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Archiv "4. Tendenzen zur Emanzipation von Heilhilfsberufen" (27.06.1974)

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E. IX. Ausübung der Heilkunde durch Nichtärzte

Obwohl von Politikern der Schutz des Menschen vor Risiken für die Gesundheit immer wieder prokla- miert wird, gibt es bisher keine An- zeichen, die darauf schließen las- sen, daß hier eine grundsätzliche, den Forderungen nach ausreichen- dem Schutz der Volksgesundheit gerecht werdende Regelung bevor- steht. Die Verantwortung dafür liegt ausschließlich bei Staat, Re- gierung und Parlament.

3. Tätigkeit von

Handwerksberufen auf dem Gebiet der Heilkunde

Eine Abgrenzung der Tätigkeit handwerklicher Berufe zur Aus- übung der Heilkunde durch Ärzte ist dringend erforderlich. Es sei da- bei nur auf die Bestrebungen unter anderem der Augenoptiker verwie- sen, die in Teilgebieten die Heil- kunde auszuüben versuchen. Ge- stützt auf das „Optikerurteil" des Bundesverwaltungsgerichtes, nach welchem die Sehschärfenbestim- mung eine dem Optiker erlaubte handwerkliche technische Verrich- tung sein soll, bemüht sich diese Berufsgruppe, die Heilkunde auch in weiteren augenärztlichen Teilbe- reichen auszuüben.

Die vom Bundeswirtschaftsminister 1969 erlassene Verordnung über das Berufsbild für das Augenopti- kerhandwerk weist trotz der von der Ärzteschaft vorgetragenen schwerwiegenden Bedenken zahl- reiche Tätigkeiten zur Ausführung dem Optiker zu, obgleich die Ange- hörigen dieses Berufes nicht die erforderlichen, nur während des Studiums der Medizin bzw. in der ärztlichen Weiterbildung zu erwer- benden Fachkenntnisse besitzen

können.

Aber nicht nur in der Bundesrepu- blik war die Ausübung der Heilkun- de durch Optiker Gegenstand zahl- reicher Erörterungen, auch im Be- reich der EG sind die gleichen Ten- denzen festzustellen.

Das vom Bundesverwaltungsge- richt ergangene „Optikerurteil" aus

dem Jahre 1966 wurde in einem Rechtsstreit zwischen Augenärzten und Optikern, der bis zum Bundes- gerichtshof führte, überprüft. Auch nach Auffassung des Ersten Senats dieses Gerichtes gilt die Feststel- lung der Sehschärfe zum Zwecke der Brillenanpassung durch Augen- optiker nicht als Ausübung der Heilkunde im Sinne des Heilprakti- kergesetzes. Damit wurde das Ur- teil des Bundesverwaltungsgerich- tes bestätigt. In der Entscheidung wurde allerdings betont, daß es dem Gesetzgeber überlassen blei- ben müsse, ob er sich zu einer Un- tersagung oder Einschränkung der Refraktionstätigkeit der Augenopti- ker entschließen wolle.

4. Tendenzen

zur Emanzipation von Heilhilfsberufen

Bestrebungen von Masseuren, Chiropraktik auszuüben, haben zu einer Entscheidung des Bundes- verwaltungsgerichtes geführt. In dieser wird festgestellt, daß derje- nige, der ohne ärztliche Approba- tion chiropraktische Behandlungen vornimmt, die Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes ausübt und dazu der Erlaubnis bedarf.

Auch auf Anordnung eines Arztes kann eine chiropraktische Behand- lung nicht ohne die Heilpraktiker- erlaubnis ausgeführt werden. Die Tendenzen, Teile der Heilkunde Handwerks- oder Heilhilfsberufen zuzuordnen, sind auch in früheren bildungspolitischen Überlegungen des Wissenschaftsrates für die akademische Ausbildung eines Teiles der Heilhilfsberufe zu finden.

