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Erklärung.
Im 47. Bande dieser Zeitschrift S. 700 schreibt Herr 0. Mann
über meinen „Grundriss der neupersischen Etymologie" wie folgt:
„Wer deshalb (sc. weil der Verf bei der Material-Sammlung häufig
auf halbem Wege stehen geblieben ist, d. h. die gedruckt vor¬
liegende Pehlevi-Litteratur nicht voll und ganz benutzt, und von
der neupersischen Dialectlitteratur fast nur die Glossare, nie die
Texte selbst benutzt sind, welche, wie sich zeigen wird, noch
manche werthvolle Ausbeute geliefert hätten')) bei
eigenen Studien den „Grundi-iss' benutzen will, darf sich in keinem
Falle') die Mühe verdriessen lassen, das von H. gegebene Material
zunächst zu vervollständigen, und dann die Resultate sorgföltig zu
prüfen." Diese starke Behauptung hatte Herr 0. M. dadurch zu
beweisen , dass er bei den einzelnen Nummern , welche er be¬
spricht, zunächst die vermisste Vervollständigung selbst lieferte.
Was er aber in dieser Beziehimg anführt, ist ein wahrhaft kläglich
dürftiges Material : Für 29 besprochene Nummem wird eine
einzige dialeetische Form (kine) dazu gethan — die Weisheit
über „aou" (Wasser) ist für meinen Grundriss unnützer Ballast,
den ich durch die ausdrückliche Bemerkung von vom herein aus¬
geschlossen habe , nur solche dialeetische Formen anführen zu
O '
wollen , welche eine ältere Gestalt als die betr. schriftpersischen
Worte zeigen (S. XI), ebenso wie die Zuthat Herrn 0. M.'s von
tehemten, das jeder ABC-Schütze im Neupersischen aus Spiegel's
Chrestomathie kennen lemt (ich habe nirgendwo gesagt, dass ich
alle np. Composita aufnehmen wolle und habe so selbstverständliche
und durchsichtige wie tehemten gern weggelassen) — und ausser¬
dem fünf Pehleviwörter, wobei die werthvolle Bereicherang, dass
-pargantan , von mir aus dem Bund, belegt , auch im Men. vor¬
komme , noch mitgerechnet ist (ich habe nirgendwo versproehen,
wie ein Lexieon alle Belegstellen eines Pehleviwortes anführen zu
wollen ; übrigens ist es üblich , bei „ etwas aufmerksamerer und
grändlicherer Arbeit" Spiegel's Vendidät-Ausgabe nach Capiteln und
Versen, nicht bequem nach Seiten und Zeilen zu citiren, wie Herr
0. M. bei vällnitan thut). Mit diesem Material ist die „in keinem
Falle" unerlässliche Vervollständigung des meinigen abgethan !
Also ist doch durch meine Nichtbenutzung der dialectischen Texte
nichts Wesentliches versäumt, und ein Paar Pehleviformen, zumal so
]) Von mir gesperrt.
170 Horn, Erlclärung.
unwesentlicher Art, wie drei der von Herrn 0. M. erwähnten, darf,
wer kein mittelpersisches Lexieon schreibt, sich wohl ruhig nach¬
tragen lassen. Nach meinen Bemerkimgen über meine Stellung
zum Kurdischen S. X '), ist es blosse Papierverschwendung (wenn
auch nur in einer Anmerkung), zu bedauem, dass ich Socin-Prym's
Texte nicht gelesen habe; wamm hätte ich für den Grundriss der
neupersischen Etymologie nicht ebensogut ossetische, baluSische,
afghanische Texte lesen müssen? Die ganze Bemerkung über die
unterlassene Textlectüre kennzeichnet sich nach allem nur als eine
Bemühung, etwas zu tadeln.
