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Archiv "Pyelonephritis" (01.06.1978)

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Pyeloneph ritis

Diagnostik und Therapie in der Praxis

Theodor Königshausen und Harry Rosin

Aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik, KlinikA (Direktor Professor Dr. med. Wolfgang Schneider)

und dem Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie (Direktor Professor Dr. med. Peter Naumann)

der Universität Düsseldorf

Bakterielle Infektionen der Nieren und der ableitenden Harnwege wei- sen häufig - insbesondere bei der chronischen Verlaufsform-eine un- spezifische Symptomatik auf. Daher werden neben dem Allgemeinarzt Ärzte zahlreicher Fachrichtungen primär mit ihnen konfrontiert.

Nach einer Kopenhagener Statistik ist nur jeder 6. Fall von 202 Patien- ten, die eine Pyelonephritis als To- desursache aufwiesen, klinisch dia- gnostiziert worden. ln einer Feldstu- die der Badischen Anilin- und So- dafabrik im Jahre 1967 fanden sich unter 33 356 Untersuchten bei 4,9 Prozent der Frauen und 0,3 Prozent der Männer Hinweise für eine floride Harnwegsinfektion. Nach einer Schätzung auf dem Boden einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Nephrologie errei- chen in Deutschland jährlich etwa 15 Kinder auf Grund einer chroni- schen PN das Urämiestadium. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist es bedeutungsvoll zu wissen, daß bei den heutigen Möglichkeiten der Therapie gerade die Frühdiagnose die beste Voraussetzung der Hei- lung ist. Unbehandelt oder unzurei- chend behandelt führt die Entzün- dung zu einer fortschreitenden Schrumpfung der Nieren.

Basisdiagnostik

Die subjektiven Beschwerden sind individuell unterschiedlich nur bei

der akuten PN charakteristisch, während die chronische PN - sie macht 80 Prozent aller Harnwegsin- fekte im Erwachsenenalter aus- le- diglich unspazifische Allgemein- symptome hervorruft (Tabelle 1 ).

Aus der unspazifischen Symptoma- tik resultiert eine Vielfalt synonymer Diagnosen (zum Beispiel akutes ure- thrales Syndrom, Reizblase, Bakte- riurie). Es muß jedoch bedacht wer- den, daß grundsätzlich jede Besied- lung des Harntraktes mit Bakterien zu einer PN führen kann, wir uns also mit der Diagnose Zystitis nicht in Sicherheit wiegen dürfen.

Die klinisch führende Diagnostik ist die Untersuchung des Urins. Ihr Ziel ist es, bei klinischem Verdacht, das heißt auch bei unspazifischen Be- schwerden, wenigstens ein Sym- ptom der kardinalen Trias bei chro- nischer PN zu erfassen

~ Leukozyturie

~ Leukozylindrurie

~ Bakteriurie

Von großer Bedeutung ist bereits die Frage der Uringewinnung. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten sind in Tabelle 2 zu- sammengefaßt: Spontanurin, ir- gendwann im Tagesverlauf gewon- nen, sollte, vor allem wegen der ho- hen Rate von Sekundärverunreini- gungen, nicht zur Diagnostik heran- gezogen werden. Für Erstuntersu-

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die Pyelonephritis weist auch heute noch eine erhebliche Dunkelziffer auf. Unerkannt und unbehandelt führt sie zum fortschreitenden Unter- gang von Nierengewebe und zur chronischen Niereninsuf- fizienz mit Urämie. Bei An- wendung der aktuellen Basis- diagnostik kann ein Großteil der Fälle bereits im Frühsta- dium erlaßt und geheilt wer- den. Die gestufte weiterfüh- rende Diagnostik ermittelt den Schweregrad der Erkrankung und entzündungsfördernde Faktoren. Voraussetzung für eine Heilung sind- neben der Frühdiagnose - der gezielte Antibiotikaeinsatz nach Anti- biogramm und die Beseiti- gung prädisponierender Fak- toren.

