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ie siebte Marburger Neuro- logen-Tagung vom 3. bis 5.Mai 1996 stand unter einer differenzierten Thematik, die sich aus den Lücken der vorange- gangenen Kongresse ergab. In 23 Übersichtsreferaten und 51 weiteren Vorträgen und Poster-Demonstratio- nen wurden Grundlagen, aktueller Stand und neueste diagnostische und therapeutische Möglichkeiten der je- weiligen Themen den teilnehmenden etwa 450 Neurologen und Ner- venärzten aus der ganzen Bundesre- publik dargeboten. Über 100 Kolle- gen nutzten darüber hinaus die Gele- genheit, an Kursen über neurophy- siologische Untersuchungsmethoden vegetativer Störungen (D. Claus, S.
Nouri, Erlangen), über neurophysio- logische und kardiorespiratorische Untersuchungsmethoden zur Dia- gnostik schlafbezogener Atem- störungen (L. Grote, C. Fritz, Mar- burg), über Differentialdiagnose von Anfällen im Schlaf mit Video-De- monstrationen (G. Mayer, Schwalm- stadt) und über Untersuchungs- methoden zur Diagnostik vestibulä- rer Störungen (M. Strupp, München) teilzunehmen.
Vegetativum
Das vegetative Nervensystem mit seinen zahlreichen Aufgaben zur Aufrechterhaltung der Homöosta- se rückt durch die in den letzten Jah- ren entwickelten computergestütz- ten Testverfahren zunehmend in das Interesse der klinisch tätigen Neuro- logen.
Auf der Grundlage der Anato- mie und der Physiologie des vegetati- ven Nervensystems (B. Neundörfer, Erlangen), wurden die vegetativen Störungen bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems (H.-J.
Braune, Marburg), und die periphe- ren und spinalen vegetativen Syndro-
me ( J. Jörg, Wuppertal), neben vege- tativen Beeinträchtigungen speziel- ler Krankheitsbilder abgehandelt. In der Diagnostik vegetativer Störun- gen spielt die Analyse der Herzfre- quenzvariabilität in Ruhe, bei for- cierter Atmung sowie bei verschiede- nen Provokationstests eine wichtige Rolle.
Das physiologischerweise zu fin- dende Schwanken der Pulsfrequenz fällt bei Ausfall der das Herz inner- vierenden vegetativen Fasern aus, und die Herzfrequenz wird starr, was auch szintigraphisch nachgewiesen werden kann.
Über Ableitungen der sympathi- schen Hautantwort an Händen und Füßen sind Aussagen über vegetati- ve Störungen bei zentralnervösen Erkrankungen möglich. Seitenasym- metrien bei Hirninfarkten oder Hirn- tumoren, beim Parkinson-Syndrom oder anderen degenerativen Erkran- kungen können hiermit ebenso ob- jektiviert werden wie vasomotorisch- trophische Störungen bei peripheren neurologischen Syndromen.
Schlaf
Die Erforschung des Schlafes hat während der letzten Jahre nicht nur im internistischen, sondern auch im neuropsychiatrischen Fachgebiet er- heblich an Bedeutung gewonnen. J.
C. Krieg, Marburg, und P. Clarenbach, Bielefeld, berichteten über Schlafre- gulationsstörungen bei psychiatri- schen und bei neurologischen Erkran- kungen. Polysomnographische Un- tersuchungen mit EEG, EMG und Elektrookulogrammen erlauben dif- ferenzierte Zuordnungen. J. H. Peter, Marburg, wies darauf hin, daß Pa- tienten mit einem Schlaf-Apnoe-Syn- drom gehäuft an Bluthochdruck und nächtlichen Herzrhythmusstörungen leiden und daß sie häufiger von Herz- und Hirninfarkten mit entsprechend
verkürzter Lebenserwartung betrof- fen werden.
Aus neurologischer Sicht müs- sen vom obstruktiven Schlaf-Apnoe- Syndrom die Narkolepsie und dane- ben seltenere Erkrankungen wie die idiopathische Hypersomnie, das Kleine-Levin-Syndrom, symptoma- tische Hypersomnien, etwa nach Schädel-Hirn-Traumen, unter ande- rem abgegrenzt werden.