Doch weiter ! • Salemann hat mir ja im Literar. Centralblatte
„mangelnde philologische Vorbildung auf neupersischem Gebiete"
vorgeworfen. Sein nicht gerechtes Verfahren, aus den von ihm
nachgewiesenen neupersischen Plüchtigkeiten und Versehen, die
ich selbst sehr bedauerlich finde ^) , die aber den Kem meines
Buches, die Etymologieen und die sprachlichen Sammlungen doch
nicht berühren, sein Verfahren, aus diesen eine allgemeine Un¬
sicherheit der np. Angaben und Resultate meines ganzen Buches ab¬
zuleiten — ein Nichtiranist muss nach Salemann's Recension sich
bedenklich fragen, ob nicht jedes persische Wort meines Buches
möglicherweise falsch ist — wird von Herrn 0. M. copirt und
weit übertrieben. Ausser einer Conjectur über den Diehter Abu'l
Khair bringt Herr 0. M. aber nur die nämlichen Versehen
wie Salemann vor, kein einziges anderes. Hat er also
selbstständig nur dasselbe wie dieser gefunden, so liegt darin doch
ein Beweis, dass anderes derartiges nicht vorhanden ist, sonst wäre
das Zusammentreffen zu eigenthümlich, und das Misstrauen gegen
mein Buch muss damit eine Grenze haben; anderenfalls hat Herr
0. M. Salemann bloss nachgeschrieben , oder wie er es allerdings
ausdrückt „den Warnungsraf wiederholt". Und Herr 0. M. be-
schi-änkt sich ja auch sonst darauf, die „ausserordentlich sach¬
gemässen" etc. Urtheile anderer über mich zu wiederholen, ohne
selbst zu deren Stütze etwas Neues beizubringen. Herr 0. M. ist
aber noch nicht die Autorität, die der Wissenschaft dadurch einen
Dienst leistet, wenn sie ohne eigene Leistung, die Meinungen anderer
wiederholend, in der ZDMG. Warnungsrufe ertönen lässt.
Die Priorität in der (verbesserten) Erklärung von np. zinhär
räume ich Herrn Dr. Andreas gern ein, wenn er dieselbe in Ansprach
nimmt; seines Vorganges war ich mir nicht bewusst, sonst würde
ich dieses ausdrücklich bemerkt haben. Paul Horn.
1) Ich sage dort: „In Bezug auf das Kurdische sind meine Annahmen üher Entlehnungen durchaus subjectiv; eigene Studien habe ich über diese Sprache nicht gemacht (Socin-Prym's kurdische Texte habe ich leider nicht
■durchlesen können) u. s. w." Und darauf hin bedauert Herr O. M.
2) Zu Salemann's Kritik habe ich neben KZ. 33, Anm. hier nur wegen ihrer Benutzung durch Herrn O. M. nochmals Stelinng genommen.
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QueUenuntersuchungen zur Haikäi^eschichte.
Von Bnmo Meissner.
Es hat von jeher das Interesse der Porscher geweckt, den
weiten Wanderungen der Märchen der verschiedenen Völker nach¬
zugehen und sie auf ihren Ursprung zurückzuführen. Ein grosses
Arbeitsfeld für derartige Studien bietet die arabische Märcheu¬
sammlung „Tausend und eine Nacht", deren Erzählungen zum
geringen Theile rein arabisch, sondem aus allen vier Winden zu¬
sammengeweht sind. Dass auch die bekannte Geschichte vom weisen
Haikär und seinem Neffen Nädän nicht vereinzelt in der Welt¬
litteratur dastehe, ist eine seit langem bekannte Thatsache. Schon
Assemani (B. 0. IH, 1, 286) sagt: De Hicaro eadem fere nar-
raräur, quae de Aesopo Pkryge, und nach ihm haben eine Menge
Gelehrter (die Uebersetzer von Tausend imd eine Nacht, Zün del,
Wagener, Keller) jedenfalls unabhängig von dem Altmeister
der syrischen Wissenschaft die Identität der Haikärgeschichte mit
dem zweiten Theile der sogenannten planudischen Aesopbiographie
erkannt. Ueber das Verhältniss beider Versionen zu einander da¬
gegen herrscht noch nicht völlige Uebereinstimmung: einige sehen
den arabischen Bericht für den originellen an, andere den griechischen.
In neuester Zeit ist zu diesen Prägen neues Material hinzugekommen,
da sich in einigen Bibliotheken handschriftlich die syrische Be¬
arbeitung der Haikärlegende gefunden hat , die , wie man sehen
wird, für die Beantwortung der eben berührten Fragen von grosser
Bedeutung ist. Um hier klar urtheilen zu können , ist es nöthig,
den Inhalt der drei Versionen dieser Geschichte kurz anzugeben.
L
Die arabische Version der Haikftrgeschichte ist publicirt von
§ftlhänl in Contes arahes (S. 1—20). Der Uebersetzer von
Tausend und eine Nacht (Bd. 13, 86 ff.) hatte im grossen und ganzen
denselben Text vor sich. Ebenfalls „denselben Text, wie Säl häni,
aber natürlich mit vielen kleinen Varianten" (Mittheüung Nöldeke's)
bietet die karschunische Handschrift Stz. 341 der Gothaischen Hof-
Bd. XLVIII. 18
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