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Archiv "Zuwanderungskompromiss: Unbefristete Niederlassung nur für hoch qualifizierte Ausländer" (02.08.2004)

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eruflich hoch qualifizierten Ausländern wird die Zu- wanderung nach Deutsch- land und der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt von 2005 an erleichtert. Weniger qualifizierte und vor allem ungelernte und damit heute kaum zu vermittelnde aus- ländische Arbeitskräfte ha- ben, wenn sie länger in Deutschland arbeiten und leben wollen, weiterhin ho- he bürokratische Hürden zu überwinden. Das sind die wichtigsten Punkte des „Auf- enthalt-Gesetzes“, das zwar gegenüber dem geltenden Recht eine Reihe von Locke- rungen und Verbesserungen bringt, aber weiterhin an ei-

ner sehr restriktiven bürokra- tischen Steuerung der Zu- wanderung festhält.

Keine Lösung der

demographischen Probleme Das Gesetz bietet damit kei- ne Perspektive für die Zeit nach 2010, wenn sich die Alte- rung der Gesellschaft be- schleunigt und die Bevölke- rung im erwerbsfähigen Al- ter abnimmt. Die Grundten- denz aller Bevölkerungsbe- rechnungen ist klar: 2050 wird es in Deutschland weniger Menschen geben, und die Deutschen werden älter sein.

Nach einer Berechnung des Statistischen Bundesamtes,

der mittlere Annahmen zu- grunde liegen, wird die Be- völkerungszahl von 2013 an zurückgehen und bis 2050 auf das Niveau von 1963 von 75 Millionen Einwohnern sin- ken. Die Hälfte der Bevölke- rung wird dann 48 Jahre alt sein. Auf 100 Menschen im Erwerbsalter (20 bis 59 Jahre) entfielen 1995 etwa 37 Rent- ner und Pensionäre, 2001 wa- ren es schon 44. Das Verhält- nis der Menschen im Erwerbs- alter zu dem Anteil der Menschen im Rentenalter, der so genannte Altenquotient, könnte bis 2030 auf 71 und bis 2050 weiter auf 78 steigen.

Würden die Menschen erst mit 67 Jahren die Rente be- ziehen, so ergäbe sich ein deutlich niedrigerer Alten- quotient. Durch die Zuwan- derung integrationsfähiger und integrationswilliger Aus- länder könnten die demo- graphischen Probleme unse- res Landes gemindert, freilich nicht gelöst werden.

Angesichts der hohen Ar- beitslosigkeit hat sich die Poli- tik nicht entschließen können, schon heute den deutschen Arbeitsmarkt stärker für aus- ländische Fachkräfte zu öff- nen. Dafür hatte die Zu- wanderungs-Kommission ein Punkte-System entwickelt, das im Rahmen eines politisch vorgegebenen Kontingents beruflich qualifizierten, jün- geren und integrationsfähigen Ausländern die Möglichkeit eröffnet hätte, befristete oder unbefristete Aufenthaltsge- nehmigungen zu erhalten. Die CDU/CSU war für ein solches System nicht zu gewinnen, ob- wohl sich schon jetzt trotz ho- her Arbeitslosigkeit ein Fach- kräftemangel abzeichnet. Öko- nomen weisen darauf hin,

dass sich durch die Zuwan- derung qualifizierter Fach- kräfte das Arbeitskräfteange- bot vergrößern und damit die Zahl der Erwerbstätigen er- höhen ließe, was auch zu ei- ner Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme beitragen könnte.

Zugang für qualifizierte Kräfte Immerhin ist im Ansatz ein Paradigmenwechsel erkenn- bar: Bislang sind vor allem niedrig qualifizierte Aussied- ler, Flüchtlinge und auch im Rahmen des Nachzugs von Fa- milienangehörigen durchweg nur niedrig qualifizierte Ar- beitskräfte und schlecht oder kaum ausgebildete Jugendli- che zugewandert, die dann vom Sozialsystem aufgefan- gen werden mussten. Eine ar- beitsmarktbezogene Zuwan- derungspolitik sollte dagegen qualifizierten ausländischen Arbeitskräften den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt öffnen. Der Kompromiss über das Aufenthalts-Gesetz be- deutet eine erste Weichenstel- lung in dieser Richtung.

