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Die außerordentliche Strafmilderung gemäß § 41 StGB / eingereicht von Miriam Soldan

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Academic year: 2021

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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696 Eingereicht von Miriam Soldan Angefertigt am Institut für Strafrechtswissenschaften Beurteiler Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer Mitbetreuung Univ.-Ass. MMag.a Dr.in Kathrin Stiebellehner September 2020

DIE

AUSSERORDENTLICHE

STRAFMILDERUNG

GEMÄSS § 41 STGB

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium

(2)

2

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Linz, 15. September 2020

Miriam Soldan

Hinweis: In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum

(3)

3

INHALTSVERZEICHNIS

I. EINLEITUNG ... 8

II. GRUNDLEGENDES ZUR BERECHNUNG DES STRAFRAHMENS ... 9

A. Der gesetzliche Strafrahmen als Ausgangspunkt der Straffindung ... 9

B. Schuldbegriff und schuldangemessene Strafe ... 11

C. Richterliche Instrumentarien zur Über- und Unterschreitung des gesetzlichen Strafrahmens ... 13

III. DIE AUSSERORDENTLICHE STRAFMILDERUNG GEM § 41 STGB ... 14

A. Einordnung des § 41 StGB im System der Strafzumessung ... 14

B. Gesetzgeberische Intention und Entwicklung des Anwendungsbedarfs ... 14

1. Der Wandel der außerordentlichen Strafmilderung seit 1803 ... 15

C. Anwendungsbereich ... 16

1. Anwendungsbereich des § 41 Abs 1 StGB ... 16

2. Anwendungsbereich des § 41 Abs 2 StGB ... 17

3. Anwendungsbereich des § 41 Abs 3 iVm §§ 43, 43a StGB ... 19

a) Die (teil)bedingte Strafnachsicht nach §§ 43, 43a StGB ... 19

b) Die (teil)bedingte Strafnachsicht nach § 41 Abs 3 StGB ... 21

c) Abgrenzung des § 41 Abs 3 StGB von §§ 43, 43a StGB ... 23

4. Anwendungshäufigkeit ... 24

D. Anwendungsvoraussetzungen ... 26

1. Gesetzliche Mindeststrafe ... 26

2. Beträchtliches Überwiegen ... 26

3. Milderungs- und Erschwerungsgründe iSd § 41 StGB ... 27

4. Günstige Prognose ... 29

5. Anwendung des § 41 StGB im Zusammenhang mit dem Tatbestand des Mordes gem § 75 StGB ... 31

a) Aktueller Fall aus der Praxis ... 31

IV. VERHÄLTNIS ZW § 41 STGB UND ANDEREN NORMEN DES STGB ... 33

A. Die außerordentliche Strafmilderung in Bezug auf die Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe gem § 37 StGB ... 33

B. Die außerordentliche Strafmilderung bei Rückfallstäter iSd § 39 StGB ... 36

C. Die außerordentliche Strafmilderung im Falle der Änderung der Strafdrohung bei bestimmten Gewalttaten gem § 39a StGB ... 37

(4)

4

V. RECHTSFOLGEN BEIM VERSTOSS GEGEN § 41 STBG ... 39

A. § 41 StGB als Ermächtigungs- oder Ermessensnorm? ... 39

B. Rechtswege gegen die Falsch- oder Nichtanwendung des § 41 StGB ... 39

VI. RECHTSVERGLEICHE ... 42

A. Die außerordentliche Strafmilderung gem § 41a StGB ... 42

B. Die außerordentliche Strafmilderung gem § 20 VStG ... 44

VII. FAZIT ... 46

VIII. LITERATURVERZEICHNIS ... 47

(5)

5

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

A Ansicht aA andere(r) Ansicht Abs Absatz aF alte Fassung

AKH Allgemeines Krankenhaus AnwBl Österreichisches Anwaltsblatt ao außerordentliche(n)

AT allgemeiner Teil

BGBl Bundesgesetzblatt [Jahr/Nummer]

BlgNR Beilage(n) zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates bspw beispielsweise bzw beziehungsweise dbzgl diesbezüglich dies dieselben dh das heißt E Entscheidung(en)

EBRV Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage entspr entsprechende(r), entsprechende(n)

EvBl Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen in Österreichische Juristen-Zeitung EvBl-LS Evidenzblatt – Leitsätze der Rechtsmittelentscheidungen in Österreichische

Juristen-Zeitung f und der, die folgende ff und der, die folgenden FS Festschrift

FN Fußnote

Jesionek-FS Festschrift für Udo Jesionek zum 65. Geburtstag (2002) gem gemäß GeSchG Gewaltschutzgesetz 2019 (BGBl I Nr 105/2019) ggf gegebenenfalls GP Gesetzgebungsperiode GZ Geschäftszahl hA herrschende Ansicht hM herrschende Meinung Hrsg Herausgeber(in)

idgF in der geltenden Fassung idR in der Regel

ie(w)S im engeren (weiteren) Sinn iFd in Form des/der

iHv in Höhe von insb insbesondere

iR im Rahmen

iRd im Rahmen des/der iS im Sinne

iSd im Sinne des/der iVm in Verbindung mit

(6)

