• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Zukunftssicherung: Qualifizierte Ausländer sollen den Wohlstand sichern helfen" (06.07.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Zukunftssicherung: Qualifizierte Ausländer sollen den Wohlstand sichern helfen" (06.07.2001)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

T H E M E N D E R Z E I T

A

A1804 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 27½½½½6. Juli 2001

B

eruflich qualifizierten Ausländern soll die Zuwanderung nach Deutschland und der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden, vor- ausgesetzt, dass diese Personen gute Voraussetzungen für die Integration in die deutsche Gesellschaft bieten. Dies sind die wichtigsten Empfehlungen der von der Regierung eingesetzten Zuwan- derungs-Kommission, in der 21 unab- hängige Mitglieder der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Wissen- schaftler unter Vorsitz der CDU-Poli- tikerin Süssmuth

mitgearbeitet ha- ben. Die Kom- mission gibt da- mit der Politik das Signal, den seit 1973 gel- tenden Anwerbe- stopp für Arbeits- kräfte aus Län- dern, die nicht der EU angehö- ren, aufzugeben, der sich aller- dings durch den

Familiennachzug sowie den Zustrom von Asylbewerbern und Kriegsflücht- lingen weitgehend als wirkungslos er- wiesen hat. Qualifizierte und jüngere Zuwanderer können nach Ansicht der Kommission angesichts des dramati- schen Bevölkerungsrückgangs und der Alterung der deutschen Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten einen Beitrag dazu leisten, den erreichten Wohlstand zu halten. Mit der Liberalisierung der Zuwanderungspolitik sollte jetzt be- gonnen werden.

Die Kommission spricht sich dafür aus, dass sich Deutschland dem globa- len Wettbewerb um Spitzenkräfte der Wissenschaft und der Wirtschaft sowie

um jüngere qualifizierte Arbeitskräfte stellt. Eine gezielte Zuwanderung be- ruflich wenig qualifizierter Arbeitskräf- te wird nicht empfohlen; in diesem Be- reich müsse das inländische Arbeits- kräftepotenzial besser aktiviert wer- den. Die Kommission weist jedoch nachdrücklich darauf hin, dass die demographischen Probleme Deutsch- lands durch Zuwanderung nicht gelöst, sondern allenfalls gemildert werden könnten. Vor allem die Sozialversiche- rung bedürfe weitergehender Refor-

men, um den sich aus den demographi- schen Veränderungen ergebenden An- passungsbedarf zu bewältigen. Auch könne die Erwerbsquote der Frauen er- höht werden, wenn die Rahmenbedin- gungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert würden. Die Kommission macht Vorschläge für die Beschleunigung der Asylverfahren und für die Einschränkung des Missbrauchs des Asylrechts. Der durch Kontingente begrenzte Zuzug von Aussiedlern und das Nachholen von Familienangehöri- gen wird nicht infrage gestellt. Aller- dings werden von allen Zuwanderern Kenntnisse der deutschen Sprache ver- langt. Diese sollten möglichst schon im

Herkunftsland erworben werden. Der Bund soll dies fördern. Die Integra- tionsangebote sollten verbessert und verbindlich gestaltet werden.

Die Empfehlungen der Kommission gehen durchweg erheblich über die Vorschläge hinaus, die bislang von den Parteien vorgelegt worden sind. Bis- lang hat nur die CDU/CSU ein Ge- samtkonzept für ein Gesetz vorgelegt, das eine arbeitsmarktorientierte Zu- wanderung zulässt, die durch Kontin- gente gesteuert und zunächst noch eng begrenzt werden soll. Die anderen Par- teien haben bislang nur Grundsätze und wenig präzise Eckpunkte vorge- stellt. Die SPD taktiert und will Zeit gewinnen. Kanzler Schröder und In- nenminister Schily suchen in dieser po- litisch brisanten Frage den Konsens mit der Union. Der scheint erreichbar zu sein. Die Union hat auf die Forderung nach Verschärfung des Asylrechts ver- zichtet; Missbrauch soll jedoch wirk- sam bekämpft werden. Die SPD ringt sich dazu durch, den Zuzug von auslän- dischen Arbeitskräften zu erlauben, wenn dafür ein Bedarf nachgewiesen werden kann und keine inländischen Arbeitnehmer verdrängt werden. Nach wie vor wünscht die Mehrheit der Bür- ger jedoch ein Einwanderungsgesetz, durch das der Zuzug von Ausländern erschwert wird; das gilt vor allem für die Anhänger der SPD. Der Kommissi- on kommt das Verdienst zu, sich von Überlegungen der politischen Oppor- tunität weitgehend gelöst und ein insgsamt plausibles Modell für Zu- und Einwanderung sowie für die Integrati- on der Ausländer vorgelegt zu haben.

