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Archiv "Paraneoplastische Syndrome" (16.03.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

Paraneoplastische Syndrome

Eine Übersicht der in Darm und Pankreas lokalisierten, hormonal aktiven Tumoren nach dem soge- nannten APUD-Konzept von Frie- sen u. a. (APUD = Amine precur- sor uptake and decarboxylation) ist in Heft 28/1982*) erschienen.

In dieser zweiten kurzen Über- sicht soll — unter Aussparung der 1982 dargestellten Syndrome — die heutige Situation bei den pa- raneoplastischen Syndromen als Gesamtheit behandelt werden.

Definition

Unter paraneoplastischen Syn- dromen versteht man die ektopi- sche Bildung von Hormonen (meist Proteohormonen oder hormonal wirksamen unphysiolo- gischen Polypeptiden) durch Tu- moren oder ihre Metastasen. Sie können an anderen Organen mehr oder minder typische Ver- änderungen der Funktion und/

oder der Morphologie hervorru- fen. Wichtig ist dabei der Begriff

„ektopisch": Das hormonal wirk- same Peptid darf nicht ohnehin im betroffenen Organ gebildet werden (entopisch), selbst wenn sich im Tumor mehr hormonal aktive Substanz nachweisen läßt als in benachbarten normalen Drüsengeweben (siehe z. B. die sogenannten „heißen Knoten"

der Schilddrüse oder Insulinome des Pankreas, die nicht zu den paraneoplastischen Syndromen gerechnet werden). Dabei kann es durchaus vorkommen, daß ne- ben dem organtypischen Hormon auch andere, nicht organspezifi- sche „Hormone" gebildet wer- den. In diesem Fall liegt ein pa- raneoplastisches Syndrom vor.

Unter dem Einfluß von Tumor- produkten können auch andere, normale endokrine Drüsen zu gesteigerter Produktion angeregt werden. Tagnon (9)**), einer der besten europäischen Kenner von Paraneoplasien, erwähnt sie als

„releasing factor-ähnliche Aktivi- tät des Tumors".

Diese Definitionen zeigen schon, wie schwierig die Abgrenzung im Einzelfall sein kann. Eine klare Trennung wäre aber der Erkennt- nis der paraneoplastischen Syn- drome dienlich.

Es ist Mode geworden — und dar- in liegt die klinische Überschät- zung der Häufigkeit — bei be- kanntem Tumor und schwer er- klärbaren Allgemeinerscheinun- gen eine Polyneuropathie, eine Dermatose, als „paraneoplasti- sches Syndrom" zu klassifizie- ren, ohne daß der entsprechende Hormonnachweis im Blut oder Urin oder Tumorgewebe geführt worden wäre. Dabei wird überse- hen, daß gerade in der inneren Medizin sehr häufig zweite und dritte Erkrankungen vorkommen.

Den vordergründigen Deutungen sollte in jedem Fall die Bestim- mung der hormonalen Aktivität im Blut oder Urin folgen.

Auch sollten in unserer Sicht Fol- gen von Metastasen (etwa am Skelett), Kachexie, Hyperviskosi- tätsyndrome bei den ohnehin Proteine sezernierenden Plasma- zellen im Rahmen eines Plasmo- zytoms, Blutbildveränderungen durch die bei Tumoren so häufi- gen Effekte bzw. Hormon- oder Chemotherapie nicht als para- neoplastisch angesehen werden.

Zweifelhaft wird die Abgrenzung schon bei der Erythrozytose (Po- lyglobulie), zu deren Differential- diagnostik immer die Fahndung nach einem Nierentumor gehört.

Häufigkeit

Berücksichtigt man diese Ein- schränkungen, so ist das para- neoplastische Syndrom mit mani- festen klinischen Erscheinungen nach unseren Erfahrungen sel- ten, d. h. es liegt unter 5 Prozent der Tumoren. Für die häufigsten, zu Paraneoplasien führenden Tu- moren gibt Tagnon (9) aus der Literatur Zahlen von 3 bis 22 Pro- zent für ACTH oder ACTH-ähn- liche Peptide, von 8 bis 35 Pro- zent für das antidiuretische Hor- mon (ADH) an. Bei sorgfältiger Untersuchung aller meßbaren Hormone sollen pathologische ektope Produkte in über 50 Pro- zent einiger Tumoren der Lunge, des Pankreas, der Nebenschild- drüsen, der Nebennieren nach- weisbar sein. Offenbar brauchen keineswegs immer klinische Kor- relate zur ektopen pathologi- schen Hormonbildung vorzuliegen.

Nachweise

Als heute bester und empfind- lichster Nachweis gelten in der Regel der Radioimmunoassay (RIA) bzw. ELISA-Test („enzyme- linked immunoabsorbent assay").

