DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT LESERBRIEFE
STRUKTURREFORM
Zu dem Beitrag „KBV: Über- maß an Bürokratie — Strangulie- rung der Selbstverwaltung" in Heft 6/1988:
Reine Farce
Ich kann nicht verstehen, warum sich alle (ärztliche) Welt so darüber aufregt, daß nach den Blüm-Plänen pa- tientenbezogene Daten bei den Kassen gesammelt wer- den sollen. Erstens hat es das früher mit den Leistungsbö- gen schon mal gegeben, zwei- tens ist es im PKV-Bereich selbstverständlich und nie- mand bemüht dort das „in- formationelle Selbstbestim- mungsrecht", und drittens wird es nur so möglich sein, Leistungsmißbräuche der Pa- tienten zu kontrollieren. Ich kann von meinem augenärzt- lichen Bereich jedenfalls sa- gen, daß solche Mißbräuche an der Tagesordnung sind und zum Beispiel die Drei- jahresregel, innerhalb derer eine neue Brille nicht abgege- ben werden darf, eine reine Farce ist .. .
Dr. med. T. Gutzeit, Bayerischer Platz 9, 1000 Berlin 62
CHANCENGLEICHHEIT
Zu dem Beitrag „Mit Förder- plänen auf Stellenjagd" von Dr.
Harald Clade in Heft 7/1988:
Praktisch Arbeitsverbot
In der Anästhesiologie werden seit vielen Jahren un- verändert etwa 40 Prozent al- ler Arztstellen mit Frauen be- setzt. In den letzten Jahren habe ich insgesamt vier Um- fragen in den deutschen An- ästhesieabteilungen gemacht und bin unverändert zu die- sem Ergebnis gekommen
Leider haben die Landes- gewerbeärzte durch eine ex- treme Interpretation des § 4 des Mutterschutzgesetzes praktisch ein Arbeitsverbot für Ärztinnen in unserem Verantwortungsbereich er- lassen. Wir haben uns mit großem Nachdruck dafür ein- gesetzt, diese restriktive In-
terpretation aufzuweichen.
Drei Argumente werden von den Landesgewerbeärzten für ihr Verbot herangezogen:
die keimschädigende Wir- kung der Narkosegase, die Fruchtschädigung durch den Streß und die Infektionsge- fahr in unserem Tätigkeitsbe- reich. Der Berufsverband Deutscher Anästhesisten hat auf dem Zentraleuropäischen Anästhesiekongreß im Sep- tember in München einen Nachmittag diesem Thema gewidmet. Dabei wurden die
AUSLÄNDER
Zu den Leserbriefen „Verur- teilender Nationalismus" in Heft 48/1987 und „Legitim" in Heft 1/2/1988:
Willkür
In Heft 27/87 wird unter Bezug auf deutschsprachige Länder behauptet, ,,wie leicht und unkompliziert Arz- te miteinander auskommen"
— zu ergänzen wäre, solange man nicht im Nachbarland arbeiten will oder aus famili- ären Gründen muß.
Die Realität für uns (Schweizerin mit deutschem Arzt verheiratet, zwei fast er- wachsene Schweizer Kinder noch vor der Matura/Abitur in der Schweiz lebend) sieht folgendermaßen aus:
Mein deutscher Mann ist im Besitz der „Niederlas- sung", das heißt „unbefriste- te Aufenthaltsbewilligung C", das heißt seit mehr als 10 Jahren in der Schweiz (nicht zu verwechseln mit Nieder- lassung in freier Praxis). Laut zwischenstaatlichem Vertrag CH/BRD von 1953 ist er da- mit auf dem Arbeitsmarkt gleichberechtigt mit Schwei- zern für alle Tätigkeiten, die nicht Schweizer Staatsbür- gern vorbehalten sind (Gleichbehandlungsgebot be- ziehungsweise Diskriminie- rungsverbot). Unselbständi- ge ärztliche Tätigkeit ist nicht Schweizern vorbehalten.