Daran dürften künftig alle politischen Initiativen zu messen sein. Das Kon- zept der arbeitsmarktorientierten Zu- wanderung sieht wie folgt aus:

Zukunftssicherung

Qualifizierte Ausländer sollen den Wohlstand sichern helfen

Für Steuerung der Zuwanderung und Öffnung des Arbeitsmarktes – Integration als Ziel – Kommission drängt die Politik zum Handeln

Gut ausgebildete ausländische Arbeitskräfte haben eine gün- stige Integrations- prognose.

Foto: dpa

(2)

Die Kommission unterscheidet zwi- schen Zuwanderern, die auf eigene Ini- tiative nach Deutschland kommen wol- len, und Zuwanderern, die von Unter- nehmen und Institutionen angefordert werden. Letztlich wird allen Zuwande- rern die Perspektive eines dauerhaften Aufenthalts geboten, wenn sie sich über ein Punktesystem dafür qualifizieren.

Dieses Verfahren enthält auch Elemen- te der Mengensteuerung.

Kontingent von 20 000

Ein auf Dauer angelegtes Aufenthalts- recht, das mit einer allgemeinen Ar- beitserlaubnis verbunden ist, erhalten gut ausgebildete Arbeitskräfte mit ei- ner günstigen Integrationsprognose.

Für diese Gruppe wird im ersten Jahr nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes ein Kontingent von 20 000 Personen (ohne Familienangehörige) vorgegeben.

Die Auswahl wird anhand eines Punk- tesystem getroffen. Ohne Begrenzung können selbstständige Existenzgründer dauerhaft zuwandern, wenn sie eine tragfähige Geschäftsidee vorweisen.

Auch ist die Zuwanderung ausländi- scher Studenten erwünscht. Über deren Qualifikation entscheiden die Univer- sitäten. Nach Abschluss der Examen können diese qualifizierten Personen eine auf zwei Jahre befristete Aufent- halts- und Arbeitserlaubnis erhalten;

sie erhalten zudem die Chance, sich über das Punktesystem für den dauer- haften Aufenthalt zu bewerben.

Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, Arbeitsplätze mit deutschen Ar- beitskräften zu besetzen, können Aus- länder anwerben. Die Unternehmen brauchen aber nicht mehr in jedem Ein- zelfall den Bedarf nachweisen. Dieser wird entweder durch statistische Eng- pass-Diagnosen für bestimmte Berufe belegt oder von der Zahlung einer Ge- bühr in Höhe von etwa 15 Prozent des branchenüblichen Jahresgehalts abhän- gig gemacht. Damit soll der Sorge vor Verdrängungseffekten entgegengetre- ten werden. Der Aufenthalt dieser Zu- wanderungsgruppe wird auf höchstens fünf Jahre befristet und im ersten Jahr auf 20 000 Personen begrenzt. Den Un- ternehmen wird auch die Möglichkeit eröffnet, für freie Ausbildungsplätze jun-

ge Ausländer (Programm 18 Plus) anzu- werben. Zunächst wird ein Kontingent von 10 000 Auszubildenden vorgegeben.

Auch für diese wird der Aufenthalt be- fristet. Aber sowohl die in Deutschland ausgebildeten Jugendlichen als auch die „Engpass-Arbeitskräfte“ haben die Chance, sich über das Punktesystem ein zeitlich nicht begrenztes Aufenthalts- recht in Deutschland zu verschaffen.

Für Spitzenkräfte aus Wirtschaft und Wissenschaft gelten nach dem Kommis- sions-Modell solche Einschränkungen nicht. Für deren Zuwanderung wird keine Obergrenze vorgeschlagen. Das zunächst befristete Aufenthaltsrecht führt über ein Beschäftigungsverhältnis automatisch und ohne Begrenzung in ein Daueraufenthaltsrecht. Als Spitzen- kräfte gelten Personen, die mehr als das Doppelte der dynamischen Beitrags-

bemessungsgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung verdienen, was derzeit etwa 160 000 DM im Jahr ent- spricht. Wissenschaftler, die zuwandern, sollen von den Wissenschafts-Organisa- tionen ausgewählt werden. Alle von der Kommission vorgesehenen Kontingen- te, die knapp bemessen erscheinen und nach Ansicht der Wirtschaft von An- fang an großzüger bemessen werden sollten, beziehen sich nur auf das erste Jahr; sie sollen schrittweise erhöht wer- den. Für Asylbewerber und Flüchtlinge mit einer längeren Aufenthaltsperspek- tive soll der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Auch werden die Wartezeiten für die Aufnahme der Er- werbstätigkeit von Familienangehöri- gen verkürzt oder ganz abgeschafft. Das Arbeitskräftepotenzial dürfte also er- heblich stärker wachsen, als die Kontin- gente dies erkennen lassen.

