410
Askara oder Schera hammephorasch, das ausdrück¬
lich ausgesprochene Tetragrammaton.
Von Rabbiner Dr. Fttrst.
In dem Versuche, meine Erklärung von triSTN und «jmDian Dia
zu widerlegen , hat Herr Dr. Nager die Hauptsache übergangen.
Der Nachweis, dass löiD in Mischna Sanhedr. 7, 5 und Tharg.
Onkelos und Jeruschalmi I zu 3. B. M. 24, 11 u. 16, sowie Sifre
zu dieser Stelle nur die ausschliessliche Bedeutung haben kann :
ausdrücklich das Tetragrammaton aussprechen, ist nicbt zu
widerlegen versucht worden. "Wer die betreffende Mischna liest:
Disn n« iBIDiia iy diti Ij^N kann gar nicht anders übersetzen, als:
er ist erst dieser Strafe schuldig , wenn er diesen Namen aus¬
drücklich ausspricht. Ebenso Tharg. Onkelos zu 3. B. M. 23,16:
■'■'1 miß WID in „"Wer aber ausdrücklich den Namen Jhvh
nennt beim Lästern" (im Gegensatz zu V. 15). Aus diesen Stellen ist unbestreitbar, dass lansJan Dia den ausdrückhch gesprochenen
oder geschriebenen Gottesnamen Jhvh bezeichnet, wie schon Geiger
nachgewiesen. Diesem laiiDUii DiB gegenüber sind alle anderen
Gottesnamen, wie auch iJnN, als yiiiD zu betrachten. Zwar
erklärt Rascbi Sanh. 7, 8 Diaa Dbbpi iy durch ynaan m7aTSa
und iii-aa Dbbp mit den "Worten: Dini ym msaJT ilia, womach
bt» xmd DiiibN also nicht zu den Di'iS^D gehörten. Allein er
widerspricht damit dem klaren Wortsinne der Mischna, und deren
Erklärang durch die Gemara 66 a by l^a^b nmi quj napra b"n in:
Diaa Dbbpiia ny iinn i:iNia tont iiat» bbp52 „Aus dem Worte
Dia lapra ist zu ersehen, dass wer Vater oder Mutter flucht, nur
dann des Todes schuldig ist, wenn er sie unter dem Namen (Jhvh)
flucht" (vgl. Sanh. 7, 5 und die oben citirten Uebersetzungen von
ap;i). Aber Raschi widerspricht mit seiner Erklärang auch sich
selbst, da er Sanb. 56a erklärt: mNas ilia DinbN ySD inira isn,
wo er also Diiibs im Widersprach mit seiner oben citirten Er¬
klärang yiiJiD nennt, und sie in dieselbe Kategorie, wie iliB
msaa setzt, denen er oben Dinb» gegenübergestellt hatte. Und
das. zu mbN bbpi ia erklärt Raschi ebenfaUs: isbl ii5ia irnin
nm"7:n aia „Das ist, wenn er andere Benennung dabei ausspricht, als den inii73ii Dia".
Die Berafung auf Rab Joseph, welcher in B. Berachoth 28 b
sagt, die achtzehn Benedictionen entsprechen den 18 miDTN in
FUrst, Askara oder Sehern, hammephorasch. 411
den Bibelabschnitten: 5. B. M. 6,4—9, das. 11,13—21 und
4. B. M. 15, 37—41 kann nur beweisen, dass R. Joseph die Be¬
deutung von rt"i3TN, welches meist durch TUnenn DTO verdrängt
war, nicht mehr verstanden hat, dass überbaupt nach einigen Jahr¬
hunderten im persischen Reiche die genaue Begriffserklärung von
triSTN abhanden gekommen war; darum rechnet R. Joseph den
Namen D^rrbN ebenfalls zu den m"i3Tj<. Nach R. Hillel entsprechen
diese 18 Benedictionen den 18 miatn in Psalm 29, nach R.
