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al-Malik al-Mansür (gest. 617/1220),

ein ayyübidischer Regent und Geschichtsschreiber

Von Angelika Hartmann, Hamburg

Prof. Dr. Frithiof Rundgren ( Uppsala) zum 65. Geburtstag

Die Geschichte der Ayyübiden hat in den vergangenen Jahren wieder

verstärkt die Auftnerksamkeit auf sich gezogen' . Dabei standen natur¬

gemäß die großen Gestalten dieser Dynastie, wie Saladin, sein Bruder

al-'Ädil oder sein Neffe al-Kämil, im Mittelpunkt der Betrachtungen.

Doch wäre es ein Trugschluß zu meinen, daß die weniger mächtigen,

oder die nur kurzfristig einflußreichen, nicht auch auf die große Politik

eingewirkt hätten. Sind es nicht oft gerade sie, die durch ihre Bündnis¬

politik schließlich das Zünglein an der Waage spielten?

Hier soll nun von einem dieser ajryübidischen Lokalfürsten die Rede

sein, von einem Herrscher, der nur über eine kleine Residenz verfugte,

' Ich erinnere nur an die Saiadinbiographien bzw. Teilbiographien der letzten

Jahre: Andrew S. Ehrenkreutz: Saladin. Albany 1972. Geoffrey Hind¬

ley: Saladin. London 1976. Hannes Möhring: Saladin und der Dritte Kreuz¬

zug. Aiyubidische Strategie und Diplomatie im Vergleich vomehmlich der arabischen

mit den lateinischen (gellen. Wiesbaden 1980. (Frankfurter Hist. Abh. 21.)

(Siehe die dortige Bibliographie und die bibliographischen Ergänzungen in mei¬

ner Rez. in: Der Islam 59 [1982], 148). Malcolm Cameron Lyons und D. E. P.

Jackson: Saladin. The Politics of the Holy War. Cambridge 1982. — Siehe auch:

Franz Josef Dahlmanns: al-Malik al-'Adil. Ägypten und der Vordere Orient in

den Jahren 589/1193 bis 615/1218. Ein Beitrag zur ayyübidischen Geschichte. Gie¬

ßen 1975. — Außerdem: R. B. C. Huygens: La campagne die Saladin en Syrie du

Nord (1188). In: Colloque Apamee de Syrie. Bilan de recherches archeologiques

1969-1971. Brüssel 1974, 273-283. Sir Hamilton A. R. Gibb: Saladin:

Studies in Islamic History. Ed. by Yusuf Ibish. Beirut 1974. R. Stephen

Humphreys: Frcnn Saladin to the Mongols. The Ayyubids of Damascus, 1193-

1260. Albany 1977. B. Z. Kedar, H. E. Mayer und R. S. Smail (Ed.): Outre-

mer. Studies in the History of the Crusading Kingdom of Jerusalem, Presented to

Joshua Prawer. Jerusalem 1982. Wolfdietrich Fischer und Jürgen

Schneider (Hrsg.): Das Heilige Land im Mittelalter. Begegnungsraum zwischen Orient und Okzident. Neustadt an der Aisch 1982. P. M. Holt: Saladin and His Admirers: A Biographical Reassessment, fn: BSOAS 46 (1983), 235-239. Claude Cahen: Orient et Occident au temps des Croisades. Paris 1983. The Memoirs of a Syrian Prince. Abu'1-Fidä', Sultan of Hamäh (672-732/1273-1331). Transi. with

an Introd. by P. M. Holt. Wiesbaden 1983. (Freiburger Islamstudien. 9.)

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al-Malik al-Man§ür (gest. 617/1220) 571

der aber die außerordentlich fruchtbare Fähigkeit besaß, über 30 Jahre

hinweg gleichmäßig als Politiker, Geschichtsschreiber, Mäzen und Lite¬

rat in Erscheinung zu treten. Es ist einer der Regenten von Kamät, al-

Malik al-Man$ür. Er regierte von 587/1191-617/1220.

Wie bekannt, hatte Saladin Hamät 569/1174 erobert und wenige

Jahre danach, 574/1178, seinem Neffen Taqi ad-Din 'Umar, übergeben.

Seitdem herrschte die ayyübidische Nebenlinie des Taqi ad-Din, der

den Titel al-Malik al-Muzaffar trug, in der Stadt. Sie hielt sich dort, mit

einer Unterbrechung von ungefähr 11 Jahren, bis 742/1341, mehr als

anderthalb Jahrhunderte also und damit bis weit in eine Zeit hinein, in

der die übrigen Ayyübiden in Syrien und Ägypten längst von den Mam¬

lüken verdrängt worden waren.

Ich befasse mich mit al-Malik al-Man§ür als politischem Taktiker und

als Verfasser der Chronik „Mismär al-haqä'iq wa-sirr al-halä'iq" , zwei

zunächst disparat erscheinenden Aspekten, die jedoch beide eng mit¬

einander verbunden sind. Dementsprechend besteht mein Beitrag aus

zwei aufeinander Bezug nehmenden Teilen. Im ersten Teil stelle ich die

politischen Aktivitäten al-Malik al-Mansürs dar, die es ihm ermöglich¬

ten, aus seinem Stadtstaat und den dazugehörenden Gebieten ein rela¬

tiv selbständiges Territorium innerhalb des ayyübidischen Gesamtstaa¬

tes entstehen zu lassen. Gleichzeitig wurde Hamät zu einem Zentrum

der Wissenschaften und sein Herrscher ein homme de lettres und eigen¬

ständiger Historiograph. Den zweiten Teil meines Beitrags machen

Überlegungen zur Chronik al-Malik al-Mansürs aus, einer bisher nur

weiüg beachteten, aber einer der wichtigsten Primärquellen ihrer Zeit.

Ursprünglich in 10 Bänden verfaßt, ist sie nur fragmentarisch erhalten

(Jahre 575-582/1180-1186). Ihr Wert liegt in den zahlreichen autobio¬

graphischen Mitteilungen des Verfassers, der oft als Augenzeuge be¬

richtet oder auch Berichte aus erster Hand weitergibt, die sich in keiner

bisher edierten Quelle fmden. Mehrmals zitiert er Staatsschreiben aus

der Kanzlei Saladins und des 'abbäsidischen Kalifen an-Näsir li-Din

Alläh. Fragen nach den Vorbildem und Quellen dieses Werkes sowie

nach seiner Bedeutung für die ayyübidische Geschichtsschreibung, ins¬

besondere der Saladin gewidmeten, beschließen meinen Beitrag.

I. Zur Person

al-Malik al-Mansür Muhammad b. 'Umar b. Sähanääh ^vurde 567/

1171-72 geboren^. Sein Vater war Saladins Neffe al-Malik al-Muzaffar

Aus al-Maqrizi: Sulük, I, 205: 11 zu erschließen. Ibn al-Furät: Ta'rih, IV/1,

186 nennt das Jahr 567 h.

(3)

572 Angelika Hartmann

Taqi ad-Din 'Umar, einer der fähigsten Feldherm und persönlichen

Berater des ayyübidischen Sultans^". al-Malik al-Mansür war somit ein

Großneffe Saladins. Er war der Großvater väterlicherseits des Geogra¬

phen, Historiographen und späteren Fürsten von Hamät, Abü '1-Fidä'^.

Während die bisher bekannten Quellen fast nichts über seine Kind¬

heit, Jugend und Ausbildung sagen, erfahren wir aus den autobiographi¬

schen Bemerkungen al-Man§ürs in seiner Chronik al-Mi<jmär, daß er

schon als Kind an Feldzügen und Belägemngen seines berühmten Gro߬

onkels und seines Vaters teilgenommen hat". Als sein Vater 579/1183

von Saladin zum Gouverneur von Ägypten emannt wurde, begleitete er

ihn dorthin^. Bei Abü Tähir as-Silafi, dem bekannten Säfi'itischen Tradi¬

tionarier und häfiz, und bei Abü Tähir b. 'Auf dem mälikitischen Gelehr¬

ten, nahm er in Alexandria^ Äarfii-Unterricht. 580/1184, als al-Malik al-

Mu?affar Kairo vorübergehend verlassen mußte, um Saladin bei der

emeuten Belagemng der Festung al-Karak zu unterstützen, fungierte

der damals erst dreizehnjährige al-Mansür als der offizielle Stellvertre¬

ter seines Vaters in Ägypten'. Nach dem Tode seines Vaters im ramadän

587/Sep.-Okt. 1191** übemahm er den Stadtstaat Hamät und seine

Besitztümer.

al-Malik al-Mansürs Herrschaft begann sogleich mit einem Eklat,

dessen Hintergründe ein wesentliches Merkmal seiner Persönlichkeit

offenlegten: die Wahmehmung seiner politischen Interessen und, wie er

es sah, seiner Rechte. Wegen einiger Orte in al-öazira, die Saladin al-

Man^ürs Vater 586/1190 zu Lehen gegeben hatte und jetzt vom Sohn

zurückforderte, nämlich Harrän, Mayyäfariqin, ar-Ruhä und Sumaisät",

^ ' Siehe John L. La Monte : Talci ed-Din, Prince of Hama. In : MW 31 ( 1 941), 149-160.

' In der Stammtafel der Ayyübiden, EI^, I, 805, irrtümUch als Enkel Türan-

fiähs eingetragen. Abschreibfehler aus Edouard de Zambaur: Manuel de

genealogie et de chronologic pour I'histoire de l'Islam. Hannover 1927, 101.

" Midmär, 29, 43, 52, 60, 93-95, 105-106, 110, 112, 136, 143, 153.

Midmär, 158, 227.

" a§-§afadi: Wäfi, IV, 259, No. 1790, ad-Dahabi; 'Ibar, V, 71.

' Midmär, 200.

* Ibn Saddäd: Nawädir, 197-198. Ibn al-Atir: Kämil, XII, 63. Ibn Wä^ü:

Mufarrig, 11, 375-377.

' Ibn al-'Adim: Z^ftda, III, 121-122, nennt noch Hani (auch Häni oder Haniy,

einen Ort bei Diyärbakr) und al-Muwazzar (Yäqüt: Mu'gam, V, 221). Ibn al-

Furät: Ta'rih, IV/1, 236-237, (irrtümlich unter dem Jahr 567/1171-72) nennt dazu die syrischen Orte öabala, Lädikiya, Balätunus (Yäqüt: Mu'gam, 1, 478)

und (Verschreibung für Biskisrä'il?) Über die Bedeutung von öabala und

Lädikiya für al-Mahk al-Man§ür siehe noch Ibn al-Furät: Ta'rih, IV/2, 107, 110- 111.

