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FORUM-6-2014-Arzneimitteltherapiesicherheit

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K VB FORUM 6/2014

Durch fortschreitende Degeneration dopaminerger Neuronen kommt es bei Morbus Parkinson zu motorischen Symptomen wie Bradykinese, Rigor und Tremor. Da die Erkrankung nach wie vor nicht kausal behandelbar ist, versucht

man, durch den Einsatz von Levodopa, Dopaminrezeptor-Agonisten, MAO-B- oder COMT-Hemmern das Dopamindefizit auszugleichen. Als weiteres Symp- tom der Erkrankung oder Folge der eingeleiteten Therapie treten häufig Kompli- kationen wie Übelkeit oder Psychosen auf.

PHaRMaKODYNaMI- sCHe INTeRaKTIONeN BeI PaRKINsON-

PaTIeNTeN

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astrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Motilitätsstörungen gehören vor allem zu Beginn der dopaminergen Therapie zu den un- erwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Häufig werden diese mit Prokinetika wie Metoclopramid (MCP) behandelt, das nach Über- windung der Blut-Hirn-Schranke seine antagonistische Wirkung an zentralen Serotonin-(5-HT3-) und Dopamin-(D2-)Rezeptoren entfaltet.

Insbesondere bei älteren Patienten und längerer Anwendung kann dies zu extrapyramidalmotorischen Störungen (EPS) mit potenziell irre- versiblen Spätdyskinesien führen.

Da die Art der Wirkung bei Patien- ten mit EPS deren Grunderkran- kung verschärft, ist MCP hier kon- traindiziert. Die neurologischen und zusätzlich kardiovaskulären UAW führten zum Widerruf der Zulas- sung der MCP-Tropfen (>1 mg/ml) durch das Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte (BfArM) im April 2014. Daneben ist die Anwendung der noch ver-

fügbaren MCP-Präparate jetzt nur noch auf bestimmte Indikationen und eine Dauer von maximal fünf Tagen begrenzt (siehe auch Ver- ordnung Aktuell vom 29. April 2014).

Eine mögliche Alternative zur Be- handlung von Übelkeit und Erbre- chen stellt der Dopaminrezeptor- Antagonist Domperidon dar. Da dieser fast ausschließlich peripher wirkt, treten zentrale UAW wie EPS nur selten auf, sodass auch ein Ein- satz bei Parkinsonpatienten mög- lich ist. Allerdings ist zu beachten, dass in epidemiologischen Studien unter dem Einsatz des QTc-Zeit- verlängernden Domperidon ein er- höhtes Risiko für schwerwiegende Arrhythmien oder plötzlichen Herz- tod beobachtet wurde. Dies muss vor allem bei Patienten mit kardia- len Grunderkrankungen oder einem Alter über 60 Jahren beachtet wer- den. Zudem sollen Dosierungen

>30 mg/Tag oder Kombinationen mit weiteren QTc-Zeit-verlängern- den Arzneimitteln sowie CYP3A4- Hemmern vermieden werden.

Psychotische Symptome gehören ebenfalls zu den relevanten UAW einer dopaminergen Medikation, können aber auch durch die Grund- erkrankung bedingt sein. Studien zufolge steigt die Prävalenz mit Dauer und Schwere der Parkinson- erkrankung und wird auf bis zu 40 Prozent geschätzt. Die Symptome können von milden Halluzinationen bis schwerwiegenden Psychosen variieren, haben zum Teil einen er- heblichen Einfluss auf die Lebens- qualität der Patienten und sind ein Risikofaktor für Pflegeheimeinwei- sungen und letztendlich eine erhöh- te Mortalität. Beim Auftreten thera- piebedürftiger psychotischer Sym- ptome sollten zunächst mögliche nicht-medikamentöse Auslöser wie Exsikkose, Infektionen, Stoff- wechselstörungen oder endokrine Ursachen wie Hyperthyreose dia- gnostisch ausgeschlossen wer- den. Anschließend sollte die Medi- kation auf (eventuell additive) anti- cholinerge Wirkungen hin über- prüft werden. Dabei können nicht nur anticholinerge Parkinsonmedi-

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kamente wie Biperiden, sondern auch trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin sowie zentral wirksame Urologika (Oxybutynin) zu deliranten Zuständen führen (siehe KVB FORUM 4/2014, Seite 30). In diesen Fällen sollte das Ab- setzen oder eine Umstellung der Medikation erfolgen. Auch die do- paminerge Parkinsontherapie selbst sollte kritisch geprüft und – wenn möglich – schrittweise redu- ziert werden. Ziel ist dabei eine ausreichende Kontrolle der moto- rischen Symptome ohne Auslösung psychotischer Komplikationen.