Tanchum im Namen des Josua ben Levi, den 18 Knorpeln in der
Wirbelsäule, welche man alle bei den 18 Benedictionen beugen
müsse. Auf den Einwand, es seien ja 19 Benedictionen, wird
erwiedert, die DiJiSii naia sei später erst in Jabne verfasst worden,
und entspreche nach R. HiUel dem Worte masn m Ps. 29,
nach R. Joseph dem Worte nn« in 5. B. M. 6, 4, nach R. Tan¬
chum, dem kleinen Knorpel in der Wirbelsäule. Es erhellt
hieraus, dass, wie R. Tanchum den kleinen Knorpel nur uneigent¬
lich zu den Knorpeln zählt, wie Rab Joseph das Wort nur
uneigenthch zu den miSTN rechnet, ebenso R. Hillel den Namen
b« ebenfalls nur uneigentlich zu den miDTN gerechnet ; ursprüng¬
lich waren 18 Benedictionen angeordnet, entsprechend (nach R.
Hillel) den 18 ml3TN in Ps. 29. Als man später die naia
DiSinn hinzufügte, berief man sich dafür auf den Namen b«, mit
welchem 19 miSTN in Ps. 29 herauskommen, obwohl eigentlich
bn keine niatN ist, sondern nur der iminü Di23 mit dem Namen
niaTN bezeichnet wird.
Das Nämliche beweist ein Blick auf Jer. Berachoth IV, 3
und Taanith H, 2. R. Samuel ben Nachman im Namen des R.
Jochanan sagt: die 18 Benedictionen entsprechen detai 18 mal vor¬
kommenden Ausdruck ms nosa in 2. B. M. 39 u. 40 (,wie der
Ewige [Jhvh] geboten hatte"). Die sieben Benedictionen des Sab-
bathgebetes entsprechen nach R. Judan Antburia den sieben miSTN
in Ps. 92; die neun Benedictionen im Gebet des Neujahrsfestes
entsprechen nach R. Aba aus Karthagena den neun miSTN im
Gebete der Hanna (1. Sam. 2)". — Würden ambt* und bt» auch
!TiatN genannt, so wären ja im Ps. 92 nicht sieben, sondern
mit iJinbN (in V. 7) acht miSTN, und im Gebete der Hanna
wären nicht neun, sondern (mit TJ-'nbc« in V. 2 und myi bN
in V. 3) eilf miSTN. Nothwendig folgt hieraus, dass (spätere
Unkenntniss und missbräuchliche Benennung abgerechnet) niDTN
nur den invJm DiB bedeutet, und nicht die andem biblischen
Gottesnamen: so in der Miscbna und bei den älteren Amora's.
Ich muss mich übrigens verwundern, dass Herr Dr. N. sich
auch auf eine so trübe Quelle bemft, als welche sich die Stelle
Wajikra rabba § 1 bei aufmerksamer Lesung erweist, dass er
einer solchen Compilation und Zusammenwerfung verschiedener
sich widersprechender Talmudstellen die geringste Beweiskraft
beüegen kann. Die Stelle lautet vollständig: ,R. Samuel b. Nach-
412 Hirst, Askara oder Schem hammephorasch.
man sagt im Namen des R. Nathan: achtzehnmal steht im Ab¬
schnitt über die Stiftshütte fnit liOND (wie der Ewige geboten
hatte) entsprechend den achlzebn Knorpeln in der Wirbelsäule ;
und dem entsprechend ordneten die Weisen aahtzehn Benedictionen
im Gebete an, entsprechend den achtzehn miSTN im Sch'ma, und
entsprecbend den achtzehn miDTN in Ps. 29". Welche Verworren¬
heit! Das Wort R. Samuel's b. Nachmani im Namen des R.
