,Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
Falsche
Orientierungsgrößen
Die Orientierung der Aufwands- entwicklung des Gesundheitswe- sens an der Dynamik der Brutto- einkommen aus unselbständiger Arbeit sei "vom ökonomischen Standpunkt" nur schwer verständ- lich. Um den Gesundheitssektor mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung besser zu synchroni- sieren, sollten vielmehr auch im Gesundheitswesen ,,marktkonfor- me" Mittel eingesetzt werden. Dies ist das kritische Fazit einer Analy- se von Dr. Karl Heinrich Oppenlän- der, dem Präsidenten des angese- henen Münchner lfo-lnstituts für Wirtschaftsforschung über "Ärzte- schwemme und Kostendämpfung im Gesundheitswesen" (lfo- Schneii-Dienst, Heft 15/1979, Sei- te 5 ff.). Der Wirtschaftsanalyti- ker kritisiert vor allem die im
.. Krankenversicherungs-Kosten- dämpfungsgesetz" (KVKG) festge- schriebene .. Deckel-Philosophie":
..,.. lnfolge individueller Verhal- tensweisen würden sich zwangs- läufig die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheitsleistungen regelmä- ßig stärker erhöhen als die Verän- derungen des Pro-Kopf-Einkom- mens. Das KVKG impliziere, daß pQiitisch über den für das Gut
"Gesundheit" verfügbaren Ge-
samtbetrag entschieden werde.
Evident sei aber wohl, daß diese politische Feststellung des finan- ziellen Gesamtrahmens allenfalls zufällig mit dem Bedarf aller Versi- cherten übereinstimmen könne.
..,.. Mit dem KVKG sollte die ärztli- che Honorartindung an eine allge- meine Einkommensentwicklung gebunden werden. Für jeden selb- ständigen Unternehmer würde dies aber bedeuten, daß seine Lei- stungsbereitschaft, sein Engage- ment und seine Initiative dadurch beeinträchtigt werde. Der Arzt ste- he einerseits im Wettbewerb zu anderen ärztlichen Kollegen und anderen Behandlungseinrichtun- gen sowie Behandlungsmetho- den. Deutlich sei die wachsende
Konkurrenz mittlerweile an Um- satz- und Einkommensrückgän- gen abzulesen. Der Arzt habe aber auch die Chance, durch Mehrlei- stungen sein Einkommen entspre- chend zu erhöhen.
Bedarfsrechnungen und das Ko- stendämpfu ngsgesetz tragen laut lfo-Analyse nicht gerade dazu bei, den freien Zugang zum Arztberuf zu fördern und junge Kollegen bei der Berufswahl stärker zu motivie- ren. Schließlich kritisiert der Autor die in der RVO verankerten Wirt- schaftlichkeitskontrollen durch paritätisch besetzte Organe, die einem durch die Selbstverwaltung gesteuerten System ebenso we- sensfremd seien wie sachfremde Orientierungsmaßnahmen. EB
Entwöhnungskuren auf Kassenkosten
Alkoholismus und die dadurch ausgelösten Behandlungskosten einschließlich der Kosten für Al- koholentwöhnungskuren müssen von den Krankenkassen übernom- men werden. Diese Regelung ist nach Meinung der Bundesregie- rung auch gerechtfertigt, obwohl die Kosten sehr hoch sind. So schätzt das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, daß eine sechsmonatige stationäre Be- handlung eines Alkoholkranken zwischen 15 000 und 20 000 DM kostet. Die Kosten für die ambu- lante Behandlung belaufen sich zwischen 1500 und 1700 DM jähr- lich. Wie ein Regierungssprecher auf Anfrage im Bundestag be- kanntgab, würden von 100 Men- schen, die vergleichbar viel alko- holische Getränke zu sich neh- men, nur zwei bis drei Prozent vom Alkohol abhängig. Anderer- seits, so die Bundesregierung, sei- en alkoholabhängige Körperschä- den der Leber, des Magens, des Darms, des Kreislaufs und der pe- ripheren Nerven, die nicht geson- dert diagnostiziert werden, weit- aus häufiger; auch hierfür würden die Behandlungskosten von den Krankenkassen übernommen. EB
2384 Heft 38 vom 20. September 1979 DEUI'SCHES ARZTEBLATT
Kritik an Ehrenberg und Farthmann
Kein Verständnis bringt der stell- vertretende Vorsitzende des FDP- Bundesfachausschusses für So- zial- und Gesundheitspolitik, Dr.
