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Archiv "Karzinomserie: Paraneoplastische Syndrome der Haut" (12.01.1978)

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ÄRZTEBLATT

Heft 2 vom 12. Januar 1977

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

KARZ1NOMSERIE:

Paraneoplastische Syndrome der Haut

Joachim J. Herzberg

99

Jeder Arzt in Klinik und Praxis sollte sich beständig bewußt sein, daß es Zeichen auf der Haut gibt, die das Vorhandensein ei- ner viszeralen malignen Ge- schwulst andeuten, das auch dann, wenn sonst keine Sympto- me vorliegen. Paraneoplasien besitzen neben ihrer prognosti- schen Signalfunktion, die der ei- gentlichen Tumorsymptomatik um Jahre vorauseilen kann, auch Aussagekraft bezüglich Ge- schwulstart und -lokalisation.

Aus der Hautklinik am Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße, Bremen (Direktor: Professor Dr. med. Joachim J. Herzberg)

I-

Von den 44 bis jetzt bekannten paraneoplastischen Syndromen - es gibt auch neurologische, hämatologische, endokrinologische und andere Paraneoplasien - sind einige so eng mit der Existenz der viszeralen Geschwulst verknüpft, daß man sie als fast tumorspezifisch bezeichnen kann! Ihr Auftreten weist zwingend auf ein Malignom hin.

Die enge Beziehung zwischen der paraneoplastischen Hautverände- rung und dem viszeralen Tumor ergibt sich daraus, daß die operative, radiologische oder zytochemische Beseitigung der Geschwulst zur spontanen Rückbildung der Dermatose führt. Das Wiederauftreten der Hauterscheinungen kündet das Rezidiv und/oder die Metastase an. - Paraneoplasien besitzen außer dieser Signalfunktion, die der eigentli- chen Tumorsymptomatik um Jahre (!) als Erstsymptom vorauseilen kann, aber auch eine Bedeutung in prognostischer, tumorlokalisie- render, die Geschwulstart vorankündigender Hinsicht. Man kann am Verlauf der tumorindizierten Dermatose auch die therapeutische Wirksamkeit der angewandten Maßnahmen kontrollieren. Letztlich ist die Klassifikation der Dermatose unter bestimmten Voraussetzungen bei blasenbildenden kutanen Paraneoplasien möglich. Dieses weite Spektrum sollte ärztlicherseits nicht ungenutzt bleiben!

Es haben sich wenige, einsame, aber besonders hartnäckige oder besessene Rufer in der Wüste so lange bemerkbar gemacht, bis je- dem Arzt die Existenz paraneoplasti- scher Syndrome klargeworden ist (And reev, Belisario, Braverman, Cormia und Domonkos, Curth, Herz- berg, Moschella, Newbold, Roberts, Storck). Einschlägige Krankheitsde- monstrationen fehlen heute auf kei- nem dermatologischen Kongreß der Welt.

Es muß den Arzt in Klinik und Praxis erfreuen und anregen, daß es Zei- chen auf der Haut - und nicht nur dort - gibt, welche das Vorhanden- sein einer viszeralen malignen Ge- schwulst anzeigen, auch und gerade dann, wenn andere Symptome fehlen.

Soweit auch die Technik die Medizin beherrscht, es gibt keine so sichere

„Krebsreaktion" wie etwa die Acan- thosis nigricans maligna, das Ery-

(2)

Abbildung 1:

65jähriger Mann, Hypertrichosis lanuginosa acquisita bei metastasiertem Karzinom der Gallenblase, aufgetreten etwa vier Monate vor dem Tode Paraneoplasien

thema gyratum repens Gammel oder andere kutane Paraneoplasien.

Es ist wohl selbstverständlich, daß man sich schon lange nicht mehr mit der Signalfunktion dieser Syn- drome allein beschäftigt. Seit den Arbeiten von Rothman, 1925, stehen jene Mechanismen zur Debatte, wel- che vom Tumor ausgehend, die pa- raneoplastischen Dermatosen her- vorrufen.

Die derzeit im Vordergrund aller Dis- ziplinen stehende Immunologie hat einen weiteren Schritt ermöglicht, nämlich eine Art Rückblende auf das immunologische Profil des Tumors.