Jochanan in Jemschalmi Berachoth und Taanitb, 18 Benedictionen
seien angeordnet, weil achtzehnmal der Gottesname (Jhvh) in
2. B. M. 39 und 40 stehe (;•; T,^'i ittJtO), wird hier zusammen¬
geworfen mit dem Worte des R. Tanchum in Babli Berachoth
28 b, die 18 Benedictionen entsprechen den 18 Knorpeln in der
Wirbelsäule, und wird daraus ein ganz unverständliches Compo¬
situm gemacht. Wir versteben es, wenn die 18 Benedictionen
den 18 Knorpeln der Wirbelsäule entsprechen sollen, die man
sämmtlich bei den 18 Benedictionen beugen müsse; wir versteben
es auch, wenn ein Anderer die Zabl der 18 Benedictionen durch
die Zahl der 18 Gottesnamen in tnU ITÖNS bestimmt sein lässt;
wir verstehen es femer, wenn Rab Joseph meint, es sei diese
Zahl nach den 18 miDiN (worunter er auch D^iibN verstebt) im
Sch'ma gewäblt. Aber in welchem Zusammenbang steben denn
die achtzehn Knorpel mit den 18 mal genannten Gottesnamen in
den Worten ms "iWtO bei der Stiftshütte ? Und welche Sprache !
tb'pd« m-iSTN ni 13:5 nbicna ms-ia n" üvz'sri ns'np psrai
nib« i:a ^b lanao miSTN Es hätte doch jedenfalls
heissen müssen lü'paffl mi3tN n"i naiDl nbsna main n"". Auch
hat der Compilator gar kein Arg dabei, alle die im Talmud von
verschiedenen Autoren berichteten Aussprnche hierüber, so
verschieden diese sind, sämmtlich dem einen Samuel b. Nachmani
im Namen des R. Nathan zuzueignen; fällt es ihm gar nicht auf,
dass das eine Mal derselbe Autor (^Samuel b. Nachman im Namen des
R. Natban) nur den imiun (in Ps. 29) zu den miDTN rechnet,
das andre Mal (beim Sch'ma) auch die anderen Gottesnamen. Eine
solche Stelle soll uns Aufschluss geben über niatN? Hätte Herr
Dr. N. die Stelle vollständig hingesetzt, er hätte sie sicher als
Beweisgrund wieder gestrichen. — Schon wenn in Ber. 26 b Rab
Joseph drei verscbiedene Bibelabschnitte zusammenstellt, um aus
diesen mit Einsehluss von QinbN die 18 miDTN zusammen¬
zubringen , so ist auch dies schon ein Beweis, dass ihm die naive
Ei-klärung abhanden gekommen, dass er eine künstliche sucht, und
so verstand er auch nicht mehr die Bedeutung von niDTN.
Dieselbe unhistorische Vermengung verschiedener Begriffe liegt
vor in Bahh Sanh. 60a: R. Chija sagt: ,Wer die Askara
(lästern) hört in jetziger Zeit, braucht sein Gewand nicht zu zer¬
reissen; denn, wolltest du nicht so sagen, so würde das ganze
Kleid zu lauter Fetzen werden". Meint R. Chija: wenn man die
niaTN von einem Israeliten lästem hört, brauche man heutzutage
FUrst, Askara oder Schern hammephm'asch. 413
das Kleid nicht zu zerreissen? wed. sonst das ganze Kleid aus
lauter Fetzen bestände? — Sind denn die Israeliten so frech, dass
die n"iDTN so oft von ihnen gelästert würde? Es muss also ge¬
meint sein: wenn man es von Heiden hört (da könnten schon so
vielmals Lästerungen vorkommen, dass man zuletzt nur nocb
Fetzen hätte statt eines Gewandes). Ist nun das Lästem des
nminn Dis gemeint? ist denn dieser bei den Heiden so allgemein
geläufig? Es muss also gemeint sein, dass man früher auch
beim Anhören des Lästerns eines Bei namens Gottes (iiS^Da) durch
einen Heiden das Kleid zu zerreissen verpflichtet war , nur in
jetziger Zeit nicht mehr, weil sonst das ganze Kleid zu lauter
Fetzen würde". Demnach vrird unter niDTN auch ein iis^d, und
nicbt bloss der imi72n Dffl verstanden. Im Talmud Babli be¬
bekundet sich hier eine vollständige Unkenntniss der früheren
Sittenzustände in Judäa. Er kann sich nicht denken, dass bei
Israeliten Gotteslästerungen häufig vorkommen könnten. In der¬
selben Unkenntniss ist ihm die'Bedeutung von niDTN entschwunden.