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al-Malik al-Mansür (gest. 617/1220) 573

kam es zu einem schweren Zerwürfnis zwischen dem neuen Herrn von

Hamät und dem Oberhaupt der Ayyübidendynastie. Bei den Lehen han¬

delte es sich um „iqtä's gouvernementaux" , bei denen sich zu dieser

Zeit zwar generell schon eine de-facto-Erblichkeit durchgesetzt hatte,

deren Souveränitätsfragen aber, wie bekannt, durchaus individuell zvw-

schen dem Lehensverleiher und dem Lehensträger geregelt wurden'".

al-Mansür hatte Saladin in einem Brief aufgefordert, ihm sein volles

Erbe einschließlich der Lehen zuzugestehen. Dabei spielten die Einnah¬

men aus den östlichen Lehen keinen geringen Grund. Saladin soll außer

sich gewesen sein, denn er witterte einen Aufstand. Er entriß al-Mansür

sämtliche Besitzungen, und nur dank der Vermittlung al-Malik al-'Ädils

wurde diese Krise gelöst, freilich zuungunsten des jungen Herrschers.

al-Malik al-Mansür mußte sich Saladin beugen. Die östlichen Lehen in

al-öazira, d.h. jenseits des Euphrats, behielt Saladin. Er übergab sie

zunächst seinem Sohn al-Malik al-Afdal, der sich danach gedrängt

hatte, vertraute sie dann aber doch seinem in dieser Gegend erfahrenen

Bruder al-'Ädil an.

Das Herrschaftsgebiet al-Mansürs erstreckte sich nun neben Hamät

nur noeh auf Ma'arrat an-Nu'män im Norden, Manbig und Qal'at an-

Nagm im Nordosten und Salamiya im Südosten". Die Burg Bärin (Ba'-

rin, mons ferrandus) im Südwesten von Hamät eroberte al-Mansür

8 Jahre später, 595/1199'^. Der Besitzer der Burg war der Vasall Ibn al-

Muqaddam gewesen (st. 597/1200-01)''*, ein Anhänger al-'Ädils. Nach

der Eroberung forderte al-'Ädil, daß al-Mansür ihm die Burg zurück¬

gebe. Dieser widerstrebte, willigte aber schließlich in einen Tausch ein:

statt Bärin händigte er ihm Manbig und Qal'at an-Nagm aus'"*.

Dazu Claude Cahen: L'eDolulion de l'iqtä' du IXe au Xllle siede. In: AnnSb- les. Economies, societes, civihsations 8 (1953), S. 25-52.

'' Einzelheiten bei Ibn al-Atir: Kämil, XII, 82-83. Ibn Saddäd: Nawädir, 208, 231. Ibn al-'Adim: Zubda., III, 121-123. Ibn Wä§ü: Mufarrig, IV, 80, 377-379, und nach ihm Ibn al-Furät: Tärih, IV/2, 42-45, 59-62. 'Izz ad-Din b. Saddäd:

A'läq. Ed. A.-M. Edde, 43 (arab. Zählung, s.n. Sumaisät). Abü'l-Fidä': Muhta¬

sar, III, 85. Abweichend davon Ibn Saddäd: A'läq. Ed. A.-M. Eddä, 109 (arab.

Zählung, s. n. Manbig) . Während er im Abschnitt über Sumaisät weitgehend Ibn al-'Adim folgt, berichtet er hier, daß al-Malik al-Mansür alle Lehen seines Vaters in Syrien (min al-biläd) behalten hatte mit Ausnahme von Afamiya, das Ibn al-

Muqaddam als Lehen übergeben wurde.

Ibn WäsU: Mufarrig, III, 98, 101. Ibn al-Furät: Tärih, IV/2, 161, 163-164.

'^ 'Izz ad-Din Ibrähim b. Sams ad-Din b. al-Muqaddam, st. 597/1200-01. Zu

seiner Person siehe Dahlmanns: al-'Adil, Index.

'" Abü '1-Fidä': Muhtasar, III, 132. Ibn Wäsil: Mufarrig, III, 114, IV, 81. Ihn al-'Adim: Zubda, III, 148. Ibn al-Furät: Tärih, IV/2, 180-181. - Zur Stadtge- 39 ZDMG 130/3

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674 Angelika Haetmann

Auch dies Beispiel zeigt, daß die Souveränität der ajfyübidischen

Stadtfürsten durchaus eingeschränkt war, wobei nicht zu vergessen ist,

daß der Fürst von Hamät — gemeinsam mit den Regenten von Him? und

Baalbek — eine gewisse Ausnahme bildete. Diese drei Regenten waren

nämlich den Inhabern der ayyübidischen Teilreiche zur Zeit al-'Ädils

(d. h. den Regenten von Ägypten/Jemen, Syrien/Palästina und al-

öazira) gegenüber keineswegs in allen politischen Fragen unterstellt.

In einigen waren sie ilmen ebenbürtig, z.B. in Fragen der Gerichtsbar¬

keit, der hisba (Marktkontrolle), der futuwwa^'' und des Zeremoniells'".

Der Verlust von Manbig und Qal'at an-Nagm bedeutete für al-Malik

al-Mansür zwar einen finanziellen Ausfall, doch war nun sein Territo¬

rium mit dem Gewinn der Burg Bärin eine geschlossene Einheit.

Die Bedeutung von Hamät als Residenz lag unter al-Man^ür zum

einen in ihrer Schlüsselstellung gegen die Kreuzfahrer, zum anderen in

ihrer Rolle als Pufferstaat zwischen den ayyübidischen Hauptlinien und

deren Machtansprüchen nach Saladins Tod — vor allem, als al-Malik az-

Zähir Gäzi in Aleppo und al-Malik al-'Ädil in Damaskus regierten. al-

Malik al-Man§ür gelang es, seine Souveränität zu wahren. Mit Geschick

verteidigte er seinen Herrschaftsbereich, lavierte ihn erfolgreich durch

alle Gefahren der inner-ayyübidischen Streitereien und machte ihn

darüber hinaus noch 30 Jahre lang, bis zu seinem Tod, 617/1220, zu

einem beachtenswerten kulturellen Mittelpunkt, einem Zentrum des

adab und der Wissenschaften.

In und um Hamät entfaltete al-Mansür eine rege Bautätigkeit". Er

machte die Stadt und besonders die Zitadelle'** zu einer fast uneinnehm¬

baren Festung. Dies zahlte sich nicht nur gegen die Kreuzfahrer aus,

sondem auch später gegen seinen eigenen Großvetter und zeitweiligen

schiclite von Manbig und Qal'at an-Nagm siehe auch 'Izz ad-Din b. Saddäd:

A'läq. Ed. A.-M. Eddä, 104-111 (arab. Zählung). Die al-Malik al-Man§ür betref¬

fenden Passagen, ebd. 109 (arab. Zählung). Ibn Saddäd fußt freihch deuthch auf Ibn al-'Adims Zubda. — Zur Schreibung: „Qal'at Nagm" oder „Qal'at an-Nagm" : beide Formen sind überhefert. Yäqüt: Mu'gam, IV, 391, schreibt den Artikel.

Siehe unten, S. 578.

Siehe unten, S. 578.

" Beispiele bei Ibn Wä^ü: Mufarrig, IV, 80, Abü '1-Fidä': Muhtasar, III, 132 und Yäqüt: Mu'gam, II, 300.

al-Malik al-Man§ür befestigte die Mauern der Stadt und der Zitadelle. Die Ziegelmauern der Zitadelle, die aus der Zeit seines Vaters stammten, ersetzte er durch Steinmauern. Die Gräben ließ er vertiefen und verbreitem. Als Vorbild soll ihm dabei die Zitadelle von Aleppo gedient haben. Nach dem Urteil Ibn Wä-

§ils habe er sie noch an Unzugänglichkeit übertroffen. (Ibn Wä^il: Mufarrig, IV, 80.)

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al-Malik al-Man^ür (gest. 617/1220) 575

Oberherm a?-Zähir. Ich kann hier nur die wichtigsten Fakten heraus¬

greifen.

599/1203 fügte al-Man?ür den Kreuzfahrern, die in seinem Gebiet auf

Raubzüge aus waren, bei Bärin eine klare Niederlage zu. Die Lage war

jedoch so emst für ihn gewesen, daß er al-'Ädil um Hilfe gebeten hatte.

Nach seinem Sieg wurde al-Man?ür umjubelt: al-'Ädil beglückwünschte

ihn in einem Schreiben, und seine Taten wurden in einem Lobgedicht

gepriesen. Sodann verhandelte al-Man^ür mit den Templern unter den

besiegten Kreuzfahrern und scheint einen Waffenstillstand abgeschlos¬

sen zu haben, an den sich jedoch die Johanniter nicht gebunden fühlten.

Bei erneuten Zusammenstößen mit ihnen, ebenfalls in der Nähe von Bä¬

rin, blieb al-Mansür wiedemm siegreich'^.

Äuch 601/1204 schlug er die Franken bei ihrem Angriff auf Hamät

zurück^". Seine Bedrängiüs war jedoch so groß, daß er sich hilfesuchend

an den Sohn und Stellvertreter al-'Ädils in Damaskus, al-Malik al-

Mu'azzam, wenden mußte, bevor er einen Waffenstillstand mit den

Kreuzfahren abschloß. Im selben Jahr war aber auch ein Waffenstill¬

stand zwischen al-'Ädil selbst und den Kreuzfahrem vereinbart worden,

der noch immer gültig war. al-Mangürs eigenmächtiges Handeln

empörte den Sultan, und es bedurfte der ganzen Diplomatie al-Mansürs,

seinen Großonkel zu besänftigen und sich wieder gewogen zu stimmen.

Zu diesem Zweck reiste er nach Ägypten, wo sich al-'Ädil aufhielt. Dort

wurde er gut aufgenommen, blieb eine Zeitlang in seinen Diensten,

erhielt sogar ein Ehrengewand und kehrte erfolgreich nach yamät

zurück^ '.

Den strategischen und politischen Gewinn eines Bündnisses mit al-

'Ädil hatte al-Mangür schon 590/1194, während der anarchischen

Unmhen nach dem Tod Saladins, erkannt. Obwohl er bei den damaligen

Erbfolgestreitigkeiten der Söhne Saladins mit al-'Ädil offiziell noch auf

der Seite seines Oberherm al-Malik a?-Zähir Gäzi, des Regenten von

Aleppo, stand, zeigte er doch offen Sympathie für al-'ÄdiF^. Neben per¬

sönlichen Neigungen sah er in ihm den erprobten Politiker, dem mit der

'° Ibn Wäsil: Mufarrig, III, 141-150. Abü '1-Fidä': Muhtasar, III, 103. Ibn al-

Furät: Tärik, IV/2, 249-257. F. J. Dahlmanns: al-'Ädil, 118f.

^" In Einzelheiten widersprechen sich die Quellen: Ibn Wä^il: Mufarrig, III, 162-164. Ibn al-Atir: Kämil, XII, 195. Ibn Nazif: TaWih al-Mansüri, 15 = Gryaz- NEViC, fol. 122 b. Sibt b. al-Öauzi: Mir'ät, VIII/2, 523.

^' Abü '1-Fidä': Muhtasar, III, 111-112. Ibn al-Furät: Tärih, V/l, 22-24. al- Maqrizi: Sulük, I, 164.

al-Maqrizi; Sulük, 1, 124. Ibn Wä§U; Mufarrig, III, 44-46. Ibn al-Furät:

Tärih, IV/2, 109-111.