Da es kutane Immunopathien mit Nachweis von Autoantikörpern und entsprechenden Fluoreszenzphäno- menen am ens morbi gibt, welche sozusagen „spontan" auftreten und identische Dermatosen, die tumorin- duzierte Paraneoplasien sind, kann man sowohl auf den pathogeneti- schen Mechanismus der Hautkrank- heit schließen als auf Stoffe, Antige- ne oder Reaktionprodukte, die bei der Auseinandersetzung zwischen Wirt und Geschwulst entstehen. Da- durch gewinnt man einen Einblick

Tabelle 1: Gruppe 1 — fast tumorspezifische kutane Paraneoplasien

Bezeichnung Klinisches Stichwort Erstsymptom Tumorart und Prognose Lokalisation

1. Acanthosis nigri- Baumrindenhaut in 17% 86,4% intraabdominale schlecht

cans maligna intertriginös Adenokarzinome,

9% Bronchialkarzinome 2. Paraneopla- diagnostisch nicht ein- häufig Karzinom des hinteren gut

stische zuordnende akrale, ent- Rachenraums, der Zun- Akrokeratose zündliche Keratose ge, der Tonsille, des

(Bazek et al.) Kehlkopfes

3. Erythema gyra- Zebrahaut häufig Geschwülste aller Art schlecht tum repens

(Gammel)

4. Tylosis 2 Großfamilien mit 70% nicht Ösophaguskarzinom schlecht palmo-plantaris Karzinomträgern, wenn

(Howel- Hyperkeratose vorhan-

Evans- den

Syndrom)

5. Akquirierte lanu- Haarmensch nicht Karzinome aller Art schlecht ginöse Hypertri-

chosen

60 Heft 2 vom 12. Januar 1978

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildungen 2a und 2b (oben): 58jähriger Mann, Erythema gyratum repens Gammel bei Bronchialkarzinom

Abbildungen 3a und 3b (unten): 69 Jahre alter Mann mit generalisier- ter, nicht klassifizierbarer. psoriasiformer Dermatose, die an einzel- nen Stellen einem Morbus Duhring-Brocq, an anderen wieder einer dysseborrhoischen Dermatitis ähnelt. Verstorben an metastasiertem Bronchialkarzinom. Auftreten der paraneoplastischen Dermatose als.

Spätsymptom

L

in die immunologischen Verände- rungen, die vom Tumor ausgehen.

Es ist keineswegs so, daß jeder bös- artige, viszerale Tumor ein paraneo- plastisches Syndrom induziert. Im Gegenteil, der relativ großen Zahl von Menschen mit viszeralen Mali- gnomen steht nur eine verschwin- dend kleine Anzahl mit paraneopla-

stischen Syndromen, zum Beispiel auf der Haut, gegenüber. Neben der besonderen Wirt-Geschwulst-Bezie- hung müssen daher noch andere Faktoren wirksam werden, damit sich eine Paraneoplasie überhaupt entwickeln kann. Zu nennen wären unter anderem genetische, konstitu- tionelle oder personale Momente sowie unbekannte Faktoren. Dem

entspricht einmal, daß ein und die- selbe Tumorart verschiedene kutane paraneoplastische Syndrome her- vorrufen kann, ja, es besteht sogar die Möglichkeit, daß multiple primä- re Geschwülste nacheinander unter- schiedliche Paraneoplasien provo- zieren, auch wenn es sich jeweils um Neoplasien des gleichen Gewebes handelt. Umgekehrt können so diffe-

(4)

Bezeichnung Klinisches Stichwort Erstsymptom Tumorart und Lokalisation

Prognose

wie generalisierte nicht Impetigo

Hyper- und nicht

Depigmentierung

trauriger Blick, Patien- nicht so ten über 40 Jahren selten Erythema exsudativum nicht so multiforme, nodosum, selten centrifugum

Reibeisenhaut, im be- häufig haarten Bereich Haare

abgebrochen

Skleromyxödem häufig (Arndt-Gottron),

Pyoderma gangraeno- sum, Amyloidablage- rungen, Pseudosklero- dermie, Kryoprotein- ämie, eruptive und plane Xanthome Rothaut mit Schuppung

Papulovesikel auf urti- karieller Basis (Prurigo simplex subacuta) Juckreiz führt wegwei- send zum Tumor immunologischer Defekt

dichte, oft großbullöse Blasenaussaat weit über das befallene Segment hinaus

nekrotisierende, hämorrhagische Bläschen, Arthusphänomen plötzlich aufgetretene Alterswarzen

Hautreaktion bei syste- matisiertem karzinoge- nem Prozeß mit Realisa- tionsfaktoren: Licht, Trauma und Arsen