Ganz anders lautet die Stelle in Jer. Sanh. 7, 10: y?:!^!! IHN yi-ipb Dlin insn idu y7:ran nnsi b6<H2)i73 Dian nbbp . Femer in73
■)iii3iDn by yi"ipb. Auch kennt der Jemsalemische Talmud die ehe¬
maligen Sittenzustände in Judäa ganz genau. Auf die Frage in73
nin 172TD yiipb erfolgt die Antwort: yTipb7: ipOD DiJDnijn 1311237:
„Seit die Gotteslästerer zunahmen an Zahl, stellte man die Sitte
ab, beim Anhören einer Gotteslästerung die Kleider zu zerreissen".
Es ist hier auf die revolutionären Zeiten der Sikarier hingewiesen ;
wie man damals (nach Sota IX, 9) wegen des Zunehmens der
Mordthaten das Darbringen des Sühnkalbes, wegen der Zunahme
des Ehebmches das Trinken des Prüfungswassers abgestellt, so
stellte man auch wegen der Zunahme der Gotteslästemngen die
Sitte ab, beim Anhören einer Gotteslästerung die Kleider zu zer¬
reissen. Der Jer. folgert auch daraus, dass jetzt, wo Gottesläste¬
mngen selten vorkommen, man beim Hören einer solehen das Kleid
zerreissen müsse; nm pn "jiynpi -jniSiDn by -jiynp niiSN Nin.
Herr Dr. N. beruft sich noch auf Rabina's Ausspmch in
Pesach. 50a. Abgesehen davon, dass von Rahma in höherem
Grade das über Rab Joseph und den Talmud Babh überhaupt
Gesagte gilt, ist die Stelle schon deshalb nicht beweiskräftig,
weil sie zu viel beweisen würde ; sie würde auch beweisen,
dass niDTN gar nicht den imi7;n Dia bedeute, sondern das
Gegentheil zu demselben bilde. Und Herr Dr. N. kann und
will ja nicht bestreiten, dass niDTN mindestens (neben anderen
Gottesnamen) auch das Tetragrammaton bedeute. Derselbe folgert
aus dem Woi-te Rabina's, dass niDTN (eigenthch müsste er sagen,
das Gegentheil von i73ia), so gut wie ilDT, von welchem es ab¬
geleitet sei, das Aussprechen des Gottesnamens mit der Um¬
schreibung i:iN bedeute. Wieso kommt er denn dazu, es anders
wie 11DT zu erklären, von dem es doch abgeleitet sein soll?
414 Fürst, Askara oder Scliem hammephorasch.
Er beschränkt sich auf die Schlussfolgerung, dass sich niSTN
nicht mit fflncnn Dffi decke.
Wenn es von iiar abgeleitet ist, und dies die Umschreibung
des Tetragrammaton durch bedeutet; so müsste doch wobl
msTN ebenfalls nur diese Umschreibung bedeuten? — Wenn
Herr Dr. N. eingesehen, dass diese Folgerung, obwohl logisch
richtig, doch thatsächlich falsch wäre, so musste er einseben,
dass sein ganzer Beweis falsch ist, weil er zu viel beweist.
Und der Beweis ist falsch, weil "nSTN von dem Hiphil T^DTn
abzuleiten ist (wie nnbsn von nibsn, und npnin nicht von pni,
sondem von p^n"«::, imd Masin nicht von aal, sondem a^ain).
