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FORUM-4-2014-Arzneimitteltherapiesicherheit

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aRZneIMITTelTHeRapIesIcHeRHeIT 30

K VB FORUM 4/2014

Das Delir, das Schätzungen zufolge bei zwölf bis 50 Prozent der älteren Patienten im Krankenhaus auftritt,

zählt zu den schwerwiegenden Gefahren unter Antipsychotika. Zu den Risiko- faktoren gehören neben Elektrolytstörungen und Infekten auch Dehydratation und insbesondere die Demenz. Zusätzlich wird in der NICE-Leitlinie die Poly- pharmazie mit einer 30-fachen Erhöhung des Delirrisikos in Verbindung ge- bracht. Es wird vermutet, dass in bis zu 39 Prozent der Fälle Arzneimittel eine wesentliche Rolle bei der Delirentstehung spielen.

RIsIKen UnTeR

anTIpsYcHOTIKa BeI ÄlTeRen paTIenTen

anticholinerge Wirkung Die wichtigste Eigenschaft, an der das delirogene Potenzial eines Arz- neistoffs festgemacht werden kann, ist dessen anticholinerge Wirkung.

Insbesondere wenn mehrere anti- cholinerg wirksame Arzneistoffe kombiniert oder bei Risikopatienten eingesetzt werden, kann dies Ge- fahren für den Patienten bergen.

Für mehrere hundert verschiedene Arzneistoffe sind anticholinerge Effekte beschrieben. In Deutsch- land nehmen Schätzungen zufolge fast 40 Prozent der zu Hause leben- den geriatrischen Patienten anti- cholinerg wirksame Arzneimittel ein.

In einigen Indikationen wird das Therapieziel über die anticholinerge Wirkung selbst erreicht. So finden sich Anticholinergika zum Beispiel unter urologischen und gastroin- testinalen Spasmolytika oder Par- kinsonmedikamenten. Bei einer Vielzahl von Arzneistoffen gehören anticholinerge Effekte allerdings zu den unerwünschten Arzneimit- telwirkungen (UAW), die nicht auf den ersten Blick zu erwarten sind.

Neben der Fachinformation sowie der Priscus- und der Beers-Liste liefern online frei zugängliche Da- tenbanken [1] Informationen über das anticholinerge Risiko von Arz- neistoffen.

Anticholinerge Effekte lassen sich in periphere (wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Harn- retention, Obstipation, Tachykar- die) und zentrale Symptome (zum Beispiel demenzielle Symptome, Verwirrtheit und Unruhe) einteilen.

Für das Risiko potenziell lebensbe- drohlicher Zustände wie dem Delir sind dabei die zentralen anticho- linergen Effekte entscheidend. Die delirogene Wirkung eines Arznei- stoffs hängt also auch von seiner ZNS-Gängigkeit ab. Dementspre- chend spielen neuroaktive Arznei- stoffe wie Antipsychotika bei der Entstehung eines Delirs eine gro- ße Rolle (siehe Tabelle). Sie sind im geriatrischen Bereich weit ver- breitet und werden in Altenheimen bei zirka 30 Prozent der Bewohner eingesetzt. Hinsichtlich ihres Aus- maßes der Muskarinrezeptor-Blo- ckade unterscheiden sich Antipsy-

chotika klassenunabhängig teils erheblich. Während Haloperidol oder Olanzapin stark ausgeprägte anticholinerge Effekte zeigen, wir- ken Risperidon oder Melperon nur wenig anticholinerg.

Zu den bekannten Nebenwirkungen, vor allem klassischer Antipsychoti- ka, gehören extrapyramidal-moto- rische Störungen, die wiederum häufig mit zentral wirksamen Anti- cholinergika wie Biperiden behan- delt werden. Vor allem bei älteren Patienten sollte diese Therapie nur mit Vorsicht und nach Prüfung der Komedikation, insbesondere hin- sichtlich additiver anticholinerger Effekte, erfolgen. Ein Substanz- wechsel oder eine Dosisreduktion des Neuroleptikums kann zu bevor- zugen sein. Die prophylaktische Gabe von Anticholinergika zu Anti- psychotika wird generell nicht emp- fohlen.

Risikogruppe demenzpatienten Kognitionsdefizite wie Einschrän- kungen des Gedächtnisses und der Urteilsfähigkeit gehören zu den

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häufigsten Problemen im Alter und beruhen meist auf einer reduzierten Aktivität des cholinergen Systems.

Dabei bleibt oft unbeachtet, dass kognitive Einschränkungen nicht immer, wie im Fall der Alzheimer- Demenz, Folge organischer Stö- rungen sein müssen, sondern auch durch anticholinerge Medikamente verursacht werden können („drug- induced dementia“).

