Dokumentation
Stellungnahme zur PID
Ergänzende Äußerung des Wissenschaftlichen Beirats im Internet
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er Wissenschaftli- che Beirat der Bundesärztekammer (BÄK) hält an seiner Position fest, „wo- nach die Präimplanta- tionsdiagnostik (PID) im Einzelfall bei Ver- dacht auf die Ent- stehung einer schwer- wiegenden geneti- schen Erkrankung in engen Grenzen und unter Einhaltung strikter Verfah- rensregeln aus medizini- schen, ethischen und recht- lichen Gesichtspunkten ver- tretbar ist“. Die kontroverse Diskussion habe gezeigt, dass eine rechtliche Klärung der Zulässigkeit der PID durch den Gesetzgeber notwendig sei, heißt es weiter in einer„Ergänzenden Stellungnah- me des Wissenschaftlichen
Beirats zum Diskussionsent- wurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“.
Der 105. Deutsche Ärztetag 2002 in Rostock hatte aller- dings eine Entschließung ver- abschiedet, die auf ein gesetz- liches Verbot der PID zielt (siehe DÄ, Heft 24/2002).
Der Vorstand der BÄK hat sich bisher keine abschlie-
ßende Meinung zur PID ge- bildet. Er sprach sich auf sei- ner Sitzung am 18. Oktober jedoch dafür aus, im Inter- esse der allseitigen Diskussi- on die „Ergänzende Stellung- nahme“ in die umfassende Dokumentation des Deut- schen Ärzteblattes „PID, PND, Forschung an Embryonen“ zu integrieren, die im Internet abrufbar ist unter www.aerz teblatt.de/pid.
Grundsteinlegung
BÄK und KBV bauen in Berlin
Die Ärzteschaft will 2004 mehrheitlich in der Hauptstadt vertreten sein.
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nmittelbar am S-Bahnhof Tiergarten wurde in der ver- gangenen Woche der Grund- stein für das zweiteilige Büro- gebäude gelegt, das Bundes-ärztekammer (BÄK), Kassen- ärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Deutsche Kran- kenhausgesellschaft (DKG) Mitte 2004 beziehen wollen.
Die KBV wird dort zunächst eine Dienststelle auf Mietba- sis einrichten. Grund ist, dass die Zustimmung des Bundes- gesundheitsministeriums zu ih- rem kompletten Umzug von Köln an die Spree weiter aus- steht. BÄK und DKG verle- gen hingegen ihren Hauptsitz
nach Berlin. Das neue Quar- tier liegt am Eingang zur so genannten Spreestadt Char- lottenburg. Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm wies dar- auf hin, dass man von dort zu Fuß zu den Stätten der Macht wie Bundestag und Bundeskanzleramt laufen kön- ne. „Das macht den Kopf frei“, bemerkte der Erste Vorsitzende der KBV. Die beiden lichten, transparenten Neubauten der Ärzteschaft sollen symbolisieren, dass man sich nicht abschotten werde.
Prof. Dr. med. Jörg-Diet- rich Hoppe, Präsident der BÄK, begründete das Um- zugsvorhaben damit, dass die Musik seit 1999 nun einmal in Berlin spiele. Wenn in Zu- kunft die drei Organisationen unter einem Dach säßen, wer- de ein Austausch leichter mög- lich. Dieser werde die ge- meinsame Basis für die politi- sche Arbeit stärken, erklärte Volker Odenbach, Vizepräsi- dent der DKG.