Karzinome, Plasmozytom

40% kleinzellige Lun- gen-, 20% Thymuskarzi- nome, 10 bis 15% Pan- kreaskarzinome, Mela- nozytoblastome Genitalkarzinome, Magen- und Mammakarzinome Geschwülste aller Art

Mycosis fungoides, schlecht Retikulose

Gamma-G- und Gam- nicht ma-A-Plasmozytom ungünstig

Retikulosen, Leukosen, schlecht Morbus Hodgkin, selte-

ner Karzinome

Morbus Hodgkin schlecht

Geschwülste aller Art, nicht Morbus Hodgkin ungünstig Thymuskarzinome schlecht

lymphatische Leukose, schlecht Morbus Hodgkin

Geschwülste aller Art

Karzinome aller Art

Lungenkarzinome Ichthyotische nicht Morbus Hodgkin, Reti-

und keratotische kulosen, Leukosen

Hautveränderungen

Blasen und Bläschen in 50% Geschwülste aller Art auf der Haut

20. Multiple seborrhoische Keratosen

(Leser- Trelat- Syndrom) 21. Multiple Bo-

wen-Karzinome

schlecht

nicht immer schlecht nicht ungünstig

schlecht

schlecht

häufig

häufig

häufig 50%

nicht

häufig

häufig

häufig 6. Akquirierte

Ichthyosen und Keratosen 7. Blasen- und

bläschenbildende Dermatosen 8. Subkorneale

Pustulose (Sneddon- Wilkinson) 9. Pigmentver-

schiebungen

10. Dermatomyositis

11. Figurierte Erytheme 12. Follikuläre, pa-

pulöse Muzinose 13. Paraneopla-

stische Erschei- nungen beim Plasmozytom

14. Erythrodermien

15. Lichenoide Dermatitis 16. Pruritus 17. Generalisierter

Pilz- und Hefebefall 18. Herpes zoster

generalisatus

19. Vasculitis hyper- ergica cutis

Tabelle 2: Gruppe II — auf kutane Paraneoplasien verdächtige Dermatosen

62 Heft 2 vom 12. Januar 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Tabelle 3: Gruppe III — Hautveränderungen, die durch viszerale Malignome provoziert sein können Bezeichnung Klinisches Stichwort Erstsymptom Tumorart und Prognose

Lokalisation 22. Naevus unius

lateris (epidermales Naevussyndrom)

23 Pachydermo- periostosis acquisita 24. Dyskeratosis

congenita 25. Gardner-

Syndrom 26. Epidermolysis

bullosa acquisita 27. Thrombophle-

bitis migrans (Trousseau- Syndrom) 28. Pfeiffer-

Weber- Christians- Syndrom 29. Polyarthritis,

Pannikulitis mit Bluteosinophilie

bizarre, halbseitige, häufig warzige Hautverände-

rungen neben Organ- fehlbildungen und gut- artigen Hautgeschwül- ste n

Haut- und Weichteilver- nicht dickungen

Unterentwicklung der häufig Nägel, Leukokeratosen

Polyposis coli, multiple häufig benigne Hautge-

schwülste

Druckblasen nicht

kleine, segmentförmige, nicht springende, oberfläch-

liche Venenentzün- dungen

febrile, schubweise, ver- nicht flüssigende Fettge-

websentzündung

knotige Fettgewebsent- nicht zündung

Osophagus-, Mamma- und Prostatakarzinome

Lungenkarzinome

Karzinome der Mundhöhle Kolonkarzinom

Retikulosen

Pankreaskarzinome, schlecht Lungenkarzinome

Pankreaskarzinome schlecht

Karzinome des ekkrinen schlecht Pankreasparenchyms

rente Geschwulstarten wie Karzi- nom und Sarkom, sofern sie als mul- tiple primäre Tumoren auftreten, je- desmal gleichartige Paraneoplasien erzeugen. Letztlich gibt es kein vis- zerales Malignom, das stets, häufig oder auch nur überzufällig oft para- neoplastische Syndrome aufweist.

Es gibt auch keine kutane Paraneo- plasie, die absolut tumorspezifisch ist.

Eine hohe Tumorspezifität besitzen folgende kutane paraneoplastische Syndrome: Die Acanthosis nigricans maligna, die Akrokeratose (Bazex et al.), das Erythema gyratum repens Gammel, die Tylosis palmoplantaris im Rahmen des Howel-Evans-Syn- droms und die akquirierte Hypertri- chosis lanuginosa.

