vom Schiffe vorlieb. Vor Arona steht bey einem Landhause auf einem Hügel die broncene, etwa 80 Fuss hohe Bildsäule des Cardinal Boromäus; sein Eingeweide wird von einer Stiege gebildet, und seine ausgestreckte rechte Hand ist so gross, dass ein Mann sich darin soll setzen können. Etwa um 12 Uhr langten wir in der Mündung des Tessin bey Sesto Calende an, wo ein schönes neues Dampfschiff der Erlaubniss ~u-fahren harrte. Als wir aufs Land gesetzt waren, nahmen uns Oestreichsche Gendarmes in Empfang, und führten uns auf die Mauth. Wir hatten eben noch Zeit zu Mittag zu speisen, bis uns das Posthorn in den Wagen rief.

Schnell rollten wir nun durch eine Menge Ortschaften von ver- schiedener Bedeutung, deren Nahmen mir jedoch entfallen sind;

Ro, mi t seiner prächtigen Kirche ausgenommen. Schon war es dun- kel als wir bey Mayland anlangten, aber nur desto imposanter war der erste Eindruck~ Die prachtvoll erleuchteten Buden, die belebten Kaffeehäuser, das Gewoge in den Strassen bestachen mich im ersten Augenblick. Wir quartirten uns bey Reichmann an der contrada Romana im Zimmer 32 ein, und gingen dann sogleich noch zum theatro Carcano hinunter, wo ich das Ballet le nozze di Fi- garo sah; die Mimik war so vollkommen, dass mir kein Gedanke entging. Nachher spazierten wir noch auf den Domplatz, und sahen den Dom mit seinen zahllosen Thürmen in der schönsten Vollmonds- beleuchtung, - mehr kann ich nicht darüber sagen. Zum Schlusse assen wir einen Sorbetto in dem Cafe auf dem Domplatze.

Dienstag den 29. Wir dejeunirten vor dem Cafe auf dem Domplatze, und trafen daselbst 2 von Rom kehrende Mahler, in deren einem Hr Eschmann einen Steiner von Winterthur erkannte. Wir gingen mit ihnen zu dem Dome hin, der, ganz von carrarischem Marmor erbaut, oben wirklich noch blendend weiss ist; noch ist er nicht ganz vollendet. Mit Ehrfurcht traten wir in das heilige Dunkel des Tempels, und bewunderten die ungeheuren, etwa 20 Schritte im Umfang haltenden Säulen, die prächtig bemahlten hohen Fenster, die täuschendes Schnitzwerk vorstellende Mahlerey an der Decke, etc; sehr merkwürdig ist auch die Bildsäule eines Märty- rers, dem die . . .

[Lücke, S. 17 und 18 fehlen]

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S.20

wir in die Post, der Beutel gestattete keinen längern Aufent- halt mehr, und kutschirten auf gleichem Wege nach Sesto Calende zurück, wo uns das Dampfschiff wieder aufnahm. Wir brachten- - wegen Regen die meiste Zeit in der Kajüte zu, und nahmen in Ma-

~aii~o wieder im albergo nationale unser Absteigquartier. - - Samstag den 3. Am Morgen regnete es stark, und wir waren genö- thigt mit Veturinen bis Giornico zu fahren. Atif dem ganzen Wege zog eine ungeheure Menge-Ri;dvi~h an uns vorüber, so dass wir oft stille halten mussten. Montag den 5. Gestern erhielt ich einen stark geschwollenen Backen, und wir sassen den ganzen Tag am Camin, uns mit Piquet und Schmausias unterhaltend. Heute um 5 1/2 fuhren wir von Giornico ab, kamen nach Faido, fuhren dann lange auf provisorische; St;ässen und Brücken~ da-gerade Alles in voller Arbeit war eine den Gewässern besser trotzende Stras- se zu bauen, und kamen endlich zu Camozzi· bey den 3 Königen in Airolo; ich schickte nach Hr Eschmanns Rath immer Taback um das Zahn;eh zu vertreiben. Bey Camozzi speisten wir, nahmen dann 2 Pferde Vorspann, und mit diesen ging es rasch den Berg hinauf bis zum Schnee; dann aber fing die Kutsche merkwürdig an zu wan- ken, dass wir dachten: das ist e Gschicht, und Hr Eschmann aus dem Wagen sprang mit dem Ausruf: Potz Stram, mer gheyet um~ Spä- ter musste ich auch aussteigen, denn die Pferde brachten kaum die leere Kutsche vorwärts bey dem vielen weichen Schnee. End- lich erblickten wir das Hospitz, und erreichten nun die mit 4 Seechen geschmückte Höhe-des-Gotthardpasses, das ächte Bild des Winters. Wir entliessen nun den Vorspann, gingen bis unter- halb des Schnees noch zu Fuss, und dann ging es auf der schönen, ganz gleichmässig fallenden Strasse lustig vorwärts durch Hos- ,E.i!.a,! nach dem freu·ndlichen Ur~e.E.!!., wo wi r bey Frau Meyer in