Gesundheitspolitik
Kontroverse im Bundestag
Weiter warten auf Strukturreformen
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undesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat in der vergangenen Woche im Bundestag angekündigt, dass sie 2003 eine Strukturreform auf den Weg bringen will, „die sich vorrangig mit der Ausga- benentwicklung im Gesund- heitswesen befasst“. Allen- falls „langfristig“ werde man sich mit der Sicherung der Einnahmesituation in allen sozialen Sicherungssystemen auseinander setzen müssen.Ex-Bundesgesundheitsmini-
ster Horst Seehofer (CSU) warf der Regierung vor, die akute Finanznot der GKV sei Ausdruck rot-grünen Unver- mögens: „Das ist die Folge Ih- res Verschiebebahnhofs und politisch falscher Maßnah- men.“ Sein Fraktionskollege Dr. Heinrich L. Kolb verlang- te, man müsse „mit einer mu- tigen und beherzten Politik“
die Strukturprobleme in der Renten- und Krankenversi- cherung lösen. „Wir sind zur Mitarbeit bereit“, betonte Kolb, „aber nicht mit heißer Nadel.“
Dr. Dieter Thomae (FDP) ging auf die abnehmende Mo- tivation des Arztnachwuches ein. „In hohem Maße verlas- sen junge Ärzte Deutschland und gehen ins Ausland“, sagte er. „Die jungen Mediziner sind gar nicht so dumm, wie Sie denken.“
Fortbildung: Qualitätssicherung
„Qualitätssicherung in ärztlicher Hand – Zum Wohle des Patienten“ lautet das Motto eines Kongresses, den das Institut für Qualität im Gesundheitswe- sen Nordrhein (IQN) am 16. November in Neuss veranstaltet. Neben einer all- gemeinen Einführung in die Thematik beschäftigt sich der Kongress mit fünf Schwerpunktthemen: Mammakarzinom, Malignes Melanom, Diabetes mel- litus, Schlaganfall und Pharmakotherapie. Informationen können unter Tele- fon: 02 11/43 02-5 57, Fax: 43 02-5 58 oder E-Mail: IQN@aekno.de abgeru- fen werden.
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A2972 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002
Bei der PID werden außerhalb des Mutter- leibes befruchtete Eizellen (hier: Intra-Cyto- plasmatische Spermien-Injektion) genetisch
untersucht. Foto: dpa
Einen Fußmarsch vom Zentrum der Macht entfernt residieren künf- tig die ärztlichen Spitzenorganisationen. Foto: Ines Engelmohr
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Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002 AA2973
Universität
Stiftungsmodell als Alternative
Medizinische Hochschule Hannover soll neue Trägerschaft erhalten.
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er Senat der medizini- schen Hochschule Hanno- ver (MHH) hat an das LandNiedersachsen den Antrag gestellt, die Einrichtung in die Trägerschaft einer Stiftung zu überführen. Über die Be- antragung des Stiftungsmo- dells hatten die Mitglieder des
Hochschulorgans im Oktober mehrheitlich entschieden. Von der alternativen Trägerschaft erhofft sich die Hochschule vor allem mehr Handlungs- spielraum in ihrer wissen- schaftlichen Entwicklung so- wie ein höheres Maß an wirt- schaftlicher Gestaltungsfreiheit.
MHH-Rektor und Vorstands- sprecher Prof. Dr. Horst von der Hardt will darüber hinaus durch die neue Trägerschaft ei- ne stärkere Positionierung der Hochschule in der Gesellschaft
erreichen. Sollte das Land Nie- dersachsen dem Antrag zu- stimmen, geht die Medizi- nische Hochschule Hannover zum 1. Januar 2003 in die Trä- gerschaft einer Stiftung über.
WHO-Programm in Indien
Erfolgreiche Therapie der Tuberkulose
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in landesweites Programm zur Dia- gnose und Behandlung der Tuberku- lose in Indien verläuft offenbar sehr er- folgreich. In den letzten acht Jahren wurden mehr als 40 Prozent der Bevöl- kerung erfasst. Im New England Jour- nal of Medicine (2002; 347: 1420–1425) berichtet das WHO-Regionalbüro für Südost-Asien in Neu-Delhi zusammen mit den Centers of Disease Control and Prevention in Atlanta/Georgia, dass bisher nahezu 800 000 Menschen be- handelt wurden. Die Kosten pro geheil- ten Patienten betrugen nur 50 US- Dollar. Das gesamte Programm, das von Weltbank und Stiftungen in Däne- mark und Großbritannien unterstützt wird, hat bisher 50 Millionen US- Dollar gekostet. Der geringe finanziel- le Aufwand ist zurückzuführen auf dieniedrigen Personalkosten in Indien, den zentralen Einkauf von Medika- menten, Mikroskopen und Reagenzien und schließlich auf eine Minimal-Dia- gnostik.