Diplom-Mediziner

Diese Vorschläge wurden mit dem Modellentwurf „Diplom-Mediziner"

zum Teil wieder aufgegriffen. Bei Verwirklichung solcher Pläne wür- den Teilbereiche der ärztlichen Be- rufsausübung auf neue Berufe übertragen. Das Gesetz zur Neure- gelung des Rechtes der medizi- nisch-technischen Assistenten sei der Vollständigkeit halber an die- ser Stelle ebenfalls erwähnt.

5. Heilergänzungs- berufe —

Diplompsychologen

Der 73. Deutsche Ärztetag hat im Rahmen der Neufassung der Be- rufsordnung für die deutschen Ärz- te auch das Zusammenwirken von Arzt und Nichtarzt neu geregelt.

Nach § 21 der neugefaßten Berufs- ordnung liegt ein solches unzuläs- siges Zusammenwirken dann nicht vor, wenn der Arzt zur Erzielung des Heilerfolges am Patienten nach den Regeln der ärztlichen Kunst die Mitwirkung des Nichtarz- tes für notwendig hält und die Ver- antwortungsbereiche von Arzt und Nichtarzt klar erkennbar voneinan- der getrennt bleiben. Mit Aufnahme dieser Bestimmung in die Berufs- ordnung hat der Deutsche Ärztetag die bisher bestehenden standes- rechtlichen Schranken beseitigt und die Zusammenarbeit von Ärz- ten und Nichtärzten unter bestimm- ten Voraussetzungen zugelassen.

Damit konnten die am 1. April 1971 in Kraft getretenen Ergänzungen des Arzt/Ersatzkassen-Vertrages zur Anwendung tiefenpsycholo- gisch fundierter und analytischer Psychotherapie praktiziert werden.

Es kann jedoch ein nichtärztlicher Psychotherapeut (oder Psychago- ge) nur hinzugezogen werden, wenn der Arzt, der die Hinzuzie- hung veranlaßt, selbst überwiegend tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Psychotherapie durch- führt.

Bei den in den letzten Jahren ge- führten Besprechnungen zwischen Ärzten und Diplom-Psychologen über die Hinzuziehung von nicht- ärztlichen Psychotherapeuten be- stand Übereinstimmung, daß eine abgeschlossene akademische Aus- bildung — in der Regel die eines Diplom-Psychologen — und dane- ben eine weitere abgeschlossene Ausbildung in einem psychothera- peutischen Institut als Vorausset- zungen für die Tätigkeit im Rah- men der Heilkunde angesehen wer- den müssen. Zur Zeit finden weite- re Erörterungen mit dem Ziel statt, Nichtärzte unter gewissen Bedin- gungen auch zur Zusammenarbeit in bestimmten, noch abzugrenzen- den Bereichen zuzulassen. Es soll

2014 Sondernummer 26a vom 19. 7.1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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E.

IX. Ausübung der Heiikunde durch Nichtärzte

sichergestellt werden, daß der Di- plom-Psychologe nur auf Überwei- sung eines Arztes tätig wird, der hinzugezogene Diplom-Psychologe ständigen Kontakt mit dem überwei- senden Arzt hält und den Abschluß der Behandlung dem Arzt in jedem Fall mitteilt.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß nach ärztlicher Auffassung als Voraussetzung für eine Beteiligung von Nichtärzten bei der psycho- therapeutischen Betreuung der Be- völkerung die nachstehenden Kri- terien angesehen werden müssen:

> Die Ausbildung dieses Perso- nenkreises muß nach einheitlichen Richtlinien erfolgen.

> Die Tätigkeit muß deutlich ab- grenzbar sein und

> der Personenkreis, der als Ge- sprächspartner in Frage kommt, ist genau festzulegen.

