Notisen und Correispotidenzen. 809
gen Natur des Meeres etwas anzunehmen, dass cs vielmehr seine
Erhaltung grade der entgegengesetzten Eigenschaft verdankt. Aehn¬
lich Raghuvaii^a 4,35.
Noch ein Wort über alphabetische und akrostichische
Lieder Ephrams.
Von Dr. O. Bickell.
Herr Dr. Geiger hat sich das Verdienst erworben, unter den
Gedichten des h. Ephräm alphabetische, sowie solche, welche den
Namen des Dichters als Akrostich enthalten, nachzuweisen. Da
diese Erscheinung nicht ohne literargeschichtliches, textkritisches und sogar hibelexegetisches Interesse ist, so werden einige weitere
Bemerkungen darüber nicht unwillkommen sein.
l) Das älteste, mir bekannte alphabetische Gedicht der christ¬
lichen Literatur ist die Ode, welche sich im „Symposion der zehn
Jungfrauen" von dem h. Methodius (f um 312) findet. Im maro¬
nitischen llitus ist die Sugitha , ein Lied , welches in Vesper und
Matutin zwischen die Psalmodie mit eingeschalteten Troparien und
das Sedragebet tritt, stets alphabetisch. Bei den Jakobiten ist
diese Anordnung der Sugitha nicht wesentlich, wie ich denn auch
in alten, bis ins 6. Jahrhundert zurückreichenden Handschriften
alphabetische und nichtalphabetische Sugithen gefunden habe. Doch
hierüber, sowie üher den ursprünglicben Character dieser Dich¬
tungsart, werde ich bei einer andern Gelegenheit handeln.
Dass im ersten nisibenischen Liede Ephräms die Reihenfolge
nur je einen um den andern Buchstaben (Aleph, Gimel, Hc u. s. w.)
trifft, sowie dass in dem vierten cin lückenhaftes und unterbro¬
chenes Alphabet vorliegt, habe ich bereits im Conspectus rei Sy¬
rorum literariae nachgetragen. Der letztere Fall ist deshalb für
die Psahnenkritik wichtig, weil dies Lied, ganz wie Psalm 9—10,
nur am Anfang und gegen Ende alphabetisch ist, in der Mitte aber
nur schwache Spuren der Buchstabenfolge zeigt. Gleichwohl lassen
äussere, wie innere Gründe keinen Zweifel, dass wir das Gedicht
noch in seiner ursprünglichen Form besitzen. Es kam also vor,
dass der Dichter selbst die alphabetische Anlage
nur unvollkommen durchführte.
Die von Geiger nachgewiesenen Akrosticha euthalten nur
Ephräms Namen. Einen Schritt weiter führt uus das zweite nisi¬
benische Lied, welches das Akrostich >^«2oJv3 )a^;2>/ )Q.»3/
enthält (,, Ephräm, Ephräm, Phraemion" = Eplnitniclien), also dem .Na¬
men des Dichters noch einen .\usdruck der Verdemüthigung hin-
810 Notizen imd Correspondenzen.
zufügt, wie dies regelmässig in den Akrostichen der griechischen
Oden geschieht. Dass letzteres Diminntivum beabsichtigt sei, findet
Herr Dr. Geiger in seiner Recension meines Conspectus zweifel¬
liaft. Aber die Form desselben ist ganz untadelhaft. Der vor¬
letzte Buchstabe von Ephräms Namen ist in den Akrostichen häufig
Aleph statt Jod-, der Wegfall des ersten Aleph fiudet sich auch
in Wrights Catalog II., S. 407, und dafür, dass dem Diminutivum
eines Eigennamens eine verächtliche Nebenbedeutung zukommen
kann, haben wir bereits die Analogie von jjojojCXJ angeführt.
Im dritten nisibenischen Liede ergeben die Anfangsbuchstaben
der Strophen die Verszeile ^J ^ („Unsere Stimme seufzt,
0 Nisibener"), welche ausgezeichnet zum Inhalt des Gedichtes passt.
Ein doppeltes Bedenken bestimmte jedoch Herrn Dr. Geiger, dies
Akrostichon zu beanstanden. Das erste, gegen die Form JÖl.^
gerichtete, h.at er jedoch seitdem bereits selbst zurückgezogen (Z.
D. M. G. 1871, S. 522 ganz oben). Vgl. auch meine Carmina
Nisibena, S. 1 (syr.), Anm. 1. Zu der anderen Schwierigkeit.
könne nicht ein in Tönen laut werdendes Klagen bezeichnen, be¬
merke ich, dass in einem mir handschriftlich vorliegenden Gedicht
des Isaak von Antiochien das Tönen der Orgelpfeifen, welches als
eiu Klagen über beklemmenden Druck dargestellt ist, wiederholt
durch ^/ ausgedrückt wird.
