Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ
KARZINOMSERIE:
Die Systematik des
malignen Melanoms der Haut als Grundlage des
Behandlungsplanes
Helmut Tritsch
Aus der Universitäts-Hautklinik Köln
(Direktor: Professor Dr. med. Gerd Klaus Steigleder)
Das maligne Melanom der Haut nimmt weltweit zu. Die Vorhersage des Krankheits- verlaufs steht in Beziehung zum Zeitpunkt der Erkennung und der operativen Beseiti- gung des Tumors. Geschwulst und Stadium der Geschwulst- krankheit machen die Erhe- bung von Daten möglich, die als sogenannte Einflußfakto ren auf den weiteren Krank- heitsverlauf schließen lassen und damit das therapeutische Vorgehen bestimmen. Neben den verschiedenen Melanom- typen mit unterschiedlichem Mikrostadium sowie Maligni- tätsgrad ist auch die Lokalisa- tion der Tumoransiedlung von Bedeutung.
Die derzeitige Therapie des mali- gnen Melanoms der Haut (MM) wird von verschiedenen prognostischen Kriterien oder Einflußfaktoren be- stimmt. Sie sind bei der Erstellung eines Behandlungsplanes für den Tumorkranken zu berücksichtigen, da sich von ihnen das Vorgehen be- stimmende Hinweise über den Krankheitsverlauf ableiten lassen.
Die Festschreibung dieser Fakto- ren ist darüber hinaus für spätere Kontrollen der Effektivität der thera- peutischen Verfahren von hohem Wert (6)*).
Diagnostik
Die Erkennung des MM umfaßt so- wohl die klinische als auch die histo- logische Beurteilung, aus der sich die prognostischen Kriterien er- geben.
Präinvasives Stadium
In nahezu 80 Prozent der Fälle ent- stehen MM auf Präkanzerosen:
• Lentigo maligna,
() oberflächlich spreitendes Mela- nom, Level I.
Diese beiden auf die Epidermis so- wie auf Hautanhangsgebilde be- schränkten Formen sind durch Exzi- sion mit schmalem Sicherheitsab- stand im gesunden Gewebe (1-2 mm) heilbar. Entwickeln sich inner- halb der fleck- oder plaqueförmigen Effloreszenzen Verdickungen, ist davon auszugehen, daß vertikal in- vasives Wachstum eingetreten und somit der Übergang in ein MM voll- zogen ist.
Invasives Stadium
Die Durchbrechung der epidermalen Grenzzone und Invasion des Binde- gewebes ermöglicht den atypischen Melanozyten des MM die Metasta- sierung. Sie kann sowohl lympho- gen als auch hämatogen erfolgen.
Stadieneinteilung
Für die Beurteilung der Tumorer- krankung ist die Bestimmung der Tumorausbreitung von wesentlicher Bedeutung. Ihre Erfassung erfolgt international mit Hilfe der Einteilung in drei Hauptstadien (3).
Stadium I: Primärtumor (allein, ohne Anhalt für Absiedlung)
Stadium II: Regionale Metastasie- rung (bis zur zugeordneten, ersten größeren Lymphknotengruppe) A. Satellitentumoren, Lokalrezidive,
„in-transit"-Metastasen, nur mikro- skopisch nachweisbare Lymphkno- tenmetastasen.
B. Klinisch nachweisbare Lymph- knotenmetastasen — nicht mehr als 1 Lymphknoten befallen —.
C. Mehr als 1 Lymphknoten metasta- tisch befallen, Refluxmetastasen, re- gionale Tumorrezidive.
Stadium III: Fernmetastasierung A. Nicht viszeral (Haut, Subkutis, Lymphknoten).
B. Viszeral.
Für die Bestimmung des Stadiums der Tumorausbreitung ist die klini- sche Untersuchung am wesentlich- sten.
Sie wird ergänzt durch probatori- sche Lymphknotenexstirpation zur histologischen Untersuchung, Rönt- genthoraxuntersuchung, Lympho- graphie, Computertomographie und Szintigraphie (2).
*) Die in Klammern stehenden Zahlen bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 13 vom 26. März 1981 609
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Melanozytoblastom
Melanomtypen
Entsprechend ihrem Entstehungs- modus lassen sich verschiedene Melanomtypen — überwiegend mit Hilfe histologischer Kriterien — un- terscheiden.