Doch auch hier ergeben sich Probleme: Einige hormonal wirk- same Peptide können mit immu- nologischer Methodik nicht er- faßt werden. Umgekehrt können sie im Test reagieren, ohne wirk- lich im Organismus hormonal ak- tiv zu sein. Oft weisen schon die enzyrriologisch spaltbaren Unter- einheiten verschiedene Amino- säuren oder Strukturen auf. Eine umfassende Analyse ist daher recht aufwendig. Im positiven Fall sind heute für die meisten

*) Gross, R.: Durch Darm und Pankreas verursachte paraneoplastische Syn- drome. Dt. Ärztebi. 79 (1982) Nr. 28

**) Die in Klammern stehenden Ziffern be- ziehen sich auf das Literaturverzeich- nis des Sonderdruckes.

804 (76) Heft 11 vom 16. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

Hormone Suppressionsteste we- sentlich: Im Tumor sind die Hor- monbildung — ebenso wie seine Kinetik — der Feed-back-Regula- tion (mit wenigen Ausnahmen) entzogen. Dies gilt z. B. für die pathologische ACTH-Produktion eines kleinzelligen Bronchialkar- zinoms beim Dexamethason- Test. Auch arteriovenöse Diffe-

renzen können mit herangezo- gen werden. Wesentlich ist auch der Nachweis der pathologischen Produktion physiologischerweise an verschiedenen Stellen gebil- deter Hormone (z. B. ACTH + Kalzitonin oder Plazentalakto- gen). Besonders wichtig und mit letzterem oft übersehen ist die Mischung einer vermehrten Bil- dung von ACTH und Melanozy- ten-stimulierendem Hormon (MSH)

Allgemeine

klinische Bedeutung

(D Die wichtigste praktische Be- deutung liegt in der Differential- diagnostik, d. h. in der Feststel- lung eines noch nicht bekannten viszeralen Tumors aus seinen pa- raneoplastischen Fernwirkungen heraus. Deshalb sollte eine Tu- morsuche, ganz besonders auf Bronchialkarzinome, Pankreas- karzinome, aber auch auf mali- gne Lymphome vor allem dann einsetzen, wenn atypische, oligo- symptomatische oder gemischte Endokrinopathien, Myopathien, Neuropathien und Dermatosen vorliegen. Paraneoplastische Syndrome können den lokal er- kennbaren Neoplasien um Mona- te vorausgehen.

© Die hormonal wirksamen Po- lypeptide können, ähnlich dem karzinoembryonalen Antigen (CEA) und dem Alpha-Fötopro- tein (Alpha FP) als Tumormarker benutzt werden: Sie bringen dar- in, wie alle Tumormarker, zur

Zeit weniger als erwartet für die Frühdiagnose, sind aber wesent- liche Kriterien für den Therapie- erfolg und für die Feststellung etwaiger Rezidive.

® Mehr den Onkologen interes- siert, daß die Tumoren durch ih-

re Hormonproduktion eventuell gewisse Wachstumsvorteile er- langen (9). Für die Therapie hat das zur Zeit noch geringe Bedeu- tung, da die Behandlung des pa- raneoplastischen Syndroms zu- gleich die des Tumorleidens ist.

Tagnon (9) meint aber, daß die Rezeptoren und Polypeptide auf der Oberfläche der Tumorzellen künftig Ansätze für eine bessere Tumortherapie abgeben könnten.

Speziell betroffene Organsysteme

Über diese Zusammenhänge gibt es — neben zahllosen Einzelar- beiten — jeweils Bücher und Kon- greß-Berichte, von denen einige am Schluß dieses Editorials auf- geführt sind. Hier müssen wir uns auf eine reine Aufzählung der häufigsten Störungen be- schränken, die den Verdacht auf ein paraneoplastisches Syndrom lenken. Sie sind in etwa abstei- gender Häufigkeit angeordnet:

Endokrinium und Stoffwech- sel: Cushing-Syndrom und ähn- liche Krankheitsbilder; Schwartz Bartter-Syndrom; Hyperkalzämie- Syndrome ohne Knochenmeta- stasen (etwa 10 Prozent).

C) Hautveränderungen: Acantho- sis nigricans; Dermatomyositis;

Thrombophlebitis migrans; Pa- chydermoperiostitis; Erythema annulare zentrifugum; Erythema gyratum; Acrokeratosis (para- neoplastica) Bazex (paraneopla- stische Acrokeratose); Hypertri- chosis lanuginosa; atypische

psoriatiforme Exantheme; bizarre und schwer klassifizierbare Der- matosen; Pyoderma gangraeno- sum (mehr zu den neoplasti- schen Erkrankungen der blutbil- denden Organe gehörig)!

®

Neuro- und Myopathien: Poly- myositis, Muskelschwäche aller Art, besonders Eaton-Lambert- Syndrom = Muskelschwäche vor- zugsweise der Beinmuskulatur (elektromyographische Differen- tialdiagnose zur Myasthenia gra- vis und zum Thymom!); Polyneu- ropathien (vorzugsweise senso- risch-motorisch gemischt); My- elopathien und Systemdegenera- tionen des Rückenmarks (wich- tigste Differentialdiagnose: amy- otrophe Lateralsklerose!), pro- gressive multifokale Leukenze- phalie.

® Hämatologische Veränderun- gen: Non-Hodgkin-Lymphome, besonders chronische Lymph- adenosen (altersbedingte Koinzi- denz?); aplastische, seltener hä- molytische Anämien; Polyglobu- lien; leukämoide Reaktionen;

Thrombozytopenien (Merksatz:

Es gibt keine Blutveränderung, die nicht auch von einem Tumor- leiden ausgelöst sein kann)!

Alle atypischen oder gemischten Syndrome, besonders des Endo- kriniums, sind verdächtig auf ein paraneoplastisches Syndrom. Die diagnostischen Schritte gehen in zwei Richtungen: endokrinologi- sche Abklärung mit Radioimmun- assays — Fahndung in absteigen- der Reihenfolge nach den•ge- nannten häufigsten Tumorlokali- sationen.

(Literatur im Sonderdruck) Professor

Dr. med. Rudolf Gross Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 11 vom 16. März 1984 (81) 805

Referenzen

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