den 3 Königen Quartier nahmen. Bis hieher hat es in allen Dör- fern Steinbahnen. Dienstag den 6. Nach dem Frühstück stiegen wir wieder ein, und vertauschten nun bald das freundliche UrsernthaI mit dem schaurigen Urnerloch, der kühnen Teufelsbrücke und den ernsten Schöllenen. Die Strasse ist meisterlich angelegt, viel schöner als die Splügenstrasse, aber doch schien mir die Via Mala grandioser. Fast der einzige Fehler der Strasse ist bey Wasen wo sie zum Dörfchen hinaufsteigt; statt unter demselben durchzugehen, doch ist dies dem Ingenieur Müller nicht zur Last zu legen. Bey Am~t~ spazierten wir voran, und erst bey Er~ch­

ieli

holte uns die Kutsche ein, die nun noch ein schlimmes Stück wegen den Strassenkorrektionen mit uns zu fahren hatte. Wir

hielten erst in Flüelen an, wo Hr Eschmann beym Mittagsmahle einem Baslerkaufmann-durch phantastische Erzählungen seines Kir- chenbesuches in Wien einige Maylandercigarren abnahm. Gegen

Abend führte uns noch ein Schiff nach Brunnen zum goldenen Ad- ler. Freitag den 9. Mittwochs fuhren wir-in einer alterthümli- chen Carosse nach Richtersweil, wo Hr Eschmann bey den 3 Königen logirte, und ich Hr Wilden-und besonders Hans überraschte. Ges- tern morgen verfehlten wir das Dampfschiff und blieben desshalb noch in Richtersweil; hingegen heute morgen waren wir glückli- cher, und ich überaschte die 1. Meinigen nicht wenig, die mich meinem lezten Briefe zu folge noch lange nicht erwarteten. - Montag den 26. Am 16. begleiteten Jean und ich Wild zur Weinle- se nach Richtersweil, am 22. feyerten wir den Krähanen, und am 23. fuhr Jean mit der Minerva nach Hause. Heute kehrte ich zu Fuss heim.

November. Sonntag den 1. Ich höre in diesem Semester bey Hr Raa- be Mechanik nach Lagrange, bey Hr Eschmann Astronomie, und gebe daneben Hr Bodmer wöchentlich 6 Stunden. Samstag den 21. Hr Esch-

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1835

mann hat die nüzliche Einrichtung getroffen, dass jede Stunde Einer von uns einen Abschnitt aus der populären Astronomie vortragen muss, so ich heute die Abberation.

Dezember. Sonntag den 13. Wir haben seit einigen Tagen Besuch von Schenkel und Wild; mit lezterm ass ich diesen Mittag bey Hr Eschmann. Donnerstag den 31. Lezten Donnerstag ging ich in Ge- sellschaft mit Conr. Escher nach Richtersweil; am Montag assen wir bey Hr Quartierhauptmann Hürlimann, der uns nachher seine ganze Fabrik zeigte, die circa 400 Menschen beschäftigt. Am Mittwoch verreiste Conrad, und diesen Abend kehrte ich mit der Glarnerpost, nicht ohne einige Gefahr wegen dem eisigen Boden, nach Hause um den lezten Silvester vor meiner Abreise nach Wien noch im Kreise der

1.

Meinigen zuzubringen.