6 iZm im Zusammenhang mit

JAB Justizausschussbericht

JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung (1990 ff) [Jahr/Jahr, Seite] JBl Juristische Blätter [Jahr, Seite]

JGG Jugendgerichtsgesetz 1988 (BGBl 1988/599)

JSt Journal für Strafrecht (2003 ff) [Jahr/Nummer, Seite oder Jahr, Seite]

Jud Judikatur

Kap Kapitel krit kritisch

L Lehre

leg cit legis citatae (der zitierten Vorschrift)

Lfg Lieferung

LG Landesgericht lit litera (Buchstabe)

L/St Update 2020, Strafgesetzbuch Kommentar, hrsg von Leukauf und Steininger

L/St4 Strafgesetzbuch Kommentar (4. Auflage), hrsg von Leukauf und Steininger mE meines Erachtens

ME Ministerialentwurf

Nr Nummer

nRsp neue Rechtsprechung OGH Oberster Gerichtshof

ÖJZ Österreichische Juristenzeitung

ÖJZ-LSK Leitsatzkartei in der ÖJZ (1995-2007) [Jahr/Nummer] OLG Oberlandesgericht

Os Gattungszeichen des Obersten Gerichtshofes (Strafsachen) öStGB österreichisches Strafgesetzbuch (BGBl 1974/60)

RS Rechtssatz

Rsp Rechtsprechung Rz Randziffer

SbgK Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch sog sogenannt(e/n)

s siehe

sic wirklich so

SSt Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Strafsachen und Disziplinarangelegenheiten, veröffentlicht von seinen Mitgliedern unter Mitwirkung der Generalprokuratur

StA Staatsanwaltschaft StG Strafgesetz

StGB Strafgesetzbuch (BGBl 1974/60)

StGB12 Kurzkommentar zum Strafgesetzbuch (12. Auflage), hrsg von Fabrizy StPÄG Strafprozessrechtsänderungsgesetz

StPO Strafprozessordnung (BGBl I 1975/631); Kommentar zur Strafprozessordnung, hrsg von Schmölzer und Mühlbacher

stRsp ständige Rechtsprechung StRÄG Strafrechtsänderungsgesetz

StVG Strafvollzugsgesetz (BGBl 1969/144) ua unter anderem

(7)

7 üL überwiegende Lehre

VerbotsG Verbotsgesetz 1947

VStG Verwaltungsstrafgesetz (BGBl 1991/52)

VStG2 Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz (2. Auflage), hrsg von Raschauer und Wessely; Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz (2. Auflage), hrsg von Lewisch, Fister und Weilguni

vgl vergleiche

VwGH Verwaltungsgerichtshof

WK2 Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (2. Auflage), hrsg von Höpfel und Ratz WK-StPO Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung, hrsg von Fuchs und Ratz

zB zum Beispiel zit zitiert

zit n zitiert nach zust zustimmend

zw zwischen

(8)

8

I. EINLEITUNG

Im Zentrum jeder Straffindung steht die Überlegung eine Strafhöhe festzusetzen, die der Schuld des Täters iS einer Einzelbetrachtung vollends gerecht wird. Die lebensnahen1 deliktspezifi-schen Strafdrohungen des StGB räumen den Gerichten hierfür bereits einen großen Spielraum ein. Sie bieten im Regelfall eine ausreichende Grundlage, um einer „typischen“ Tatverwirk-lichung mit einer individuellen und täterschuldadäquaten Bestrafung begegnen zu können. Diese gesetzlichen Strafrahmen geben grundsätzlich aufgrund spezial- und generalpräventiver Überle-gungen das gesetzgeberische Sanktionsbedürfnis gegenüber dem jeweiligen Delikt wieder.2 In Ausnahmefällen bildet dieses Sanktionsbedürfnis jedoch in Anbetracht der tatsächlichen Schuld des Täters eine unangemessene Grundlage für die Straffindung. Die Frage, um welche konkre-ten Fälle es sich hierbei handelt, erfährt im Zuge dieser Diplomarbeit einer eingehende Ausein-andersetzung.3

Der Gesetzgeber legt den Gerichten neben dem Strafrahmen zahlreiche geeignete gesetzliche Instrumentarien in die Hände, um diese einzelfallbezogene Sanktionierung in jedem Fall zu gewährleisten. So eröffnen diverse Rechtsinstitute, darunter auch die ao Strafmilderung gem § 414, die Möglichkeit den bereits sehr großen, für die Straffindung zur Verfügung stehenden Spielraum abermals zu erweitern. Auf diese Weise können die Gerichte, bzw müssen in bestimmten Fällen, vom gesetzlichen Strafrahmen mit seinen per se sehr starren5 Ober- und Untergrenzen abweichen.6