Diese Differenzierung ist wegen des divergierenden biologischen Verhal- tens der einzelnen Geschwulstfor- men wichtig.
• LM = Lentigo maligna Melanom C) SSM = oberflächlich spreitendes Melanom (Superficial spreading melanoma), ab Level II
® ALM = Akrolentiginöses Mela- nom (Handteller, Fußsohlen, Finger, Nagelbett, Mundschleimhaut)
® NM = Noduläres Melanom C) NKM = nicht klassifizierbares
Melanom.
Die vertikal-aggressive Wachstums- neigung und die damit verbundene Tendenz zur Metastasierung nimmt bei den verschiedenen Geschwulst- formen von Nr. 1 bis Nr. 4 zu, wobei Nr. 5 in ihrem Verhalten gleich Nr. 4 zu beurteilen ist.
Mikrostadium
Unter Mikrostadium werden histolo- gisch bestimmbare Parameter ver- standen. Eindringtiefe und vertikale Tumordicke dienen der Volumenbe- urteilung. Aus dem Tumorvolumen lassen sich Hinweise über das Meta- stasierungsverhalten des MM ablei- ten.
Level
Durch den sogenannten Invasions- Level wird die Eindringtiefe der Ge- schwulstverbände in die Haut erfaßt.
Level I =
intraepidermale, horizontale Wachs- tumsphase (Lentigo maligna, SSM).
Level II —
Tumorzellen dringen in den Papillar- körper ein (vertikal-aggressive Wachstumsphase beginnt).
Level III =
Tumorzellen füllen Papillarkörper, drängen gegen Stratum reticulare.
Level IV =
Tumorzellen invadieren Stratum re- ticulare
Level V =
Tumorzellen dringen in Subkutis ein.
Tumordicke
Mittels der vertikalen Tumordicke werden neben den endophytisch auch die exophytisch wachsenden Anteile des MM bestimmt. Dabei hat sich die Einteilung in drei Gruppen bewährt, die auf eine inverse Korre- lation mit dem Krankheitsverlauf zu schließen erlauben.
C) Vertikale Tumordicke < 0,75 mm
© Vertikale Tumordicke 0,75 mm bis 1,50 mm
© Vertikale Tumordicke > 1,50 mm Die Bestimmung der vertikalen Tu- mordicke dient insbesondere auch der Beurteilung von MM, Level III, die, wenn < 0,75 mm, nur selten zum Zeitpunkt der Entfernung metasta- siert haben. Je tiefer das MM in die Haut eingedrungen und je größer die vertikale Tumordicke ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß bereits zum Zeitpunkt der Ent- fernung des Primärtumors eine Me- tastasierung eingesetzt hat.
Lokalisation
Geschwülste in Regionen mit anato- misch gut bestimmbaren tributären Lymphknotengruppen weisen eine eindeutig bessere Prognose als sol- che in Hautgebieten mit verzweig- tem Lymphabfluß auf. Daraus resul- tiert folgendes Dignitätsgefälle:
> Arm
> Bein
> Kopf/Hals
> Stamm
> Mundschleimhaut.
Bei den relativ häufig im Stammbe- reich angesiedelten MM kann die Ortung der zuständigen regionalen Lymphknotengruppen Schwierig- keiten bereiten, da Überschneidun- gen in der Lymphabflußrichtung möglich sind. Der Lymphstrom aus den über dem Nabel vorne, der 8.
Rippe seitlich sowie dem 1. Lenden- wirbel gelegenen Bereichen ist hauptsächlich auf die gleichseitigen Achsellymphknoten gerichtet. Die darunter gelegenen Bereiche wer- den über die Leistenlymphknoten dräniert. Die Mittelregionen weisen oftmals einen Abfluß nach zwei Sei- ten hin auf.
Weitere prognostische Faktoren
Frauen haben eine signifikant bes- sere Überlebenschance als Männer (Geschlecht). Wahrscheinlich ist Menschen über 50 Jahre eine schlechtere Prognose zu stellen (Be- ginnalter). Auch ein verwildertes Zellbild weist auf einen schlechten Verlauf hin (Atypiegrad).
Therapie
Die Behandlung des malignen Me- lanoms [siehe auch*)] richtet sich unter Berücksichtigung der Einfluß- faktoren nach dem Stadium. Die Tu- mordiagnostik wird in Operations- bereitschaft mit Hilfe der histologi- schen Schnellschnittuntersuchung verifiziert. Am Schnellschnitt lassen sich in den meisten Fällen auch Me- lanomtyp, Level und Eindringtiefe bestimmen. Die endgültige feinge- webliche Beurteilung erfolgt an Prä- paraten des eingebetteten Tumors.