chungen erscheint der frühmor- gendliche Mittelstrahlurin durchaus geeignet. Beim Mann kann er leicht ohne oder mit nur geringer - als solche interpretierbarer- Sekundär- verunreinigung gewonnen werden, wenn der Patient vorher über die Säuberung des Orificium urethrae aufgeklärt wird. Bei der Frau muß vor Gewinnung des Mittelstrahlurins eine besonders sorgfältige Aufklä- rung über das Vorgehen (Spreizung der Labien) sowie die Reinigung des äußeren Genitale erfolgen, um eine Kontamination des Urins möglichst zu vermeiden. Bei der Beurteilung des so gewonnenen Urins kommt der kritischen Interpretation der Kul- turbefunde durch den Bakteriologen große Bedeutung zu. Die oftmals zu langen Transportzeiten zwischen Untersucher und Laboratorium könnten häufig mit Hilfe des Patien- ten oder seiner Angehörigen ver- kürzt werden.

Eine Kontamination der Urinproben läßt sich durch eine sorgfältig vorbe- reitete Blasenpunktion umgehen.

Diese Methode wird daher auch von einigen Autoren, speziell Nephrolo- gen und Pädiatern, bevorzugt. Sie wird sich jedoch wahrscheinlich als

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 22 vom 1. Juni 1978 1309

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Pyelonephritis

Maßnahme bei Erstuntersuchungen in der Praxis kaum durchsetzen und sollte Problemsituationen und spe- ziellen Fällen (wiederholte Misch-

kulturen ohne eindeutige ätiologi-

sche Bewertbarkeit) vorbehalten bleiben.

Der morgens gewonnene Mittel- strahlurin sollte grundsätzlich che- misch, mikroskopisch und kulturell untersucht werden (Tabelle 3). Eine Proteinurie ist bei der Pyelonephritis häufig zu beobachten, quantitativ je- doch meist geringer als bei glome- rulären Erkrankungen. Zu beachten ist, daß die Streifentestreaktion in alkalischem Urin nicht aussagefähig ist. Eine Erythrozyturie findet man bei Patienten mit unbehandelter Harnwegsinfektion nur in etwa 20 Prozent der Fälle, konstante Ery- throzyturien sind verdächtig auf glo- meruläre Erkrankungen, Konkre- mente oder einen Tumor im Berei- che von Nieren oder ableitenden Harnwegen. Aber auch eine Uretu- berkulose muß durch entsprechen- de kulturelle Untersuchungen aus-

Tabelle 1:

Klinische Symptome

0

Akute Pyelonephritis

~ Lendenschmerzen

~ Brennen beim Wasser- lassen

~ Harndrang

~ Pollakisurie

~ Fieber mit und ohne Schüttelfrost

f) Chronische Pyelonephritis

~ Kopfschmerzen

~ Müdigkeit, Abgeschla- genheit

~ Inappetenz, Brechreiz

~ Gewichtsabnahme

~ dumpfe Rückenschmer- zen

~ Leistungsknick mit Krankheitsgefühl

8

Akuter Schub der chroni- schen Pyeloneph ritis

~ wie akute Pyelonephritis

geschlossen werden. Der Nitrittest

beruht auf der schon lange bekann-

ten Grießsehen Probe: Bestimmte Bakterienarten reduzieren im Urin Nitrat zu Nitrit, hierzu zählen zum Beispiel Escherichia coli und Pro- teusspezies, jedoch nicht Entero- kokken oder Pseudomonas. Der Ni- trittest ist nur im positiven Fall aus- sagefähig, ein negativer Nitrittest schließt eine PN nicht aus.