Das zu diesem Zweck der größtmöglichen Einzelfallgerechtigkeit7 geschaffene Rechtsinstitut der ao Strafmilderung wird im Zentrum dieser Diplomarbeit stehen. Die geltenden Strafrahmen des StGB liefern dem Richter eine Richtlinie für die Strafbemessung, während § 41 den Gerichten ermöglicht, „dass sie dem leichtesten Fall im Rahmen des Gesetzes noch gerecht werden

können“. Anderenfalls wären sie regelmäßig gezwungen, anstatt einer zu hohen Strafe den

Täter ggf sogar freizusprechen.8

Ausgangspunkt dieser Diplomarbeit werden einige grundlegende, dem allgemeinen Verständnis dienende Ausführungen sein, die sich zum einen auf den gesetzlichen Strafrahmen und zum anderen auf den in Österreich vorherrschenden Schuldbegriff beziehen. Dies dient dazu, den Regelfall der gerichtlichen Straffindung zu erläutern, um im Anschluss zur besonderen Regelung der ao Strafmilderung gem § 41 überzugehen. Neben dem allgemeinen Anwendungsbereich und den Anwendungsvoraussetzungen des § 41 werden insb die gesetzgeberische Intention, die Entwicklung des gesetzlichen Tatbestandes und mögliche Rechtswege gegen die Nicht- bzw Falschanwendung dieser Strafzumessungsnorm im Zuge dieser Arbeit Beachtung finden.

1

OGH 13 Os 127/81.

2

Seiler, Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Maßnahmen8 (2017) Rz 13 ff.

3

Ebner in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 § 32 Rz 1 ff; EBRV 49 BlgNR XX. GP 24 f.

4

Paragraphen ohne nähere Bezeichnung betreffen im Folgenden das öStGB idgF.

5

Vgl Birklbauer, Dogmatische Probleme einer Erweiterung der außerordentlichen Strafmilderung und der bedingten Strafnachsicht, in Festschrift für Udo Jesionek zum 65. Geburtstag (2002) 309 (310).

6

Seiler, AT II8 Rz 192, 237 ff; Adamovic, Das Bewegliche System in der Rechtsprechung, JBl 2002, 681 (681 ff), der als Beispiel für das „Bewegliche System“ der Strafbemessung auch § 41 StGB nennt.

7

Flora in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 § 41 Rz 24.

8

(9)

9

II. GRUNDLEGENDES ZUR BERECHNUNG DES STRAFRAHMENS

A. Der gesetzliche Strafrahmen als Ausgangspunkt der Straffindung

Grundlage jeder Strafbemessung ist prinzipiell der vom Gesetz vorgegebene Strafrahmen. In anderen Worten hat das Gericht, um im Einzelfall zur konkreten Strafhöhe iSd Strafbemessung ieS9 zu gelangen, den ihm zur Verfügung stehenden Strafrahmen festzulegen, innerhalb dessen die konkrete Strafe überwiegend festgesetzt wird bzw werden muss10. Die maßgeblichen Strafgrenzen gehen idR aus dem jeweiligen Straftatbestand hervor. So pönalisiert bspw § 75 die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen mit einer zehn- bis zwanzigjährigen oder lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Das StGB liefert dem Gericht, mit Ausnahme des Völkermordes gem § 321 Abs 1, der als eine der wenigen sog „Punktstrafen“ ausschließlich die lebenslange Freiheitsstrafe androht, somit grundsätzlich einen deliktspezifischen Strafrahmen, der für das jeweilige Delikt die Ober- und Untergrenze der Strafe festlegt.11

Ein solcher gesetzlicher Strafrahmen verfolgt zum einen den Zweck, dem Richter hinsichtlich der Bemessung der konkreten Strafe Grenzen zu setzen und zum anderen dem Täter bereits vorab vor Augen zu führen, welche Sanktion und welches Ausmaß dieser im Falle seiner Verurteilung zu erwarten hat.12

Das StGB beinhaltet einerseits in ihrer Anzahl überschaubare lebenslange und andererseits zeitlich begrenzte Freiheitsstrafen. Handelt es sich um eine zeitlich genau umrissene Freiheitsstrafe, darf sie zwanzig Jahre nicht über- und einen Tag nicht unterschreiten. Letzteres gilt auch bei der Anwendung der ao Strafmilderung gem § 41 Abs 1 Z 5 StGB13.14

Der gesetzliche Strafrahmen bildet das konkrete Sanktionsbedürfnis des Gesetzgebers gegen-über dem jeweiligen Delikt ab.15 Dieses unterschiedliche Bedürfnis kann insb durch eine Gegenüberstellung der Strafdrohung des erfolgsqualifizierten Delikts und des dazugehörigen Grunddelikts verdeutlicht werden. So ist etwa die angedrohte Strafe der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang gem § 86 gegenüber jener der Körperverletzung gem § 83 deutlich höher. Der Gesetzgeber sieht bei der Verwirklichung der Körperverletzung gem § 86, im Unterschied zur leichten Körperverletzung nach § 83, eine für den Eintritt der besonderen Folge, somit dem Tod eines anderen Menschen, eine erhöhte Gefahr.16

Neben dem „Strafrahmen“ sind auch der „Strafsatz“ und die „Strafdrohung“ in der juristischen Sprache gängige Fachbegriffe. Fraglich ist, ob diese Begriffe als Synonyme gesehen werden können oder ob es Möglichkeiten gibt, sie voneinander abzugrenzen.