Von seiten des Berufsverbandes deutscher Psychologen wurde vor- geschlagen, eine Qualifikation als

„Fachpsychologe für klinische Psy- chologie" einzuführen und diese von verschiedenen Merki-nalen ab- hängig zu machen. Ein vom Vor- stand der Sektion klinische Psy- chologie dieses Berufsverbandes vorgelegter Entwurf für „das Be- rufsbild und den Ausbildungsplan des Fachpsychologen für klinische Psychologie" ist den interessierten ärztlichen Organisationen und Ver- bänden im Januar 1973 zugegan- gen. Nach Auffassung der ärztli- chen Vertreter ist es unbedingt er- forderlich, daß während der sich an die Diplomprüfung anschließen-

den Ausbildung insbesondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Verhaltenstherapie, Individualpsy- chologie, analytischen Psychologie und Gesprächstherapie erworben werden müssen. Der ursprüngliche Entwurf einer Richtlinie, in welcher die Voraussetzungen aufgeführt waren, die nachgewiesen werden sollten, um die vorgenannte Be- zeichnung erwerben zu können, wurde von der ärztlichen Standes- organisation nicht als Basis für weitere Gespräche angesehen, da die in ihm enthaltenen Vorstellun- gen nicht geeignet waren, als Krite- rien für die Einschaltung von Di- plompsychologen in die Psycho- therapie zu dienen. Im Interesse der optimalen Versorgung der Bevölke- rung mit psychotherapeutischen Leistungen wird die Bundesärzte- kammer weiter dafür eintreten, daß nur solche Personen zu einer der- artigen Tätigkeit im Bereich der Heilkunde zugelassen werden, die über entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen verfügen.

Diese Auffassung wurde bei Erörte- rungen vertreten, die im Herbst 1973 mit den Autoren der vorge- nannten Broschüre geführt wurden.

Es stellte sich dabei heraus, daß noch eine Fülle von Einzelfragen abzuklären ist, bevor eine definitive Stellungnahme erfolgen kann. Mit Zustimmung des Vorstandsrefera- tes „Randgebiete der Medizin"

wurden daher zwei Arbeitskreise eingesetzt, die sich einmal mit Fra- gen des Berufsbildes und des Be- rufsrechtes dieses Personenkrei- ses und zum anderen mit der Wei- terbildung zum „klinischen Psycho- logen" befassen werden. Die Bera- tungen dieser Einzelthemen sind

noch nicht abgeschlossen. Eine gemeinsame Besprechung ist für den Sommer 1974 in Aussicht ge- nommen.

Psychologengesetz

Im Zusammenhang mit diesen Be- ratungen wurde bekannt, daß das Bundesministerium für Jugend, Fa- milie und Gesundheit erste Vorar- beiten aufgenommen hat, um den Beruf des „nichtärztlichen Psycho- therapeuten" gesetzlich zu regeln.

Das Gesundheitsministerium hatte für das Frühjahr zahlreiche Sach- verständige zu einem Gespräch eingeladen, in welchem unter an- derem geklärt werden sollte, wel- che Tätigkeiten und Tätigkeitsbe- reiche dieser Personenkreis ausübt und welche Ausbildung für erfor- derlich gehalten wird, um als nicht- ärztlicher Psychotherapeut tätig zu werden. Die Bundesärztekammer wandte sich daraufhin an dieses Ministerium, bot ihre Mitarbeit an und trug mündlich ihre Vorstellun- gen für die grundsätzliche Gestal- tung eines Gesetzes über die Aner- kennung der Berufsbezeichnung

„klinischer Psychologe" vor, die als Grundlage für die Diskussion, insbesondere auch für die gesetzli- che Regelung über den Beruf des nichtärztlichen Psychotherapeuten dienen sollten.

Die unter Leitung des Vorstandsre- ferates „Randgebiete der Medizin"

in Kürze zu führenden Erörterun- gen zu diesem Themenkomplex werden mitentscheidend dafür sein, welche gesetzliche Regelung in Zukunft in unserem Land für die- sen Bereich in Kraft gesetzt wird.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974

2015

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