P O L I T I K
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A2222 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3313. August 2004
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ualitätssicherung in der ambulan- ten Psychotherapie basiert auf Fortbildung, auf dem Gutachter- verfahren, auf kollegialer Intervision, Balintgruppen, Supervision, Qualitäts- zirkeln, Leitlinien und künftig wahr- scheinlich auch auf Basisdokumentati- on. Das Interesse der ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten an Qualitätszirkeln, die der kritischen Überprüfung der eigenen Tätigkeit im Vergleich zu den Erfahrungen der an- deren Teilnehmer dienen, hat stark zu- genommen: Existierten 1998 beispiels- weise bei der Kassenärztlichen Vereini- gung (KV) Nordrhein 65 Qualitätszir- kel für Psychotherapie, waren es im Juni 2004 bereits 629. Darauf wies Dr. med.Karin Bell beim 2. Kongress des Insti- tuts für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein (IQN) Ende Juni in Düssel- dorf hin. Die Arbeitsgemeinschaft Me- dizinisch Wissenschaftlicher Fachgesell- schaften e.V. (AWMF) stellt – im Inter- net zugänglich – Leitlinien zur Behand- lung verschiedenster psychischer Stö- rungen zur Verfügung (www.awmf.de).
Diese würden jedoch von vielen Psy- chotherapeuten zu wenig beachtet, kri- tisierte Prof. Dr. med. Gereon Heuft, Klinik und Poliklinik für Psychosoma- tik und Psychotherapie
der Universitätsklinik Münster.
Lange gab es in der ambulanten Psychothe- rapie keine mess- und vergleichbaren Daten und Vorbehalte dage- gen, weil vergleichbare Aussagen zu komple- xen individuellen Krank- heitsverläufen in un- terschiedlichen Settings
sehr schwierig seien. Mit dem Ziel, Qualitätssicherung (QS) als Teil psy- chotherapeutischer Arbeit praktikabel zu machen, startete das IQN – eine Ein- richtung der KV und Ärztekammer Nordrhein – das Projekt „Qualitäts- sicherung in der ambulanten Psycho- therapie“. Das im stationären Bereich eingeführte QS-Instrument Psy-BaDo (Psychotherapeutische Basisdokumen- tation) wurde auf den Bedarf der nie- dergelassenen Praxen angepasst und er- probt. Angeregt hatte das Projekt die Deutsche Gesellschaft für Psychothera- peutische Medizin e.V. Im Juni 2001 startete die Pilotphase. Erste Ergebnis- se lagen im Juli 2003 vor.
Zunahme der Leistungsfähigkeit
Mithilfe der Erhebungsinstrumente BSS (Beeinträchtigungsschwere-Score) und GAF (Global Assessment of Func- tioning Scale) wurde das Befinden der Patienten durch die Therapeuten ver- mittelt. Beide Skalen zeigen im Prä- Post-Vergleich eine Verminderung der Beeinträchtigungsschwere beziehungs- weise eine Zunahme der Leistungs- fähigkeit der Patienten.
In den anonymisierten Dokumentationsbögen bestimmen Therapeu- ten und Patienten zu Beginn der Behand- lung die Therapieziele und geben am Schluss an, ob diese erreicht wurden. „Auffällig war“, betonte Karin Bell, die das Projekt mitinitiert hat, „dass die Thera-
peuten den Behandlungserfolg meist schlechter eingeschätzt haben als die Patienten selbst.“ Die Psychoanalyti- kerin profitierte davon, ihre Behand- lungsergebnisse auch dokumentiert zu sehen: „Es verändert das berufliche Selbstbewusstsein.“
Weitere Ergebnisse: Die meisten Pa- tienten (20,9 Prozent) litten in der Hauptdiagnose an reaktiver schwerer Belastung/Anpassungsstörungen, ge- folgt von Angststörungen (15,6 Pro- zent). Den Weg in eine psychothera- peutische Praxis fanden die meisten (39,3 Prozent) aus eigenem Entschluss oder auf Empfehlung aus dem privaten Umfeld.
Bell appelliert an die Psychothera- peuten, Qualitätssicherung nicht nur negativ als Kontrolle der eigenen Ar- beit zu betrachten, sondern auch die Vorzüge zu sehen. Die Vorbehalte wa- ren offenbar groß, denn beteiligt haben sich an dem Projekt des IQN nur 23 Praxen in Nordrhein, die ungefähr 1 100 Dokumentationsbögen zur Aus- wertung zur Verfügung stellten. Um so- lide Aussagen über Behandlungsverläu- fe und auch Vergleichbarkeit der in der Richtlinienpsychotherapie eingesetz- ten Methoden treffen zu können, wer- den mehr Daten benötigt. Der Grund für die geringe Teilnahme liegt nach Ansicht der Präsidentin der Psychothe- rapeutenkammer Nordrhein-Westfa- len, Monika Konitzer, in dem „metho- disch und inhaltlich problematischen Konzept“. Auch seien selbst gemeldete Daten „nicht wissenschaftlich“, sagte sie gegenüber PP. Konitzer hält das Pro- jekt für nicht mehr als „einen erweiter- ten Qualitätszirkel“ und schließt eine Beteiligung ihrer Kammer daran aus:
„Man müsste neu anfangen.“
Argumentationshilfe
Die extern ausgewerteten Daten sollen den Teilnehmern eine Basis bieten, um fachintern das eigene Handeln zu dis- kutieren. Die Arbeit in Intervisions- gruppen und Qualitätszirkeln kann da- von profitieren. Nicht zu unterschätzen ist auch die Dokumentation der Wirk- samkeit und die Schwere der Krank- heitsbilder in gesundheitspolitischen Diskussionen. Petra Bühring
Qualitätssicherung
Dokumentierte
Behandlungserfolge
Das Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein startete ein Projekt zur
Qualitätssicherung in der ambulanten Psychotherapie.
Psychologische und ärztli- che Psychotherapeuten, die an dem Projekt mitwirken wollen, wenden sich an: In- stitut für Qualität im Ge- sundheitswesen (IQN), Dr.
Martina Levartz, Tersteegen- straße 9, 40474 Düsseldorf, Telefon: 02 11/43 02 15 57, Telefax: 02 11/43 02 15 58, E-Mail: IQN@aekno.de.