9

Ebner in WK2 § 32 Rz 104.

10

EBRV 49 BlgNR XX. GP 24; Ebner in WK2 § 32 Rz 54; Tipold in Leukauf/Steininger, Strafgesetzbuch Kommentar4 § 41 Rz 4; Bertel zu OLG Innsbruck 16.12.1981, 3 Bs 446/81, AnwBl 1982/1504, 166 (166 f); Satzger, Schriften zum Internationalen und Europäischen Strafrecht, Harmonisierung strafrechtlicher Sanktionen in der Europäischen Union(2020) 61.

11

Ebner in WK2 § 32 Rz 54.

12

EBRV 30 BlgNR XIII. GP 135.

13

Nähere Ausführungen zu § 41 Abs 1 StGB in Kap III. C. 1. dieser Diplomarbeit.

14

Tipold in Leukauf/Steininger, Strafgesetzbuch Kommentar4 § 18 Rz 2.

15

Seiler, AT II8 Rz 193; s auch OGH 17 Os 15/13d, der von einer „Vorbewertung des deliktstypischen Un-rechts- und Schuldgehalts“ durch den Gesetzgeber spricht.

16

Seiler, AT II8 Rz 263; Steininger in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafge-setzbuch § 7 7 f.

(10)

10 Die Begriffe des „Strafsatzes“ und des „Strafrahmens“ werden vom OGH grundsätzlich als nicht gleichbedeutend behandelt. Ein Versuch, dahingehende Unklarheiten mithilfe des Gesetzes aus dem Weg zu räumen, scheitert bereits daran, dass sowohl das StGB als auch die StPO einer gesetzlichen Definition dieser beiden Begriffe entbehrt. Eine allgemeine strikte Trennung17 sieht daher weder das Gesetz noch die Rsp vor, wurde jedoch maßgebend von Ratz entwickelt.18 Der „Strafrahmen“ wird als Befugnis des Gerichts verstanden, die Strafe prinzipiell innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Strafrahmens festzusetzen.19 Damit ist der Begriff des Strafrahmens gleichbedeutend mit jenem der Strafbefugnis iSd § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO.20

Nicht gleichzusetzen nach der jüngsten A des OGH ist hingegen der Strafrahmen mit dem Begriff des Strafsatzes, der auch als „rechtsrichtige Subsumtion“21 verstanden werden kann.22 Bestimmt ein Umstand den Strafsatz, folgt daraus, dass dieser sich gleichsam auf die Subsumtion auswirkt.23 Da ein Strafsatz auch mehrere Strafrahmen beinhalten kann, ist der Strafsatz im Vergleich zum Strafrahmen begrifflich weitergefasst.24 Die „Strafdrohung“ kann hingegen sowohl als „Strafsatz“ als auch als „Strafrahmen“ verstanden werden.25

Der Strafrahmenbegriff umfasst folglich neben der gesetzlich vorgeschriebenen abstrakten Mindest- und Höchststrafe auch die Grenzen der Straffestsetzung im konkreten Einzelfall bzw der Strafbefugnis.26

Diese Unterscheidung ist auch in weiterer Folge relevant für die Frage, unter welche Ziffer des § 281 StPO eine Rechtsverletzung einzuordnen ist. Z 10 leg cit hat die Schuldfrage und somit den Strafsatz zum Inhalt, während Z 11 erster Fall leg cit den Strafrahmen bzw die Strafbefugnis behandelt.27 Ein Verstoß iSd § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO bedeutet daher einen Verstoß gegen den gesetzlichen Strafrahmen bzw die Überschreitung der Strafbefugnis28, welche „nicht

bereits Gegenstand zulässiger Anfechtung des Schuldspruchs“29 war. Im Falle einer zulässigen Urteilsbekämpfung gem § 281 Abs 1 Z 10 StPO, mithin eine Anfechtung des Strafsatzes, steht ein Vorgehen nach Z 11 leg cit hingegen nicht mehr offen. Zusammengefasst bedeutet das, dass für eine Rechtsverletzung iRd „Strafsatzes“ bzw der Subsumtion der Tat unter eine bestimmte Norm des StGB der Nichtigkeitsgrund § 281 Abs 1 Z 10 StPO maßgebend ist. Kommt es hingegen zu einer Missachtung der „Strafbefugnis“ bzw des Strafrahmens, ist § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall30 StPO einschlägig. Im Falle einer rechtsunrichtigen „Strafbemessung“ bzw

17

Ratz in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung § 281 Rz 666; Birklbauer, Strafrah-men, Strafsatz, Strafschärfung gem §§ 39, 313 StGB, JBl 2011 262 (263).