Hoch qualifizierte Auslän- der erhalten nun eine soforti- ge und unbefristete Erlaubnis, sich in Deutschland aufzuhal- ten und zu arbeiten. Das gilt für Wissenschaftler mit beson- deren fachlichen Kenntnis- sen, für Lehrpersonen und wissenschaftliche Mitarbeiter in herausgehobener Funktion oder Spezialisten und leitende Angestellte mit besonderer Berufserfahrung, die ein Ge- halt von mindestens dem Doppelten der Beitragsbe- messungsgrenze in der Gesetz- lichen Krankenversicherung (derzeit knapp 84 000 Euro) erhalten. Voraussetzung ist je- doch die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, die an den Grundsatz gebunden bleibt, der Beschäftigung ver- gleichbarer deutscher Ar- beitskräfte Vorrang zu geben;

die Beschäftigung ausländi- scher Bewerber muss nach dem neuen Gesetz „arbeits- markt- und integrationspoli- tisch verantwortbar“ sein.

Selbstständige erhalten ei- ne zunächst auf drei Jahre be- V A R I A

A

A2196 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 31–322. August 2004

Zuwanderungskompromiss

Unbefristete Niederlassung nur für hoch qualifizierte Ausländer

Der Zuzug wird weiterhin bürokratisch gesteuert.

Für Ärzte mit Spezialkenntnissen gibt es keine Hürden.

Wirtschaft

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fristete Aufenthaltsgenehmi- gung, sofern an deren Zuzug ein besonderes regionales Be- dürfnis oder ein übergeord- netes wirtschaftliches Interes- se besteht, positive Auswir- kungen auf die Wirtschaft zu erwarten sind und die Finan- zierung gesichert ist. Diese Bedingungen gelten in der Regel als erfüllt, wenn minde- stens eine Million Euro inve- stiert und zehn Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ausländische Studenten erhalten zunächst eine auf zwei Jahre befristete Aufent- haltserlaubnis. Diese kann bis zum Studienabschluss und anschließend um ein weiteres Jahr verlängert werden. Wer in Deutschland studiert und sein Examen abgelegt hat, soll die Chan- ce haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Das ist die Vor- aussetzung dafür, auf Dauer in Deutschland bleiben zu können.

Begrenzte Zuwanderung von Ärzten

Die neuen Bestimmungen verändern auch die Voraus- setzungen für die Zuwan- derung von Ärzten. Die Chance, sich auf Dauer in Deutschland niederzulassen, dürften nur Ärzte haben, die über besondere Kenntnisse und Erfahrungen verfügen.

Für die Befürchtung, dass sich auf der Grundlage des neuen Gesetzes die Konkur- renz am allgemeinen ärztli- chen Arbeitsmarkt verschär- fen könnte, sind keine Grün- de erkennbar. Die Vorschrif- ten für Zuwanderer, die selbstständig tätig werden wollen, sind so gefasst, dass sie auf Ärzte nicht passen. Ärz- te, die sich in Deutschland niederlassen wollen, dürften kaum über Investitionsmittel von einer Million Euro ver- fügen oder Praxen mit mehr als zehn Beschäftigten wirt- schaftlich führen können.

Das Gesetz betrifft im Übri- gen nur Personen aus Län- dern, die nicht der EU an- gehören. Eher ist auf mittlere Sicht mit einer wachsenden Zuwanderung von Ärzten

aus den Ländern zu rechnen, die jetzt der EU beigetreten sind. Bürger aus Mitglieds- staaten der EU unterliegen künftig nur noch einer Mel- depflicht. Allerdings sind mit den neuen Beitrittsländern Übergangsregelungen aus- gehandelt worden, durch die der Arbeitsmarkt in den al- ten EU-Ländern bis zu sie- ben Jahre geschützt wird.