med. Jörg-Dieter Gursky (Dort- mund). .,für die pauschalen Verun- glimpfungen der Ärzteschaft auf, die Bundesarbeitsminister Dr. Her- bert Ehrenberg kürzlich in einem Zeitungsinterview von sich gege- ben hat", so heißt es in einer Pres- seerklärung vom 29. August. Den Vergleich ärztlicher Tätigkeit am kranken Menschen mit der hand- werklichen Tätigkeit von Dachdek- kern bezeichnete Dr. Gursky als primitive Polemik gegen die Ärzte; zugleich könnte dies indirekt die Abwertung eines ehrenwerten Handwerker-Berufes bedeuten. Auch lasse sich die Krankheits- häufigkeit der Bevölkerung mit dem Ersatzbedarf von Ziegeln nicht vergleichen. Zugleich wies Dr. Gursky mit Schärfe die dem NRW-Landesminister Professor Dr. Friedhelm Farthmann zuge- schriebene Behauptung zurück, daß die Ärzte ihre Patienten häufi- ger in ihre Praxis bestellen würden als notwendig und damit einen un- nötigen Kostenfaktor verursach- ten. Für einen solchen Verdacht habe Farthmann nicht den gering- sten Beweis erbracht. WZ
Studentenversicherung:
Multiplikator angehoben
Ab 1. Oktober 1979 werden die Un- ternehmen der privaten Kranken- versicherung (PKV) die Leistun- gen des Studenten-Sondertarifs (PSKV) für ärztliche Behandlung vom 1,5fachen auf den 1,8fachen Satz der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) anheben. Den Son- dertarif "PSKV" (Private Studenti- sche Krankenversicherung) haben die privaten Krankenversicherun- gen im Herbst 1975 entwickelt und speziell auf die Bedürfnisse der Studenten und ihrer unterhaltsbe- rechtigten Ehegatten und Kinder
Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
abgestellt. Die Prämien zum PSKV-Tarif sind alters- und ge- schlecntsunabhängig kalkuliert (ab Oktober 55 DM monatlich). Es bestehen keine Wartezeiten, und die Kinder sind beitragsfrei mitver- sichert. Der Spezialtarif soll insbe- sondere Studienanfängern jeweils zum Semesterbeginn die Befrei- ung von der Pflichtkrankenversi- cherung erleichtern, die seit Be- ginn des Wintersemesters 1975/
1976 für sämtliche Studierenden gilt. Das direkte Abrechnungsver- fahren zwischen Ärzten und priva- ten Krankenversicherungsunter- nehmen bei Rechnungen bis zur Höhe des 1,8fachen Satzes der GOÄ für ambulante ärztliche und stationäre belegärztliche Behand- lung soll darüber hinaus auch Ho- norarausfälle vermeiden. Der Ver- band der privaten Krankenversi- cherung, Köln, hat zusammen mit dem Hartmannbund, dem Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV), dem Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands sowie dem Marbur- ger Bund an die Ärzteschaft appel- liert, privatversicherte Studenten möglichst nach dem PSKV-Tarif zu behandeln. Der PKV-Verband informiert über die Einzelheiten des Tarifes in einem Spezialmerk- blatt (anzufordern bei: PKV-Ver- band, Bayenthalgürtel 26, 5000 Köln 51). HC
Beitragsbemessungsgrenze steigt auf 4200 DM
Am 1. Januar 1980 werden die Bei- tragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung eine neue Re- kordmarke erreichen: Die Bei- tragsbemessungsgrenze in der ge- setzlichen Renten- und Arbeitslo- senversicherung beträgt (iden- tisch) dann 4200 DM, in der ge- setzlichen Krankenversicherung 3115 DM. Der monatliche Höchst- beitrag zur Sozialversicherung be- trägt (bei durchschnittlichem Bei- tragssatz in der Krankenversiche- rung von 11,5 Prozent) 1244 DM (Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen je die Hälfte). EB