3!l*

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576 Angelika Haetmann

Überwachung der al-öazira die schwierigste Aufgabe, dann mit Damas¬

kus (seit 592/ II 96) ein wichtiges Faustpfand und schließlich mit Ägyp¬

ten (seit 596/1200) das reichste Teilgebiet des ayyübidischen Gesamt¬

staates zugefallen war. Für al-'Ädil war ein Bündnis mit al-Mansür

ebenfalls wichtig. Hamät, die wohlhabende, blühende Stadt mit ihren

berühmten Wassermühlen am Orontes, war eine der wichtigen Opera¬

tionsbasen auf der muslimischen Linie von Norden nach Sjrrien, d. h.

von Aleppo über Hims nach Damaskus und weiter nach Bosrä und Sal-

had. Zu Hamät gehörten außerdem Besitzungen, deren Nordgrenze bis

an die Peripherie des Aj?jmbidenreiches reichte. Da Sjrrien aber naeh

Nordosten hin offen war, mußte zur Sicherung des Reiches und zu al-

'Ädils eigener Machtpolitik — er war ja Usurpator — garantiert sein, daß

das Gebiet an und innerhalb der nordöstlichen Peripherie auf seiner

Seite stand.

Trotz seiner Hinwendung zu al-'Ädil nahm sich al-Man§ür die Frei¬

heit, die ayyübidischen Kontrahenten zugunsten seiner eigenen Inter¬

essen hin und wieder gegeneinander auszuspielen. Für kurze Zeit, 595-

596/1199-1200, fand sich al-Mansür noch einmal zu einem Bündnis mit

a?-Zähir bereit^^. Er entsandte aber, als a?-Zähir zusammen mit al-

Afdal Damaskus belagerte, nur schwache Verstärkungstruppen gegen

al-'Ädil und erschien auch nicht persönlich vor Damaskus. Er war, wie

wir schon gesehen haben, damit beschäftigt, die Feste Bärin einzuneh¬

men, die ihm az-Zähir als Lohn liir seine Unterstützung in Aussicht

gestellt hatte^*.

Nachdem sich al-'Ädil 596/1200 zum Sultan von Ägypten ernannt

hatte^"'', leistete ihm al-Mansür den Treueid"" und al-'Ädil bestätigte ihn

als Herrscher über Hamät. Ein Jahr später, 597/1201, bemühte sieh az-

Zähir wieder um al-Man$ür und Hamät. Die Stadt an sich war ihm

wenig gefährlich, aber im Bündnis mit einem nach Syrien einmarschie¬

renden al-'Ädil hätte sie die Pläne az-Zähirs (und al-Afdals), nämlich

Nordsyrien unter ihre Kontrolle zu bringen, empfindlich stören können.

Hamät wurde von a?-Zähir eingeschlossen. Der bedrängte al-Mansür

fühlte sich an seinen Treueid gegenüber al-'Ädil gebunden. Schließlich

gab er nach: Er erkaufte sich den Abzug a?-Zähirs mit 30000 Dinaren

Nach Ihn Wä^il : Mufarrig, III , 113-114, hielt er es freihch für geeignet, sich rechtzeitig fiir diese Untreue bei al-'Ädil zu entschuldigen, und es wurde ihm volle Vergebung zuteil. Auch Ibn al-Furät: Tärih, lV/2, 179-180.

^* Ibn Wä^h: Mufarrig, III, 101, Ibn al-'Adim: Zubda, III, 144.

^'^ Diesen Titel bestätigte ihm der Kalif nicht. Vgl. Humphreys: From Sala¬

din to the Mongols, 140 u. Anm. 34.

Ibn Wä§il: Mufarrig, IH, 114.

(8)

al-Malik al-Man§ür (gest. 617/1220) 577

und versprach, sich von al-'Ädil zu trennen, wenn a?-Zähir und dessen

Verbündeter al-Äfdal Damaskus erobert hätten^'. al-Mansür scheint

auch im nächsten Jahr, 598/1201-02, als az-Zähir nochmals gegen

IJamät vorging, nachgegeben zu haben. Jedoch beurteilen die Quellen

diese Situation unterschiedlich^*.

Auf jeden Fall beeilte sich al-Malik al-Mansür noch im selben Jahr,

dem Sultan seine Ergebenheit erneut unter Beweis zu stellen. Auf

Anordnung al-'Ädils veranlaßte al-Mansür. daß der Qädi von Hamät,

Ibn Abi 'A?rün, der aus der Familie des gleichnamigen berühmten Säfi'i¬

tischen Oberrichters stammte, durch Aushungern zu Tode kam. Der

Ermordete hatte offen Sympathie für die Söhne Saladins gehegt und in

Hamät ihre Namen in der hutba genarmt. Da az-Zähirs Vormarsch

gegen Hamät erfolglos blieb, hatte sich der Richter sein eigenes Todes¬

urteil gesprochen^".

Die guten Beziehungen zwischen Hamät und Damaskus/Ägypten

blieben dadurch ungetrübt. 598/1201-02 heiratete al-Man?ür eine

Tochter al-'Ädils, 'Ismat ad-Din Malika Hätün^**, mit der er drei Söhne

hatte. 603/1206 und 606/1209 unterstützte al-Mansür den Sultan bei

dessen Angriffen auf fräiütisches Gebiet (gegen Tripolis und Hi§n al-

Akräd, die beide eine ständige Bedrohung für Hamät und Hims waren)

und in der al-öazira (gegen Na^ibin und al-Häbür, die in zengidischem

Besitz waren)". 611/1214 schließlich wandte sich al-Malik al-Mansür,

diesmal Hilfe vor den Kreuzfahrem suchend, an az-Zähir, der auf diplo¬

matischem Wege erreichen konnte, daß Hamät lucht nur verschont

blieb, sondern auch, daß Friede geschlossen wurde'^.

Als Politiker hatte al-Man?ür keinen allzu großen Spielraum, jeden¬

falls nicht direkt. Seine Entscheidung, nach dem vorübergehenden Auf-

" Ibn Wä?ü: Mufarrig, III, 121-123. Abü 'l-Fidä': Muhtasar, III, 99. Ibn al- 'Adim: Zubda, III, 149. Ibn al-Furät: Tärih, IV/2, 199-201.

Ibn al-'Adim: Zubda, III, 152: al-Man§ür zahlte az-Zähir eine Entschädi¬

gung für seinen Abzug. Ibn Na?if Ta'rih al-Mansüri, 8 (= GryazneviC, fol.

Illb): az-Zähir entschuldigte sich bei al-Man§ür für unkontrollierte Übergriffe seiner Soldaten. Abweichend davon Ibn Wä^il: Mufarrig, III, 132 und nach ihm Sibt: Mir'ät, Ahmed III 2907 C/13, fol. 292 b:l 1 (fehlt in der Haidaräbäder Edi¬

tion, VIII/2, 250): al-'Adil zog gegen Hamät, bevor er mit az-Zähir Frieden schloß. Ibn al-Furät: Tärih, IV/2, 226.

Ibn al-Furät: Tärih, IV/2, 228-229. Ibn Wä§ü: Mufarrig, IV, 79.

Diese Hochzeit, ein großes Fest für Hamät, beschreibt Ibn al-Furät: Ta'rih, TV/2, 240. 'I^mat ad-Din starb 616/1219, ein Jahr vor al-Malik al-Mansür, siehe Ibn Wä§h: Mufarrig, III, 114 und FV, 65.

" Ibn Wä?il: Mufarrig, III, 172f, 192. Ibn al-Furät: Tärih, V/l, 86-90.

'2 Ibn WäsU: Mufarrig, HI, 223.

(9)

578 Angelika Hartmann

begehren gegen Saladin zu Anfang seiner Herrschaft möglichst wenig

Politik auf eigene Faust zu betreiben und eher die Balance zwischen den

rivalisierenden Kräften im Ayyübidenreich zu halten, ist nicht nur sei¬

nem eigenen Stadtstaat, sondem letztlich auch dem Gesamtreich

zugute gekommen. Seine Bündnispolitik stabilisierte den ayyübidi¬

schen Besitz im Nordosten und festigte zugleich seine eigene Macht.

Letzteres ist an zwei äußeren Merkmalen abzulesen: dem Zeremoniell

und der Münzprägung. al-Malik al-Man^ürs Eskorte (maukib) war so

groß, daß sie der von al-'Ädü und az-Zähir gleichgesetzt wurde^^. al-

Mansür war der erste Fürst von Hamät, der Kupfermünzen mit seinem

Namen prägen ließ^*. Sie geben ebenfalls den Namen des 'abbäsidi¬

schen Kalifen an-Näsir an, dessen/wiMwwa al-Mansür mit großem Pomp

beigetreten war'''.

al-Man?ürs Neigung galt der Fördemng der Wissenschaften. Er holte

Gelehrte und Dichter in großer Zahl an seinen Hof, gab ihnen freie Kost,

bezahlte sie reichlich, und so blieben sie in seinem Dienst. Etwa 200

Rechtsgelehrte, Grammatiker, Lexikographen, Dichter, Ingenieure,

Astrologen und Sekretäre sollen sich insgesamt in Hamät aufgehalten

haben. Zu den bekanntesten zählen folgende Namen: Diyä' ad-Din a§-

Sahrazüri (st. 599/1203),'", der eine Zeitlang das höchste juristische

Amt der Säfi'iten in Syrien innehatte und auch Richter von Hamät war,

sowie der ääfi'itische Theologe und Jurist Saif ad-Din 'Ah al-Ämidi (st.

631/1233)'", der eine Widerlegung al-Gazzälis und Fahr ad-Din ar-Rä¬

zis schrieb. al-Malik al-Mansür ließ eine Madrasa für ihn bauen und

besuchte selbst seine Vorlesungen. Auch der wegen seiner politisch-reli-

Ibn Wä§ü: Mufarrig, IV, 81.

P. Balog: The Coinage of the Ayyübids. London 1980, 249-252 und Abb.

XL:No. 826, 832 und 833 sind datiert von 589/1193 (Hamät), 587/1191 (Har¬

rän. Als Oberherr ist Saladin genannt) und 589 (?)/1193 (ebenfalls Harrän).

Siehe dazu auch die Rezension von Gilles P. Hennequin in: Annales Islamo¬

logiques 18 (1982), S. 292, Anm. 2.

Ibn al-Furät: Ta'rih ad-duwal, nach der Wiener Hs. 814 wiedergegeben von

J. V. Hammer-Purgstall in: JA, 5e s6rie, 6 (1855), 285f. Angelika Hart¬

mann: an-Näsir li-Din Alläh (1180-1225). Politik, Religion, Kultur in der späten

'Abbäsidenzeit. Berlin/New York 1975. (Studien zur Sprache, Geschichte und

Kultur des Islamischen Orients. N.F. 8.), 108. Franz 'Taeschner: Zünfte und

Bruderschaften im Islam. Texte zur Geschichte der Futuwwa. Zürich/München 1979. (Bibl. des Morgenlandes.), 60-61.

Ibn Wä?U: Mufarrig, IV, 79. Ibn al-Furät: Ta'rih, IV/2, 246-247. A. Hart¬

mann: an-Näsir, 204.

