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Archiv "Psychiatrie: Was sich hinter einer Depression verbergen kann" (25.06.2004)

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ie Diagnose einer Depression darf in der Praxis nicht vorschnell ge- stellt werden.Auch wenn die Sym- ptomatik noch so klar erscheint, muss auch eine bipolare Störung in Betracht gezogen werden – lautete ein Appell der Wissenschaftler bei der 157. Jahres- tagung der „American Psychiatric Association“ in New York, denn bipola- re Störungen sind weiter verbreitet als allgemein angenommen:

Für die Bipolar-I-Erkrankung – Stö- rungen, die mit gut erkennbaren ausge- prägten Manie-Phasen einhergehen – wird nach Aussage von Prof. Dr. Paul E. Keck (Cincinnati) eine Prävalenz von etwa einem Prozent angenommen.

Weit häufiger seien dagegen Störungen vom Typ Bipolar II, bei denen die de- pressive Phase dominiert, die Manie eher als Hypomanie verläuft und oft so diskret ist, dass sie als nicht krankhaft von den Patienten angesehen wird.

„Solche Störungen sind mit fünf bis acht Prozent in der Bevölkerung weit verbreitet“, gab Keck in New York zu bedenken.

Bipolare Depression wird oft als unipolar verkannt

Er machte gleichzeitig darauf aufmerk- sam, dass die bipolare Erkrankung oft- mals als unipolare Depression verkannt wird. Das zeige unter anderem eine Un- tersuchung bei 250 Patienten mit depres- siver Symptomatik: Initial wurde bei 72 Prozent eine unipolare Depression dia- gnostiziert, bei 22 Prozent eine Bipolar- II- und bei sechs Prozent eine Bipolar-I- Erkrankung. Bei der späteren syste- matischen Evaluation stellte sich die Si- tuation anders dar: Nur in 54 Prozent der Fälle lag tatsächlich eine unipolare De-

pression vor, während bei 40 Prozent der Patienten eine Bipolar-II-Störung zu diagnostizieren war. Der Anteil der Bi- polar-I-Erkrankung war mit sechs Pro- zent jedoch schon initial richtig erkannt worden. Die Daten zeigen, dass in der Praxis vor allem das Erkennen einer Bi- polar-II-Störung schwierig ist. „Es dau- ert daher im Durchschnitt länger als zehn Jahre, bevor die richtige Diagnose erhoben wird“, betonte der Psychiater.

Diese Erkenntnis ist relevant, da die bipolare Erkrankung anders therapiert wird als eine unipolare Depression. In beiden Fällen werden zwar Antidepres- siva eingesetzt, bei der bipolaren Stö- rung müssen diese jedoch mit einem Stimmungsstabilisator kombiniert wer- den. Geschieht das nicht, kann leicht der Wechsel von der Depression zur Manie provoziert werden, erläuterte Prof. Dr. Eduard Vieta (Barcelona).

Dies gilt umso mehr, als sich die Be- handlungsmöglichkeiten bei manisch depressiven Patienten deutlich erweitert haben, nachdem in Studien gezeigt wur- de, dass die Manie durch atypische Neu- roleptika deutlich gebessert wird. Wirk- stoffe wie beispielsweise Quetiapin, Olanzapin und Risperidon sind seit An- fang 2004 auch zur Therapie der Manie bei bipolarer Depression zugelassen.

Den atypischen Neuroleptika könn- te sogar eine noch weitreichendere the- rapeutische Bedeutung zukommen, wie sich in New York andeutete. Dort wur- de eine erste Studie vorgestellt, die be- legt, dass Atypika wie das Quetiapin nicht nur die Symptome der Manie bes- sern, sondern auch die Depression. Die- se wird bereits in der ersten Be- handlungswoche signifikant gemindert, und das in allen erfassten Einzelitems, berichtete Prof. Dr. Josef Calabrese (Cleveland/Ohio). Das dokumentiert

die BOLDER-Studie (The BipOLar DEpRession), in der 542 Patienten mit bipolarer Depression in 39 US-Zentren mit dem Atypikum (300 und 600 mg/die) oder mit Placebo behandelt wurden. Es waren darunter auch Patienten mit ra- schem Phasenwechsel (rapid cycling).