Besonderes Interesse hat auch das „restless legs“-Syndrom gefun- den, seitdem Therapieansätze mit L- Dopa und Dopaminagonisten bemer- kenswerte Erfolge zeigen, I. Sünke- ler, Marburg.
Die große Zahl der schlafgestör- ten Patienten erfordert immer wieder eine gründliche Auseinandersetzung mit ihrer Therapie, zu der W. Schrei- ber, Marburg, Möglichkeiten und Grenzen psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlungsstrate- gien aufzeigte.
Schmerz
Die neuronale Verarbeitung von Schmerzinformationen kann auf allen Ebenen des peripheren und des zentralen Nervensystems modifi- ziert werden.
Die Nozizeption im Hinterhorn des Rückenmarks ist besonders gut untersucht worden. Reizsalven tre- ten bei Entzündungen von periphe- ren Geweben und akuten Nervenlä- sionen auf (J. Sandkühler, Heidel- berg), und auch psychophysiologi- sche Mechanismen können zur Ent- stehung chronischer Schmerzen bei- tragen (B. Knost, Tübingen).
H.-D. Basler, Marburg, stellte ein Training zur Schmerzbewälti- gung vor, und W. Forth, München, mahnte das Auditorium eindrück- lich, daß die medikamentöse Thera- pie immer sinnvoll und differenziert sein müsse.
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M E D I Z I N KONGRESSBERICHT
Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 43, 25. Oktober 1996 (65)
Vegetativum – Schlaf – Schmerz
Neue Therapieansätze in vielen
Gebieten der Neurologie
Neuroophthalmologie
Nur selten wird bei Neurologen- Tagungen das neuroophthalmologi- sche Grenzgebiet dargestellt. So be- richtete W. Rüssmann, Köln, über die Differentialdiagnose und Thera- pie von Augenmuskelparesen als in- terdisziplinäre Aufgabe.
Die täglich zu behandelnden zerebralen Gefäßprozesse lassen in der Regel vaskuläre Veränderungen am Augenhintergrund (R. Unsöld, Düsseldorf), erkennen, und nicht selten ist die Retinopathia diabeti- ca (R. Kroll, Marburg), Erstsymp- tom des durch die diabetische Stoff- wechselstörung sich entwickeln- den Gefäßprozesses. Eine Entzün- dung der Sehnerven zählt zu den häufigsten Ursachen einer akut ein- setzenden, einseitigen Sehstörung im frühen bis mittleren Erwachse- nenalter.
Die Auswertung Marburger Pa- tienten zeigte bei etwa einem Drittel der Fälle eine spätere Entwicklung einer Encephalomyelitis disseminata (F. Schnorpfeil, Marburg). Über zen- tral bedingte Störungen der Okulo- motorik berichteten W. Heide und D.
Kömpf, Lübeck. Daß Doppelbilder auch monokulär entstehen können, erläuterten M. Pohl und B. Schroe- der, Marburg. Die neuroophthalmo- logische Sitzung wurde mit einem souveränen Überblick über die Störungen der Pupillomotorik (H.
Wilhelm, Tübingen) beendet.
Neurootologie – Schwindel
Hinter der häufigen Beschwer- de „Schwindel“ können sich Störun- gen des Gleichgewichtsorgans oder des Gehirns verbergen. So berichte- ten M. Strupp, München, und R.
Greber, Marburg, über peripher-ve- stibuläre Störungen und das ein- drucksvolle und oft primär nicht er- kannte Krankheitsbild der Neurono- pathia vestibularis. Auch der Hör- sturz tritt häufig innerhalb weniger Sekunden oder Minuten aus völli- gem Wohlbefinden auf (K. Mees, M.