Vgl. Ibn Wäsil: Mufarrig, IV, 78. Ibn ad-Dawädäri: Kanz ad-durar, VII,

263. GAL I, 393, S I, 678.

^

(10)

al-Malik al-Man§ür (gest. 617/1220) 579

giösen Propaganda geschätzte Saih Taqi ad-Din 'Ali b. Abi Bakr al-

Harawi (st. 611/1215) weilte eine Zeitlang an seinem Hof'*.

al-Malik al-Mansür soll keine Gelegenheit ausgelassen haben, um mit

den Gelehrten seiner Stadt zu diskutieren. Ebenso habe er den Kontakt

zu seinen weniger gebildeten Untertanen gepflegt und sich darin von

anderen zeitgenössischen Herrschern unterschieden, meint Ibn Wäsil,

der von al-Man$ür ein Bild wie aus der Fürstenspiegelliteratur

entwirft'". Der Regent von Hamät war sowohl ein bedeutender Mäzen

als auch selbst 'älim*", imäm und auf mehreren Gebieten*'. Seine

Bibliothek muß einmalig in ihrer Art gewesen sein*^. Aus der Reihe der

Schriften, die er verfaßte, sind sein Geschichtswerk Midmär al-haqä'iq,

ein diwän und zwei Anthologien bezeugt.

Der diwän gilt als verloren, aber Ibn Wä?il z.B. zitiert Auszüge

daraus*'. Die beiden Anthologien sind fragmentarisch erhalten. Die

eine, sein „Ahbär al-mulük wa-nuzhat al-mälik wa'l-mamlük ß tabaqät

aä-Su'arä' al-mutaqaddimin min al-^ähiliya wa'l-muhadramin ..." war

eine zehnbändige Gedichtsammlung, eine Art Dichterlexikon von der

gähiliya bis in die Zeit des Verfassers hinein**. Erhalten ist nur der

neunte Band, der 602/1205-06 verfaßt wurde*^ Er enthält in Auswahl

Gedichte und teilweise kurze Angaben über die Herkunft von 419 Dich¬

tem aus dem Irak, Syrien, Ägypten, Transoxanien und al-Andalus vom

4.-6. Jahrhundert d.H./10.-12. Jh. n.Chr. Beim derzeitigen Stand

unserer Kenntnis ist es schwierig zu sagen, nach welchen Gesichts¬

punkten al-Malik al-Mansür seine Auswahl und Anordnung der Dich¬

ter getroffen hat. Die Ämter der Dichter, zum großen Teil Lobdichter,

scheinen dabei eine Rolle zu spielen: „Könige" (mulük), Emire ('uma-

'* Ihn Wä^il: Mufarrig, III, 224. Siehe auch EI^ III, 178 und Janine Sour- DE l-Thomin e: Le chaykh 'A li al-Harawi ella propagande poliiico-religievse dans la Syrie du XIHe siecle. In: Predication et propagande au Moyen Age. Islam, Bycance, Oeeident. Penn-Paris-Dumbarton Oaks CoUoquia III, 20-25 oct. 1980.

Paris 1983, 242-255.

Ihn Wä?ü: Mufarrig, IV, 79-80, Auch Ibn al-Furät: Tärih, IV/2, 247.

*" Abü'l-Fidä': Muhtasar III, 132.

*' al-Maqrizi: Sulük, I, 205: wa-käna imäman muftiyan fi 'iddat 'ulüm.

*2 Ibn Wäsil: Mufarrig, IV, 80.

Ihn Wä§U, op. cit., loc. cit.

** GAL I, 324, S I, 558. Häggi Halifa: KaSf a?-?unün, II, 1102: 27-29.

*'' Siehe P. Voorhoeve: Handlist of Arabic Manuscripts in the Library of the University of Leiden and. Other Collections in the Netherlands. The Hague/Boston/

London 1980^. (Bibliotheca Universitatis Leidensis. Codices Manuscripti. VIL), S. 9.

(11)

580 Angelika Haetmann

rä), Wesire (wuzarä), Richter {qv4at) und Sekretare {kuttäb). Vermuthch

handelt es sich bei dem vorliegenden Band um eine Zusammenfassung

{muhtasar) eines ursprünglich umfangreicheren Werkes. Die Hand¬

schrift enthält kein Vorwort, das uns Aufschluß gäbe über die Absichten

des Verfassers, über seine künstlerischen Vorstellungen bei der Aus¬

wahl der Gedichte oder über den Aufbau des Werkes. Auch aus der

Anthologie selbst konnte ein methodisches Vorgehen des Verfassers

bisher nur ansatzweise erkannt werden*".

Die zweite Gedichtsammlung ist die a*?a6-Anthologie Durar al-ädäb

wa-mahäsin dawi 'l-albäb, die al-Malik al-Man?ür 600/1203-04 verfa߬

te. Die einzige erhaltene Handschrift" umfaßt nur den ersten Teil des

Gesamtwerkes. Sie besteht aus fünf unterschiedlich langen Abschiüt¬

ten, die Themen aus den verschiedensten Bereichen behandeln. Theolo¬

gisches vereint sich mit Fürstenspiegelliteratur, Kosmographie, Pro¬

phetenlegenden, Mirabilia, Alchemie, Dichtung, Schachspielkunst,

Geschichte der ersten Kalifen und der 'Abbäsiden und vieles mehr. Der

erste Abschnitt beginnt mit Sprüchen und Haditen zum Lob des

Intellekts {ß madh al-'aql), die der Verfasser kurz kommentiert (fol.

9 a ff.) Der 3. Abschnitt, über die Dichter, erweist sich als Kompilation

aus dem Kitäb al-Agäni. Der mamlukische Geschichtsschreiber Ibn ad-

Dawädäri zitiert ausführlich daraus***.

Auf das literarische Schaffen des Regenten von Hamät wurde unter¬

schiedlich reagiert: Sibt b. al-öauzi und Abü Säma, der von ihm

abschreibt, sowie Ibn Wäsil, al-Maqrizi und Ibn ad-Dawädäri loben die

Poesie al-Malik al-Mansürs sehr*", während Abü '1-Fidä' und as-Safadi

sie mehr beiläufig erwähnen^". Andere erwähnen sie nicht, z.B. Ibn al-

Atir. Häggi Halifa schätzte sein Geschichtswerk hoch ein^'.

*° Siehe M. 'Awis: K. Tabaqät aS-Su'arä' li 'l-Mansür b. SäkanSäh Sähib Hamät, Rel'erat auf dein 22. Deutschen Orientalistentag im TübingeiL 21.-26. 3. 1983, veröffentlicht als Separatdruck, al-Minyä [1983].

*' Ms. Leipzig 606. Bei Häggi Halifa nicht erwähnt. Der Kolophon der Hs.

stammt von Ahmad b. Abd ar-Rahim b. Ahmad, Öabala 748/1347 (fo.. 162b).

Das Abfassungsdatum des Textes selbst, 600/1203-04, belegt der Verfasser im

Vorwort (fol. 5b).

*** Ibn ad-Dawädäri: Durar at-ti^än ira-gurar tawärih az-zamän, Hs. Istanbul,

AI Damad Ibrahim Pa§a 913, fol. 16a: 5 -44a: 9.

*" Sibt: Mir'ät, fol. 335a. Abü Säma: Dail 'alä'r-Rautlatain, 124. Ibn Wä^il:

Mufarrig, IV, 68-69, 81-86. al-Maqrizi: Sulük, I, 205. Ibn ad-Dawädäri: Kanz ad-durar, VII, 263.

Abü'l-Fidä': Muhtasar, III, 132. a^-Safadi: Wäfi, IV, 260.

Häggi Halifa: KaSf az-?unün, ll, 1712.

(12)

al-Malik al-Man§ür (gest. 617/1220) 581

al-Man?ürs Erkrankung und sein Tod im ramaqUin 617/Nov. 1220''^

(oder im dü 'l-qäda 617/Dez. 1220-Jan. 1221'''^'' lösten das alte Spiel

von Thronfolgestreit und Usurpation wieder aus und störten damit das

Gleichgewicht im Gesamtreich erheblich^'. Der Prätendent, sein mittle¬

rer Sohn Qilig Arslän, wie auch der Kronprinz, sein ältester Sohn al-

Muifaffar, der letzten Endes zu seinem Recht kam, aber erst nach der

Eroberung von Damaskus durch al-Kämil und al-Aäraf, waren nur noch

Marionetten der Söhne al-'Ädils, — Spielbälle al-Malik al-Mu'a?zams

von Damaskus und al-Malik al-Kämils von Ägypten.

II. al-Malik al-Man?ürs Geschichtswerk

Der Midmär cd-haqä'iq wa-sirr al-halä'iq ist eine ursprünglich zehn¬

bändige (einige Historiographen sprechen nur von „mehrbändiger")

Chronik. Sie ist fragmentarisch erhalten und wurde 1968 in Kairo von

Hasan Habaäi herausgegeben. Der Edition liegt das Uniciun Ahmadiya

4938 in Tunis zugrunde, das wahrscheinlich kurz nach dem ramadän

589/August.-Sep. 1193 zu datieren ist.

Im Text^"* und auf dem Titelblatt der Handschrift^^ findet sich nur die

Kurzform des Titels, Kitäb al-Midmär^^ . Den vollständigen Titel bele¬

gen folgende Personen: ein Schüler des Verfassers, Sihäb ad-Din al-

Qüsi (st. 653/1255), der einen Teil des Werkes bei al-Malik al-Man§ür

studierte", dann Ibn Wä?il, der Chronist aus Hamät, der einen heute

verlorenen Teil des Midmär kannte^* und schließlich Häggi Halifa, der

°^ So H. Gottschalk: al-Malik al-Kämil von Egypten. Wiesbaden 1958, 103.

So Ibn al-'Adim: Zubda, III, 191. Ibn Wäsjl: Mufarrig, IV, 77. al-Maqrizi:

Sulük, I, 205. Abü'l-Fidä': Muhtasar, III, 132. GAL I, 324; oder im Sawwäl 617 (so Sibt: Mir'ät, fol. 335a. Ibn ad-Dawädäri: Kam ad-durar, VII, 263 (falsches Jahr: 621.)

Ibn Wä^il: Mufarrig, IV, 64-65. Siehe auch Gottschalk: al-Malik al-

Kämil, 103-104, 167-170.

■'''' Midmär, 4.

^'^ Seit ungefähr 10 Jahren verloren. Auskunft der Nationalbibliothek Tunis.

Desgleichen bei Sibt b. al-öauzi: Mir'ät, fol. 335 a: 5 und nach ihm Abü Säma: Dail 'alä 'r-Raudatain, 124. Abü '1-Fidä': Muhtasar, III, 125. Ibn ad-

Dawädäri: Kanz ad-durar, VII, 263. Ibn Katir: Bidäya, XIII, 93.

a?-Safadi: Wäß, IV, 259-260, No. 1790. Zur Person al-Qü?is siehe ibid., IX, 105-106, No. 4021, Josef van Ess: Safadi-Splitter II. In: Der Islam 54 (1977),

85, Nr. 108. Jean-Claudb Garcin: Qü^. Kairo 1976, 154.

Ibn Wä§il: Mufarrig, IV, 78. Im Mufarrig, IV, 84: 7-9, spricht Ibn Wä§il über ein biographisches Detail, das al-Malik al-Man^ür im Midmär beschrieben hatte.

(13)

582 Angelika Hartmann

aber ofTensichtlich nur einen muhtasar des Werkes gesehen hat^*. Der

Biographiensammler Ibn al-Tmäd"" weiß vom Midmär, kennt aber nicht

mehr den Titel.