Da die Demenz nach wie vor nicht kausal behandelbar ist, bleibt für die Alzheimer-Demenz nur der Ver- such einer symptomatischen The- rapie mit Cholinesterasehemmern wie Donepezil oder Galantamin.

Durch den verminderten Abbau von Acetylcholin und die dadurch gesteigerte Aktivität des choliner- gen Systems soll eine Verbesse- rung der kognitiven Fähigkeiten er- zielt werden. Der Wirkmechanismus erklärt, warum es zu einer gegen- seitigen Aufhebung der Effekte kommt, wenn diese Arzneistoffe mit zentral wirksamen Anticho- linergika wie Antipsychotika kom- biniert werden. Problematisch ist zudem, wenn UAWs von Cholines- terasehemmern wie Juckreiz oder Miktionsstörungen zu einer Ver- ordnung von Anticholinergika füh- ren, die die Kognition weiter redu- zieren können. Eine Fehldeutung

der auftretenden Symptome als Progression der Demenz kann wie- derum eine Dosiserhöhung der Antidementiva bewirken: Eine Ver- schreibungskaskade entsteht. Zent- ral anticholinerg wirksame Sub- stanzen sind bei Alzheimer-De- menz zu vermeiden, da diese Pati- enten aufgrund der verminderten cholinergen Aktivität anfälliger für anticholinerge Effekte sind.

Eine große Beobachtungsstudie in amerikanischen Altenheimen lie- ferte Hinweise auf einen dosisab- hängigen Anstieg des Mortalitäts- risikos unter Antipsychotika [2].

Dabei wurde für Haloperidol ein im Vergleich zu Risperidon deut- lich erhöhtes Risiko beobachtet.

Bei älteren Demenzpatienten warnte die FDA 2008 grundsätz- lich vor dem Einsatz typischer und atypischer Antipsychotika. Hinter- grund war eine Metaanalyse, die ein gesteigertes Risiko für zereb- rovaskuläre Ereignisse und eine erhöhte Mortalität bei Demenzpa- tienten unter Neuroleptika gezeigt hatte. Antipsychotika sind daher bei Demenz-assoziierten Psycho- sen nicht zugelassen (zum Bei- spiel Haloperidol, Perazin, Flupen- tixol, Promethazin, Olanzapin, Quetiapin, Aripiprazol, Ziprasidon) oder dürfen nur nach strenger

Nutzen-Risiko-Abwägung (Melpe- ron, Pipamperon, Risperidon) ein- gesetzt werden.

Fazit

Beim Einsatz von Neuroleptika müssen Komorbiditäten und Ko- medikation unbedingt berücksich- tigt werden. Insbesondere bei De- menzpatienten sollten Sie die Indi- kation für Antipsychotika kritisch prüfen, da es sich hier meist um einen off-label-use handelt. Even- tuell kann die Behandlung mit nicht- trizyklischen Antidepressiva (kein Paroxetin) eine Alternative darstel- len. Ist bei geriatrischen Patienten der Einsatz eines Neuroleptikums unumgänglich, sollten Sie Wirkstof- fe mit geringem anticholinergen Potenzial bevorzugen und unter Berücksichtigung der Dosierungs- empfehlung „start low, go slow“

einsetzen, um die Risiken zu mini- mieren.

Katharina Kreitmeyr (KVB)

arzneistoff-gruppe Beispiele Mögliche alternativen/Hinweise

Antihistaminika Hydroxyzin, Promethazin Melperon, Pipamperon

Antidepressiva Amitriptylin, Doxepin, Clomipramin,

Trimipramin, Paroxetin* SSRI (außer Paroxetin), SNRI, Mirtazapin urologische Spasmolytika Oxybutynin, Tolterodin, Solifenacin* Trospiumchlorid

Darmspasmolytika/Muskelrelaxantien Butylscopolamin, Methocarbamol,

Orphenadrin fehlende Wirksamkeitsnachweise

(möglichst vermeiden) typische Antipsychotika Thioridazin, Perphenazin, Haloperidol,

Fluphenazin* Risperidon, Melperon, Pipamperon

atypische Antipsychotika Clozapin, Olanzapin Risperidon, Melperon, Pipamperon

* eventuell geringere anticholinerge Wirkung

Quelle: KVB auswahl an arzneistoffen, die vor allem aufgrund ihrer anticholinergen Wirkung in der geriatrie vermieden werden sollten (nach priscus- und Beers-liste)

[1] IDND: Anticholinergic Cognitive Burden List;

KFMC: Anticholinergic Risk Scale [2] hier: Haloperidol, Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin, Ziprasidon, Risperidon

Referenzen

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