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Archiv "Endokrine Orbitopathie" (24.04.2009)

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D

ie endokrine Orbitopathie (EO) ist die häufigste extrathyreoidale Manifestation der autoimmu- nen Hyperthyreose vom Typ Morbus Basedow (1). Die EO kann vor, während oder nach Manifestation der Schilddrüsenerkrankung auftreten (2). Selten kommt sie bei Patienten mit einer Hashimoto-Thyreoiditis oder oh- ne Schilddrüsenbeteiligung vor (3). Symptome der EO sind Hornhautbenetzungsstörungen, Exophthalmus, Motilitätsstörungen mit Doppelbildwahrnehmung und schlimmstenfalls eine Einklemmung des Sehnervs mit drohendem Visusverlust (4). Diese Symptome gehen mit einer psychischen Belastung einher (5) und legen nahe, dass im Rahmen der EO zusätzliche indirekte Krankheitskosten entstehen.

Die aktuelle Lage des Gesundheitssystems zwingt zur Analyse von Kosten, die durch Krankheiten verur- sacht werden. Allein im Jahr 2004 betrugen (direkte) Krankheitskosten 224,9 Milliarden Euro; 1,9 Milliarden entfielen auf Schilddrüsenerkrankungen (6). Bislang existieren keine Untersuchungen zu den beruflichen Konsequenzen der EO und den sich daraus ergebenden gesundheitsökonomischen Folgen. Deshalb wurden am Orbitazentrum des Klinikums der Johannes Gutenberg- Universität Mainz erstmalig zu dieser Thematik Daten von 250 EO-Patienten prospektiv erhoben und ausge- wertet. Parallel wurde eine Umfrage unter niedergelas- senen, an das Orbitazentrum Mainz überweisenden Ärz- ten initiiert, um deren Angaben mit den am Zentrum ge- wonnenen Daten zu vergleichen.

Methoden

Lebensqualität, klinische und gesundheitsökonomische Daten Im Rahmen der wöchentlichen interdisziplinären Or- bitasprechstunde wurden die Patienten internistisch, laborchemisch und ophthalmologisch untersucht, außerdem beantworteten sie einen standardisierten Fragebogen (Kasten). Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn eine Person wegen eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustands nicht oder nur unter der Gefahr einer Verschlimmerung ihres Zustands der bisher aus- geübten Erwerbstätigkeit oder einer sonst vertraglich geschuldeten Tätigkeit nachgehen kann (7). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krank- heit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer- stande sind, unter den üblichen Bedingungen des all- gemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (7). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinde- ORIGINALARBEIT

Endokrine Orbitopathie

Lebensqualität und berufliche Belastung

Katharina A. Ponto, Susanne Pitz, Norbert Pfeiffer, Gerhard Hommel, Matthias M. Weber, George J. Kahaly

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Das veränderte Aussehen und die Motilitäts- störungen beeinflussen den privaten und den beruflichen Lebensbereich von Patienten mit endokriner Orbitopathie (EO).

Methode: Im Rahmen einer interdisziplinären Sprechstun- de beantworteten 250 Patienten im Zeitraum von Ende 2006 bis Anfang 2008 einen Fragebogen zu Lebensqualität, beruflichen Einschränkungen und Inanspruchnahme von Psychotherapie. Ergänzend wurde eine Umfrage zu dieser Thematik unter 400 an das Orbitazentrum überweisenden Ärzten durchgeführt.

Ergebnisse: In alltäglich-funktioneller Hinsicht fühlten sich 45 % der Patienten eingeschränkt. Die Selbstwahrneh- mung litt bei 38 %. EO-bedingt krankgeschrieben waren 36

%. 28 % der Patienten waren erwerbsgemindert, 5 % be- rentet und 3 % aus ihrem Berufsverhältnis entlassen. Be- sonders diejenigen mit schwerer EO und mit Motilitäts- störungen waren länger arbeitsunfähig und häufiger er- werbsgemindert. 21 % waren in psychotherapeutischer Behandlung. Diejenigen, die länger arbeitsunfähig und/oder erwerbsgemindert waren, nahmen häufiger eine Psychotherapie in Anspruch. Von den an der Umfrage teil- nehmenden Ärzten behandelten 75 % vorübergehend und 34 % dauerhaft erwerbsgeminderte Patienten. 38 % hatten Patienten, bei denen eine Psychotherapie notwendig war.