Zur histologischen Untersuchung wird der Tumor in toto knapp im gesunden Gewebe exzidiert. Probe- exzisionen aus malignen Melano- men sind wegen der noch ungeklär- ten Frage nach einer dadurch mög- licherweise bedingten Tu morzellver- schleppung und Propagierung von Metastasen zu vermeiden.
*) Illig, L.; Aigner, K.: Therapie des malignen Melanoms unter besonderer Berücksichti- gung der isolierten Extremitätenperfusion, DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 77 (1980) 2911-2925
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1 Typ Level/Dicke Therapie
Einfache Exzision (2-3 cm Ab- stand vom Tumorrand)
Weite Exzision (4-5 cm Ab- stand vom Tumorrand) Weite Exzision, probatorische
Lymphknotenexstirpation bei Frauen; regionale Lymph- adenektomie bei Männern Weite Exzision, regionale Lymphadenektomie. Adjuvan- te Chemoimmuntherapie Weite Exzision, regionale Lymphadenektomie. Adjuvan- te Chemoimmuntherapie.
Hyperthermieperfusion mit Zytostatika
Weite Exzision oder Amputa- tion von Fingern bzw. Zehen, regionale Lymphadenekto- mie, Hyperthermieperfusion mit Zytostatika
1. LM SSM ALM 2. NM
NKM 3. LM
SSM
4. LM SSM
5. NM -1 NKM LM SSM
6. ALM
II u. III, bis 0,75 mm
bis III
< 0,75 mm
0,75-1,5 mm
> 1,5 mm
ab III, > 0,75 mm III, > 1,5 mm IV, > 0,75 mm
ab III
> 0,75 mm
Tabelle: Einflußfaktoren und Behandlungsverfahren bei malignem Melanom Stadium 1*)
*) Zeichenerklärung in den Abschnitten „Melanomtypen", Level" und „Tumordicke"
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Melanozytoblastom
Stadium 1
Nach derzeitigem Wissensstand über das MM ist die operative Be- handlung jedem anderen Verfahren überlegen. Sie kann durch adjuvan- te Therapieverfahren ergänzt wer- den. Über die Effizienz zusätzlicher Behandlungen ist noch keine rich- tungsweisende Aussage möglich (1, 5).
Einflußfaktoren und
Behandlungsverfahren, MM, Stadium 1
Die Einflußfaktoren und die Behand- lungsfaktoren bei MM im Stadium I sind in Tabelle 1 zusammengestellt.
Die adjuvante Chemoimmunthera- pie erfolgt mit DTIC (Dacarbazin®) und BCG. Nach Entfernung von Tu- moren im Bereich der Extremitäten wird die Hyperthermieperfusion mit dem Zytostatikum Alkeran® ange- wendet. Anatomisch günstig zu den regionalen Lymphknotengruppen gelegene MM werden in Form einer Kontinuitätsdissektion entfernt. Bei diesem Eingriff werden Primärtu- mor, ableitende Lymphbahnen und Lymphknoten zusammen en bloc exzidiert (7).
Stadium II
Bei regionaler Metastasierung ist die Behandlung zunächst auf eine wei- testgehende operative Reduzierung der Tumormasse ausgerichtet (4).
Zusammen mit dem eventuell noch vorhandenen Primärtumor werden alle erreichbaren Metastasen ent- fernt. Neben der regionalen Lymph- knotenexstirpation kann die proba- torische Exstirbation aus überge- ordneten Lymphknotengruppen an- gezeigt sein. Die ausgedehnte, auf eine Extremität beschränkte Reflux- metastasierung läßt bei Versagen der Hyperthermieperfusion die Am- putation als Alternative. Erst nach Ausschöpfung der chirurgischen Möglichkeiten folgen adjuvante Be- handlungsversuche mit systemisch und/oder lokal wirkenden Medika- menten. Hierzu zählen Chemoim- muntherapie, Hyperthermieperfusi- on, DNCB und Vacciniavirus (8).