Nach diesen orientierenden Schnell- testen hat die mikroskopische Urin-

untersuchung das Ziel, eine semi-

quantitative Aussage über die Leu- kozyten- beziehungsweise Erythro- zytenausscheidung zu gewinnen und eventuell die für eine chroni- sche PN pathognomonischen Leu- kozytenzylinder nachzuweisen. Die Untersuchung des unzentrifugierten Nativurins in der Fuchs-Rosenthai- Zählkammer liefert genauere Ergeb- nisse über die Leukozytenausschei- dung als das Sediment. Im Normal- fall kann sie die aufwendigen Me- thoden der tatsächlichen Leukozy- ten- oder Erythrozytenausscheidunq

Tabelle 2:

Methoden der Uringewinnung

Urin Vorteile

Spontan 0

("Addis-Count") ersetzen. Als ver- dächtig (und damit eine weiterge- hende Diagnostik erfordernd) gelten 10 bis 50 Leukozyten und 5 bis 10 Erythrozyten pro ml Urin. Im Urinse- diment gelingt es dagegen vielleich- ter als im Nativurin die beweisenden Leukozytenzylinder zu finden (Ob- jektiv 10: 1 und Abblenden). Bei der semiquantitativen Aussage über die Leukozyturie gelten 1 bis 4 Leukozy- ten (pro Gesichtsfeld) im Sediment als verdächtig und 5 bis 15 sowie höher als pathologisch. Hierzu soll- ten mindestens 10 Gesichtsfelder mit dem Objektiv 40 : 1 beurteilt werden. Eine pathologische Leuko- zyturie ist jedoch für eine chroni- sche PN nicht obligat zu erwarten.

Entscheidende Bedeutung sowohl für die Diagnose als auch für die spätere Therapie kommt den kultu- rellen Urinuntersuchungen zu, wo- bei quantitative und qualitative Ver- fahren zu erwähnen sind. Die Ein- tauch-Objektträgerverfahren erlau- ben ein quantitatives Screening. Als verdächtig gelten im Morgenurin

Nachteile

starke Sekundärverun-

reinigung

Mittelstrahl geringere Sekundärver- unreinigung

sorgfältige Mitarbeit des Patienten

(Sekundärveru n rein i- gung)

Katheter

Blasenpunk- tion

keine Belästigung des Patienten

geringere Sekundärver- unreinigung

keine Sekundärverun-

reinigung

selten Komplikationen

Belästigung des Patien- ten

iatrogenes Infektionsri- siko

Belästigung des Patien- ten

aufwendige Vorberei- tungen

1310 Heft 22 vom 1. Juni 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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Tabelle 3:

Basisdia- gnostik bei Verdacht auf chronische Pyeloneph ritis

0

chemisch

Eiweiß a) Teststreifen

~

Blut

Nitrit

f) mikroskopisch a) Nativurin

e

kulturell

Keimzahlen ab 104/ml frischen Urin, von signifikanter Bakteriurie spricht man ab Keimzahlen von 105/ml fri- schen Urin. Im Blasen-Punktions- urin allerdings gilt jeder Keimnach- weis als pathologisch. Die Grenzen dieser sehr nützlichen Screening- Methode müssen selbstverständlich berücksichtigt werden (Tabelle 4).

Über die dargestellten möglichen Fehlbeurteilungen hinaus besteht bei den handelsüblichen Eintauch- verfahren keine Möglichkeit, Gono- kokken, B-Streptokokken, Tuberkel- bakterien, bakterielle L-Formen, My- koplasmen oder Protozoen zu isolie- ren.

Die Vorstellung, durch Keimzahl- kontrollen mittels Objektträgerver- fahren unter der Therapie eine Art ln-vivo-Resistenzbestimmung durchführen zu können, ist absolut irreführend. Bei jeder Antibiotika- therapie erscheinen im Urin über- mächtige Wirkstoffkonzentrationen, die den Verhältnissen im Nierenge- webe keineswegs entsprechen und falsch positive Therapie-Ergebnisse vortäuschen können.