Schlussfolgerung: Die vorliegenden Zahlen belegen die psychische Belastung und berufliche Einschränkung bei EO und betonen die Notwendigkeit von Prävention und schnellstmöglicher Rehabilitation.

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(17): 283–9 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0283 Schlüsselwörter: Endokrine Orbitopathie, Morbus Basedow, Lebensqualität, Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit

Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik, SP Endokrinologie, Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Ponto, Prof. Dr. med. Weber, Prof. Dr.

med. Kahaly

Universitäts-Augenklinik und Poliklinik, Klinikum der Johannes Gutenberg-Uni- versität Mainz: PD Dr. med. Pitz, Prof. Dr. med. Pfeiffer

Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Prof. Dr. rer. nat. Hommel

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rung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits- marktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (8). Die Lebensqualität betreffend (8), beant- worteten die Patienten anhand eines standardisierten, validierten und krankheitsspezifischen Fragebogens (9) einerseits Fragen zu alltäglich-funktionellen Ein- schränkungen, zum Beispiel beim Autofahren, beim Lesen, sowie bei Bewegung in- und außerhalb der häuslichen Umgebung. Andererseits wurden die Aus- wirkungen der EO auf die Selbstwahrnehmung ermit- telt, indem die Patienten beispielsweise gefragt wur- den, ob sie sich angestarrt fühlten, schwieriger neue Kontakte knüpften oder ihr Aussehen verbergen woll- ten.

Der Schweregrad der EO wurde anhand eines Sechs-Klassen-Schemas (10) klassifiziert (Clinical Severity Score, CSS), in das Symptome wie Lidre- traktion, seltener Lidschlag, entzündliche Weich- teilbeteiligung, Exophthalmus, Doppelbildwahrneh- mung, sowie Hornhaut- und Sehnervbeteiligung ein- fließen.

Bei der Doppelbildwahrnehmung unterscheidet man:

>nie Doppelbilder,

>intermittierende Doppelbilder (zum Beispiel nur abends),

>inkonstante Doppelbilder (in bestimmten Blickrich- tungen, aber nicht im Blick geradeaus) und

>konstante Doppelbilder (in allen Blickrichtungen oder im Blick geradeaus).

Weiterhin wurde ein Doppelbild-Score festgelegt, mit drei Punkten bei konstanten Doppelbildern, zwei Punkten bei inkonstanten, einem Punkt bei intermittie- renden und 0 Punkten, wenn keine Doppelbilder bestan- den.

Der Exophthalmus wurde durch Messen des sagit- talen Abstands des Hornhautscheitels vom seitlichen knöchernen Orbitarand (Hertel-Exophthalmometrie) objektiviert und quantifiziert.

Umfrage zur EO

Zusätzlich zu den beschriebenen Untersuchungen im Rahmen der Orbitasprechstunde wurden standardi- sierte Fragebögen an 400 überweisende Ärzte aus dem gesamten Bundesgebiet per Post verschickt. Die Ärz- te wurden gebeten anzugeben, wie hoch der Anteil an arbeitsunfähigen und erwerbsgeminderten Patienten in dem von ihnen betreuten Kollektiv war. Außerdem wurden die Dauer von Arbeitsunfähigkeit und Er- werbsminderung erfragt. Zusätzlich gaben die Ärzte an, ob ihre Patienten psychotherapeutisch mitbetreut wurden.

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mit SPSS (11). Bei der Signifikanzbestimmung von Zu- sammenhängen zwischen ordinalen und kategorialen Variablen wurde der Kruskal-Wallis-Test eingesetzt.

Mit ihm prüft man, ob die Zahl der Werte, die kleiner (oder größer) als der gemeinsame Median mehrerer Variablen sind, in den Gruppen verschieden sind. Den Kruskal-Wallis-Test hat man in der vorliegenden Ar- beit auch deshalb gewählt, weil er sich für nicht nor- malverteilte Daten eignet. Die angegebenen p-Werte beziehen sich auf Zusammenhänge/Unterschiede zwi- schen allen vorkommenden Gruppen. Bei Variablen mit nominalem Skalenniveau wurde der Chi2-Test verwendet. Als Signifikanzniveau wurde a = 5 % an- genommen und bei Werten bis 10 % sprach man von einem Trend.