18

Tipold, Strafsatz, Strafrahmen, qualifizierende Umstände und Nichtigkeitsgründe, JBl 2011, 266 (268 f); so auch OGH 12 Os 21/17f EvBl 2018/13, 83 in Übereinstimmung mit OGH 13 Os 44/09h EvBl 2009/144, 965, wonach der OGH „strikt zwischen Strafdrohung, Strafsatz und Strafrahmen“ differenziert.

19

Ebner in WK2 § 32 Rz 54/1.

20

Birklbauer, JBl 2011 262 (262); Leitner in Schmölzer/Mühlbacher, Kommentar zur Strafprozessordnung (2017) § 281 432; OGH 13 Os 26/10p EvBl-LS 2010/138. 21 Ratz in WK-StPO § 281 Rz 25. 22 Ebner in WK2 § 32 Rz 54/1. 23 OGH 12 Os 21/17f EvBl 2018/13, 83. 24 Tipold, JBl 2011, 266 (268). 25

Ratz in WK-StPO § 281 Rz 666; Ebner in WK2 § 32 Rz 59/2.

26

Ebner in WK2 § 32 Rz 54/2.

27

Tipold, JBl 2011, 266 (268); OGH 13 Os 26/10p EvBl-LS 2010/138; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 666.

28

Stuefer, Determinanten der Strafzumessung in Österreich, AnwBl 01/2020, 43 (44).

29

Ratz in WK-StPO § 281 Rz 666.

30

(11)

11 Festsetzung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens handelt es sich in eventu um eine Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 11 zweiter und dritter Fall.31

B. Schuldbegriff und schuldangemessene Strafe

In Österreich gilt das in § 4 StGB statuierte „Schuldprinzip“, das besagt, dass neben der Verwirklichung des gesetzlich festgeschriebenen Tatbildes und der Rechtswidrigkeit der Tathandlung auch die Tatschuld bejaht werden muss. Folglich hat die Bemessung der Strafe iSd § 32 Abs 1 StGB durch die Beurteilung der Schuld des Täters zu erfolgen. Je höher die Schuld, desto höher auch die Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens. Handelt der Täter somit nicht schuldhaft bzw liegt ein Schuldausschließungsgrund vor, ist eine strafrechtliche Verfolgung a priori ausgeschlossen. Das folgt bereits aus dem in § 4 StGB festgeschriebenen Grundsatz „nulla poena sine culpa“.32

Es ist daher im ersten Schritt zu klären, was unter „Schuld“ bzw der subjektiven „Vorwerfbarkeit“33

verstanden wird. Der Schuldbegriff ist ein Terminus, der sich im Laufe der Zeit dogmatisch stark gewandelt hat. So stellte der einst vorherrschende „psychologische“34 Schuldbegriff darauf ab, inwieweit der Täter die Verwirklichung der Tat tatsächlich erreichen wollte. Maßgebliches Beurteilungskriterium war daher die Frage, ob der Täter den Taterfolg vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat. Für den „normativen“ Schuldterminus war hingegen vordergründig, inwieweit die Tat dem Täter subjektiv vorgeworfen werden konnte. Der heute vorherrschende „charakterologische“35 bzw der sich aus § 32 Abs 2 StGB ergebende

„normativ-charakterologische“36 Schuldbegriff legt der Beurteilung des Täterverhaltens die sog „Maß-stabsfigur“ zugrunde. Demnach ist es für die Höhe der Schuld ausschlaggebend, wie stark das Tatverhalten den Maßstäben eines mit „rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen“ zuwiderläuft.37 Hätte sich eine derartige Maßstabsperson in der konkreten Tatsituation anders verhalten oder wäre ein anderes Verhalten möglich und zumutbar gewesen, ist die Schuld des Täters zu bejahen.38

Da diese starre „Strafbegründungsschuld“39

die Festsetzung der konkreten Strafe nicht ausreichend zulässt, ist für die Strafzumessung nach §§ 32 ff die sog „Strafzumessungsschuld“ festzustellen.40 Dieser Schuldbegriff setzt sich nach hA aus dem Handlungs-, Erfolgs- und

31

Ratz in WK-StPO § 281 Rz 666; Leitner in StPO § 281 427.

32

Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht Allgemeiner Teil16 (2020) Rz 16.1, 2.3; Seiler, AT II8 Rz 4 ff.

33

Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 16.7.

34

Ebner in WK2 § 32 Rz 2.

35

Ebner in WK2 § 32 Rz 2 f; Tipold in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 § 4 Rz 10.

36

Ebner in WK2 § 32 Rz 7; Jescheck, Wandlungen des strafrechtlichen Schuldbegriffs in Deutschland und Österreich, JBl 1998, 609 (609 ff).

37

OGH 11 Os 131/97 SSt 48/2 = RS0097772.

38

Ebner in WK2 § 32 Rz 1 ff; Seiler, Strafrecht Allgemeiner Teil I, Grundlagen und Lehre von der Straf -tat4 (2020) Rz 473 ff.