Trotz der in der EU gelten- den Freizügigkeit musste bislang eine – zunächst befri- stete – Aufenthaltserlaubnis beantragt werden.

Vorrangprüfung durch die Bundesagentur

Generell bleibt eine so ge- nannte individuelle Vorrang- prüfung durch die Bundes- agentur für Arbeit vorge- schrieben. Dadurch soll si- chergestellt werden, dass die Beschäftigung von Auslän- dern keine nachteiligen Aus- wirkungen auf den Arbeits- markt hat. Deutsche Bewer- ber sollen bei der Stellenver- gabe Vorrang haben. Auslän- der dürfen nicht zu ungünsti- geren Bedingungen als ihre deutschen Kollegen beschäf- tigt werden.

Diese Regelungen gelten auch für die so genannten Engpass-Arbeitskräfte. Aus- länder, die in Branchen arbei- ten wollen, in denen Fach- kräfte mit einer qualifizierten Ausbildung fehlen, können eine befristete Aufenthalts- genehmigung erhalten. Der Bedarf dafür muss nachge- wiesen werden. An die Stel- le der Einzelfall-Prüfungen können auch regionale und wohl auch bundesweite Be- darfsprüfungen treten. Die Einzelheiten sind noch durch Rechtsverordnungen zu klä-

ren. Zur Gruppe der qua- lifizierten Engpass-Arbeits- kräfte wird man, wie bisher, die im Gesundheitswesen tätigen Fachkräfte rechnen können.

Die auf den Arbeitsmarkt bezogenen Regelungen des Gesetzes werden durch Vor- schriften für die Verbesse- rung der Migration durch die verbindliche Teilnahme an In- tegrationskursen mit Sprach- unterricht sowie durch die Verschärfung der Bestim- mungen über die Abschie- bung unerwünschter Auslän- der ergänzt. Der Bund hat sich verpflichtet, die Kosten für Sprachkurse nicht nur der neuen Zuwanderer, son- dern auch der bereits hier an- sässigen Ausländer zu über- nehmen.

Die Auswirkungen des Ge- setzes dürften begrenzt blei- ben, zumal dieser Minimal- Kompromiss an der überzoge- nen bürokratischen Steue- rung der Zuwanderung wenig ändert. Das Ministerium Cle- ment könnte jedoch die Er- mächtigungen zum Erlass von Verordnungen und Weisun- gen nutzen, die Verfahren zur Ausländerbeschäftigung zu lockern und zu vereinfachen.

Das lange Tauziehen um die- ses Gesetz und dessen Ergeb- nisse spiegeln die Misere der deutschen Politik. Es fehlt weithin der Mut für ver- nünftige und zukunftsorien- tierte Reformen.Am Arbeits- markt wären sie besonders dringlich.Walter Kannengießer V A R I A

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 31–322. August 2004 AA2197

Anfang 2004 lebten in Deutschland 7,33 Millionen Ausländer. Die Zahl hat sich 2003 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung liegt damit seit 1998 bei knapp neun Prozent. Zwischen 1991 und 2001 sind 3,6 Millionen Personen (davon 2,2 Millionen Ausländer) mehr nach Deutschland gekommen als abgewandert. Der Wanderungsüberschuss war 1991 und 1992 am höchsten. Ein Viertel aller Ausländer stammen aus den alten EU-Län- dern, 6,6 Prozent aus den neuen Beitrittsländern. Die größte Gruppe unter den Ausländern stellen mit 25,6 Prozent die Türken. Die durch- schnittliche Aufenthaltsdauer aller Ausländer beträgt etwa 16 Jahre.

20,5 Prozent der Ausländer sind bereits hier geboren worden. Das Durchschnittsalter der Ausländer liegt bei gut 35 Jahren.

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