KASTEN

Fragebogen zu Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsminderung und Psychotherapie bei Patienten mit endokriner Orbitopathie

Wie lange waren Sie im Mittel pro Jahr aufgrund Ihrer Augenerkrankung (endokrine Orbitopathie) arbeitsunfähig?

)nie arbeitsunfähig )7– 9 Monate

)maximal 1 Monat )10–12 Monate

)2–3 Monate )dauerhaft arbeitsunfähig

)4–6 Monate )im Ruhestand /)nicht berufstätig

Waren / sind Sie aufgrund Ihrer Augenerkrankung (endokrine Orbitopathie) in Ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt?

)nie erwerbsgemindert )entlassen worden

)vorübergehend erwerbsgemindert )berentet

)dauerhaft erwerbsgemindert )im Ruhestand /)nicht berufstätig

Nehmen Sie eine Psychotherapie in Anspruch?

)ja, aktuell )ist geplant / erwünscht

)zurzeit nicht, aber in der Vergangenheit )nein

(3)

Ergebnisse

Die demografischen und klinischen Daten sind in Tabel- le 1veranschaulicht. Die Rücklaufquote lag bei 100 %.

Diejenigen Patienten, die im Ruhestand (n = 39; 15,6

%) oder nicht berufstätig (n = 19; 7,6 %) waren, wurden bei der statistischen Korrelation der Angaben zu Arbeit- sunfähigkeit / Erwerbsminderung nicht berücksichtigt.

Arbeitsunfähigkeit

Von den 192 berufstätigen Patienten waren 124 (64,5 %) nie arbeitsunfähig, 38 (19,7 %) maximal einen Monat, 10 (5,2 %) zwei bis drei Monate, sechs (3,1 %) vier bis sechs Monate und jeweils ein Patient (0,5 %) sieben bis neun oder zehn bis zwölf Monate arbeitsunfähig. Bei zwölf Patienten (6,2 %) lag eine dauerhafte Arbeitsun- fähigkeit (definitionsgemäß > zwölf Monate) vor.

Es konnte ein Zusammenhang zwischen der Schwe- re der EO und Doppelbildern und der Arbeitsunfähig- keit nachgewiesen werden (p = 0,019 und p = 0,008;

Grafiken 1a und b), während keine Korrelation mit dem Exophthalmus bestand (p = 0,440).

Erwerbsminderung

Von 192 berufstätigen EO-Patienten waren 124 (64,5

%) nie, 41 (21,3 %) vorübergehend und zwölf (6,2 %) dauerhaft erwerbsgemindert. Fünf Betroffene (2,6 %) waren aus ihrem Berufsverhältnis entlassen und zehn (5,2 %) wegen der EO berentet.

Es konnte ein Zusammenhang von Schwere der EO und Doppelbildern mit der Erwerbsminderung nachge- wiesen werden (p = 0,090 und p < 0,001) (Grafiken 2a und b), während keine Korrelation mit dem Exoph- thalmus bestand (p = 0,675).

Lebensqualität

Als Folge der EO fühlten sich in alltäglich-funktionel- ler Hinsicht 10,7 % der Patienten vollkommen und 34,2 % teilweise eingeschränkt. Uneingeschränkt Le- sen konnten 44 %, uneingeschränkt Autofahren 48,8

%. Besonders Patienten mit Motilitätsstörungen fühl- ten sich funktionell eingeschränkt (p < 0,001).

Einen negativen Einfluss der EO auf die Selbstwahr- nehmung gaben 15 % als vollkommen und 23,1 % als teilweise vorhanden an. 76,4 % der Patienten beklagten ihr verändertes Aussehen. Ein vermindertes Selbstver- trauen aufgrund der EO bemerkten 51,6 %. Die Selbst- wahrnehmung war vor allem bei Patienten mit ausge- prägtem Exophthalmus beeinträchtigt (p < 0,001).

Psychotherapie

26 (10,4 %) Patienten wurden zum Zeitpunkt der Un- tersuchung psychotherapeutisch betreut, elf (4,4 %) planten eine Psychotherapie und 15 (6 %) hatten be- reits eine erhalten. 198 Patienten (79,2 %) wurden nie psychotherapeutisch behandelt.