Neue Thesen zur Gesundheitspolitik
In der Sommerpause hat die „Ge- sellschaft für sozialen Fehltritt" ei- ne Forschungsarbeit abgeschlos- sen, die der Weiterentwicklung im Gesundheitswesen neue Wege weist. Wir veröffentlichen das Er- gebnis der im Auftrag und für Rechnung des Bundesministe- riums für Familienplanung und gesundheitliches Wohlverhalten erstellten Forschungsarbeit im Wortlaut des Referentenentwurfs einer Presseerklärung des Mini- steriums:
1. Die aktuellen Probleme der Ge- sundheitsvorsorge, der Kranken- betreuung und der Berufsbildung in der Medizin sind qualitative Strukturprobleme des für medizi- nische Berufsbildung und Berufs- ausübung vom Staat vorzuhalten- den Patientenpotentials. Dieses ist derzeit weder geeignet für
— eine optimale Ausbildung aller zur ärztlichen Ausbildung willigen Personen noch für
—eine rationelle Medizin in Klinik, Ambulanz und Sozialstation noch für
—eine optimale Erfassung der Ge- samtbevölkerung durch medizi- nisch-technische Präventions- zentren links der Bundesregierung (nach DIN A Jahn).
2. Patientengut und Probanden- potential sind daher so weiterzu- entwickeln, daß sie den Basisbe- dürfnissen der medizinisch Aus- zubildenden (med. Azubis), der medizinischen Leistungsanbieter (med. Leiabis) und der medizini- schen Verhaltenssteuerung der Gesamtbevölkerung durch medizi- nisch-technische Präventions- zentren (med. Präzetts) gerecht werden können.
3. Zur Zieldefinition rationaler Ent- wicklung bedarf es daher zu- nächst der Förderung gezielter Forschungsvorhaben über die Möglichkeiten der Normierung
SATIRE
—der zur Entgegennahme medizi- nischer Übungsleistungen ver- pflichteten Personen,
—der zur Inanspruchnahme medi- zinischer Kunstfehler berechtigten Personen,
— der zur Teilnahme an und zur Durchführung von medizinischen, Präventionsmaßnahmen verpflich- teten und/oder berechtigten Per- sonen.
4. Die Forschungsprojektion hat folgende Ziele:
a) Für den Dauergebrauch zur Ausbildung in der Medizin — von der Familienplanung bis zur Ster- behilfe — sind Methoden der Pa- tientenfrischhaltung (Copyright by Prof. Dr. Michael Arnold, Tübin- gen) sowie flexibel morbide Dau- erpatienten zu entwickeln.
b) Zur Rationalisierung der Kran- kenbehandlung ist bis zur optima- len Entstörung des Medizinbetrie- bes in Klinik und Praxis durch Eli- minierung aller Patienten (Planziel der med. Präzetts, vgl. 4 c) als Zwi- schenlösung der international ge- normte und entsprechend präfor- mierte Einmal-Wegwerf-Patient (nach einer Idee von Prof. Dr. Dr.
h. c. Ernst Fromm, Hamburg) zu entwickeln.
c) Zur Ausschöpfung aller Kompe- tenzen der medizinisch-techni- schen Präventionszentren (med.
Präzetts) sind Modelle permanen- ter Rufbereitschaft, Trimm-Trab- Teilnahmepflicht und Lebensqua- litätsüberwachung der datenverar- beiteten Gesamtbevölkerung zu entwickeln.
5. Zur Sicherstellung der körperli- chen, seelischen und sozialen Pa- tientenoptimierung sind alle ge- sellschaftlich relevanten Gruppen in einer Konzertierten Aktion zu- sammenzuführen, soweit diese Gruppen vom Deutschen Gewerk- schaftsbund (DGB) vertreten wer- den. Die Konzertierte Aktion hat vierteljährlich verbindliche Emp- fehlungen zur Energieeinsparung bei der Geburtenverhütung und zur Kostendämpfung bei der Ver- storbenenberatung zu verabschie- den. FdS
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 38 vom 20. September 1979 2385