Der syrische Historiograph 'Izz ad-Din b. a§-§addäd benutzte in sei¬

nen al-A'läq al-hatira ein Werk al-Malik al-Mansürs, das er mit Ta'rih

al-ausal angibt. So heißt es im Abschnitt über die Eroberung von 'Am-

müriya im Jahr 456/1064: „wa-qäla al-Malik al-Mansür ^ähib Hamät fi

Ta'rih (sie) al-ausat: tuniina 'äda 's-sultän Alb Arslän ilä biläd ar-Rüm

. . Sollte der Ta'rih al-ausaf mit dem Mi(;imär identisch sein? Oder

handelt es sich dabei nur um einen Teil, vielleicht den mittleren Teil,

des gesamten, bisher aber noch nicht aufgehindenen Midmär'i Oder ist

der Titel nur ein Versehen Ibn Saddäds, dem ja bekanntlich mehrmals

Fehler unterlaufen"^? Diese Fragen kann ich derzeit nicht beantworten.

Soweit ich sehe, ist ein Werk mit dem Titel Ta'rih al-ausat im 6./

12. Jahrhundert nicht belegt"'.

Im 17. Jahrhundert äußert der osmanische Geschichtsschreiber

Käggi Halifa (Kätib Qelebi) die Ansicht, der zufolge eine gewisse Skep¬

sis in Bezug auf die Verfasserschaft des Midmär srngehracht sei: tawah¬

hama ba'd al-mu'arrihin'^* . Häggi Halifa nennt weder Namen, noch gibt

er einen Grund an. Diese Unsicherheit, die sich übrigens, soweit ich

sehe, einzig bei Häggi Halifa findet, kann nun durch die direkten Belege

al-Qü§is und Ibn Wä^ils, die ich oben erwähnte, behoben werden.

Obwohl der Midmär außerdem noch bei Sibt b. al-öauzi""', Abü

Säma"", Abü '1-Fidä'"', ad-Dahabi"^ Ibn ad-Dawädäri™, Ibn Katir'", a§-

Häggi Halifa: KaS} az-zunün, II, 1713.

"" Ibn al-Tmäd: Sadarät ad-dahab, V, 77-78.

Vgl. Ihn Saddäd: A'läq. Ed. A.-M. Eddä, 79 (arab. Zählung).

Z.B. bei Jahreszahlen, ibid., 109 (arab. Zählung).

"'^ Ein Werk mit diesem Titel wird dem 184/800 in Ba?ra gestorbenen Geschiehtsschreiber al-Wadi'i zugeschrieben. GAL, SI, 264. Nicht bei Häggi Ha¬

hfa.

"* Häggi Halifa: KaSf a?-?unün, II, 1712-1713: „Der Midmär . . . wurde für al-Malik al-Man^ür . . . verfaßt. Einige Historiographen schöpften jedoch Ver¬

dacht und schrieben die Verfasserschaft ihm selbst zu (oder: Einer der Historio¬

graphen hielt jedoch ihn [= al-M.] selbst für den Verfasser). Tatsächlich war der Verfasser ein zeitgenössischer Gelehrter, wie aus dem Muhtasar ersichtiich, des¬

sen Verfasser es ja wissen muß." Zur Verfasserfrage äußert sich auch der Editor, Hasan HabaSI, in seiner Einleitung, S. zä' — hä', wenn auch nur sehr knapp.

Sibt: Mir'ät, fol. 335 a. Abü Säma: Daü 'alä 'r-Raudatain, 124.

Abü'l-Fidä": Muhtasar, III, 132. ad-Dahabi: 'R)ar, V, 71.

Ibn ad-Dawädäri: Kam ad-durar, VII, 263.

Ibn Katir: Bidäya, XIII, 93.

(14)

al-Malik al-Mansür (gest. 617/1220) 583

Safadi" und Ibn al-Tmäd'^ — um nur die wichtigsten zu nennen —

erwähnt wird, kann man doch nicht sagen, daß ihm eine weite Verbrei¬

tung zuteil geworden wäre. as-Sahäwi", beispielsweise, kennt ihn nicht.

Häggi Halifa freilich nennt ihn eine Kostbarkeit, die nur ein Mann ver¬

faßt haben konnte, der zu den Gelehrten seines Zeitalters gehörte'*.

Der genaue Umfang des Midmär läßt sich nicht mehr ausmachen. Der

Text der erhaltenen Handschrift leitet den letzten Teil des Gesamt¬

werks ein, denn der Verfasser beginnt seinen Bericht über das Kalifat

an-Nä§ir li-Din Allähs mit den Worten: „ Wa-dikrun muhtasarun min iyä-

latihi wa-mahäsin siratihi, wa-dikru mä ta^addada fi ayyämihi li 'l-Bait

al-Ayyübi min al-futuhät wa 'l-gazawät wa-gairi dälika wa'S-Säm wa-

Mi^r wa'l-Yaman, dakartuhü mufassalan, ahtimu bihl kitähi hädä 'l-mau-

süm bi-Kitäb al-Midmär"^^ . Nach seinen eigenen Worten beendete al-

Malik al-Man^ür den Midmär mit den Eroberungen der Ayyübiden in

Sjrrien, Ägypten und im Jemen zur Zeit von an-Näsirs Herrschaft in

Bagdad. Das Hauptgewicht seiner Berichterstattung habe er auf die

Taten der Aj^biden gelegt, sagt der Verfasser {dakartuhü mufa$salan:

„ich habe darüber ausführlich berichtet"), während er an-Nä^irs poli¬

tische Biographie nur als Abriß {dikr muhtasar) behandelte. Nach dem

vorhandenen Text zu urteilen, ist jedoch die Beschreibung der Ereig¬

nisse am Kalifenhof im Midmär nicht weniger detailliert als die der

ayyübidischen Feldzüge'".

Die Edition beginnt mit der Dürrekatastrophe von 575/1180, dem

Tod des Kalifen al-Mustadi' und dem Herrschaftsantritt an-Näsirs im

selben Jahr. Sie bricht 582/1186, mitten in einem Bericht über den

Kalifenhof, ab". Vorausweisende Bemerkungen des Verfassers im Text

lassen erkennen, daß der Midmär noch mindestens bis 583/1187, dem

Jahr der Eroberung Jerusalems, weitergeführt werden sollte'". Über

den plötzlichen Abbruch lassen sich nur wenige Vermutungen anstellen.

" a^-Safadi: Wäß, IV, S. 259-260, No. 1790.

" Ibn al-Tmäd: Sadarät ad-dahab, V, 77/78.

" as-Sahäwi: I'län bi-taubih li-man damma ahi at-ta'rih. Damaskus 1349/

1930-31. Übers. Franz Rosenthal: A History of Muslim Historiography. Lei¬

den 1968^ 269-535.

'* Häggi Halifa: KaSf az-?unün, II, 1713.

" Midmär. 4: 10-13.

'" S.u., S. 589fr.

" Midmär. 2:i2.

Midmär, 144: 2 (s.u., Anm. 86 und S. 603f ), weistauf die Eroberung Jeru¬

salems im 583/Septenibei- 1187 bin. VVeilere Vorausdeutungen enthält

Midmär, 17, 38, 72, 81, 90, 122, 187.

(15)

584 Angelika Hartmann

Da der Text am Ende der verso-Seite eines Blattes mitten im Satz

aufhört'", kann der fehlende Teil sowohl durch spätere Beschädigung

der Hs. als auch durch äußere Einwirkungen verloren gegangen sein,

die schon den Schreiber zum Abbruch veranlaßten. Wie auch immer,

der überlieferte Teil des Midmär behandelt die ersten Herrschaftsjahre

an-Nä?irs, in denen Bagdad — und hierauflegt der Mi4mär den Akzent —

unter dem Terror eines schütischen Majordomus (ustäd ad-där) zu lei¬

den hatte. Zur gleichen Zeit eroberte Saladin den größten Teil Oberme¬

sopotamiens und Nordsyriens. Der behandelte Zeitraum fallt nicht in

die Jahre, in denen al-Malik al-Mansür selbst Herrscher von Hamät

war, vielmehr enden die einzige Handschrift und damit auch die Edition

des Midmär mehrere Jahre vor der politischen Machtübernahme des

Verfassers.

An drei Stellen sind lacunae: a) Bei der Schilderung einer Ausflugs¬

fahrt des Kalifen mit einem Teil seines Hofstaats im Boot auf dem

Tigris, 576/1180-81. Der Text bricht mitten in der Beschreibung des

Hofzeremoniells auf dem Boot ab"", b) Bei der Erwähnung eines

Schreibens Saladins an al-Muwaffaq ...(?) von 578/1182-83"'. c) Mit¬

ten im Zitat eines Hofbeamten am Hof in Bagdad über finanzielle Fra¬

gen, 581/1185-86"^

Wann wurde der Midmär verfaßt? Diese Frage läßt sich heute nicht

mehr exakt beantworten. Immerhin aber läßt sie sich auf einen relativ

engen Zeitraum einkreisen. Zunächst können wir Aussagen al-Man?ürs

selbst heranziehen. Er zitiert den Midmär in einem anderen Werk, sei¬

nen Ahbär al-mulülc, einem Dichterlexikon, das er 602/1205-06 verfaßt

hat"'. Damit ist der terminus ante quem für sein Geschichtswerk insge¬

samt gegeben. Was nun den edierten Teil des Midmär angeht, so finden

sich zwei mögliche Hinweise fiir den terminus post quem im Text selbst.

Der eine besteht darin, daß fiir Saladin die Eulogie der Verstorbenen,

radiya 'Uähu 'anhu^* verwendet wird. Saladin starb im safar 589/

Februar 1193. Der Midmär könnte deshalb nach diesem Datum verfaßt

worden sein. Diese Eulogie — ebenso wie die Eulogien auf den Vater des

Hs. Tunis, Ahmadiya 4938, fol. 100 b.

"" Midmär, 41.

"' Midmär, 115.

"^ Midmär, 208.

Vgl. Ferdinand WIJstenfeld: Die Oeschichtsschreiber der Araher und ihre Werice. In: Abh. d. Ak. d. Wiss. zu Göttingen, phü.-hist. Kl. 28 (1881), 109.

(Reprint New York o.J.)

** Midmär, 226.

(16)

al-Malik al-Mansür (gest. 617/1220) 585 Verfassers, der 587/1191 starb"^ — kann freilich ebensogut ein Produkt

des Schreibers der Handschrift sein und nicht unbedingt des Verfas¬

sers. In der zweiten Hälfte des Jahres 1193, in die die Handschrift des

Midmär wahrscheinlich zu datieren ist, dürfte jedem Abschreiber eines

Geschichtswerks Saladins Todesdatum bekannt gewesen sein. Somit

kann die Eulogie nicht als zwingender Beweis für die Datierung des

Textes betrachtet werden. Über den Schreiber wie auch über den Ort

der Abschrift lassen sich zur Zeit keine Angaben machen. Ebenso müs¬

sen die Fragen, ob es sich bei dem Unicum in Tunis um die Urschrift,

um eine Kladde oder gar um das Autograph al-Mansürs handelt, man¬

gels Beweise ausgeklammert werden.

Wichtiger als Saladins Eulogie scheint mir daher für die Datierung

ein anderer Hinweis im Text zu sein. Es ist die vorausdeutende Erwäh¬

nung der Eroberung Jerusalems durch Saladin im ra^ab 583/September

1187. al-Mansür nimmt auf sie im Bericht über die Eroberung Aleppos,

579/1183, Bezug**". Somit ist der ra^ab 583 der einzige feste Anhalts¬

punkt für den terminus post quem, den wir aus dem Text selbst gewin¬

nen können. Damals war der Verfasser erst 16 oder 17 Jahre alt.