39

Ebner WK2 § 32 Rz 2, wonach die „Strafbegründungsschuld“ nach hM neben dem Unrechtsbewusst-sein und der Zurechnungsfähigkeit auch die Zumutbarkeit der Normtreue voraussetzt.

40

Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 16.22; OGH 15 Os 89/00; Ebner in WK2 § 32 Rz 3, welcher hier von der „Strafbemessungsschuld“ spricht.

(12)

12 Gesinnungsunwert zusammen.41 Nach Moos hingegen besteht der Schuldbegriff aus dem Handlungs- und Erfolgsunwert, welche zusammen als Gesinnungsunwert verstanden werden.42

Bei der Beurteilung des Erfolgsunwerts wird der Frage nachgegangen, wie groß der durch das Delikt kausal herbeigeführte Schaden43 bzw die Rechtsgutbeeinträchtigung44 ist. Das Gericht stellt somit fest, was mit dem Tatobjekt geschehen ist, dh ob etwa eine Person verletzt, eine Sache beschädigt oder eine Personengruppe gefährdet wurde.45

Bei der Frage des Handlungsunwerts steht insb die Tathandlung im Zentrum. Eine Nötigung weist zB dann einen hohen Handlungsunwert auf, wenn die gem § 105 StGB tatbestandsmäßige Gewalt von ausgesprochener Rohheit bzw Rücksichtslosigkeit ist.46

Der Gesinnungsunwert legt fest, wie ausgeprägt der persönliche Hang des Täters ist, gegen bestehende Rechtsnormen zu verstoßen. Diese individuelle Haltung wird unter „Heranziehung

täterspezifischer Beurteilungskriterien (wie das Maß der Erkenntnisfähigkeit, tatsächliche Erkenntnis des Unrechts, Zumutbarkeit rechtstreuer Motivation sowie charakterologischer Merkmale wie gewerbsmäßiges Handeln oder Handeln aus Not)“47 beurteilt. Dies erfolgt mithilfe der Gegenüberstellung eines „mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen zu

erwartenden“48 Verhaltens. Da ein erhöhter intrinsischer krimineller Antrieb zu einem erhöhten Gesinnungsunwert führt, wiegt auch die vorsätzliche Tatbegehung schwerer als die fahrlässige. Genauso wäre in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, wie sorgfältig die Tat vorbereitet wurde. Denn je akribischer und ausführlicher die Planung einer Tat, desto höher auch die darin zum Ausdruck kommende kriminelle Energie.49 All diese Überlegungen haben Eingang zu finden in die einzelfallbezogene Bemessung der Strafhöhe.50

Kann die Schuld des Täters bejaht werden, ist eine der Schuld iSd § 32 Abs 1 angemessene Strafe zu ermitteln. Neben der Schuld sind nach üL und nRsp hierfür auch spezial- und generalpräventive51 Überlegungen einzubeziehen.52 Die Schuldangemessenheit der Strafe dient neben der Befriedigung des Gerechtigkeitsempfindens des Einzelnen in der Gesellschaft primär der Resozialisierung53 des Täters. Ein straffällig gewordener Mensch findet insb dann wieder nachhaltig auf den Weg der Rechtstreue, wenn ihm eine Strafe auferlegt wird, die für ihn nachvollziehbar und adäquat in Hinblick auf den von ihm durch das Delikt verwirklichten Unrechtswert ist.54

41

Ebner in WK2 § 32 Rz 3; Sautner, Ehe, Partnerschaft, Familie und Strafrecht, in Deixler-Hübner (Hrsg), Handbuch Familienrecht (2015) 1095 (1138); s auch OGH 17 Os 15/13d.

42

Moos in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch § 4 Rz 79;

Stei-ninger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Eine Einführung3 (2019) Kap 12 Rz 1b.

43

Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 4.28.

44

OGH 12 Os 111/78; Steininger, AT I3 Kap 12 Rz 1b.

45 Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 4.27. 46 Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 4.29 ff. 47 Ebner in WK2 § 32 Rz 6. 48 Ebner in WK2 § 32 Rz 6. 49

Vgl dazu EBRV 689 BlgNR XXV. GP 13, die bei der gewerbsmäßigen Tatbegehung von einem größe-ren Gesinnungsunwert ausgehen; vgl Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 4.23.

50

Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 4.33.

51

Nähere Ausführungen zur Spezial- und Generalprävention iZm der ao Strafmilderung in Kap III. C. 3. c.

52

OGH 15 Os 182/96; Ebner in WK2 § 32 Rz 100; EBRV 49 BlgNR XX. GP 24.

53

OGH 12 Os 52/79 = RS0089970.