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twa 200 000 Gesundheitsarbeiter be- fragten die Bevölkerung, ob sie seit mehr als drei Wochen unter Husten lei- den. Wurde dies bejaht, folgten inner- halb von zwei Tagen drei Sputumunter- suchungen. Enthielten zwei oder drei Proben säurefeste Bazillen, wurde eine Tuberkulosebehandlung unter direkter Beobachtung begonnen. Wenn alle Proben negativ waren, erhielten die Pa- tienten ein Breitband-Antibiotikum für ein bis zwei Wochen. War nur eine Probe positiv oder hielten die Sympto- me trotz der Antibiotikagabe an, wurde der Patient in die nächste Klinik zur Röntgenaufnahme geschickt. So konn- te das Programm auch in ländlichen Regionen ohne Stromversorgung reali- siert werden. Wie die Gruppe um Tho- mas Frieden (New York) berichtet, lag die Erfolgsrate bei fast 83 Prozent.D
as „Revised National Tuberculosis Control Program“ ist damit nicht nur eines der größten und kosteneffek- tivsten Public-Health-Programme der Welt. Zum Erfolg zählt auch, dass die Rate der Resistenzen niedrig geblieben ist. In Indien liegt die Präva- lenz der Vielfachresistenzen bei ein bis 3,4 Prozent. Das ist bedeutend we- niger als in New York (sieben Prozent) oder in Russland (zehn bis 15 Prozent).Allerdings bedeuten die hohen Infek- tionszahlen, dass etwa 20 000 Patien- ten mit Mehrfachresistenzen behandelt werden müssen mit 100fach höheren Kosten als bei einer normalen Infek- tion. Gefahr droht dem Programm durch die schwelende HIV-Epidemie.
In Indien sind etwa vier Millionen Menschen mit dem Aids-Erreger infi- ziert, die Hälfte davon ist auch Tu- berkulose-infiziert. Daraus errechnen sich 200 000 neue Tuberkulosefälle jähr- lich. Das Programm soll auf ganz In- dien ausgedehnt werden. Bis 2004 sollen 80 Prozent des Landes abge- deckt sein. Rüdiger Meyer Akut
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ie Zulassung neuer Medi- kamente soll in der Euro- päischen Union künftig ver- einheitlicht und damit be- schleunigt werden. Einem ent- sprechenden Richtlinienent- wurf stimmte das Europapar- lament Ende Oktober in erster Lesung grundsätzlich zu. Die Parlamentarier lehnten jedoch mehrere Vorschläge der EU- Kommission ab, darunter die geplante Lockerung des Wer- beverbots für verschreibungs- pflichtige Medikamente. Die Kommission wollte Pharma- herstellern erlauben, in einem„Pilotprojekt“ über Medika- mente gegen Diabetes, Aids und Asthma zu „informieren“.
Streit gab es auch über den Zeitpunkt der Marktzulas- sung von Generika, die bislang europaweit uneinheitlich ge- regelt ist. Nach dem Willen des Parlaments sollen diese nun
zehn Jahre nach dem Original- präparat auf den Markt kom- men dürfen. Grundsätzlich sol- len neuartige Medikamente künftig zentral für die ganze EU durch die 1995 gegründe- te EU-Arzneimittelagentur in London zugelassen werden.
Schließlich forderte das Parlament striktere Regeln für die Beziehungen der Phar- maindustrie zur Ärzteschaft.
So sollen Firmen Einladun- gen und Bewirtungen künftig nur dann als Repräsentati- onsaufwand abschreiben dür- fen, wenn sie deren „wissen- schaftlichen Hauptzweck“ be- legen können.
Das Europaparlament hat bei gesundheitspolitischen Re- gelungen ein Mitspracherecht.
Parlament und der Rat der Gesundheitsminister müssen sich somit auf eine gemeinsa- me Linie einigen.
EU-Arzneimittelrecht
Werbeverbot bleibt bestehen
Europaparlament stimmt Richtlinienentwurf grundsätzlich zu.
Medizinische Hochschule Hannover: Stimmt das Land zu, geht die MMH 2003 in die Trägerschaft einer Stiftung über. Foto: MHH