Während kein Zusammenhang zwischen Psycho- therapie und Schweregrad der EO bestand (p = 0,151), gab es Hinweise auf eine Assoziation von Exophthal- mus und Doppelbildern mit der Inanspruchnahme ei- ner Psychotherapie (p = 0,086 und 0,087).

Bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen Ar- beitsunfähigkeit sowie Erwerbsminderung und Psy- chotherapie wurden Patienten, die nicht in psychothe- rapeutischer Behandlung waren, mit denen verglichen, die entweder aktuell oder in der Vergangenheit eine Psychotherapie in Anspruch nahmen oder zum Unter- suchungszeitpunkt planten.

Die Zusammenhänge zwischen der Inanspruchnah- me von Psychotherapie und beruflichen Konsequen- zen der EO sind in den Grafiken 3a bis 4bveranschau- licht.

Umfrage zur EO

Von den befragten 400 niedergelassenen Ärzten betei- ligten sich 306 an der Umfrage (Rücklaufquote 76,5 %.).

Davon waren 71,2 % Augenärzte, 15 % Endokrino- logen, 9,8 % Nuklearmediziner, 2,3 % Chirurgen und 1,6 % Strahlentherapeuten. Das Orbitazentrum Mainz bezieht seine Überweisungen aus dem gesamten Bun- desgebiet, sodass sich neben Ärzten aus Rheinland- Pfalz, Hessen und dem Saarland (24,7 %) anteilsmäßig vor allem Ärzte aus den großen Bundesländern (Nord- rhein-Westfalen; 21,4 %, Bayern 13,8 %, Baden-Würt- temberg 10,9 % und Niedersachsen 7,9 %) an der Um- frage beteiligten. 10,8 % der beantworteten Fragebö- gen kamen aus den neuen Bundesländern und 0,3 % aus Österreich.

62,8 % der Ärzte betreuten Patienten, die aufgrund der EO arbeitsunfähig waren (Tabellen 2a und b). 75,3 % gaben an, dass ein Teil ihrer Patienten vorübergehend erwerbsgemindert war. 33,5 % betreuten Patienten mit dauerhafter Erwerbsminderung und 27,8 % EO- bedingt berentete Patienten. 38,2 % der Ärzte gaben an, ein Teil ihrer EO-Patienten nehme eine Psychothe- rapie in Anspruch.

TABELLE 1

Demografische und klinische Daten

Patienten 250

Frauen 209 (83,6 %)

Männer 41 (16,4 %)

Alter (Median, Bereich) 49 (13–81)

Raucher / Nichtraucher 80 (32 %) / 170 (68 %)

Schilddrüsenerkrankung

M. Basedow 231 (92,4 %)

Hashimoto-Thyreoiditis 12 (4,8 %)

keine manifeste Schilddrüsenerkrankung 7 (2,8 %)

klinischer Schwere-Score (CSS) (Median, Bereich) 3,5 (0,5–11,5) milde endokrine Orbitopathie (EO) (CSS < 3) 95 (38 %)

moderate EO (3–5) 93 (37,2 %)

schwere EO (> 5) 62 (24,8 %)

Doppelbilder 129 (51,6 %)

Sehnervkompression 20 (8 %)

(4)

Diskussion

Bisherige Untersuchungen zu Kosten von Schilddrüsen- erkrankungen in Deutschland beschäftigten sich, wohl aufgrund ihrer höheren Prävalenz, vorrangig mit der Jodmangelstruma. Die Hyperthyreose betreffend wur- den die Kosten von Radiojodtherapie und Schilddrü- senoperation verglichen (12).