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1836

S.21 Januar. Donnerstag den 14. Heute begannen Hofmeister, Orell und ich die Berechnung der elliptischen Pallaselemente nach Krems- münster-Beobachtungen bey Hr Eschmann. Donnerstag den 28. Heute trug uns Hr Eschmann über die Ordnung, den Zusammenhang und

G~ist von Litrows Astronomie vor, was meine schwankende Liebe zu diesem Werke fest begründete.

Februar. Sonntag den 14. Heute beendigten wir die Pallasrechnun- gen und werden nun am Dienstag die Berechnungen der gr. Sonnen- finsterniss dieses Jahres beginnen. Mittags machten unser 15 Turner eine wahre Winterturnfahrt auf den Uto; wir brachen in das Häuschen ein, und rutschten über den Schnee in den Höckler hinab. Donnerstag den 18. Heute Morgen um 6 Uhr starb der gute Jean Meyer an der Auszehrung; mein Bruder wird ihm auf dem Grab eine Rede halten. Dienstag den 23. Am Samstag wanderte ich zur Fastnacht nach Richtersweil; gestern führten 'etwa 192 Personen bey des Geschlechtes den Waldman recht brav im Freyen auf vor vielen Tausend Zuschauern; diesen Abend kehrte ich in Wilds Be- gleit nach Zürich zurück. Sonntag den 28. Am Donnerstag hör te ich Seipels Zürcher-Mordnacht im Theater auspfeifen. Heute ass ich mit Wild bey Hr Eschmann, und brachte mit ihm den Abend in Jeans und Carl Williams Gesellschaft bey H. Sulzer zu.

März. Donnerstag den 3. Hr Oberst Pestaluz hat mich gegen ein schönes Honorar beauftragt die Reduktionen der Maass- und Ge- wichtssysteme für die Cantone St Gallen und Zürich auf das neue eidgenössische System zu machen.

Aprill. Freitag den 8. Diesen Morgen verreiste Wild nach Mün- chen. Samstag den 16. Lezten Sontag und Montag langten die Quar- tiermeister zum Turnfeste in Zürich an, und Dinstag Abends die Masse der Turner. Güder, Kern von Basel, Orell und ich waren

nun fast immer beysammen • Am Mittwoch zogen unser 140 mit 7 Fahnen zum allgemeinen Turnen auf den ausgerüsteten Turnplatz, dann zur Tafel ins Schützenhaus, und Abends hatten wir das Par- terre im ·Theater ganz inne; wir sahen das Concert am Hofe und den Unsichtbaren, und tanzten in den Zwischenakten. Am Donners- tag Morgen war das Wettturnen, von dem Mayer von Basel den ers- ten Preis wegtrug; Abends trieben wir es toll im Seefeld. Am Freytag zeigten wir uns ern Freunden die Merkwürdigkeiten Zürich~

und diesen Morgen begleiteten Orell und ich, Jak. Hess, Urech, Bürgis etc die Hauptmasse zu Schiff bis ins Fährli (?). Donnerstag den 29. Am Morgen turnten wir mit 150 Knaben zum ersten Mahl in diesem Sommer. Diesen Abend war ich bey Dr. Gräffe in der mathem.

Gesellschaft.

May. Samstag den 14. Am Donnerstag, als an der Auffahrt, machte ich mit Kramer etc eine kleine Turnfahrt auf den Schnabel, und heute las ich ihre Beschreibung der Turnversammlung vor. Sonntag den 15. Heute betrachtete ich mit Vielen die Sonnenfinsterniss im Höckler. Mittwoch den 25. Am Samstag begleitete ich die 1. Ma- ma nach Richtersweil hinauf und am Montag kehrte ich mit ihr auf dem Dampfschiff zurück. Gestern ging ich mit etwa 40 Knaben bey getheiltem Wetter nach Zug und Horgen; es war eine der merkwür- digsten Turnfahrten.

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innerungsalbums von Wolf, Hs 368 b: 9c

&

23).

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1836

S.22 Juni. Montag den 6. Gestern machte ich bey allem Regen einen recht amüsanten Ausflug mit Orell, Carl Hess und Kaffeeescher nach Baden. Freitag den 10. Gestern Morgen leistere ich den Bür- gereid, und musste mit grossem Verdruss sehen wie Schänleins Wahl zum Bürger von Zürich mit 212 gegen 196 aus blindem Reli- gionseifer verworfen wurde; diesen Abend brachten wir Zofinger ihm und Hr Prof. Orelli Ständchen. Dienstag den 21. Am Samstag ging ich in Folge eines Briefes von Hr Wild nach Richtersweil, verrnass gestern im Wydiger für ihn, und kehrte diesen Abend heim.