Die bisher beschriebene in der Pra- xis leicht durchführbare Vorfelddia- gnostik bei Verdacht auf das Vorlie- gen einer PN ist geeignet, die Zahl bakteriologischer Urinuntersuchun- gen auf das notwendige Maß zu re- duzieren. Geben diese Schnelltests Hinweise auf eine PN, darf auf eine bakteriologische Untersuchung kei- nesfalls verzichtet werden. Sie er- möglicht

b) Urinsediment

a) Eintauch-Objektträger (Uricult®, Urotube®, Urifect®)

b) bakteriologische Untersu- chung

...,. den Nachweis aller Erregerarten, ...,. die Erregerdifferenzierung, ...,. die Resistenzbestimmung, ...,. eine bessere Unterscheidung von Verunreinigung und Infektion, ...,. die Erkennung falsch negativer Resultatedurch Prüfung auf antibio- tische Eigenaktivität (Vorbehand- lung).

Mit diesen Vorteilen schafft sie erst die Voraussetzung für eine gezielte, wirksame Therapie.

Weiterführende Diagnostik

Ziel der weiterführenden Diagnostik ist es, durch weitere Untersuchun- gen den Schweregrad einer PN oder bereits eingetretene Folgezustände zu erfassen. Eine Temperaturerhö- hung findet sich bei der akuten PN nahezu immer, bei der chronischen PN werden allenfalls intermittierend subfebrile Temperaturen beobach- tet. Die Hypertonie fuhrt nicht selten als erstes faßbares klinisches Sym- ptom der chronischen PN zur weite- ren nephrologischen Diagnostik.

Während sie hier in 30 bis 60 Pro- zent der Fälle im Verlaufe der Er- krankung auftritt, wird sie bei der akuten PN normalerweise nicht be- obachtet. Eine Anämie leichteren Ausmaßes tritt häufig im Gefolge ei- ner chronischen PN auf, höhere

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Tabelle 4: Grenzen der Ein-

tauchverfahren in der Dia- gnostik der chronischen Pye- lonephritis

0

falsch negativ a) kein Morgenurin

b) nach antibiotischer Vorbe- handlung

c) nur anaerob wachsende Erreger

d) Begutachtungsfehler f) falsch positiv

a) hohe Keimzahl nur durch Mischflora

b) Wachstum von schwäf- mendem Proteus

Schweregrade manifestieren sich je- doch erst im präurämischen Sta- dium. Der Blutsenkungsgeschwin- digkeit kommt gleichfalls keine pa- thognomonische Bedeutung zu, wenngleich sie auch bei der chroni- schen PN meist erhöht ist. Entspre- chend dem Ausbreitungsmodus der Infektion finden sich in den Frühsta- dien zunächst Hinweise für eine tu- buläre Schädigung.

Eine verminderte Konzentrationsfä- higkeit im Durstversuch, der mit Ein- schränkungen auch in der Praxis durchführbar ist (sicher patholo- gisch bei einem maximalen spezifi- schen Gewicht des Urins < 1022), wird häufig lange vor einer Erhö- hung von harnpflichtigen Substan- zen gesehen. Für sich alleine stellt ein pathologischer Ausfall des Kon- zentrationsversuchs noch keinen Beweis einer Tubulusschädigung dar. Selten stehen weitere tubuläre Partialfunktionsstörungen (Salz-, Kaliumverlust, tubuläre metaboli- sche Azidose usw.) im Vordergrund.

Eine Einschränkung der endogenen Kreatinin-Ciearance (auch in der Praxis durchführbar) beziehungs- weise der Inulin- oder anderer Clea- rance-Verfahren (zumeist der Klinik vorbehalten) zeigt bereits einen Teil- verlust der Gesamtnierenfunktion an.