Die Frage, ob und inwieweit die Ärz- teschaft von diesen Plänen betroffen werden könnte, ist allenfalls spekulativ zu beantworten, zumal niemand voraus- sagen kann, wie viele der in Frage kom- menden Ausländer nach Deutschland kommen wollen. Unterstellen kann man aber wohl, dass Ärzte mit Spezial- kenntnissen, die von Universitäten oder Kliniken angefordert und beschäftigt werden, kurzfristig eine dauerhafte Ar- beitserlaubnis erhalten. Auch werden sich ausländische Ärzte aus Nicht-EU- Ländern, die dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten wollen, über das Punktesystem Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt verschaffen können. Die Chance, in das stark regulierte deutsche Gesundheitssystem beruflich einbezo- gen zu werden, ist jedoch gering zu ver- anschlagen. Eher bieten sich Perspek- tiven für ausländisches Pflegepersonal an; hier bestehen schon jetzt personelle Engpässe. Darüber hinaus kann eine steigende Zuwanderung qualifizierter und jüngerer ausländischer Arbeits- kräfte in den nächsten Jahrzehnten da- zu beitragen, die Wachstumskräfte der Wirtschaft zu stärken und die Finanzla- ge der Gesetzlichen Krankenversiche- rung zu stabilisieren, was indirekt auch der Ärzteschaft zugute käme. Alles, was künftig den Rückgang der Erwerbstäti- genzahlen abbremst, mildert die wirt- schaftlichen Folgen des demographi- schen Prozesses. Walter Kannengießer T H E M E N D E R Z E I T

A

A1806 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 27½½½½6. Juli 2001

Punkte für die Einwanderung

Bewerber für ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und damit für die Einwanderung nach Deutschland sol- len nach einem Punktesystem ausgewählt werden, das maximal 100 Punkte als erreichbar vorgibt.

Mindestens 70 Punkte müssen erreicht werden.

Alter: 1 Punkt für jedes Lebensjahr unter 45;

höchstens 20 Punkte.

Ausbildung: Höchster erreichbarer Abschluss bis 30 Punkte.

Berufsabschluss je nach Ausbildungsdauer: 5 bis 20 Punkte,

Hochschul- oder Fachhochschulabschluss: 20 Punkte,

Zusätzlich 10 Bonuspunkte für:

– besondere Nachfrage der Abschlüsse am Ar- beitsmarkt,

– Abschluss nach deutschem Bildungssystem, – Promotion,

– Abschluss an einer besonders angesehenen Ausbildungseinrichtung.

Berufserfahrung und Zusatzqualifikation: höch- stens 15 Punkte.

Erfahrung im erlernten Beruf (höchstens 5 Jahre):

bis 10 Punkte, – EDV-Kenntnisse,

– Fremdsprachenkenntnisse (Drittsprachen), – Führungserfahrung.

Gute Deutschkenntnisse: bis 20 Punkte.

Weitere Integrationskriterien: bis 15 Punkte.

Qualifikation des Ehepartners: bis 5 Punkte, je Kind 2 Punkte, höchstens 5 Punkte,

Arbeitsplatz oder Arbeitsplatzangebot in Deutsch- land: 5 Punkte,

Bewerber, die sich bereits in Deutschland aufhal- ten oder das Land von früheren Aufenthalten her

kennen: 5 Punkte. Kg

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auslöser ist unter anderem das ökonomische Ungleichgewicht auch innerhalb der EU – die Mehrheit der Zuwandernden wie der in Deutschland lebenden Ausländer stammt aus

Lesebeispiel für Indien: Von den in Deutschland lebenden erwachsenen Indern sind 15,8 Prozent in der Industrie tätig, davon 48,2 Prozent auf Expertenniveau (akademische Tätigkeit

ESF-BAMF- Kurs Zulassung zum Integ- rationskurs möglich.. Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V. Aufenthaltsstatus Anmerkung Zugang zum Arbeitsmarkt/Ausbildung

Bitte zurückschicken an: DGB-Bundesvorstand, Bereich Bildung, Qualifizierung, Forschung, Thomas Giessler, Henriette- Herz-Platz 2, 10178 Berlin.. V.i.S.d.P: Matthias Anbuhl,

Es lässt sich somit festhalten, dass die Einkommen in Deutschland, die durch Marktprozesse gebildet werden, im Vergleich zu anderen entwickelten Ländern überdurchschnittlich

Zudem ist Fiskalpolitik nur glaubwürdig, wenn im Aufschwung Steuermehreinnahmen auch zum Defizitabbau einge- setzt werden - und nicht für Steuersenkungen. Statt

Das gesamte Bruttovermögen in Deutschland betrug im Jahr 2012 7,4 Billionen Euro und somit 500 Milliarden Euro mehr als 2002. Dieser Zuwachs lässt sich in erster Linie auf

Eine telefonische Umfrage der Bundespsycho- therapeutenkammer (BPtK) belegt, dass Personen, die sich aktuell oder früher psy- chotherapeutisch behandeln ließen, keine private