Donnerstag den 30. Heute spazierte ich mit Lisette nach Lindau, Winterthur und Embrach.

Juli. Sonntag den 10. Diesen Abend sah ich Seydelmann im Oheim (von Prinz. Amalie von Sachsen). Donnerstag den 21. Sontag Mor- gen ging ich mit Lisette nach Zug, wohin die

1.

Mama fuhr; wir schifften zusammen nach Ar~ und-ich bestieg mit Hr Prof. Raabe den Rigi. Abends trafen wir Alle mit Jean in der Sonne zusammen im Klästerli. Wir, William, Abr. Wirz mit Frau und Schwester, Fr. Frik, Esth. Wolf, Jgfr. Fäsi, Frau Abegg mit Julius, Hr Friedrich, Hr Pauer und Frau, Hr Stutz etc bildeten eine nette Gesellschaft, zu der sich theilweise auch die Hr und Damen Bille- ter, Vägeli, Heiz und W. Fäsi schlugen. Montag Morgen gingen wir aufs Känzeli, Abends auf den Kulm, wo wir herrl. Nebelbilder sa- hen, und ich Hr Eschmann traf. Dinstag Morgens besuchten wir den Rothstock, und Mittags stiegen William und ich in gerader Linie in 1/2 Stund zu Hr Eschmann auf den Kulm. Gestern Morgen machten wir Spiele auf dem Schilt, und heute, da es regnet, zu Hause. Dienstag den 26. Lezten Freytag war etwas Springen und Steinstoossen im Klästerli bey der Sennengemeinde am Maria Mag- dalenatage. Am Mittag besuchte ich Hr Eschmann und machte mit ihm und einem Russischen Invaliden das jeu d'interet. Samstags war Schnee und Regen. Sontags ass ich mit Hr Eschmann im kalten Bad, spielte mit ihm und Hr Siber-Waser Imperiale, und schnee- belte dann noch die Sonnengesellschaft auf den Kulm hinauf. Die- sen Morgen am 4 Uhr ging die 1. Mama, Lisette und ich mit Hr Bauers zum Dächli hinunter; sie gingen direkte nach Zürich, ich hingegen über den Schutt und Sattel nach Richtersweil zu Hr Wil- den. Freitag den 29. Gestern ging ich mit Hr Wild und Hottinger zum Schützenfest nach Zug, und dann ich mit Hottinger zum Er- staunen meines Bruders und der übrigen Gesellschaft nochmals auf den Rigi. Heute gingen wir mit Frik über Küssnacht nach Zug zu- rück, wo Hr Wild nicht übel geschossen hatte, und dann heim nach Richtersweil.

August. Samstag den 6. Am Freytag gingen Hr Wild und ich mit Conr. Escher, der Mittwochs angelangt war, nach Einsiedeln, wo wir zwar nur das alte Baschizeug sahen. Diesen Abend-kehrte ich mit Escher auf dem Dampfschiff heim. Samstag den 20. Diesen Abend besuchte ich mit Orell Georg Wyss in Klausers Gut im Seefeld.

Montag den 29. Gestern kamen wir mit den Schaffhauserturnern auf dem Irchel zusammen. In Neftenbach machte uns ein dickrother ~4ger

sehr fidel.

S.23 September. Mittwoch den 7. Sontags ging ich in der Früh nach Richtersweil um Abschied zu nehmen, und ging dann am Montag Mor- gen mit Grimm bey allem Regen nach Hause, in Horgen Frau Abegg besuchend, die mir ihre Fabrik für Giletzeug zeigte. Abends war das Leichenbegä~nfus meines Oheims Andreas Wolf. Dinstag Abends