Während für viele Erkrankungen, die potenziell mit hohen Kosten einhergehen, gesundheitsökonomische Daten vorliegen, trifft dies für die EO nicht zu. Für die rheumatoide Arthritis wurde gezeigt, dass aktive Stadien häufiger mit einer Erwerbsminderung einhergehen (13, 14). Die vorliegenden Daten zeigen einen ähnlichen Zu-

sammenhang bei EO-Patienten. Deren Belastungen mö- gen, bezüglich funktioneller Beeinträchtigung und kos- metisch-ästhetischer Entstellung, annäherungsweise mit denen von Patienten mit rheumatoider Arthritis ver- gleichbar sein. Während die EO jedoch in den meisten Fällen geheilt oder zumindest stabilisiert werden kann, verläuft die rheumatoide Arthritis chronisch-rezidivie- rend und mit bleibenden Schäden. Trotz einiger Gemein- samkeiten beider Erkrankungen sind demnach die Un- terschiede zu groß, um die Daten miteinander verglei- chen zu können. Es existieren außerdem Untersuchun- gen dazu, inwiefern die Keratokonjunktivitis sicca (15) und das Schielen (16) indirekte Kosten verursachen. EO-

a) Schweregrad der endokrinen Orbitopathie in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Erwerbsminderung; p = 0,090 nach Kruskal-Wallis- Test

b) Doppelbilder bei Patienten mit endokriner Orbitopathie in Abhän- gigkeit von der Häufigkeit der Erwerbsminderung; p < 0,001 nach Kruskal-Wallis-Test

GRAFIK 2

a) Schweregrad der endokrinen Orbitopathie in Abhängigkeit von der mittleren Dauer der Arbeitsunfähigkeit; p = 0,019 nach Kruskal- Wallis-Test

b) Doppelbilder bei Patienten mit endokriner Orbitopathie in Abhän- gigkeit von der mittleren Dauer der Arbeitsunfähigkeit; der Zusam- menhang zwischen Arbeitsunfähigkeit und Doppelbild-Score ist signifikant; p = 0,008 nach Kruskal-Wallis-Test

GRAFIK 1

(5)

Patienten leiden zwar auch häufig unter trockenen Au- gen und Motilitätsstörungen, diese Symptome treten hier jedoch nicht isoliert, sondern innerhalb eines Symptom- komplexes auf. Deshalb sind die Keratokonjunktivitis sicca und das Begleitschielen hinsichtlich der sich erge- benden funktionellen und psychosozialen Belastungen ebenfalls nicht mit der EO vergleichbar.

Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung

Über ein Drittel der berufstätigen Patienten des untersuch- ten Kollektivs waren bereits EO-bedingt arbeitsunfähig.

Davon war zwar etwa die Hälfte weniger als einen Monat, aber auch fast ein Fünftel dauerhaft arbeitsunfähig. Im

Vergleich dazu waren laut AOK, der Krankenkasse mit dem größten Marktanteil in Deutschland, im Jahr 2007 in der Gesamtbevölkerung 92,6 % weniger als einen Monat arbeitsunfähig und 65,4 % unter einer Woche (17, 18). Nur 3,3 % waren über einen Monat und 4,2 % dauerhaft (defi- nitionsgemäß über 42 Tage) arbeitsunfähig.

Bei der erwerbstätigen Gesamtbevölkerung gingen im Jahr 2004 insgesamt 4,2 Millionen Erwerbstätig- keitsjahre verloren (19). Von den in der vorliegenden Arbeit befragten EO-Patienten war über ein Viertel vorübergehend oder dauerhaft erwerbsgemindert.

Leider erfassen sowohl die Gesundheitsberichterstat- tung des Bundes, die Gesundheitsdaten und Gesund-

a) Mittlere Dauer der Arbeitsunfähigkeit bei Patienten, die nicht psychotherapeutisch betreut wurden; p < 0,001 nach Chi2-Test b) Mittlere Dauer der Arbeitsunfähigkeit bei Patienten in Psychothe-

rapie; p < 0,001 nach Chi2-Test GRAFIK 3

a) Häufigkeit der Erwerbsminderung bei Patienten, die nicht psycho- therapeutisch behandelt wurden; p < 0,001 nach Chi2-Test b) Häufigkeit der Erwerbsminderung bei Patienten in Psychotherapie;

p < 0,001 nach Chi2-Test GRAFIK 4

(6)

heitsinformationen aus über 100 verschiedenen Quellen an zentraler Stelle zusammenführt, als auch die AOK ausschließlich Werte zu Hauptdiagnosen nach dem ICD-10. Die EO erscheint an keiner Stelle als eigener Posten. Anhand der Ergebnisse dieser Untersuchung lässt sich jedoch vermuten, dass die EO als schwerste Manifestation autoimmuner Schilddrüsenerkrankungen auch in Bezug auf die Entstehung indirekter Kosten ei- nen besonderen Stellenwert haben könnte.