Die klinische Beobachtung lehrt, daß einem Teil der kutanen Para- neoplasien außer der Signal- noch weitere Aussagefunktionen zukom- men: Prognose, Hinweise auf Tu- morlokalisation und -art und Klassi- fikation der Dermatose, sofern es sich um blasenbildende kutane Pa- raneoplasien handelt.

Gelegentlich werden unter Paraneo- plasien auch die Hautmetastasen von viszeralen Malignomen ange- führt. Dies erscheint uns unzulässig.

Wir definieren mit Delacrätaz, daß es sich bei den Paraneoplasien (es gibt kutane, hämatologische, endokrine, artikuläre) um nichtmetastatische Manifestationen handelt, die an die Existenz eines malignen viszeralen Tumors oder einer anderen viszera- len Neoplasie (Retikulose, Leukose, Morbus Hodgkin) gebunden sind.

Die enge pathogenetische Bezie- hung zwischen Tumor und Dermato- se ist daran zu erkennen, daß die Hauterscheinungen spontan ver- schwinden, wenn die Geschwulst durch operative, radiologische oder zytochemische Eingriffe beseitigt ist. Das Wiederauftreten der Derma- tose und/oder einer anderen Para- neoplasie zeigt das Tumorrezidiv oder die Metastase an.

Die Beobachtung von jahre- bis jahrzehntelangen Latenzzeiten zwi- schen dem Auftreten von bösartigen Geschwülsten auf präexistenten, präblastomatösen Hautveränderun-

gen ist in der Dermatologie nichts Ungewöhnliches, siehe etwa die Entwicklung eines malignen Mela- noms auf Lentigo maligna. Jedoch zeigen Beispiele gerade bei den ku- tanen paraneoplastischen Syndro- men, daß wir in der Tumorbiologie noch vieles zu erforschen haben. Im eigenen Krankengut lag eine Zeit- spanne von 25 Jahren zwischen der Ersterscheinung einer paraneopla- stischen subkornealen Pustulose und dem diese seltene Hautkrank- heit auslösenden Plasmozytom. Die von Sneddon und Wilkinson be- schriebene, sonst absolut gutartige Dermatose rezidivierte unentwegt, war mit keinem der bekannten The- rapeutika zu beeinflussen. Erst die Aufdeckung des Plasmozytoms und dessen zytostatische Beeinflussung brachte die subkorneale Pustulose sofort zum Schwinden. Die Wirk- samkeit verschiedener Zytostatika auf das Plasmozytom konnte am Wiederauftreten oder an der Unter- drückung der Hautveränderungen festgestellt werden! Insofern haben die Paraneoplasien auch noch ande- re als die beschriebenen Funk- tionen.

(6)

nicht

nicht nicht

nicht

nicht nicht immunologische Phä- häufig nomene wie beim aku-

ten Erythematodes

himbeerfarbene Lichen- nicht papeln mit Blasen

mechanische Bullosis der Hände

Karzinome

Geschwülste im parare- nalen und paravertebra- len Raum, Sympathiko- blastome, Kraniopha- ryngeome

Karzinome mit Leber- schlecht metastasen

Weißflecken

auf Reibung und Wärme rot anschwellende Pa- peln

überwiegend Koagulo- pathien

Petechien, Ekchymosen

entzündliche Knoten in der Haut, Purpura Syndrom der verbrüh- ten Haut

blaßrote lnfiltrate der Haut

multiple Talgdrüsenge- häufig schwülste

Karzinome

Adeno-Karzinome des weiblichen Genitale Prostatakarzinome, Ge- nitalkarzinome der Frau

Prostatakarzinome mit schlecht Metastasen

Karzinome aller Art Retikulosen und Plas- mozytome

Karzinome aller Art, Leukosen

Karzinome günstig

1

Tabelle 4: Gruppe IV — seltene Paraneoplasien und Syndrome der groupe d'attente

Bezeichnung Klinisches Stichwort Erstsymptom Tumorart und Lokalisa- Prognose tion