Die Bestimmung des Serumkreati- nins ist für die terminalen Stadien von Bedeutung, sie vermag jedoch eine beginnende Funktionsein- schränkung (kreatininblinder Be- reich) nicht zu erfassen. I>

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 22 vom 1. Juni 1978 1311

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Pyeloneph ritis

Die Röntgenuntersuchung hat einen bedeutenden Stellenwert bei der Diagnostik der chronischen PN, nicht bei der akuten. Das intravenö- se Urogramm -optimiert durch Zo- nogramm beziehungsweise Tomo- gramm, Kompression und Spätauf- nahmen - ist immer indiziert, wenn auf Grund klinischer Symptome oder von entsprechenden Urinunter- suchungen der Verdacht auf das Vorliegen einer chronischen PN ausgesprochen werden muß. Bei der akuten PN sollte sie beim Manne we- gen der häufigen obstruktiven Ge- nese immer durchgeführt werden.

Bei der Frau stellt die erstmals auf- tretende akute PN nicht immer eine Indikation zum intravenösen Uro- gramm dar, zumal wenn sie folgen- los ausheilt. Ein Rezidiv der Erkran- kung sollte allerdings in jedem Falle eine röntgenologische Untersu- chung der Nieren zur Folge haben.

Eine diagnostische Erweiterung des normalen Urogramms stellt die Mik- tionszystourethrographie dar, mit deren Hilfe nicht selten ein Reflux als prädisponierender Faktor er- kannt werden kann. Bei Harnstau hat die Sonografie (Ultraschall) heu-

te Bedeutung in der Diagnostik. Da- gegen sind Szintigramm, lsotopen- nephrogramm und Renovasogramm in der Diagnostik der PN nicht wei- terführend.

Therapie

Die Therapie der PN hat drei Grund- sätze zu beachten.

..,.. Beseitigung der Erreger ..,.. Korrektur von prädisponieren- den Faktoren

..,.. Stärkung der körpereigenen Re- sistenz

Jede antibakterielle Therapie muß primär die Eigenschaften der vorlie- genden Erreger berücksichtigen.

Das vorherrschende Erregerspek- trum im eigenen· Untersuchungsgut zeigt Tabelle 5. Danach handelt es sich bei den Erregern der PN zu un- gefähr 75 Prozent um Bakterien aus der physiologischen Darmflora, wo- bei Escherichia coli vorrangig ist.

Bei der Hospitalinfektion (zum Bei- spiel Dauerkatheter, u rologische

Auswertung von 3069 kulturell positiven Urinpro- ben mit signifikanter Leukozyturie vom 1. Januar bis 30. Juni 1976

Erreger

Escherichia coli Klebsiella- Enterobacter Proteus mirabilis

Indol-positiv Proteus spp. Enterokokken

Pseudomonas aeruginosa Staphylococcus aureus Sonstige (Serratia,

Alcaligenes faecalis, Hefen, Staphylococcus albus)

prozentuale Häufigkeit

33,9 15,3

11,6

3,0

11,3 6,3 1,3

17,3

Darmflora in 75,1%

Tabelle 5:

Häufigkeits- verteilung der Erreger von Harn- wegsinfekten

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Operationen) dominieren hochresi- stente sogenannte Problemkeime.

Die Antibiotikaempfindlichkeit der PN-Erreger variiert innerhalb dersel- ben Spezies stark von Stamm zu Stamm und ist prinzipiell nicht vor- hersehbar. Die Therapie muß daher grundsätzlich auf einer bakteriologi- schen Urinuntersuchung mit Erre- gerdifferenzierung und Resistenz- bestimmung aufbauen. Die bakterio- logischen Ergebnisse können durchaus nach 24 bis 48 Stunden vorliegen, bei chronischer PN kann . man sie vor Einleitung der Therapie ohne Bedenken abwarten. Für die akute PN beziehungsweise den aku- ten Schub einer chronischen PN ist unmittelbar nach der Uringewin- nung zur bakteriologischen Unter- suchung eine "blinde" ambulante Antibiotikatherapie entsprechend Tabelle 6 angezeigt, die hinsichtlich der genannten Handelspräparate keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Nach Erhalt des Antibio- gramms durch den Mikrobiologen muß, wenn notwendig, korrigiert werden.