Stadium III
Ähnlich wie im Stadium II wird der Versuch einer operativen Reduzie- rung der Tumormassen, sofern dies ohne größeres Risiko für das Allge- meinbefinden des Patienten mög- lich ist, unternommen. Solitärmeta- stasen in Gehirn und Lunge können
in manchen Fällen, zumindest vor- übergehend, erfolgreich chirurgisch angegangen werden. Nur bei gutem Allgemeinbefinden ist unter Abwä- gung der Behandlungsrisiken die Chemoimmuntherapie oder die kombinierte Chemotherapie mit ver- schiedenen Zytostatika angezeigt.
Wegen der nur sehr bescheidenen therapeutischen Erfolgsaussichten sollte die Indikation zur Chemothe- rapie nur mit größter Zurückhaltung gestellt werden, damit die Kranken in der meist nur kurzen, ihnen noch verbleibenden Lebenszeit, nicht auch noch durch die Therapie zu-
sätzlich zu leiden haben. Bei Be- schwerden durch Hirn- oder Kno- chenmetastasen kann die Behand- lung mit ionisierenden Strahlen Lin- derung schaffen. Gelegentlich kann eine neurochirurgische Schmerz- ausschaltung erforderlich werden.
Nachuntersuchung
Patienten mit MM geringen Risikos (LM, SSM, ALM bis Level III, < 0,75 mm) bedürfen einer postoperativen Überwachung von fünf Jahren bei halbjährlichen Untersuchungsinter- vallen. Die klinische Untersuchung hat sich dabei insbesondere mit der Beurteilung des Operationsgebietes und den regionalen Lymphknoten- gruppen zu befassen. Alle anderen MM sind für ihre ehemaligen Träger Geschwülste mit hohem Risiko, ins- besondere alle nodulären Melanome (NM). Sie erfordern deshalb in den DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 13 vom 26. März 1981 611
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ersten zwei Jahren vierteljährliche, später halbjährliche Nachuntersu- chungen, die über sieben Jahre fort- zusetzen sind. Dabei ist zu beden-
ken, daß die Absterbekurve bei mali-
gnem Melanom erst nach dieser Zeit die Asymptote erreicht und Spätme- tastasierung nach diesem Zeitpunkt kein allzu seltenes Ereignis ist. Ne- ben der klinischen Untersuchung auf Rezidive und Absiedlungen er- scheint die Röntgenuntersuchung der Lunge (die ersten beiden Jahre halbjährlich, danach jährlich) we- sentlich. Eine beginnende Metasta- sierung kann mit Blutsenkungs- beschleunigung, Erhöhung von GOT, GPT, LOH, Gamma-GT und al- kalischer Phosphatase verbunden sein, weshalb zunächst vierteljährli- che, nach zwei Jahren halbjährliche Kontrollen dieser Werte angezeigt
sind. Bei vorangegangener Chemo-
therapie ist wegen möglicher Kno- chenmarksdepression eine Blutbild- überwachung erforderlich, die zu- nächst wöchentlich, nach sechs Wo- chen vierteljährlich bis zu einem Jahr notwendig werden kann. Die durch die Chemoimmuntherapie möglichen Wirkungen auf die Leber lassen sich mit den vorgenannten Untersuchungsverfahren weitge- hend erfassen.
Literatur
(1) Fortner, G. K: Prophylaktische Lymphkno- tendissektion - pro? Vortrag Internat, Sympo- sium .,Das maligne Melanom der Haut", Erlan- gen 23. 2. 1980 - (2) Kopf, A. W., Bart, R. S., Rodriguez-Sains, R. S.: Malignant melanoma:
A review, J. DermateL Surg. Oncol. 3 (1977) 41-125 -(3) Sober, A. J., Fitzpatrick, Th. B., Mihm, M. C.: Primary melanoma of the skin:
Recognition and management, J. Am. Acad.