54

(13)

13 Das StGB beinhaltet hinsichtlich der Vorgangsweise der Strafbemessung grundsätzlich keine expliziten Regelungen. Das Gericht hat bei der Festsetzung der Strafe unter Berücksichtigung des gesetzlich angedrohten Strafrahmens, der allgemeinen Grundsätze nach § 32 StGB, der gesetzlich festgeschriebenen Milderungs- und Erschwerungsgründe und dem hinter der jeweiligen strafrechtlichen Norm stehenden Zweck, die Strafe nach Ermessen festzusetzen. In der Praxis wird im ersten Schritt das „objektive Gewicht der Tat“ festgestellt. Damit sollen generalpräventiven Überlegungen Genüge getan werden, indem das Gericht die konkrete „Sozialschädlichkeit der Tat“ bzw den Erfolgs- und Handlungsunwert präzisiert. Dies erfolgt grundsätzlich unabhängig von der jeweiligen Strafdrohung. Anschließend wird eine der objektiven Schwere der Tat angemessene Einstiegsstrafe55 gewählt, wobei nun der gesetzliche Strafrahmen herangezogen wird. Manifestiert sich in einer Tat unter objektiven Gesichtspunkten ein lediglich geringes Ausmaß an Sozialschädlichkeit, wird das Gericht etwa bei einer angedrohten Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren idR einen Einstiegsstrafrahmen von bis zu zwei Monaten, bei einem sehr hohen Maß hingegen einen Einstiegsstrafrahmen von zwei bis drei Jahren festlegen. Derartige Stufen der Tatschwere sind jedoch nicht verpflichtend vom Gericht einzuhalten. Die Festsetzung der konkret verhängten schuldadäquaten Strafe erfolgt anschließend innerhalb dieses Einstiegsstrafrahmens durch die Beurteilung sämtlicher „schuldrelevanter Faktoren“ unter Berücksichtigung sämtlicher allgemeiner und besonderer Milderungs- und Erschwerungsgründe gem §§ 32 ff und des Doppelverwertungsverbots56.57 Ein Milderungsgrund iSd § 34, wie etwa der bisherige ordentliche Lebenswandel gem Z 2 leg cit, wird vom Gericht iRd Strafzumessung insoweit berücksichtigt, als es die konkrete Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens bzw des festgelegten Einstiegsstrafrahmens niedriger ansetzen wird. Damit liegt die ausgesprochene Strafe zwar näher an der Untergrenze des Strafrahmens, jedoch nach wie vor im Strafrahmen. Der Ausspruch einer Strafe, deren Höhe sich im gesetzlich vorgegebenen Rahmen befindet, stellt somit prinzipiell den Regelfall dar.58

C. Richterliche Instrumentarien zur Über- und Unterschreitung des

gesetzlichen Strafrahmens

Der Großteil der ausgesprochenen Strafen liegt wie bereits erläutert innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens59. Dennoch sieht das Gesetz an diversen Stellen für das Gericht verschiedene Möglichkeiten vor, vom gesetzlichen Strafrahmen abzugehen respektive dessen Unter- bzw Obergrenze zu verschieben. Derartige Ausnahmen, welche ggf Einfluss auf die gesetzlich angedrohte Sanktion haben, finden sich in §§ 31a Abs 1, 31a Abs 2 und 3, 38, 39, 39a, 41, 41a, 313 StGB und in § 5 JGG.60

Im Zuge dieser Diplomarbeit sollen insb die ao Strafmilderung iSd § 41 StGB und die Kronzeugenregelung iSd § 41a StGB beleuchtet sowie am Rande auch die Strafverschärfungen gem §§ 39 und 39a StGB näher behandelt werden.

55

Zur Problematik der Festsetzung der Einstiegsstrafe s Ebner in WK2 § 32 Rz 96; in Rz 25 spricht Ebner von der „Aufgabe des Strafrichters (…), innerhalb der abstrakten, für alle Fälle strafwürdigen Verhaltens der vertypten Art gedachten Wertungsskala des Gesetzes (= Strafrahmen) den der Tatschwere des Einzelfalles generalpräventiv angemessenen Rahmen festzulegen“.

56

Nähere Definition in Kap III. C. 2. dieser Diplomarbeit.

57

Ebner in WK2 § 32 Rz 25, 51, 94 ff.

58

Ebner in WK2 § 32 Rz 25, 94 ff; EBRV 49 BlgNR XX. GP 24.

59

EBRV 49 BlgNR XX. GP 24; bereits EBRV 30 BlgNR XIII. GP 135.

60

(14)

14

III. DIE AUSSERORDENTLICHE STRAFMILDERUNG GEM § 41 STGB

Mithilfe der ao Strafmilderung gem § 41 StGB wird dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, die Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens bis zu einer im § 41 Abs 1 Z 1 bis 5 festgesetzten Höhe zu reduzieren. Die ao Strafmilderung findet in besonders gelagerten bzw nach der stRsp ausschließlich in atypisch leichten61 Fällen Anwendung. Dieser Ausnahmecharakter wird damit begründet, dass die angedrohten Strafsanktionen des StGB den dem jeweiligen Delikt entspr Unrechtsgehalt abbilden. In den meisten Fällen stellen diese somit eine ausreichende Grund-lage für eine schuldadäquate Sanktionierung dar. „Als ein Korrektiv zu strengen Bewertungen

des Gesetzgebers“62 soll in atypischen Fällen jedoch auf die ao Strafmilderung gem § 41 zugegriffen werden können.63