Für die ambulante Behandlung eig- nen sich in erster Linie Aminopeni- cilline, die Kombination Sulfameth- oxazol mit Trimethoprim oder ein oral verabreichbares Cephalosporin. Die Behandlungsdauer sollte acht Tage nicht unterschreiten. Ist nur ei- ne hochdosierte parenterale Be- handlung mit diesen Medikamenten möglich, oder ist die Gabe von Ami- noglykosiden (zum Beispiel Genta- micin), Carbenicillinen beziehungs- weise Ureidopenicillinen (zum Bei- spiel Azlocillin) notwendig, sollte die Behandlung bis zur Sanierung im Krankenhaus erfolgen. Zum einen sind mehrmalige parenterale Gaben pro die in der Praxis kaum realisier- bar, zum andern erfordert die Gabe von Aminoglykosiden eine dauernde Anpassung der Dosis oder des Do- sierungsintervalls an die Nieren- funktion, da diese Präparate im Kör- per kumulieren und dann zu schwe- ren irreversiblen Innenohrschäden führen können.

Bei der Therapie der chronischen PN sind einige Besonderheiten zu

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

bedenken (Tabelle 7): Hier gelingt es oft nicht mehr, durch eine Kurativ- behandlung den Entzündungsherd zu sanieren. In diesen Fällen ist nur noch eine Behandlung möglich, die lediglich das Fortschreiten der Ent- zündung verlangsamen kann. Dieser Effekt ist prinzipiell auf zwei Wegen erreichbar:

• durch wiederholte kurzfristige hochdosierte Antibiotikabehand- lung der akuten Entzündungsex- azerbationen mit jeweils anschlie- ßendem antibiotikafreien Intervall, O durch Behandlung mit den sog.

Hohlraumantiseptika [Nalidixinsäu- re (Nogram®), Nitrofurantoin (Fura- dantin®)] in Form der Suppressions- behandlung über längere Zeit.

Die Wahl des therapeutischen Vor- gehens muß sich an der Vielfalt der individuellen Verhältnisse orientie- ren. Der inoperable alte Patient mit Prostataadenom zum Beispiel sollte auf Dauer mit diesen Präparaten im Wechsel mit Sulfamethoxazol Tri- methoprim behandelt werden. Man muß sich jedoch stets bewußt sein, daß dies letztlich Ausdruck einer ge- wissen therapeutischen Resignation ist, gelingt es doch hiermit kaum, die Entzündung im Nierenparenchym kurativ zu behandeln, das heißt die Pyelonephritis wird durch „die kos- metische Negativierung der Urinkul- tur nicht saniert". Besonders hinge- wiesen werden muß in diesem Zu- sammenhang auf die Tatsache, daß Nitrofurantoin bei eingeschränkter Nierenfunktion (Cave „kreatininblin- der" Bereich!) stark kumuliert und dann unter anderem zu schweren Polyneuritiden führen kann. Der routinemäßige Einsatz dieser Sub- stanz bei der chronischen PN ohne Überprüfung der Nierenfunktion ist deshalb abzulehnen.

Die Beseitigung der Erreger wird mit alleiniger Antibiotikatherapie stets dann nicht möglich sein bezie- hungsweise nicht zu dauerhaftem Erfolg führen, wenn prädisponieren- de Faktoren vorliegen und, zum Bei- spiel durch Restharn oder Stauun- gen, wiederholte Reinfektionen be- günstigen.

Pyelonephritis

Alle Fälle mit Obstruktion sollten, wenn möglich, operativ korrigiert werden, Stoffwechselanomalien sind auszugleichen (Diabetes, Gicht). Phenacetin- oder Laxantien- abusus müssen festgestellt und un- terbunden werden, manche Frau mit Neigung zu rezidivierender PN muß auf eine unzureichende Bekleidung hingewiesen werden.