Die vorliegenden Daten veranschaulichen, dass so- wohl Arbeitsunfähigkeit, als auch Erwerbsminderung im Zusammenhang mit dem klinischen Befund stehen. Be- sonders diejenigen mit schwerer EO und mit Motilitäts- störungen waren länger arbeitsunfähig und häufiger er- werbsgemindert. Bemerkenswert ist, dass aber weder die Arbeitsunfähigkeit, noch die Erwerbsminderung mit dem Exophthalmus korrelierten. Dies weist darauf hin, dass für die Berufsausübung funktionelle Beschwerden eine größere Rolle spielten als kosmetisch-ästhetische.

Lebensqualität und Psychotherapie

Unsere Daten bestätigen bisherige Studien (5, 9, 20) zur eingeschränkten Lebensqualität und psychischen Bela- stung bei EO. In vorliegender Arbeit fühlten sich jeweils annähernd die Hälfte der Patienten in alltäglich-funktio- neller Hinsicht sowie in ihrer Selbstwahrnehmung durch die EO beeinträchtigt. Ein Fünftel der EO-Patienten wur- de psychotherapeutisch mitbehandelt. Laut Daten der Bundespsychotherapeutenkammer nutzen jährlich etwa

300 000 Patienten eine ambulante Psychotherapie (21), was bei einer Bevölkerungszahl von 82 258 000 (22) un- gefähr 0,36 % entspricht. Im untersuchten Kollektiv wa- ren EO-Patienten fast sechzig Mal häufiger in Psycho- therapie. Patienten mit starkem Exophthalmus oder höherem Doppelbild-Score beklagten nicht nur häufiger eine eingeschränkte Lebensqualität, sie waren gleichzei- tig eher in psychotherapeutischer Behandlung. Beruf- liche Einschränkungen ergaben sich folglich aus den funktionell belastenden Symptomen wie beispielsweise aus einer Doppelbildwahrnehmung. Gleichzeitig bean- spruchten Patienten bei ausgeprägten kosmetisch ent- stellenden Symptomen wie gravierendem Exophthal- mus, eher eine Psychotherapie. Gerade Patienten, die psychotherapeutisch behandelt wurden, waren auch ar- beitsunfähig und erwerbsgemindert.

Umfrage zur EO

Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Daten von 250 EO-Patienten des Orbitazentrums Mainz. Die Mehrzahl der an der Umfrage teilnehmenden Ärzte sah Patienten, die EO-bedingt arbeitsunfähig waren. Drei Viertel betreuten vorübergehend, ein Drittel dauerhaft erwerbsgeminderte Patienten. Ebenso viele der nieder- gelassenen Ärzte gaben an, ein Teil ihrer EO-Patienten nehme eine Psychotherapie in Anspruch.

Offensichtlich weist das von niedergelassenen Kolle- gen betreute Kollektiv von EO-Patienten ein ähnliches psychophysisches Erkrankungsprofil auf wie das eines Orbitazentrums. Hieraus lässt sich folgern, dass sich die Patienten im niedergelassenen Bereich beziehungswei- se tertiären Sektor bezüglich der sozioökonomischen Auswirkungen der EO nicht wesentlich unterscheiden.

Limitationen der Studie

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sind limitiert.

Weil die untersuchten Patienten in einem Orbitazentrum betreut wurden, könnte es zu einer Selektion gekommen sein, da dort schwerere Fälle vorgestellt werden, die stärker leiden, häufiger berufliche Konsequenzen erle- ben und eher psychotherapeutisch behandelt werden.

Auch wurden zwar Arbeitsunfähigkeit und Erwerbs- minderung erfragt, es fehlt aber eine Kalkulation der da- durch entstehenden tatsächlichen Kosten. Die Befra- gung der auf diesem Gebiet tätigen Kollegen lässt Aus- sagen über deren Kollektiv an EO-Patienten zu. Den- noch wäre eine Ausdehnung der Umfrage wünschens- wert, um eine für die niedergelassenen Ärzte allgemein gültige Aussage machen zu können.