30. Lupus erythema- todes subacutus 31. Lichen ruber

pemphigoides

32. Paraneopla- stische

Porphyria cuta- nea tarda 33. Vitiligo 34. Urticaria

pigmentosa 35. Purpurische

Phänomene 36. Akutes defibri-

nogenes Syn- drom

37. Periarte- riitis nodosa 38. Epidermale

Nekrolysis (Lyell) 39. Lymph-

adenosis cutis benigna 40. Bakker-

Joe- Syndrom 41. Multiple Retiku-

lohistiozytome 42. Bloom-Syndrom

43. Cowden- Syndrom

44. Nekrotisieren- des, migrieren- des Erythem

Papeln, Knoten, destru- Karzinome ierende Arthritis

blaurote Erytheme des Spät- akute Leukämie Gesichtes, Photosensi- Symptom

bilität, Pigmentstörun- gen, Zwergwuchs

Vogelgesicht, adenoide stets Brustkrebs Fazies, hyperkeratoti-

che Papeln im Lippenot, Brusthautveränderun- gen

wie Bezeichnung gelegentlich Alpha-Zell-Karzinom des Pankreas

schlecht

schlecht

Rein empirisch wissen wir, daß man- che paraneoplastische Syndrome mit einer schlechten bis infausten Prognose einhergehen, so die Acan- thosis nigricans maligna, das Trous- seau-Syndrom, der Zoster generali- satus bei Leukose oder Morbus Hodgkin, die akquirierte lanuginöse Hypertrichose u. a. Andere wieder, besonders die eigentümliche Akro- keratose von Bazex et al., sind mit einer günstigen Prognose versehen,

da es durch die Hautveränderungen, die Erstsymptom sind, gelingt, früh- zeitig Karzinome des hinteren Ra- chenraumes, der Tonsille, des Kehl- kopfes oder der Zunge zu entdecken und zu beseitigen. Die günstige Pro- gnose kann aber auch in der Ge- schwulstart liegen, wie beim Bak- ker-Joe-Syndrom, wo selbst multi- ple, primäre, viszerale Karzinome ei- nen günstigen Krankheitsverlauf nicht zu stören scheinen.

Der nicht viel weniger wichtige Tu- morsitz bei bis dahin okkultem vis- zeralem Malignom wird vorausbe- stimmt bei der Acanthosis nigricans maligna, bei welcher man in 86,5 Prozent aller Fälle ein Karzinom im Bauchraum und bis zu 9 Prozent im Bronchialbaum findet. — Die Akroke- ratose weist Karzinome im hinteren Rachenraum auf. Das Karzinom beim Howel-Evans-Syndrom sitzt im Ösophagus. Auch die Pankreaskar-

64 Heft 2 vom 12. Januar 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Paraneoplasien

zinome sind durch eine Anzahl von kutanen Paraneoplasien besonders gekennzeichnet: etwa die Throm- bophlebitis migrans (Trousseau- Syndrom), das Pfeiffer-Weber-Chri- stians-Syndrom, die Polyarthritis- Pannikulitis mit Bluteosinophilie u.

a. mehr.

Die Art der Geschwulst wird be- kanntgegeben durch folgende kuta- ne paraneoplastische Syndrome:

akquirierte lchthyosen und Kerato- sen sowie der Zoster generalisatus sind gehäuft verknüpft mit Retikulo- sen, Leukosen oder Morbus Hodg- kin. Bei der Acanthosis nigricans maligna findet man überwiegend Adenokarzinome. Die Akrokeratose von Bazex, das Howel-Evans-Syn- drom weisen Karzinome auf. Das Acinus-cell-Karzinom des ekkrinen Pankreasparenchyms wird durch das Syndrom Polyarthritis-Panniku- litis-Bluteosinophilie umschrieben.

Die follikulären Mukinosen findet man weit überwiegend bei Erkran- kungen, die zur Lymphoma-Gruppe gehören. — Blasenbildende Derma- tosen, die als kutane Paraneoplasien entstanden sind, haben fast stets ei- ne subbasale Klivage, sie gelten als bullöse Pemphigoide oder gehören zur Dermatitis herpetiformis Duh- ring-Brocq-Gruppe und sind damit histologisch und von der Einteilung her vorausbestimmt.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß sowohl zur Entstehung wie zur Aus- prägung einer kutanen Paraneopla- sie mehr gehört als nur das viszerale Malignom und die zur Reaktion be- reite Haut. Manche, keineswegs alle dieser Syndrome weisen auf geneti- sche und konstitutionelle Faktoren, wenn es sich etwa um die akquirier- ten Ichthyosen oder Keratosen han- delt. Andere wieder lassen an be- sondere immunologische Voraus- setzungen denken, zum Beispiel die Dermatomyositis, der subakute Lu- pus erythematodes, die paraneopla- stische Sklerodermie und die vielen Erytheme als paraneoplastische Zei- chen. Letzten Endes können perso- nale und hochwahrscheinlich unbe- kannte Faktoren in der Genese der so interessanten Phänomene einer Interaktion zwischen Tumor und

Haut nicht übersehen werden. Es handelt sich dabei sicher um ein multifaktorielles Geschehen, wel- ches in allen Einzelheiten abzuklä- ren sicher noch viel Mühe und Arbeit auf sich ziehen wird.

