Hilfe“ lud medico international bereits Ende März 2003 zu einer Konferenz nach Frankfurt am Main ein (6). Unter dem Eindruck des US-Einmarsches in den Irak stand dabei nicht nur die In- strumentalisierung der Hilfe durch Mi- litärs zur Diskussion. Martin Salm, Lei- ter von Caritas international, forderte eine stärkere politische Analyse der Or- ganisationen über ihre Zielgebiete ein (7). Wo Hilfe zum Selbstzweck wird, fol- gerte Salm, gerieten die gesellschaftli- chen und politischen Verhältnisse aus dem Blickfeld. Auch hier können die Folgen verheerend sein. Nach dem Erd- beben in Indien im Januar 2001 etwa hät- ten internationale Organisationen „auf der Welle des großen Mitgefühls“ allzu schnell Programme zur Nothilfe organi- siert. Kaum jemand habe damals beach- tet, dass im betroffenen Bundesstaat Gu- jarat Hindu-Fundamentalisten beson- ders stark sind und dass die von ihnen verteidigte Kasten-Ordnung zur Aus- grenzung von ganzen Teilen der Bevöl- kerung beiträgt. „Das Ergebnis war, dass ein guter Teil der Hilfe denjenigen, die in der Gesellschaft ohnehin marginalisiert sind, nicht zugute kam“, erinnerte Salm.
Beide Probleme, die Instrumentali- sierung durch Militärs und vorschnelle Hilfen, sind auf eine Ursache zurückzu- führen: die Öffentlichkeitswirkung. Es liegt in der Natur der Sache, dass mi- litärische Akteure immer versuchen werden, ihre „humanitären Hilfsleistun- gen“ medial in Szene zu setzen. Doch auch zivile Hilfsorganisationen orien- tieren sich in den letzten Jahren ver- stärkt auf eine solche Außenwirkung.
Caritas international arbeitete während der „heißen Phase“ zu Beginn des Irak- Krieges hingegen vor allem mit lokalen Partnern. „Und obwohl so viele TV- Teams in Bagdad waren, haben wir kei- ne Kontakte vermittelt, um die Helfer und die Hilfe für die Zivilbevölkerung nicht zu gefährden“, betonte Salm.
Auch wenn diese Hilfe über ortsansässi- ge Strukturen effektiver sei, werde sie von den Medien weniger dargestellt.
Hiesige Hilfsorganisationen müssten daher bereit sein, diesen Nachteil in der Werbung zu akzeptieren, wenn sie se- riös sein wollen. Harald C. Neuber Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit5005 abrufbar ist.
T H E M E N D E R Z E I T
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A3498 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 50⏐⏐16. Dezember 2005
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ur äußerst zaghaft machen Versi- cherte und Patienten bislang von ihrem Recht Gebrauch, medizini- sche, pflegerische und Rehabilitations- leistungen im europäischen Ausland in Anspruch zu nehmen. Auch ist die Ent- scheidung, sich fern der Heimat unters Messer zu legen oder einen niedergelas- senen Arzt aufzusuchen, selten geplant, sondern ergibt sich in der Regel spon- tan, zum Beispiel infolge eines Unfalls oder bei einem Notfall. Am mutigsten sind Patienten, die in Grenzregionen le- ben und auf Leistungsangebote im Aus- land im Rahmen von Kooperationsab- kommen zwischen zwei oder mehr Län- dern – so genannten Euregios – zurück- greifen können.Spitzenreiter bei Leistungen, die Mitglieder der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) grundsätzlich auch im Ausland beziehen würden, sind nach einer Umfrage der TK Spezial Baden-Württemberg Arzneimittel, ge- folgt von Kuren, Heil- und Hilfsmitteln sowie Zahnersatz. Erst dann folgen am- bulante ärztliche Leistungen, Kranken- hausbehandlungen und Gesundheits- Check-ups.
Alles in allem sind es jedoch nur rund 500 000 Kostenrechnungen pro Jahr, die auf der Basis von Auslandskranken- scheinen zwischen deutschen und aus- ländischen Krankenkassen beglichen werden müssen. So hat die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversiche- rung Ausland (DVKA) in Bonn errech- net, dass ausländische Patienten der GKV im Jahr 2003 Kosten in Höhe von 134 Millionen Euro verursacht haben.
Das entspricht gerade einmal knapp ei- nem Prozent der Gesamtleistungsaus- gaben der Kassen in jenem Jahr. Umge- kehrt beliefen sich nach Berechnungen der DVKA die Forderungen ausländi-
scher Kostenträger an die GKV eben- falls auf lediglich 151 Millionen Euro.
Dennoch: Die Patientenmobilität in- nerhalb Europas ist eine Tatsache, an der weder Ärzte, Krankenhäuser und Kostenträger noch die Regierungen vorbeisehen können. „Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, diese Entwick- lung mit der nationalen Verantwortlich- keit für die Gesundheitssysteme in Ein- klang zu bringen“, sagte Dr. Frank Nig- gemeyer, Gesundheitsattachée bei der Ständigen Vertretung der Bundesre- publik Deutschland in Brüssel, beim European Health Care Congress in Düsseldorf. Dies könne nur durch eine intensivere Zusammenarbeit der Mit- gliedstaaten der Europäischen Union (EU) geschehen. Niggemeyer verwies in diesem Zusammenhang auf eine von der EU-Kommission ins Leben gerufe- ne hochrangige Arbeitsgruppe. In die- ser nach dem Leiter der Generaldirekti- on Gesundheit und Verbraucherschutz (GD Sanco) bei der EU, Robert Made- lin, benannten Gruppe, setzen sich Ver- treter von Kommission und Regierun- gen vor allem mit der Frage auseinan- der, wie sich die grenzüberschreitende medizinische Versorgung durch die ge- meinsame Entwicklung von Leitlinien, eine Verbesserung der Finanzierungs- grundlagen der Gesundheitssysteme und der Informationsflüsse sowie durch die Stärkung der Patientenrechte vor- anbringen lässt.
Ergebnisse stehen noch aus
Allerdings steht dieser Prozess noch ganz am Anfang. Zwar treffen sich die Vertreter der Madelin-Gruppe seit rund zwei Jahren in regelmäßigen Ab- ständen. Brauchbare Ergebnisse, wie zum Beispiel klare Vorgaben für medi- zinische Zentren, die für ganz Europa als Einrichtungen für ausgesuchte spe- zialärztliche Leistungen gelten sollen, gibt es bislang jedoch nicht. Die EU- Kommission ist daher, das räumte Hel- mut Walerius von der GD Sanco ein, auch auf den Input zum Beispiel von bereits bestehenden grenzüberschrei- tenden Zusammenschlüssen zwischen klinischen Einrichtungen angewiesen, um Antworten auf diese Fragen zu
finden. Petra Spielberg