Suckfüll, München). Da die Ursache meistens unbekannt bleibt, sind auch die vorgeschlagenen Therapiestrate-
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KONGRESSBERICHT/FÜR SIE REFERIERT
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gien problematisch. Ein Nystagmus, der nicht mit Drehschwindel verbun- den ist, weist auf zentral-vestibuläre Störungen hin (U. Büttner, Mün- chen). Sie betreffen vorwiegend Hirnstamm- und Kleinhirn-Struktu- ren. Störungen der sakkadischen Au- genbewegungen können zur funktio- nellen und topographischen Diagno- stik untersucht werden (A. Straube, München). A. Eckhardt, S. Lieser und Mitarbeiter berichteten über ei- ne interdisziplinäre Schwindel-Stu- die an den Mainzer Kliniken und wie- sen auf die häufigen psychosomati- schen Aspekte des Schwindels hin.
Gerontoneurologie
Mit zunehmendem Alter nehmen Schwindel, Tremor (G. Deutschl, Kiel), und Gangstörungen (P. Viereg- ge, Lübeck) zu. Neuropathologische Befunde lassen diffuse und systemati- sche Hirnatrophien neben Gefäßver- änderungen differenzieren (H. D.
Mennel, Marburg). Eine sichere histo- logische Unterscheidung der ver- schiedenen degenerativen Hirner- krankungen ist nach wie vor schwie-
rig, und auch mit Hilfe der Posi- tronen-Emissions-Tomographie (R.
Mielke, Köln), oder der Untersu- chung des Liquor cerebrospinalis (N.
Rösler und Mitarbeiter, Freiburg/
Wien), sind bisher nur Ansätze zu differentialdiagnostischen Überle- gungen möglich. Gleiches gilt für den Versuch, mit psychologischen Test- verfahren unterschiedliche Demenz- formen zuzuordnen (W. Rössy, Mar- burg).
Kaum ein Kongreßteilnehmer dürfte bei der Vielzahl der unter- schiedlichen Vortragsthemen nicht ein Gebiet gefunden haben, das ihn besonders interessierte. Alle Beiträge werden wieder in Buchform (Ein- horn-Presse Verlag, Reinbek) erschei- nen. Mit dem siebten Band wird ein vollständiger Überblick über die ak- tuellen Entwicklungen auf dem Ge- samtgebiet der Neurologie vorliegen.
Prof. Dr. med. Gert Huffmann, Priv.-Doz. Dr. med.
Hans-Joachim Braune
Neurologische Universitätsklinik mit Poliklinik
Rudolf-Bultmann-Straße 8 35033 Marburg
Es ist eine alte Erfahrung, daß koloskopische Untersuchungen bei Frauen in der Durchführung schwieri- ger sind als bei Männern.
Die Autoren vom St. Mark’s Hospital, London, werteten retro- spektiv 2 194 Koloskopien, die von ei- nem erfahrenen Untersucher durch- geführt worden waren, hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades aus.
31 Prozent der Untersuchungen bei Frauen wurden von dem durch- führenden Arzt als technisch schwie- rig beurteilt, hingegen nur 16 Pro- zent der Untersuchungen, die bei Männern durchgeführt wurden.
Um diesem Phänomen nachzuge- hen, wurden Kolonkontrastaufnah- men von Männern und Frauen hin- sichtlich Länge des Dickdarms und Mobilität ausgewertet, wobei die aus- wertenden Ärzte über das Geschlecht
der Patienten nicht informiert waren.
Die Kolonlänge war bei Frauen mit 155 Zentimetern deutlich länger als bei Männern (145 Zentimeter). Bei Frauen war insbesondere das Kolon transversum länger und hing häufig (62 Prozent) bis in das kleine Becken durch. Bei Männern war dies nur bei 26 Prozent der Fall.
Die Autoren glauben, daß diese anatomischen Unterschiede bei Män- nern und Frauen für den unterschied- lichen Schwierigkeitsgrad koloskopi- scher Untersuchungen verantwortlich
zu machen sind. w
Saunders BP, Fukumoto M, Halligan S, Joblin C, Moussa ME, Bartram CE, Wil- liams CB: Why is colonoscopy more diffi- cult in woman? Gastrointest Endosc 1996; 43: 124–126
Departments of Endoscopy, Surgery and Radiology, St. Mark’s Hospital, City Road, London, EC1V 2 PS, Großbritannien