Die vorliegende Handschrift des Midmär woirde nur etwa sieben

Monate nach dem Tod Saladins, wahrscheinlich kurz nach dem ramadän

589/August-September 1193 beendet. Mit Sicherheit ist sie eine der

ältesten, wenn nicht die älteste Fassung. Der uns bekannte Midmär ent-

stand also höchstwahrscheinlich zwischen 1187 und 1193, möglicher¬

weise sogar erst zwischen Februar und August/September 1193. Ich

komme auf diese Frage am Ende meines Referats zurück.

Daß der Midmär, so wie wir ihn kennen, nach der Eroberung Jerusa¬

lems, vielleicht sogar erst nach dem Tod Saladins verfaßt wurde, ist

nicht unwichtig. Eines der wesentlichen Ziele dieser Chronik bestand

darin, die Taten und den Charakter des ayyübidischen Sultans zu ver¬

herrlichen. Saladin ist nicht nur der erfolgreiche Stratege und Politiker,

sondern auch der eigentliche Kämpfer und Einiger des Islams. Damit

steht der Midmär auf der Linie, die mit der idealisierenden Darstellung

Tmäd ad-Din al-I?fahänis begann, in der pro-ayyübidischen Propa¬

ganda der Saladin-Biographie Ibn Saddäds weitergeführt wurde und die

schließlich in Abü Sämas heilsgeschichtlicher Deutung der Person Sala¬

dins ihren Abschluß fand. In diesem Strang der Geschichtsschreibung

ist aus dem Usurpator Saladin der unter göttlicher Führung stehende

Staatsmann und damit rechtmäßige Nachfolger der Zengiden ge-

z.B. Midmär, 17, 60, 154, 188.

Midmär, 144: 2.

(17)

686 Angelika Hartmann

worden . Der Verfasser des Midmär bezieht sieh und seinen Vater in

Saladins Glorifizierung mit ein"".

Als eine der wichtigsten Primärquellen seiner Zeit enthält dev Midmär

zahlreiche autobiographische Angaben und Augenzeugenberichte"", die

auch fiir die Biographie al-Malik al-Mu?affars von Bedeutung sind"".

Dem Vater des Autors sind zwei Kapitel gewidmet: der Sohn erklärt,

weshalb sein Vater nicht an der Schlacht bei Marg 'Uyün teilnehmen

konnte"' und behandelt die Emennung seines Vaters zum Gouvemeur

in Ägypten"'. Dabei ist auch das Investiturdiploni (taqlid) Saladins für

al-Malik al-Mu?affar vollständig wiedergegeben. Die Urkunde konnte

somit erstmals zusammen mit ihrem Kontext ediert werden"'.

Neben der narrativen Geschichtsschreibung enthält der Midniärmeh.-

rere Staatsschreiben wie Verträge, Briefe, Investiturdiplome und Reden

der Gesandten"*. Damnter sind außer dem schon erwähnten taqlid auch

das vollständige Investiturdiplom für al-'Ädil zum Gouverneur von

Aleppo"^, sodaim Auszüge aus Briefen al-Qädi al-Fädils"" und ein Brief

"' SieheP. M. Holt: Soiadmaradifw^dwirer«. In: BSOAS 46 (1983), 237. Zu Ibn Saddäd: P. M. Holt: The Virtuous Ruler in Thirteenth Century Mamluk Royal Biographies. In: Nottingham Medieval Studies 24 (1980), 27-35. Zu Abü Säma:

Hans Daiber: Die Kreuzzüge im Lichte islamischer Theologie. Theologische In¬

terpretamente bei Ahü Säma (gest. 665/1268). In: MisceUanea Medievalia. 17;

Orientalische KuUur und Europäisches Mittelalter. Hrsg. v. A. Zimmermann und

I. Craemer-Ruegenberg. Berlin/New York 1985, 77-85.

"" Dies klingt besonders in den autobiographischen Teilen des Midmär tm und wenn er direkt von seinem Vater spricht, (s.u., Anm. 89, 90) wie auch in dem Gedieht, das auf al-Malik al-Man§ür verfaßt wurde (Midmär, 197-199).

"" Fast ein Drittel des edierten Textes: darunter Midmär, 24-30, 42-44, 51,

60, 93-107, 110-114, 136-139, 141-146, 151-158, 163, 188, 222-223, 227.

Mi4mär, 29, 43, 60, 93, 112, 136, 143, 151, 153, 154, 188-189.

"' Midmär, 18 ff.

Midmär, 154-158.

Midmär, 155-158. Sie ist, soweit mir bekannt, nur noch in der Oxforder Hs.

des 'Imäd ad-Din al-Isfahäni zugänglich: al-Barq aS-Sämi, Bodleian Library, Marsh 425, fol. 120b-123 a. Der Urkundentext ist, von wenigen, inhaltlich

unbedeutenden Varianten abgesehen, mit dem des Midmär identiseh. Nach der

Oxforder Hs. ed. und übers, von Adolf Hein: Beiträge zur ayyübidischen Diplo¬

matik. Freiburg 1971. (Islamk. Unters. 8.), S. 164-172.

"* Z.B. Midmär, 51 f, 62fi"., 84, 108-112, 215ff.

Midmär, 158-161. Sonst nur noch Marsh 425, fol. 124 a-126 a. Dazu Hein:

Beiträge. 173-182.

Midmär, 114: TeU eines Schreibens Saladins an den Kalifen vom Jahr 578/

1182-83. Midmär, 149-150: Auszug aus einem Schreiben Saladins an einen sei¬

ner Emire vom Jahre 579/1183-84 und Auszug aus einem weiteren Schreiben

vom selben Jahr.

(18)

al-Malik al-Mansür (gest. 617/1220) 587

Tmäd ad-Din al-Isfahänis'' , Saladins berühmten Sekretären. Diese

Dokumente fehlen zum großen Teil in den anderen edierten Quellen,

und die Auszüge aus den Briefen sind auch handschrifthch, soweit ich

sehen konnte, nicht vollständig überliefert"". Die Handschriften sind

freilich noch nicht befriedigend gesichtet, und die Briefe al-Qädi al-Fä-

dils und Tmäd ad-Dins sind über die ganze Welt verstreut. So wichtig

der Midmär deshalb auch für die ayyübidische Diplomatik ist, muß doch

andererseits berücksichtigt werden, daß eine Anzahl von Staatsschrei¬

ben, die Abü Säma oder al-Qalqaäandi zitieren, im Midmär fehlen. Ich

denke dabei, um nur zwei unter den edierten Briefen zu nennen, an den

Brief Saladins an al-'Ädil vom Jahr 580/1184-85"" und an den Brief al-

'Ädils aus Damaskus an al-Malik al-Muzaffar nach Ägypten von 581/

1185-86""', die beide nicht in den Midmär aufgenommen wurden. Diese

Lücken bei einem sonst so gut informierten Chronisten wie al-Malik al-

Mansür können zur Zeit noch nicht erklärt werden.

Wie im tärih und adab üblich, bilden auch Poesie und Anekdoten inte¬

grale Bestandteile des Midmär. Das Werk enthält zeitgenössische pane¬

gyrische Dichtung"" sowie Prosa, die vom adab und der 'cEgrä'i'ö-Litera-

"' Midmär, 224-225: Briefe Saladins vom Jahr 581/1185-86 an seinen Bru¬

der Saif al-lsläm, den Regenten des Jemen, über die Eroberung von Mayyäfari¬

qin, seine Rüekkehr nach Mossul und den Friedensschluß.

"" Zum Vergleich wurden herangezogen die Hss. Berlin, Wetzstein II 1264;

München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. arab. 402; Paris, Bibliotheque Nationale, CoUect. Schefer cod. ar. 6024; Veliyeddin 2728; sowie die Edition Rn.in'il 'an al-hnrb H'n',t-.'<aläm min lara.t.vil al-Qädi al-Fädil ihtiyär Muwaffaq ad-

Din Ibn ad-Dibä^i. Ed. Muhammad TuguS. Kairo 1398/1978. Nur die

Sehreiben aus den Jahren 578/1182-83 und 579/1183-84 sind aueh im Barq

vorhanden. Außer den beiden oben sehon genannten taqälid entsprechen sich

beispielsweise noeh Midmär, 114 und Barq, fol. 53 a-b; Midmär, 139 und 140

und Barq, fol. 65b und 66a-67a; Midmär, 163-164 und Barq, fol. 134a-b. -

Mehrmals ergänzen sich die Auszüge der Briefe im Midmär mit denen, die Abü

Säma: Raudatain, H. 8-69, zitiert. Claude Cahen: Some New Editions of Orien¬

tal Sourees About Syria in the Time of the Crusades. In: Outremer-Studies (s.o.,

Anm. 1), 324, geht nicht vom Gesamtbestand der Staatsschreiben im Midmär

aus (s.o., Anm. 94-97).

"^ al-Qalqaäandi: Subh al-a'ää, XIII, 144-148. Siehe auch die Liste der Briefe al-Qädi al-FädUs bei Adolph H. Helbig: al-Qädi al-Fädil, der Wezir Saladins.

Eine Biographie. Leipzig 1908, S. 67-75, und Hadia Ragheb Dajani Shaked:

al-Qädi al-Fädil. Diss. Michigan 1972.

'"" Abü Säma: ar-Raudatain, II, 66.

"" Dabei handelt es sich um Qasiden und Auszüge aus Qasiden vor allem des Dichters Sibt b. at-Ta'äwidi (st. 583/1187. Siehe auch al-Malik al-Man§ür: Ah¬

bär al-mulük, 513-523. — A. Habtmann: an-Näsir, 38/39 u. Index), aber auch

von Abü'l-Hasan 'Ali b. M. as-Sä'äti al-Huräsäni (st. 604/1207. - GAL I, 256, SI

(19)

588 Angelika Hartmann

tur beeinflußt ist'"^. Das Zusammentreffen der verschiedenen Stil- und

Stoffebenen im Midmär zeigt, daß der Verfasser seine Resourcen als

Einheit betrachtete. Eigene Stellungnahmen versucht al-Malik al-Man-

§ür zu vermeiden. Die Hintergründe des Geschehens erläutert er oft

durch Rückblenden'"'.

Welchen Zweck verfolgt der Midmär'^ Wie ist er aufgebaut und worin

unterscheidet er sich von den zeitgenössischen Chroniken? Die Antwor¬

ten auf diese Fragen können nur vorläufig sein und gehen immer davon

aus, daß wir nicht das Gesamtwerk, sondern nur einen kleinen Teil

davon vor uns haben. Aber dieser Teil genügt, um zu erkennen, daß es

dem Verfasser nicht darum ging, die gesamte „Geschichte seiner Zeit"

im Rahmen der herkömmlichen Annalenform zu erfassen — wie es etwa

Sibt b. al-öauzi und dessen Großvater Ibn al-öauzi, Ibn al-Atir, u. a.

taten —, sondern alles, was er als Fürst von Hamät für „geschichtstra- gend" hielt, auf drei Hauptpersonen und deren Umgebung einzuscfirän-

ken, und dann freilich in allergrößter Akuratesse auszubreiten. Nur so

ist es zu verstehen, warum die in der zeitgenössischen Geschichts¬

schreibung üblichen Nekrologe entweder ganz wegfallen oder doch sehr

knapp gehalten sind'"*. Mitteilenswert ist für den Verfasser nur das,

was in irgendeiner Beziehung zu seinen Hauptfiguren steht und was in

irgendeiner Weise — sei es positiv oder negativ — durch ihre Existenz

berechtigt ist. Wir haben es also im Midmär mit einer stark personen¬

orientierten Form der Geschichtsbetrachtung zu tun.