Nach meinem verehrten Herm Gegner musste die Midrasch¬
stelle in Schemoth r. iJim Dl»n T^by niain iniaN S bedeuten:
,R. Abjatbar sagte : er tödtete ihn , indem er die Umschreibung des Gottesnamens durch Adonai über ihm nannte".
Das kann aber mein verehrter Herr Gegner nicht behaupten
wollen ; denn nur dieser ausdrücklichen Nennung des Tetragrammaton ward jene mystische Wirkung zugeschrieben, den Aegypter zu tödten.
Geht nun aus imsrer Stelle hervor, dass "iiatn der terminus
geworden für die ausdrückliche Nennung des Tetragrammaton,
sieht man femer aus Mischna und Tbargumen, wie aus dem Syrer,
dass DTUn ns iOliD das Nämliche bedeutet, wie oion nN niam ;
sieht man femer, dass die miDTN ya\S in Ps. 92, die m"iaTN nsion
in 1. Sam. 2 nur das Tetragrammaton bezeichnen: so ist der
Schluss nicht abzuweisen, dass one?:— DiS die aram. Uebersetzung
von matN ist.
Ich weiss femer nicht, wie Herr Dr. N. zu der Vermuthung
kommen kann, in den von mir citirten Thargum- und Midraschstellen
scheine iD-nc73 in engstem Zusammenhange zu stehen mit Tharg.
Schir II, 17, wo is-jEJJ bedeute: in 70 Namen erklärt; ich ver¬
stehe es nicht recht. Aus dieser späten Ueberbietung des R. Simon
b. Jochai in Mysticismus soll wahrscheinlich werden, dass Tb.
Onkelos und Jer. meinen, der Gotteslästerer sei nur dann straf¬
fällig, wenn er erst alle 70 Namen Gottes gelästert? Auch die
Stelle in Midrasch Koheleth kann nicht auf die 70 Gottesnamen
bezogen werden, sondem nur auf das Tetragrammaton.
Es bleibt also die Tbese bewiesen und unwiderlegt, dass
USmcnn aio den ausdrücklich genannten Gottesnamen be¬
deutet, und eine Uebersetzung von niDTN ist.
Nur insoweit muss ich meine anfUngliche Behauptung be¬
grenzen — und ich bin meinem Herrn CoUegen zum Danke ver¬
pfhchtet, dass er mich dazu veranlasst hat —, dass in späteren
Jahrhunderten, nachdem die Uebersetzung iB-nD73n DO das Wort
n-iaTN verdrängt hatte im gewöhnlichen Leben, und insbesondere
im persischen Reiche, man nun das alterthümlich gewordene niDTN
nicht mehr genau verstand, und es bald für das Tetragrammaton
nahm, bald für die übrigen Gottesnamen.
fUrst, Askara oder Sehern hammephorasch. 415
Nachtrag.
Herr Dr. Nager hätte für seine Behauptung auch noch Ber.
r. § 2 zu 1. B. M. 3, 14 und Jerusch. Chagiga Ende anführen
können; aber auch diese Stellen beweisen nur so viel, dass in
späterer Zeit die Bedeutung von nnSTN nicht mehr allgemein
bekannt war.
Erstere SteUe lautet: MiSiain S DttJa p^D 13 nnfr« i'k
ynnaoa piirw i^aa misTN mini n-sa© ind tyi -leort rbmn?:
Tivhvs ,R. Juda ben Simon sagte im Namen des R. Hoschaja:
vom Anfange der Bibel bis hierher (c. 3 v. 14) sind einundsiebzig
niDTN; das zeigt an, dass sie (die Scblange) durch ein voU-
zähhges Sanhedrin (von einundsiebzig Richtern) verurtbeilt wor¬
den*. Diese 71 m-iDTN erhält man nur, wenn auch D"<ribN jedes¬
mal mitgezählt wird.
Aber die Hypostasirung der Schlange weist auf eme späte
Zeit hin, wo man über die Bedeutung von niDTN nicht mehr im
Klaren gewesen.