Bei ihnen wurde ebenso wie bei Pati- enten mit Bipolar-I- und Bipolar-II- Störung eine signifikante Reduktion der depressiven Symptome erwirkt, und zwar abgesehen vom eingeschränkten Appetit in allen erfassten Einzelsym- ptomen, wie zum Beispiel der Traurig- keit, der inneren Anspannung, der Un- fähigkeit, Gefühle zu empfinden, einem reduzierten Schlaf sowie Konzentrati- onsstörungen und allgemein pessimisti- schen Gedanken.

Hervorzuheben sei die gute und ra- sche Reduktion der Suizidalität unter dem Atypikum, die immerhin doppelt so ausgeprägt war wie unter Placebo.

Insgesamt erwies sich die Wirksamkeit in der depressiven Phase nach Calabre- se weit besser als erwartet: „Wir haben mit günstigen Effekten gerechnet, wa- ren aber doch erstaunt über die umfas- sende therapeutische Wirksamkeit des Atypikums“, sagte der Mediziner.

Atypika haben zugleich angstlösende Effekte

Überrascht waren die Studienleiter aber auch davon, dass neben der De- pression weitere therapeutische Effek- te erkennbar waren. So wurde das Schlafverhalten und die allgemeine Le- bensqualität verbessert, und es zeigte sich ein ausgeprägter angstlösender Ef- fekt des Atypikums. Das unterstreicht neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach den atypischen Neuroleptika, die primär den Dopamin-Stoffwechsel im Gehirn beeinflussen, und das vor al- lem über die D2-Rezeptoren, generell anxiolytische Eigenschaften zukom- men. Die Wirkung dieser Substanzgrup- pe scheint, erläuterte Prof. Dr. Charles Schulz (Minneapolis), umfassender zu sein, als bisher bekannt, was für die Zu- kunft weitere Indikationen vermuten lässt. Es könnte dieser Substanzgruppe nach Meinung von Prof. Mark B. Ham- mer (Charleston) neben Angststörun- gen auch therapeutische Bedeutung M E D I Z I N R E P O R T

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A1868 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2625. Juni 2004

Psychiatrie

Was sich hinter einer

Depression verbergen kann

Bei jeder zweiten Erkrankung, die sich primär als Depression

manifestiert, liegt tatsächlich eine bipolare Störung vor.

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beim posttraumatischen Belastungs- syndrom zukommen. Erste anekdoti- sche Behandlungsberichte lägen bereits vor: „Wir sehen eine gute Rationale für die Planung entsprechender klinischer Studien“, betonte Hammer.

Untersucht wird die Wirkung der atypischen Neuroleptika auch bei Suchterkrankungen, die sich durch eine hohe Prävalenz auszeichnen. Die Alko- holabhängigkeit wird in den USA auf 16 Prozent geschätzt, eine Medikamen- tenabhängigkeit dürfte bei sechs Pro- zent der Bevölkerung bestehen. Tierex-

perimentelle Befunde bei Kokain- und Amphetamin-abhängigen Ratten ha- ben nach Aussage von Prof. Dr. E. Sher- wood Brown (Dallas) bereits therapeu- tische Wirkungen der Neuroleptika auf- gedeckt, und erste Pilotstudien laufen zurzeit bei Kokainabhängigen.

Bestätigen sie die tierexperimentel- len Befunde, könnte dies für die Be- handlung psychiatrischer Erkrankun- gen eine hohe Relevanz besitzen, denn bei 47 Prozent der schizophrenen Pati- enten und 27 Prozent derjenigen mit einer Major-Depression wird eine

Abhängigkeitsproblematik festgestellt.

Diese besteht außerdem bei 48 Prozent der Patienten mit einer Bipolar-II- Störung und bei sogar 61 Prozent der Patienten mit einer Bipolar-I-Erkran- kung. Die derzeitigen Studien lassen hoffen, dass man durch die Behandlung mit den atypischen Neuroleptika in sol- chen Situationen „zwei Fliegen mit ei- ner Klappe“ schlagen kann, sagte

Brown. Christine Vetter

Bericht zur 157. Jahrestagung der „American Psychiatric Association“ am 3. Mai 2004 in New York

M E D I Z I N R E P O R T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2625. Juni 2004 AA1869

Brustkrebs

Jahresbilanz

Bayerisches Mammographie- Screening-Projekt hat 190 000 Frauen schriftlich eingeladen.