Den drei Hauptfiguren seines Werkes hat der Verfasser für jedes Jahr

eigene Abschnitte zugeteilt: a) an-Näsir li-Din Alläh, die Ereignisse an

seinem Hof und in Bagdad, b) die politischen und militärischen Unter¬

nehmungen Saladins, c) die Feldzüge des ayyübidischen Mamluken

QaräqüS in Nordafrika. Alle drei Abschnitte dienen dem Verfasser dazu,

die vorbildliche Politik Saladins darzustellen. Der Kalif erscheint als

wenig tatkräftig, ja als einfältig und furchtsam — ein deutlicher Gegen-

456) und den beiden unbekannteren Dichtern Abdalläh b. As'ad al-Mau§ili und

al-Kamäl al-Magribi at-Tanühi, letzterer mit einem Lobgedicht auf al-Malik al- Mansür selbst (Midmär, 197). Beide Dichter fehlen bei Yäqüt. Eine der Qasiden zitiert auch 'Imäd ad-Din al-I?fahäni: al-Barq a^-Sämi, Hs. Bodleian Library, Marsh 425, fol. 6b. Einige bei Abü Säma: ar-Raudatain, II, 10, llff. (-69).

'"^ Hauptsächlich in den Abschnitten, die an-Nä§ir und Qaräqüä gewidmet sind.

'"' Midmär, 11, 25, 79, 112, 228, etc.

'"* Sie wirken — im Gegensatz zu den narrativen Teilen des Midmär— gekürzt

und abgeschrieben. Am ausgeprägtesten sind die Nekrologe noch am Ende des

Jahres 581/1185-86. Vgl. Midmär, 227-228.

(20)

al-Malik al-Man§ür (gest. 617/1220) 589

pol zum Führer des Ayyübidem-eiches. In Abschnitt a) fällt zudem eine

anti-schiitische Einstellung des Verfassers auf Sie geht Hand in Hand

mit dem für den Usurpator Saladin so wichtigen Legitimationsan¬

spruch, daß er die Sache des Islam vertrete und das Kalifat stütze.

Es fällt auf, daß Saladin in den Abschnitten a) und b) des Mi^niär mit

zwei verschiedenen Titeln benannt wird. In den Teilen, die die Ereig¬

nisse in Bagdad behandeln, ist von ihm nie unter der Bezeichnung „as-

sultän" die Rede, sondern stets als „al-Malik an-Näsir Saläh ad-Din"^"^.

Demgegenüber wird er in den Teilen, die ihm selbst gewidmet sind, von

zwei Ausnahmen abgesehen, durchweg „as-sultän"' oder „sultänunä"

genannt"*". Tatsächlich hat der Führer des Ayyübidenreiches nie den

Titel „sultän" vom 'abbäsidischen Kalifen erhalten, was ihn sehr ver¬

droß. „Sultän" war offiziell nur der Selgüqenfürst in Konya. Saladin

dagegen war zeitlebens nicht mehr als ein selbsternannter „sultän al-

^uyüS"^"^ . Seine beiden Titulaturen im Midmär und ihre unterschied¬

liche Verwendung im Text selbst, lassen — neben anderen Dingen —

darauf schließen, daß den genannten Abschnitten zwei verschiedene

Quellenstränge zugrunde gelegen haben.

Abschnitt a): al-Mansür ist über die Situation in Bagdad, am Hof und

über die Beziehungen zwischen an-Näsir li-Din Alläh und Saladin aus¬

gezeichnet unterrichtet. Die Berichte über Bagdad sind eiiunalig. Wenn

überhaupt, dann finden sie sich in keiner anderen Quelle so detailliert.

Der Midmär schildert eingehend die Verteilung der Ämter am Hof, die

Kompetenz und Eigenmächtigkeit der Hofbeamten, das Hofzeremoniell

und die Situation der Mamluken. Er beschreibt auch die Lage der ein¬

fachen Leute, vor allem in den schütischen Stadtvierteln, und ihre

Reaktionen auf wirtschaftliche Pressionen und Erlasse „von oben". Der

Midmär schildert erstmals die Anfänge der Reorganisation der futuwwa

unter an-Näsir. Der Verfasser will sogar von Vorfällen am Hof wissen,

die dem Kalifen selbst angeblich unbekannt gewesen sein sollen. Nicht

nur dies, auch in Abschnitt b) werden die Ereignisse, nämlich die Erobe¬

rungen Saladins in Nordsyrien und in der al-6azira, so detailliert

'"^ Midmär, 5, 83, 119, 124, 127, 129, 132, 184, 185.

'"^ Ausnahmen sind Midmär, 19: 1-2 und 228: 3. Sonst passim im Text „as- sultän" , Midmär, 15-33, 42-53, 59-67, 93-115, 136-164, 188-202, 212-229, wobei lediglich einige wenige Kapitelüberschriften (nicht der Text selbst!) die Bezeichnung „al-Malik an-Näsir Saläh ad-Din" aufweisen (Midmär, 59, 93, 136, 188, 212. In den autobiographischen Teüen des Abschnittes b) spricht al-Malik al-Man^ür von Saladin auch oft als 'ammi.

Siehe Möhring: Saladin, 109.

40 ZDMG 136/3

(21)

590 Angelika Hartmann

beschrieben wie in kaum einer anderen edierten Quelle'"" seiner Zeit.

Dasselbe gilt für den Abschnitt c).

Umso spärlicher sind dagegen die Hinweise al-Malik al-Man?ürs auf

seine Informanten. Nur einmal nennt er die Namen zweier Chronisten:

Ibn al-Märistäniya und Ibn al-öauzi'"".

Ibn al-Märistäniya war eine umstrittene Persönlichkeit in Bagdad

und spielte unter den dortigen hanbalitischen 'ulamä' gegen Ende des

12. Jahrhunderts eine maßgebende Rolle. Infolge seiner engen Bezie¬

hung zum Wesir des 'abbäsidischen Kahfen an-Näsir dürfte er einer der

am besten informierten Geschichtsschreiber Bagdads zu seiner Zeit

gewesen sein"". Seine Werke aber sind verloren.

Im Midmär wird er an einer einzigen Stelle erwähnt. al-Malik al-Man-

§ür beruft sich auf ihn, indem er ihn korrigiert. Diese Korrektur ver¬

dient, näher betrachtet zu werden. Es handelt sich dabei um folgende

Äußerung im Zusammenhang mit dem Bericht über pro-schiitische De¬

monstrationen beim 'Ääürä'-Fest 578/1182"' in den Bagdäder Stadt-

Siehe dazu unten, S. 59!» ff.

Midmär, 122: 18, 122: 22.

"" Zur Person Ibn al-Märistäniyas als Historiograph siehe A. Hartmann:

an-Näsir, 12-13, 184-186, 258. Dasselbe bei Lutz Richter-Bernburg: Ihn

al-Märistäniya: The Career of A Hanbalite Intellectual in Sixth/Twelfth Century

Baghdad. In: JAOS 102 (1982), 276-278. Siehe auch Mu§tafä Öawäd: ad-

Dä'i' min mu'gam cd-udabä'. In: Magallat al-Magma' al-'Ilmi al-'Iräqi 7 (1379/

1980), 256-262.

'" Nicht 579/1183 wie bei Lutz Richter-Bernburg: Um al-Märistäniya,

278, Anm. 96. Wegen einer Lücke im Text (siehe Midmär, 115) ist zunächst

nicht klar, ob es sieh um das Jahr 578 oder 579 handelt. Der Hrsg. des Midmär

geht auf diese Frage nicht ein. Auch Richter-Bernburg erklärt seine Datie¬

rung nicht. Ein Quellenvergleich hilft nur bedingt weiter, da die meisten

Berichte des Midmärüher Bagdad in anderen Quellen fehlen. Ausschlaggebend aber sind folgende Nachrufe: auf den Bruder des Kalifen an-Nä.sir (vgl. Midmär, 123 und Sibt, Mir'ät, VIII/1, 373), auf Fahr ad-Daula (Midmär, 130-132; Sibt:

Mir'ät, Vm/l, 371 f) und auf Farruhääh (Midmär, 104; Sibt: Mir'ät, VIH/1,

372), Personen, die alle 578 starben. Somit dürfte der Verfasser des Midmär auch bei den '/Ti'Mrä'-Ereignissen, analog zu den vorausgegangenen und folgen¬

den Bagdader Berichten (Midmär, 115-136), das Jahr 578/1182-83 im Auge

gehabt haben. — Eine andere Möglichkeit wäre, daß sich der Verfasser des Mid¬

mär hier um ein Jahr geirrt hätte. Dann müßte man davon ausgehen, daß der

Beginn des Jahres 579/1183-84 in die Textlücke fällt. Der Verfasser hätte, ent¬

sprechend dem Aulbauschema seines Werkes, auch das Jahr 579 mit den Ereig¬

nissen in Bagdad beginnen lassen, ohne freilich beachtet zu haben, daß diese

noch zum Jahr 578 gehörten. Diese Lösung hat, wenn man vom Aufbau des Mid¬

mär her argumentieren will, einiges für sich. In der Tat folgt der Midmär dem Schema a) = an-Nä^ir, b) = Saladin, c) = Qaräqüä durchweg präzis. (Im Jahr 580

(22)

al-Malik al-Mansür (gest. 617/1220) 691

vierteln al-Karh und al-Muhtära; „wa-hädä galaf min Ibn al-Märistä¬

niya, wa-känat wäqi'atuhü ß sanal taläta wa-lamänina, sa-nadkuru-

M""^. Diese Bemerkung erweckt den Eindruck, als ob der Verfasser

des Midmär Ibn al-Märistäniya mit Namen zitiert, nur um ihn zu korri¬

gieren, nicht um auf ihn als seine Hauptquelle aufmerksam zu

machen"'. Es kann sehr wohl sein, daß al-Malik al-Man$ür viel (oder

sein gesamtes?) Bagdader Material Ibn al-Märistäniyas Werk entnom¬

men hat. Eine Uberprüfung ist aber schwierig, da der erhaltene Teil des

Midmär die angekündigte Korrektur nicht mehr bringt: der Text bricht

ja, wie gesagt, mit dem Beginn des Jahres 582/1186 ab. Auf diese

Schwierigkeit hatte ich schon in meiner Dissertation hingewiesen"*.