Die ältesten christlichen Akrosticha finden sich wohl in den
Sibyllinen und bei Commodian. Sehr alt muss auch der Morgen¬
hymnus )io)Cu sein, welchen die Nestorianer dem Theodor von
Mopsvestia, die Maroniten dem h. Ephräm zuschreiben. Beide
Riten verwenden ilm in der Matutin: die Maroniten behandeln ihu
sogar wie einen Psalm, indem sie Troparien in ilin einschalten.
Dieser Hymnus enthält das Akrostichon [^..«l» '»\Q_jt_, Weit
jüngeren Ursprungs sind bekanntlich die Oden der griechischen
Kirche. In ibneu ist ein den Dichter in demütbiger Weise be¬
zeichnendes Akrostich Regel. Z. B. deutet sich Romanus, einer
der ältesten Ilymnographen in dieser Weise an: Tov ranEirov
Twpavoi vfivog oder T. t. 'P. yjaXfiog ovrog oder Ain) fööi)
rov klayiatov Ttofiavov. Der in dom Ordo^ der Krankeusalbniig
vorkommende Canon enthält das Akrostich: EvyJ] ikatov, xjmhwg
'Aodevtov.
Sollten sich am Eude gar schon in der alttestamentlichen
Poesie Akrosticha vorfinden ? Die drei im Conspectus von mir ver¬
mutheten sind von gewichtiger Seite für zufällig erklärt worden
und werden allerdings von mancben Schwierigkeiten gedrückt.
Wenn ich sie hier dennoch, um zwei neue vermehrt, wiederhole,
so will ich Sic keineswegs für sicher ausgeben, sondern uur das
äusserliehe Factum feststellen.
Notizen untl Corresponilenzen. 811
1) Psalm 14 Don iT'N „Wo ist Jehova?" als Frage des
Thoren. Antwort in V. 5: „Gott ist in dem gerochten Geschlecht."
V. 5 und 6 sind zu verbinden, da alle Verse dieses Psalmes aus
4 Stichen bestellen. Zum Akrostichon vgl. Ps. 11.5, V. 2. Jehova
wird DTCr; genannt Levitic. 24, V. 11. 16, und besonders 1 Chron.
13, V. 6.
2) Psalm 26 mit Hinzuziehung der Ueberschrift ^bNia bs ab
niNN „Im Herzen aller, die mich suchen , werde ich wie ein Licht
aufstrahlen", oder, wenn man, wie in den syrischen Akrostichen,
wiederholte Uuchstaben nur einmal zu zählen br.aucht ^bxo ba ab
■m« „Uas Herz aller, die mich sucheu wird erleuchtet. Vgl. V. 2
des Psalmes.
3) Psalm 28 tli ia "n NüJS* „Ich erdulde Bedrückung, bitte
hilf doch, 0 Herr!"" Das Verbum nü: kehrt in V. 2 und 9 des
Psalmes wieder.
4) Der Hymnus Uabakuks (Cap. 3) enthält das Akrostichon
iiauj 15 laö lyn nrb in^ „Möge Gott zur Zeit des Gerichts über
seine Feinde sich wohlgefällig zuwenden der Gefangenschaft, die
verstörten Herzens ist!" Vgl. V. 13 des H3'mnus. Die Anwendung
von niN wie Psalm 132, V. 14, 'nyn py in der Bedeutung vou
D-iiS ny Ezech. 30, V. 14, iSiN ny Jerem. 27, V. 7.
5) P. Tarquini findet in Psalm das Akrostich ^i:!: m73 '-^12-^
„In den Tod wird sich herniedersenkeu meiu Sprosse", indem cr
sich auf Hebr. 2, V. 9 und auf den Messiasnamen n)3S beruft.
Entgegnung an Herrn Dr. Schräder
von Prof. Julius Oppert.
Herr Dr. Schräder hat in Band XXV., S. 449, über die
biblisch-assyrische Chronologie einige Zweifcl an der von mir auf¬
gestellten Zciticchnung kund gegeben. Ich kann diesem „Dissensus"
wie er ihn nennt, keinen andein X.amen geben, da in seinem Ar¬
tikel von einer Bewcisfiilirung nicht die Kede ist. In den erwähn¬
ten Bctiachtungen ist niimlicb die eigentliche Frage ganz unberührt
geblieben, und die ganze Erörterung des Herrn Dr. Schräder ist
nur eine petitio iirincij)ii, in welcher das zu beweisende als schon bewiesen vorau.'^gesetzt wird.
Es handelt sich wesentlich um zwei Frageu :
I. Ist die Liste der assyrischen Eponymen unterbrochen oder
nicht?
II. Ist das System dor biblischen Chronologie zu verwerfen?
Auf die erste Fra.gc habe ieh goantworlct: Sic ist untcrbro-
clieii; auf die zweite haho ich erwiedert: Nein.