Völlig ungeklärt sind pathogeneti- sche Mechanismen, die kutane para- neoplastische Syndrome erzeugen, welche dermatologisch nicht zu klassifizieren, nicht einer bestimm- ten Dermatose zuzuordnen sind.

Man hat manchmal den Eindruck, daß die Hinzuziehung von geneti- schen, konstitutionellen oder perso- nalen Faktoren bei der Ausprägung der tumorinduzierten Hautkrankhei- ten mehrere Dermatosen über- und ineinander in ein nicht deutbares Bild kopieren (siehe Abb. 3).

Mit der Definition von Delacrätaz wird nicht nur die Mikrokolonisation viszeraler Malignome in die Haut als kutane Paraneoplasie ausgeschlos- sen; es fallen dieser notwendigen Abgrenzung auch der Morbus von Recklinghausen, das Adenoma se- baceum mit je etwa 5 Prozent sarko- matöser Entartung vorbestehender gutartiger neurogener Geschwülste zum Opfer, wie das Peutz-Touraine- Jeghers-Syndrom, bei welchem die äußerst seltene neoplastische Abar- tung der Darmpolypen nicht aus- reicht, dieses Syndrom hier anzu- führen. Die beim Peutz-Touraine- Jeghers-Syndrom typische Pigmen- tierung und die Polypen als Hamar- tome des Dünndarms sowie anderer Schleimhäute sind Zeichen für ein gemeinsames nosogenetisches Prinzip, und so einfach liegen leider die pathogenetischen Beziehungen zwischen einem viszeralen Mali- gnom und einer kutanen Paraneo- plasie nicht.

Das gleiche gilt für die virile Überbe- haarung bei Frauen mit einem An- drogene produzierenden Tumor des Ovars (Symptom). Dagegen kann man das gleiche Symptom als endo- krine Paraneoplasie deuten, wenn es durch einen Oat-cell-Tumor des Bronchialbaumes zur Ausbildung ei- nes Hyperkortizismus kommt, in dessen Rahmen unter anderem eine

Hypertrichose vom männlichen Typ auftreten kann.

Schon vor acht Jahren haben wir aus didaktischen Gründen die Fülle der kutanen paraneoplastischen Syndrome unterteilt in solche, die eine besonders enge Beziehung zu der die Hauterscheinungen auslö- senden Geschwulst haben und an- dere, bei denen die Bindung nicht so eng ist: Erstere befinden sich in der Gruppe I (fast tumorspezifische ku- tane Paraneoplasien) und Gruppe II (auf kutane Paraneoplasien ver- dächtige Dermatosen). In der Grup- pe III werden jene Paraneoplasien aufgeführt, welche den behandeln- den Arzt zumindest daran denken lassen sollen, daß ein viszerales Ma- lignom die Hautveränderungen pro- vozieren könnte. In der Gruppe IV sind die seltenen kutanen Paraneo- plasien aufgezählt und solche Syn- drome, die noch zur groupe d'atten- te gehören.

Dem Nichtdermatologen sollen bei- gegebene Tabellen mit jeweils ei- nem Stichwort für das Aussehen der Dermatose die nicht zu speziali- stisch _belastete Übersicht über das geben, was heute an kutanen para- neoplastischen Syndromen bekannt ist.

Literatur

Cormia F. E., Domonkos, A. M.: Cutaneous reactions to internal malignancy. The Med.

Clin. North Amer. 49 (1965) 655-680 — Curth, H.

0: Cutaneous manifestations associated with internal malignant deseases. Dermatology in General Medicine, Ed. T. B. Fitzpatrick et al., McGraw-Hill Book Comp. New York, 1561- 1580 (1971) — Herzberg, J. J.: Cutane paraneo- plastische Syndrome, G. Fischer Verlag, Stutt- gart (1971)— Newbold, P. C. H.: Skin markers of malignancy, Arch. Derm. Chicago, 102 (1970) 680-692 — Storck, H.: Kutane paraneoplasti- sche Syndrome, Med. Klin. 71 (1976) 365-372

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Joachim J. Herzberg

Kliniken der Freien Hansestadt Bremen

Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße Dermatologische Klinik 2800 Bremen

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