Besonderes Gewicht muß nicht zu- letzt auf die Steigerung der natürli- chen Abwehrkräfte des Organismus gelegt werden. Angesichts einer ständig zunehmenden Rate hochre- sistenter Bakterien wird die Zukunft neben der Weiterentwicklung der Antibiotika sicher der Steigerung der Immunabwehr des Körpers ge- hören. Erst die Korrektur etwa einer begleitenden Eisenmangelanämie gibt häufig der Antibiotikabehand- lung die entscheidende Wendung.

Der therapeutischen Problematik der chronischen Pyelonephritis ent- geht man am besten durch die Früh- diagnose, nur dann bestehen gute Aussichten auf Heilung. Nur durch die Frühdiagnose können die gra- vierenden Folgen der chronischen PN für den betroffenen Patienten ebenso wie für die Volkswirtschaft vermieden werden.

(Nach einem Vortrag auf einem Fort- bildungskurs der Universität Düssel- dorf in Verbindung mit der Ärzte- kammer Nordrhein, Juni 1977)

Literatur

(1) Fuchs, T.: Pyelonephritis-Diagnostik und Therapie, Studienreihe Boehringer Mannheim 1962 — (2) Kienitz, M., Knothe, H., Losse, H., Naumann, P., und Schönfeld, H. (Hrsg.): Pyelo- nephritis — Hahnenklee Symposion 1976, Edi- tiones Roche, Basel, 1976— (3) Otten, H., Plem- pe!, M., und Siegenthaler, W. (Hrsg.): Antibioti- ka-Fibel, Georg Thieme Verlag Stuttgart 1975

— (4) Sarre, H.: Nierenkrankheiten, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag Stuttgart 1976

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Theodor Königshausen Medizinische Klinik und Poliklinik, Klinik A

Privatdozent Dr. med. Harry Rosin Institut für Medizinische

Mikrobiologie und Virologie der Universität Düsseldorf,

Moorenstraße 5, 4000 Düsseldorf 1

FÜR SIE GELESEN

Programm zur Senkung des Erkrankungsrisikos von Rauchern

Einschränkung der Zigarettenwer- bung und Aufklärungskampagnen, die in den USA in den vergangenen 15 Jahren durchgeführt wurden, ha- ben nur einen schmalen Erfolg ge- habt. Die absolute Zahl der Raucher hat sich ständig vergrößert, woran besonders in den letzten Jahren im- mer mehr Frauen und Teenager An- teil haben. Deshalb genügt es nicht, nur die mit dem Rauchen verbunde- nen Gefahren in das öffentliche Be- wußtsein zu rücken, es muß viel- mehr eine Senkung des Risikos für die, die weiterrauchen, erfolgen. Das könnte nach dem Programm von Smoking and Health auf drei ver- schiedenen Wegen zugleich erreicht werden:

Erfassung derjenigen Raucher, die ein erhöhtes Risiko zur Entwick- lung tabakbedingter Krankheiten haben.

Bisherige Untersuchungen zeigen, daß Raucher, die filterlose Zigaret- ten und solche mit hohem Teerge- halt rauchen, zu dieser Gruppe mit erhöhtem Risiko gehören. Allergien und kardiovaskuläre Erkrankungen machen für tabakbedingte Krank- heiten anfälliger. Ein angeborener Alpha-1-Antitrypsin-Mangel begün- stigt die Entwicklung des Emphy- sems, während hohe Enzymspiegel der Kohlenwasserstoffhydroxylase die Empfindlichkeit für Karzinogene erhöhen. In Tierversuchen konnte der synergistische Effekt von Niko- tin, Kohlenmonoxid und Stickstoff- oxiden auf die Arteriosklerose beob- achtet werden. Mit neuentwickelten Geräten werden Rauchprofile und Inhalationsmuster auf ihre Risiko- trächtigkeit untersucht.

Entwicklung von Möglichkeiten, auf pharmakologischem Wege oder über Verhaltensmaßnahmen Niko- tinentwöhnung zu erreichen.

Untersuchungen mit Nikotinaeroso- len, die frei von anderen Schadstof-

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 22 vom 1. Juni 1978 1313

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