Nun berichtet Sibt b. al-öauzi im Mir'ät az-zamän unter Berufung auf

Ibn al-Qädisi auch über 'ÄSürä'-Unruhen"^. Dies tut er freilich unter

dem Jahr 582/1186 und mcht 578/1182 oder 583/1187, wie al-Malik

al-Mansür Ibn al-Märistäniya zu berichtigen glaubte. Sollte sich also

auch der Verfasser des Midmänund nicht nuidbn al-Märistäniya, geirrt

haben? Da in keiner weiteren zeitgenössischen Quelle, soweit ich sehe,

Vergleichsmaterial zu finden ist' '", kann nur Sibt b. al-öauzis Mir'ät die

wird der Fortgang eines Berichtes zugunsten dieses Aufbauschemas sogar

unterbrochen, siehe Midmär, 201.) Die besagte Textiücke beginnt im Abschnitt

über Saladin. Dieser Abschnitt ist eindeutig ins Jahr 578 zu datieren. Ein

Abschnitt über Qaräqüä fehlt. Die Textlücke endet mit Bagdader Ereignissen.

Ob nun al-Malik al-Man§ür inkonsequent im Aufbau seiner Kapitel gewesen war, indem er sie i. J. 578 nach dem Muster a) b) a) und i.J. 579 nur nach dem Muster b) c) aufbaute, oder ob er sich an das generelle Aufbauschema gehalten, aber um ein Jahr geirrt hat, in jedem Fall sind die '^iiMrä'-Unruhen im Midmär zusam¬

men mit den Ereignissen des Jahres 578/1182-83 behandelt. Zugleich ist zu

beachten, daß al-Malik al-Mansür die Ankunft der beiden Gesandten des Kalifen bei Saladin im darauffolgenden Abschnitt b) richtig im Jahr 579 behandelt (siehe Midmär, 162. Mir'ät VIII/1, 378).

"2 Midmär, 122: 22-23.

"' Dieselbe Beobachtung auch bei L. Richter-Bernburg: Ibn al-Märistä¬

niya, 278, Anm. 96.

"'' A. Hartmann: an-Noßir, 155.

"■' Sibt: Mir'ät, VIII/1, 386 und Hs. Ahmed III, 2907 C/13, fol. 208 a-b. Die Texte sind mit geringfügigen Abweichungen identisch.

"" Das ist umso erstaunlicher, als der Hamäter Chronist Ibn Abi'd-Dam (st.

642/1244) in seinem Kitäb Ta'rih aS-Samärih bis in Einzelheiten dieselbe Bege¬

benheit berichtet, die im Midmär den 'Ääürä'-Ereignissen direkt vorausgeht. Es handelt sich dabei um die Geschichte, daß ein angesehener sunnitischer faqVi

der schütischen Parteinahme verdächtigt wird. In diesem Zusammenhang wird

auch derselbe Ausspruch Ibn al-öauzis zitiert, den der Midmär bringt. Ob Ibn Abi'd-Dam diese TeUe aus dem Midmär entnalim oder aus einer anderen Quelle, 40*

(23)

592 Angelika Hartmann

Antwort auf diese Frage geben. Aber der edierte Text des Mir'ät hat

gerade hier eine Lücke. In der Faksimile-Ausgabe von Jewett"' und

folglich auch in der Haidaräbäder Edition"" ist eine Textomission vom

Ende des Jahres 583 bis einschließlich 585 zu beklagen.

Die Überlieferung des Mir'ät az-zamän ist dagegen lückenlos in der

noch nicht edierten Handschrift des Topkapi Sarayi, Ahmed HI 2907"".

So läßt sich nun doch eindeutig feststellen, daß Sibt b. al-öauzi im Jahr

bleibt vorerst unklar. Über Unruhen in diesem Jahr sagt er jedenfalls nichts.

(Ibn Abi'd-Dam; Ta'rih a^-Samärih, Hs. Oxford Bodleian Library, Marsh 60, fol.

159b-160a, am Ende des Jahres 582; Midmär, 122.) Da der Ta'rih aS-äamärih

eine Zusammenfassung der verlorenen, sechsbändigen Chronik at-Ta'rih al-

Muzaffari des Ibn Abi'd-Dam ist, kann man vermuten, daß der Verfasser sich

selbst absehrieb. Warum sollte eine seiner Quellen im Ta'rih Muzaffari nieht der Midmär gewesen sein? Ibn Abi'd-Dam, als einer der führenden Historiographen und Juristen von Hamät, dürfte den Afidmär gekannt oder doch die Bibliothek

al-Malik al-Man§ürs gesehen haben. — ad-Dahabi (14. Jh.) erwähnt kurz, nur

mit einem Satz, daß es 582/1186 blutige Unruhen zwischen Sunniten und Schii¬

ten in Bagdad gegeben hat (siehe Kitäb Duwal al-Isläm. Haidaräbäd 1337/

1918-19, II, 68; 6-7). Da sieh ad-Dahabi häufig auf Ibn al-Qädisi stützt, dürfte

auch dieser Passus letzlich auf ihn zurückgehen. — [Korrekturnachtrag;] Der

Vergleich mit der Istanbuler Handschrift Aya Sofya 3015, einem Autograph von ad-Dahabis Ta'rih al-Isläm, bestätigt meine Vermutung. Ibn al-Qädisi ist ad- Dahabis Quelle für die Ereignisse in Bagdad im Jahr 582/1186, siehe Ta'rih al-

Isläm, fol. 26b: 13ff: „Wa-fi yaum 'ÄSürä' sanat itnatain (wa-tamänin) qäla

Muhaiinnnd I). al-Qädisi: ßmSn 'r-rniiiäd fi 'l-asirnq hi-Rnqdäd. iva-'nlliqnt al- iiiwsüh, wa-näha ahi al-Karh wa'l-Muhtära, wa-haraya (sie) an-nisä, häsirät yal- limiia (in der Iis.: o^^) wa-yaiiuhiiu min Bäb al-Budriya ilä Bäb Huy rat al-Ha- lifa, wa'l-hila' tufädu 'alaihinna wa-'alä 'l-munSidin min ar-ri^äl. Wa-ta'addä

'l-amr ilä sabb assahäba, wa-käna ahi al-Karh yasihüna mä baqiya kitmän

..." — Der Süleymaniye Bibliothek, Istanbul, unter ihrem Direktor Muammer Ülker, danke ich für die Einsichtnahme in dieses Autograph.

"' Sibt Ihn al-Jauzi; Mir'ät az-zamän (A.H. 495-654). A Facsimile Reproduc¬

tion of Ms. No. 136 of the Landberg Coll. of Arabic Mss. Belonging to the Yale Uni¬

versity. Ed. with Introduction by I. R. Jewett. Chicago 1907, S. 256.

"" Sibt b. al-öauzi; Mir'ät az-zamän fi ta'rih al-a'yän. VIII/1. Haidaräbäd

1952, S. 400. Aus diesem Grande konnte L. Richter-Bernburg in seinem

Aufsatz über Ibn al-Märistäniya keinen Textvergleich durchführen: Vgl. Rich¬

ter-Bernburg, op. cit., 278, Anm. 96. Auch an anderen Stellen ist die Istanbu¬

ler Handschrift ausliihrlicher als die Editionen; siehe z.B. oben, Anm. 28.

"" Die Istanbuler Handsehriftengrappe des Mir'ät unter der Redaktion al- Yüninis ist ohnehin der Haidaräbäder — sowie der JEWETT-Edition — vorzuzie¬

hen. Dazu die Quellenkritik bei Cl. Cahen: Les chroniques arabes concernants la Syrie, l'Egypte et la Mesopotamie, de la conquete arabe ä la conquete ottomane, dans les bibliotheques d'Istanbul. In: REI 10 (1936), 339-340. A. Hartmann: an-Nä- Sir, 22-23.

(24)

al-Malik al-Mansür (gest. 617/1220) 593

583/1187 nichts über 'ÄSürä'-Unruhen schreibt'^". Sein knapper Be¬

richt über die Ereignisse in Bagdad in diesem Jahr beschränkt sich auf

die Mitteilung, daß der Selgüqenpalast durch den Kalifen zerstört

wurde und daß es Kämpfe der Muslime untereinander auf der Pilger¬

fahrt (durch Syrien) nach Mekka gab'^'.

Der Textvergleich des Midmär mit dem Mir'ät az-zamän bringt noch

eine weitere Schwierigkeit. Während al-Malik al-Mansür sich bei den

besagten Unruhen auf Ibn al-Märistäniya beruft, zitiert Sibt b. al-6auzi,

wie gesagt, den Bagdader Geschichtsschreiber Ibn al-Qädisi, der Ibn

al-Märistäniyas Werk ebenfalls kannte'^^. Die Schwierigkeit besteht

darin, daß sich bisher noch kein Beleg finden ließ, ob er es auch direkt

benutzte. Wir können nur nachweisen, daß Ibn al-Märistäniyas Werk

von Ibn al-Qädisi sehr geschätzt wurde'^' und zwar zu einem Zeitpunkt,

als andere Ibn al-Märistäniyas Geschichtsschreibung hart angriffen'^''.

Ibn al-Qädisi ist also nicht nur ein Befürworter, sondem kann sogar als

ein Verteidiger Ibn al-Märistäniyas betrachtet werden. Es hegt deshalb

nahe, daß er ihn auch benutzt hat.

Kommen wir zum Midmär zurück, so läßt sich zusammenfassen: Die

Tatsache, daß alle außer al-Malik al-Man§ür und Ibn al-Qädisi über die

Bagdader 'Ääürä'-Unmhen schweigen, der Verfasser des Midmär aber

ausdrücklich auf Ibn al-Märistäniya hinweist, gibt Anlaß zur Annahme,

daß beide, al-Malik al-Man§ür und Ibn al-Qädisi, dieselbe Quelle her¬

angezogen haben. Vergleicht man das Zitat Ibn al-Qädisis bei Sibt b. al-

öauzi mit dem Midmär, so läßt sich sagen, daß der kürzere Text des

Midmär durchaus eine Zusammenfassung der detaillierten Berichter¬

stattung Ibn al-Qädisis, und damit höchstwahrscheinlich Ibn al-Märi¬

stäniyas, sein könnte. Da aber das Werk Ibn al-Qädisis wie das des Ibn

al-Märistäniya verloren ist, müssen die noch notwendigen weiteren

Quellenvergleiche in jedem Fall mit Sibt b. al-öauzis Mir'ät az-zamän

geführt werden'^^ [Korrektumachtrag:] und ad-Dahabis Ta'rih.

'^^ Vgl. Sibt: Mir'ät, fof 211a-229a.

'-' Sibt: Mir'ät. fol. 226b: 4-8.

Ibn al-Qädisi, st. 632/1234-35. Siehe unten, Anm. 137.

' "■' Ihn al-Qädisi wird auch bei Abü Säma mehrmals zitiert. Zum Vergleich mit

dem Miämär kämen aber nur zwei Nekrologe in Frage, Rauäatain, II, 54 (Jahr

579/1183) und 57 (Jahr 580/1184), die freilieh beide im Miämär iehlen. 582/

1186 zieht Abü Säma Ibn al-Qädisi überhaupt nicht heran. 583/1187 zitiert er ihn zwar ausführlich, aber nur mit seinem Bericht über den blutigen Ablauf der Aö^^-Reise durch SjTien (Rauäatain, II, 123). Ibn al-Qädisis Text dürfte auch die

Grundlage für die zusammenfassende Erwähnung derselben Ereignisse bei Sibt

b. al-öauzi sein (Mir'ät, fol. 226b: 4-8).

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