Dermatel 2 (1980) 179--197 - (4) Tonak, J., Hermanek, P., Harnstein, 0. P., Weidner. F.:
Therapie des malignen Melanoms der klini- schen Stadien I und II. Ergebnisse bei 195 Patienten, Dtsch. med. Wschr. 101 (1976) 435-440- (5) Tritsch, H.: Lymphonodektomie beim malignen Melanom, in: Operative Der- matologie, Hrsg. von K. Salfeld, S. 192-200.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1979- (6) Tritsch, H.: Prognose des malignen Mela- noms der Haut, Dtsch. med. Wschr. 105 (1980) 383-386- (7) Tritsch, H.: Die Kontinuitätsdis- sektion beim malignen Melanom der Haut, Hautarzt im Druck- (8) Tritsch, H.: Operative Behandlung des malignen Melanoms der Haut, Hautarzt im Druck
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. Helmut Tritsch Universitäts-Hautklinik
Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41
AUS DER PRAXIS
Mikroinhalatoren und Ultraschallvernebler hygienisch bedenklich
Verschiedene Firmen vertreiben zur Zeit mit großem Werbeaufwand Mi- kroinhalatoren, mit denen Feuchtig- keit und Medikamente vernebelt in die Atemwege gebracht werden kön- nen. Es handelt sich um sogenannte Ultraschallvernebler, zu deren Ei- genschaften es gehört, daß durch die geringe Tröpfchengröße ein gro- ßer Teil der vernebelten Flüssigkeit in die tiefen Atemwege und Alveolen gelangt, während sich bei anderen lnhalationssystemen ein Großteil der Flüssigkeit bereits im Nasen-Ra- chen-Raum beziehungsweise in den oberen Atemwegen niederschlägt.
Dieser unbestreitbare Vorteil der Ul- traschallvernebler ist gleichzeitig der Grund für ihre hygienische Bedenklichkeit: Ultraschallvernebler und auch andere lnhalationssyste-
me, mit denen Leitungswasser ver-
nebelt wird, sind nicht selten mit gramnegativen Keimen massiv kon- taminiert (bis zu 1 Mio. Keime pro ml und mehr!). Leitungswasser kann gramnegative Keime (zwar nicht Escherichia coli, wohl aber zum Bei- spiel Pseudomonas aeruginosa oder andere Pseudomonas-Species) ent- halten, welche die Eigenschaften besitzen, sich in Restflüssigkeit auch bei Zimmertemperatur und oh- ne jedes weitere Nährstoffangebot innerhalb von 24 Stunden bis zu er- heblichen Keimzahlen zu vermeh- ren. Da in Ultraschallverneblern fast immer Restfeuchtigkeit bleibt, be- steht bei ihnen immer die Gefahr der Kontamination und des Keimwachs- tums. Diese Keime besiedeln dann nicht nur die oberen, sondern auch die unteren Atemwege.
ln der Literatur sind zahlreiche Epi- demien von krankenhauserworbe- nen Bronchitiden und Pneumonien, teilweise mit tödlichem Ausgang durch kontaminierte Ultraschallver- nebler beschrieben worden (1 ). Aus diesen Gründen werden in der Klinik vorzugsweise nur noch Ultraschall- vernebler mit autoklavierbarer Ver- neblerkammer verwendet, die täg- lich autoklaviert werden müssen
und deren Schläuche ebenfalls täg- lich ausgewechselt werden müssen.
Eine Desinfektion kann nur von ent- sprechend geschultem Personal vorgenommen werden. Die Verneb- lung von Leitungswasser gilt in der Klinik als Kunstfehler!
Die Firmen empfehlen ihre Ultra- schallvernebler bei Raucherhusten, Kinderbronchitis, Asthma und zur Vorbeugung bei Erkältungskrank- heiten. Da keine ausreichenden Hin- weise zur exakten Desinfektion und zur Vorbehandlung des Wassers ge- geben werden, besteht die Möglich- keit einer erheblichen Gefährdung bestimmter Personen und Patien- tengruppen. Es scheint daher fol- gender Hinweis wichtig:
..,.. Mikroinhalatoren und Ultraschall- vernebler gehören nicht in die Hän- de von Ungeschulten. Die wichtig- sten Forderungen für einen einiger- maßen hygienisch einwandfreien Betrieb im Haushalt sind:
..,.. nur abgekochtes Wasser verne- beln
..,.. Ultraschallvernebler nach Benut- zung mit einem frischgewaschenem Textiltuch austrocknen
..,.. trocken und vor Staub geschützt aufbewahren
..,.. keine Desinfektionsmittel verwen- den, da diese bei unsachgemäßer Anwendung zu Schleimhautschä- den und Allergien führen können.
Literatur
(1) Sanford, J. P., Pierce. A. K.: Lower Respira- tory Tract lnfections, in: Hospitallnfections, J.
V. Bennett, P. S. Brachmann; Little Brown &
Company, Boston USA (1979)
Professor Dr. med.
Franz Daschner
Leiter der Klinikhygiene Universitätsklinik Freiburg Hugstetter Straße 55 7800 Freiburg
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