Die andre SteUe lautet: „Die dreiundneunzig silbernen und
goldenen Tempelgefässe, welche (nach Tamid HI, 4) von den dienst¬
thuenden Priestern täghch aus der Geräthekammer geholt wurden,
entsprechen den dreiundneunzig miDTN, welche in den Propheten
Haggai und Malachi vorkommen (Secharia ist nämlich nach der
richtigen Bemerkung des R. Lippmann Heller zu Tamid HI, 4 zu
streichen); so R. Samuel b. Nachman im Namen des R. Jonathan.
Hierauf bemerkt R. Chona, er habe die betreffenden miDTN ge¬
zählt, und es seien deren nur dreiundachtzig; und diese 83 miDiN
entsprächen den 83 Unterzeichnern (in Nehem. 10, 2—28), von
welchen jeder Einzelne den Namen des einzigen Gottes bekannt
und es mit Namensunterschrift besiegelt habe".
In der That kommt das Tetragrammaton in Haggai und Ma¬
lachi nur dreiundachtzigmal vor; wenn R. Samuel b. Nachman
dreiundneunzig niDTN zählt, so ist dies ziemlich willkürhcb R.
Lippmann HeUer zwar meint niNia sei nicht mitgezählt, obwohl
er zu den Gottesnamen zähle, die nach Schebuoth 35 a nicht aus¬
gelöscht werden dürfen, und zwar desshalb nicht mitgezählt, weil
er hier immer nur in Verbindung mit dem Tetragrammaton vor¬
komme, also mit demselben Eins büde.
Aber die übrigen Gottesnamen, die nicht ausgelöscht werden
dürfen, seien von Samuel b. Nachman mitgezählt. Das ist aber
unrichtig; denn der Name DnmbN, inbN, DTibN im Sinne des
einzigen Gottes kommt dort schon zehnmal vor (Haggai Cap. 1 V. 12
zweimal; und V. 15; Malachi Cap. 2 V. 15. 16. 17; Cap. 3
V. 8. 14. 15. 18); so ist also bN (Mal. 1, 9 und 2, 10) und
laiNb (Mal. 1, 14) nicht mitgezählt.'
So ist also diese Stelle bezeichnend für die Willkür, welche
man sich in der späteren Zeit mit dem Wort niDTN erlaubte; bald
wird bN mit darunter verstanden, bald nicht.
416 FUrst, Askara oder Schem hammephorasch.
Aber das Wort des Samuel ben Nachman kennzeichnet sich
auch als eine verfehlte Nachahmung von Jer. Berach. IV, 3, Jer.
Taanith IV, 4. Dort ist der Grund einleuchtend: man wählte 18
Benediktionen, jede schliessend . . . . 'n nnN "(112, weil in Ps. 29
eben dieser Gottesname (mrr') achtzechnmal gebraucht ist mit
der Aufforderung, Gott zu preisen. Man wählte sieben Benedic¬
tionen am Sabbath, jede mit . . . 'n nn« "^Tia schliessend, weil
im Psalmlied für den Sabbathtag dieser Name siebenmal genannt
ist mit der Auffordenmg, Gott zu preisen. Pür das Neujahrsfest
oder den hohen Gerichtstag (ynfl DT") wählte man neun Benedic¬
tionen, weil in dem Gebete der Hanna (1. Sam. 2), welches mit
den Worten schhesst: ,Gott richtet die Enden der Erde", dieser
Gottesname neunmal vorkommt, und Gott so oft darin gepriesen
wird. — In diesen Begründungen ist ein innerer Zusammenhang;
hier sehen wir ürsprünglichkeit und Geist; hier auch das richtige
Verständniss von mSTN.