Fazit für die Praxis

Die vorliegenden, erstmalig für die EO gewonnenen Da- ten veranschaulichen, dass Patienten mit EO in ihrer Er- werbsfähigkeit eingeschränkt sein können und häufiger eine Psychotherapie in Anspruch nehmen. Die Tatsache, dass vor allem Patienten mit schwerer EO und mit Moti- litätsstörungen in ihrer Lebensqualität und in beruflicher Hinsicht stärker beeinträchtigt sind und dass länger ar- beitsunfähige oder erwerbsgeminderte Patienten eher psychotherapeutisch behandelt wurden, betont die Not- TABELLE 2a

Anteil der bereits aufgrund der endokrinen Orbitopathie (EO) arbeitsunfähigen Patienten nach Einschätzung der an das Orbitazentrum überweisenden Ärzte

Anteil der bereits EO-bedingt Antworthäufigkeit (%) arbeitsunfähigen Patienten (in %)

1–9 110 (40,9)

10–24 40 (14,9)

25–49 9 (3,3)

> 50 10 (3,7)

keine 100 (37,2)

TABELLE 2b

Mittlere Dauer der jährlichen Arbeitsunfähigkeit bei EO-Patienten nach Einschätzung der überweisenden Ärzte Mittlere Dauer der jährlichen Antworthäufigkeit (%) Arbeitsunfähigkeit (in Monaten)

< 1 65 (39,9)

1–2 52 (31,9)

2–3 24 (14,7)

> 3 19 (11,7)

(7)

wendigkeit der Prävention und stadiengerechten interdis- ziplinären Therapie. Solange die EO schwer ist, Moti- litätsstörungen bestehen und eine begleitende Psychothe- rapie erwünscht ist, ist eine optimale Behandlung inner- halb eines interdisziplinären Orbitazentrums (23) ge- währleistet, in dem Endokrinologen, Augenärzte, HNO- Ärzte, Nuklearmediziner, Strahlentherapeuten und Psy- chosomatiker eng zusammenarbeiten. Die durchgeführte Umfrage zeigt, dass niedergelassene Kolleginnen und Kollegen ebenfalls Patienten betreuen, die erwerbsge- mindert beziehungsweise arbeitsunfähig sind und die psychotherapeutisch behandelt werden. Sie haben die Verantwortung, zu entscheiden, wann sie Patienten an entsprechende Experten überweisen sollten.

Diese Originalarbeit enthält Teile der Doktorarbeit von Katharina A. Ponto und wurde gefördert durch Forum Schilddrüse e. V.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 18. 8. 2008, revidierte Fassung angenommen: 20. 11. 2008

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Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. George J. Kahaly I. Med. Univ.-Klinik und Poliklinik Langenbeckstraße 1 55101 Mainz

E-Mail: gkahaly@mail.uni-mainz.de

SUMMARY Q

Quuaalliittyy ooff LLiiffee aanndd OOccccuuppaattiioonnaall DDiissaabbiilliittyy iinn EEnnddooccrriinnee OOrrbbiittooppaatthhyy Background: In endocrine orbitopathy (EO), disfiguring proptosis and diplopia impair patients' quality of life both at home and at work.

Methods: From late 2006 to the beginning of 2008, 250 outpatients in an interdisciplinary thyroid and eye clinic filled out a questionnaire about their quality of life, occupational disability, and use of psychotherapy.

400 physicians who referred their EO patients to the clinic also partici- pated in a survey on these issues.

Results: 45% of the patients complained of restrictions in their daily ac- tivities, and 38% reported impaired self-perception. 36% were on sick leave because of EO. 28% were disabled, 5% had retired early, and 3%

had lost their jobs. Patients with severe EO and motility disorders were on sick leave for longer times and were more likely to be disabled. 21%

underwent psychotherapy. Patients who had been on sick leave for a long time and/or were disabled were more likely to undergo psycho- therapy. Among the physicians answering the survey, 75% stated that they were taking care of temporarily disabled patients, while 34% were taking care of permanently disabled patients. 38% were treating EO pa- tients who were undergoing psychotherapy.

Conclusions: These data indicate that patients with EO suffer considera- ble emotional stress and occupational impairment and point to the need for preventive care and rapid rehabilitation.

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(17): 283–9 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0283 Key words: endocrine orbitopathy, Graves’disease, quality of life, occu- pational disability, impaired earning capacity

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