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twa 7 500 Frauen erkranken je- des Jahr in Bayern an Brustkrebs, 2 500 sterben daran. Vor etwas mehr als einem Jahr, am 1. April 2003, haben deshalb die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), die AOK und die Landwirtschaftlichen Kran- kenkassen sowie das Sozial- und das Gesundheitsministerium das bayeri- sche Mammographie-Screening ge- startet. Damit sei Bayern bis heute das einzige Bundesland, in dem es bereits ein flächendeckendes und qualitätsge- sichertes Programm zur Früherken- nung von Brustkrebs gibt, betonten die beteiligten Projektpartner überein- stimmend in einer Zwischenbilanz.

Voraussetzung für die rasche Ein- führung des Programms sei die Einbin- dung bestehender Mammographie- praxen, durch die ein wohnortnahes Angebot erreicht werde, sagte Dr.

med. Axel Munte. Das Konzept bein- halte außerdem eine einheitliche elek- tronische Dokumentation über das Safenet der KVB. In allen bayerischen Regierungsbezirken, mit Ausnahme Mittelfrankens, nehmen 162 Ärzte am Mammographie-Screening teil. Sie müs- sen die Voraussetzungen der Europäi-

schen Leitlinien erfüllen. Die Region Mittelfranken sollte ursprünglich eine von bundesweit vier Modellregionen für das Mammographie-Screening wer- den. Das Projekt ist aus finanziellen und organisatorischen Gründen aber ins Stocken geraten, sodass die KVB ihr Programm jetzt auch dort ein- führen möchte.

Das Screening richtet sich an Frau- en im Alter zwischen 50 und 69 Jah- ren. Bislang war das Programm auf Versicherte der Allgemeinen Ortskran- kenkasse und der Landeskrankenkasse beschränkt. Ab 1. Juli

nehmen auch die Be- triebskrankenkassen teil. Die Frauen wer- den von einer Ver- trauensstelle, die von der KVB und den Kassen eingerichtet wurde, alle zwei Jahre zur Früherkennungs- untersuchung eingela- den. Sie können per- sönlich einen Termin bei einem der teilneh- menden Ärzte verein- baren. In den vergan- genen Monaten seien mehr als 190 000 Ein- ladungen zur Teilnah- me an den Früherken-

nungsuntersuchungen versandt worden, berichtete Munte. Inzwischen würden wöchentlich 15 000 Einladungen und Erinnerungsschreiben verschickt.

In Oberfranken und im Nördlichen Landkreis München, wo das Pro-

gramm am 1. April 2003 gestartet wur- de, haben bereits knapp 25 Prozent der eingeladenen Frauen am Mammogra- phie-Screening teilgenommen. In den Regierungsbezirken, in denen das Screening erst im Dezember 2003 be- gann, liegen die Teilnahmequoten bei etwa 15 Prozent. Bis Ende 2004 soll bayernweit jede zweite Frau, die zur Früherkennungsuntersuchung auf Brustkrebs eingeladen wird, an dem Screening teilnehmen. Um eine deutli- che Senkung der Sterblichkeit an Brustkrebs zu erreichen, ist nach Anga- ben von Epidemiologen eine Teilnahmequote von etwa 70 Prozent auf Dauer erforderlich.

Die Rate der ent- deckten Karzinome im Nördlichen Landkreis München, wo bislang 2 305 Frauen untersucht wurden, lag mit 0,8 Pro- zent in etwa genauso hoch wie in den beiden Modellregionen Wies- baden und Bremen. Al- lerdings, so betonte Munte, mussten zur Si- cherung der Diagnose nur 3,1 Prozent der Frau- en nochmals einbestellt und bei einem Prozent eine Biopsie vorgenommen werden. In Wiesbaden und Bremen seien die Wie- dereinbestellungsquoten mit mehr als sechs Prozent und die Biopsierate mit zwei Prozent doppelt so hoch wie in Bayern. Jürgen Stoschek Kolorierte Röntgenaufnahme

eines Mammakarzinoms

Foto:Aventis Pharma

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