Aber welchen inneren Zusammenhang haben die 93 Tempel¬
gefässe mit dem 93mal vorkommenden Gottesnamen in jenen zwei
Propheten? Hier ist offenbar nur eine zufällige, äussere Aehnlich¬
keit; aber keine Spur einer Begründung. Und das ist das Kenn¬
zeichen der geistlosen Nachahmung, dass nur auf das Zufällige
und Aeusserhche gesehen wird, der innere Zusammenhang aber
unbei-ücksichtigt bleibt. Daher muss bier auch das zehnmal vor¬
kommende D-rtb» auch gegen die richtige Bedeutung als mSTN
zäblen, während doch "nN und bN (man weiss nicht, wamm nicht
ebenso gut, wie D^ribN) nicht als niDTN zählen.
R. Chona rügt anch dieses; er urgirt die Bedeutung von
niDTN als nur dem Tetragrammaton geltend; er rügt ferner den
Mangel eines inneren Zusammenhanges der 93 Gerätbe mit jenen
93 Gottesnamen. Wohl aber, sagt er, ist ein innerer Zusammen¬
hang dieser 83 miSTN in diesen zwei nachexilischen Propheten
mit den 83 Unterzeichnern, weil jeder Einzelne derselben die Ein¬
beit Gottes bekannt und mit seiner Unterschrift besiegelt hat,
enm na'pn ba in"?: onz ihn ba nmiB.
Aus Allem geht hervor : weil der Ausdrack niaTN durch die
Uebersetzung tticnn BiB verdrängt worden und man dann maTN
nur im Plural noch gebrauchte (für die vorkommenden Tetra¬
gramme), war die Bedeutung von maTN bei Vielen in's Schwanken
gekommen; die ursprüngliche Bedeutung war bei Vielen vergessen
worden, und man begrifi' dann ausser dem Tetragrammaton bald
auch bN und D^nbN darunter, bald bloss o^nbN mit Ausschluss
von bN.
417
Ueber das Mänava-Grhya-Sütra.
■ Von F. T. Bradke.
Die vorliegende Abhandlung beruht im Wesentlichen auf den
einleitenden Arbeiten zu einer Edition des Mänava-Grhya-Sütra.
Sie wird in erster Linie festzustellen suchen, ob in der That
die Sütra-Qäkhä der Mänaväs, wie die indische Ueberlieferung
lehrt, zur Sambitä-^äkhä der Mäiträyanlyäs gehöre; ob insonder¬
heit innere Beziehungen der Mänava-Sütra zur MäitrSyani-Samhitä die behauptete Zugehörigkeit bestätigen.
Es wird manchem vieUeicht nicht unwülkommen sein, wenn
icb dieser Untersuchung einige Mittheilungen über das von mir
benutzte handschriftliche Material, sowie über den Inhalt von
Goldstücker's Mänava-Kalpa-Sütra, vorausschicke.
Auch glaube ich das Verhältniss des MSnava-Dharma-Qästra
zu den Mänava-Sütra nicht unberücksichtigt lassen zu dürfen, da
gerade dieses Verhältniss den letzteren eine Bedeutung für die
indische Geschichtsforschung verleiht, welche die ritueUen Sütra
im Allgemeinen nicht werden beanspruchen können.
Dass ich im Verlaufe dieser Abhandlung das Mänava-Grhya-
Sütra vorangestellt habe, findet seine Erklärung einerseits in der
intimeren Aufinerksamkeit, die ich diesem Werke von Anfang an
habe widmen müssen, andrerseits in dem Umstände, dass mir
das Qräuta-Sütra in weit mangelhafterer handschrifthcher Ueber¬
lieferung vorlag.
Wir hetrachten zuvörderst:
1. Die Beziehungen des Mänava-Dharma-Qästra zu den Mä¬
nava-Sütra.
Bereits im ersten Bande der Indischen Studien sprach
Weber die Vermuthung aus, ,dass das Mänavam dharma9ästram
in einem engen Zusammenhange mit dem Mänavam sütram, etwa
mit seinem gvhya-Theü stände'.
1) S. 69. Anm. cf. Weber, Indische Literaturgeschichte « S. 21. 112. 295f.
Bd. XXXVI. 28