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1836

gab ich meinen Cameraden: Henri, August und Theodor Schulthess, Hs Bodmer, H. Gossweiler, D. Fries, Jak. Hess, Hofmeister, Orell, Gottfr. Schweizer, J. Kramer, Georg Wyss und Grimm einen kl. Ab- schied. Sonntag den 11. Endlich sind die Abschiedsvisiten und Abschiedsessen etc geendigt, und ich kann noch ein paar Stünd- chen ruhig bey den 1. Meinigen seyn. Montag den 12. Diesen Mor- gen nahm ich Abschied von den 1. Meinigen, und dann bey der Post von vielen meiner Freunde, und fuhr um 8 Uhr mit dem St.Galler- Eilwagen ab. In Winterthur ass ich beym wilden Mann, und dann ging es wieder weite~.-Von Wyl bis Gossau hatte ich eine sehr unterhaltliche Gesellschaft-am Herr-Pfarrer von Gossau, Bruder des Landamman Müller- Friedberg. Er stellte unter anderm die Hypothese auf, dass ein Feuer im Innern die Erdrinde immer mehr ausdehne, bis sie am Ende äusserst dünne werde, zusammenfalle, und das hervorbrechende Feuer die Atmosphäre umwandle. Die Sit- terbrücke gefiel mir sehr wohl, noch besser aber die cordiale Aufnahme bey Hr Dr. Aepplis in St.Gallen, bey denen ich die Nacht zubringen musste. Mittwoch-den-14. Gestern in der Frühe geleitete mich Otto Aeppli zur Post, wo ich unter Anleitung ei- nes dicken Augsburger-Conducteurs in einen engen Kasten gepackt wurde. Meistens bey Regen kamen wir nach Rorschach am Bodensee, bey Höchst über die Fähre, sahen in Bregenz-einige Cavallerie, und fuhren endlich über die lange Brücke-nach Lindau, wo wir eben Zeit hatten, die Mauth zu passiren und in de~Krone zu speisen. Langweilend und schlafend fuhren wir dann durch eine äusserst einförmige Gegend nach Wangen, Leutki~ch und Memmin~e~,

wo wir diesen Morgen um 3 Uhr eine ganze Rudel neuer Reisegefähr- ten erhielten. Nun kamen wir nach Mindelstein und Schwabenmün-

~h~, und endlich diesen Abend um 4 Uh~ nach-Au~sbu~,-der-g~os­

sen Einöde. Ich verfügte mich nun zu Welt im Mohrenkopf am Pe- tersberge, und traf nun wirklich bald Wild, der mir schon ge- stern bis hieher entgegengekommen war; das Wiedersehn that

mir doppelt wohl. da die Langweile mich ganz eingedüstert hatte.

Wir spazierten am Abend noch ein wenig mit offenem Schirme, und schafften uns später in der Wirthsstube Essen und Bier (aber nur kein Weissbier) an; die Unterhaltung der übrigen Gäste war sehr seicht und dumm. - Donnerstag den 15. Am Morgen besuchten wir das Rathhaus, in dem hauptsächlich der 52' hohe goldene Saal merkwürdig ist, der jezt zu Preisvertheilungen etc gebraucht wird. Mittags gingen wir mit einem Briefe von Bolleter zu Hr

Prof. Kaufmann, und dieser besuchte mit uns das schöne dem Mauth- gebäude gegenüberliegende Polytechnikum, das eine schöne Gemähl- degalerie besizt, in der mir besonders das Auffrischen alter Ge- mählde mitte1st Auflösen des Firnisses durch Terpentin und Ab- waschen merkwürdig war; dann spazierte er mit uns auf dem Wall, der in 2 Stunden um die ganze Stadt führen soll, wo früher jeder Stadtgardesoldat seine eigene Wohnung hatte, - führte uns zum Zeughause vor dem viele alte und neue Kanonen, Kugeln etc aufge- S.24 schichtet sind, etc. Freitag den 16. Morgens um 6 fuhren wir

durch eine langweilige, fast öde und zum Theil waldige Gegend nach Schwabhausen und Dachau, von welch lezterem Orte man Mün- chen,-besonde~s~ie Thürme~er Frauenkirche vor sich erblickt.

Zu München besuchten wir sogleich Bollter, und spazirten noch mit-ihm-in der Stadt herum, und ein wenig in den Englischen Gar- ten. Samstag den 17. Am Morgen um 11 sahen wir im Pallast der Kö- nigin Wittwe das reiche Elfenbeinkabinet mit herrlichen Vasen, Christus am Kreuz etc. Das Mittagessen im Kalteneggbräu zu dem

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