Wird eine Dosisreduktion nicht to- leriert oder keine ausreichende Besserung erzielt, kann eine The- rapie mit Antipsychotika notwen- dig werden. Eine kleine Studie zeigte für den frühzeitigen Einsatz atypischer Neuroleptika eine selte- nere Progredienz von milden hin zu schweren psychotischen Verläufen und könnte nach individueller Nut- zen-Risiko-Abwägung ein Argu- ment für eine antipsychotische Be- handlung darstellen. Aufgrund ihrer ausgeprägten antagonistischen Wirkung an zentralen D2- oder D3- Rezeptoren und dem daraus resul- tierenden Risiko für eine Ver- schlechterung der motorischen Symptomatik ist der Einsatz klas- sischer Neuroleptika wie Halope- ridol oder Pipamperon bei Parkin- sonpatienten kontraindiziert. Zum Einsatz atypischer Neuroleptika gibt es bisher nur wenige Daten.

Zu Olanzapin, Risperidon und Aripiprazol liegen Berichte über relevante Einschränkungen der motorischen Fähigkeiten bei Par- kinsonpatienten vor, sodass ihre Anwendung bei Parkinson-assozi- ierten Psychosen nur nach stren- ger Nutzen-Risiko-Abwägung empfohlen werden kann.

Quetiapin zeigte aufgrund seiner Selektivität für 5-HT2- vor Dopamin- rezeptoren in ersten Studien vielver- sprechende Ergebnisse bezüglich einer Verbesserung psychotischer Symptome bei nur seltenem Auf- treten motorischer UAW bei Parkin- sonpatienten. Darauf basierend kann die Behandlung mit Quetiapin daher eine Therapieoption sein.

Für den Einsatz von Clozapin bei Parkinsonpatienten liegt aktuell die beste Evidenz vor. Da dieses aty- pische Neuroleptikum in Studien schon in geringen Dosierungen (25 bis 50 mg/Tag) eine Besserung der Psychose ohne Verschlechterung der motorischen Symptomatik be- wirkte, ist es explizit bei Psychosen im Zusammenhang mit Morbus Par- kinson zugelassen. Allerdings ist zu beachten, dass aufgrund des Agra- nulozytose-Risikos anfangs wö- chentlich, nach 18 Wochen vierwö- chentlich Blutbildkontrollen erfolgen müssen. Außerdem soll wegen des Risikos orthostatischer Hypotensi- onen der Blutdruck vor allem zu The- rapiebeginn überwacht werden. Zu- dem scheinen Parkinsonpatienten ein erhöhtes Risiko für das seltene,

aber gefährliche maligne Neurolepti- kasyndrom zu haben. Patienten sollten daher insbesondere bei The- rapiebeginn oder Dosiserhöhungen von Antipsychotika oder Umstellung der dopaminergen Parkinson-Medi- kation auf mögliche Warnsignale wie hohes Fieber und Bewusstseins- störungen sensibilisiert werden.

Fazit

Insgesamt muss beachtet werden, dass Parkinsonpatienten aufgrund ihres Dopamindefizits sensibler auf antidopaminerge Wirkungen reagie- ren. So können Dosierungen, die zum Beispiel bei einem reinen Schi- zophreniepatienten in der Regel kein Parkinsonoid auslösen, bei Parkinsonpatienten bereits zu einer deutlichen Verschlechterung der motorischen Fähigkeiten führen.

Grundsätzlich sollten peripher wirk- same gegenüber ZNS-gängigen Substanzen bevorzugt werden (Domperidon versus MCP), Arznei- stoffe mit vergleichsweise geringe- rer antidopaminergen Wirksamkeit (zum Beispiel Clozapin) eingesetzt und die Dosierungen so gering wie möglich gewählt werden. Weist die individuelle Medikation eines Pati- enten mehr als sechs verschiede- ne Wirkstoffe auf, sollte grundsätz- lich jeder einzelne kritisch betrach- tet und der Versuch einer Dosisre- duktion oder sogar ein Absetzen in Erwägung gezogen werden.

Katharina Kreitmeyr (KVB)

Quelle: KVB Wirkstoffe, deren einsatz bei Parkinsonpatienten kritisch ist und mögliche alternativen

Wirkstoffgruppe kritische Wirkstoffe Hinweise der Fachinformationen mögliche alternativen

Prokinetika Metoclopramid kontraindiziert Domperidon

typische Neuroleptika Fluphenazin, Haloperidol,

Pipamperon kontraindiziert

Clozapin, eventuell Quetiapin typische Neuroleptika Perazin, Flupentixol,

Promethazin, Melperon nur unter besonderer Vorsicht atypische Neuroleptika Olanzapin nicht empfohlen

atypische Neuroleptika Risperidon nur unter besonderer Vorsicht atypische Neuroleptika Ziprasidon, Aripiprazol extrapyramidale Störungen häufig

Referenzen

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