Neuerdings behauptet der
„Rechtsdienst der FMH"
(Foederatio Medicorum Hel- veticorum) in der Schweizeri-
unterschiedlichen Argumen- te ausgetauscht; zu einer An- näherung sind wir nicht ge- kommen. Die Landesgewer- beärzte stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, in der Anästhesie, in der Intensiv- medizin, im Notarztdienst darf eine Frau vom ersten Tag der Schwangerschaft an nicht mehr eingesetzt wer- den.
Dr. med. E. Hauenschild, Krankenhaus Stade, Bremer- vörder Straße 111, 2160 Stade
schen Ärztezeitung, Heft 38, 1987, sinngemäß das Gegen- teil unter dem Titel „Zur Zu- lassung ausländischer Ärzte an Schweizer Spitälern".
Folgte man dieser Argumen- tation, daß nämlich schweize- risches Arztdiplom (gebun- den an die schweizerische Staatsbürgerschaft) Voraus- setzung auch für die ange- stellte ärztliche Tätigkeit sein soll, das oben erwähnte Nie- derlassungsabkommen also keine Anwendung findet, so wären deutsche Arzte in der Schweiz seit Jahrzehnten ille- gal tätig. Weiterhin würden Schweizer Spitäler im Deut- schen Ärzteblatt bis 1988 deutsche Ärzte für illegale Tätigkeiten in der Schweiz anwerben. Angeworben wer- den diese Ärzte, um wahr- scheinlich kurzfristig Löcher zu stopfen. Nach Auskunft von Chefärzten ist jedoch Devise, auf keinen Fall durch ununterbrochenen Aufent- halt Ansprüche auf Nieder- lassung (Ausländerausweis C) entstehen zu lassen.
Auf diesem Hintergrund gibt es seit Jahren behörd- liche Anweisungen an Chef- ärzte, keine Ausländer mehr einzustellen, auch wenn sie durch zwischenstaatlichen Vertrag („Niederlassung") Rechtsanspruch auf Gleich- behandlung haben. Inzwi- schen wird sogar für Praxis- vertretungen (siehe Inserate Schweizerische Ärztezeitung) das schweizerische Arztdi- plom verlangt, das heißt nur Schweizer als Praxisvertreter.
Diese zusätzliche Diskrimi-
nierung ist um so grotesker, als in der Schweiz schon Stu- denten (cand. med.) Praxis- vertretungen machen dürfen.
Das schweizerische Militär andererseits hat keine Be- denken bezüglich Diplom bei der Verwendung ausländi- scher Ärzte.
Die Willkür der Schweizer Behörden verunmöglicht seit Jahren ein halbwegs erträg- liches Familien- und Berufs- leben . . . Von der Hand in den Mund leben, Verhinde- rung der Facharztausbildung meines Mannes, ständig wechselnde Wohnsitze, da- durch auch Verunmöglichung einer festen Anstellung mei- nerseits, finanzielle Schädi- gung auf allen Sparten — all dies beeinträchtigt auch die Gesundheit.
Ob Dr. Scheibe auf ver- gleichbarem Erfahrungshin- tergrund „das demokratische Musterland Schweiz", wie er schreibt, als „Beispiel" hin- stellen würde?!
Name und Adresse sind der Redaktion bekannt.
DRUCKFEHLER
Zu dem „Gegenkommentar"
in Heft 10/1988 (Forum: „Fehl- schüsse mit Giftpfeilen"):
Aneignung
Der erste Satz des letzten Absatzes (Spalte 3) unseres Gegenkommentars muß lau- ten: „Nicht ‚Distanzierung', sondern die erst in der kriti- schen Distanz sich entwik- kelnde und faßbar werdende Notwendigkeit einer histori- schen Annäherung und An- eignung zum Zwecke der . . .". Im Drucktext fin- det sich Abneigung statt An- eignung. Die Unterzeichne- rinnen PD Dr. Johanna Ge- yer-Kordasch, Ph. D. und Karin Welsemann, M. A.
schreiben sich (wie im Manu- skript) richtig: PD Dr. Jo- hanna Geyer-Kordesch und Karin Weisemann, M. A.
PD Dr. med. Wolfgang Eckart, Institut für Theorie und Geschichte der Medizin, Waldeyerstraße 27, 4400 Münster
A-822 (6) Dt. Ärztebl. 85, Heft 13, 31. März 1988