A. Einordnung des § 41 StGB im System der Strafzumessung

Es erfolgt grundsätzlich die Abgrenzung der Strafzumessung ieS von der Strafzumessung iwS. Als Strafzumessung ieS wird die Bestimmung der Strafart und Strafhöhe bezeichnet. Bestimmt das Gericht als Strafart eine Geld- oder Freiheitsstrafe oder ein diversionelles Vorgehen und legt in weiterer Folge auch die konkrete Höhe fest, gilt die Strafzumessung ieS als abgeschlossen. An diese E schließt die Strafzumessung iwS an. Im Rahmen dieser setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, ob die festgesetzte Strafe notwendigerweise auch zu vollstrecken ist oder sie ggf nach §§ 43, 43a StGB bedingt bzw teilbedingt nachgesehen werden kann. Die E iSd Strafzumessung ieS ist daher grundsätzlich losgelöst von der E iSd Strafzumessung iwS.64 Vor der Einführung des Abs 3 des § 41 StGB, somit bis 31. Dezember 1997, handelte es sich bei ao Strafmilderung um ein Rechtsinstitut, das ausschließlich der Strafzumessung ieS zugeordnet wurde. Die Frage, inwieweit sich diese A seit dem StPÄG 1997 geändert hat, wird in Kap IV. C. 3. c. iRd Abgrenzung des § 41 Abs 3 von den §§ 43 und 43a StGB nähere Beachtung finden unter Hervorhebung der unterschiedlichen spezial- bzw generalpräventiven Anforderun-gen.65

B. Gesetzgeberische Intention und Entwicklung des Anwendungsbedarfs

Bereits der initiale Gedanke hinter der ao Strafmilderung war es, die Möglichkeit, vom gesetzlichen Strafrahmen abzugehen, nur in Ausnahmefällen einzuräumen. Prinzipiell sollten die gesetzlichen Strafdrohungen für eine schuldangemessene Pönalisierung des Täterverhaltens ausreichen. Tatsächlich fand die ao Strafmilderung ursprünglich jedoch viel häufiger Anwendung als dies vom Gesetzgeber intendiert war. Da das ao Strafmilderungsrecht heute wie damals ausschließlich für solche Fälle offenstehen soll bzw sollte, in denen die Strafrahmenuntergrenze zu hoch bzw schuldinadäquat ist, ist die Notwendigkeit einer häufigeren Anwendung der ao Strafmilderung dann gegeben, wenn das Gesetz sehr hohe Untergrenzen normiert. Zu hohe Untergrenzen, wie sie das StG 1852 in Anlehnung an die Sanktionen des StG 1803 vorsah,

61

OGH 11 Os 35/82 = RS0091336; Seiler, AT II8 Rz 258 zit n EvBl 1983/153, ÖJZ-LSK 1996/346.

62

Zit in Jescheck, JBl 1998, 609 (609 ff).

63

OGH 13 Os 68/88 = RS0090705; EBRV 49 BlgNR XX. GP 24 f; Bertel, AnwBl 1982/1504, 166 (166 f).

64

Birklbauer in Jesionek-FS 309 (311); Ebner in WK2 § 32 Rz 24, 51.

65

(15)

15 führten dazu, dass bis 1975 vermehrt mithilfe der ao Strafmilderung korrigierend eingegriffen werden musste, um eine schuldangemessene Pönalisierung der Straftäter zu gewährleisten.66

1. Der Wandel der außerordentlichen Strafmilderung seit 1803

Bereits das StG 1803 sah in §§ 48, 441, 44367 die Möglichkeit einer ao Strafmilderung vor. Diese erlaubte die Reduktion der gesetzlich normierten Strafrahmenuntergrenze auf bis zu 24 Stunden bei mit höchstens fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Straftaten, auf bis zu zwei Jahren bei mit fünf bis zehn Jahren Freiheitsstrafe pönalisierten Delikten bzw auf bis zu fünf Jahren bei einer angedrohten Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren.68

Mit Ausnahme jener Straftaten, die mit bis zu fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht waren, stand die Möglichkeit der ao Strafmilderung ausschließlich der höheren Instanz offen. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich bei der ao Strafmilderung um eine Regelung des Prozessrechts, welche auch in weiterer Folge ihre Rechtsgrundlage in der StPO 1873 fand. Diese Regelung sah vor, dass bei einer Strafdrohung von fünf bis zehn Jahren die Strafrahmenuntergrenze auf bis zu einem Jahr, bei einer Strafdrohung von zehn bis zwanzig Jahren oder lebenlänglicher Freiheits-strafe hingegen auf bis zu drei Jahre herabgesetzt werden kann. Im Zuge der StPO Novelle 1918 wurde die sich aus der ao Strafmilderung ergebende absolute Strafrahmenuntergrenze verschoben und zwar von einem Jahr auf sechs Monate und von drei Jahren auf ein Jahr. Bei einer angedrohten Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren würde sich daher ein neuer, weiterer Rahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren ergeben.69

Die ursprünglich auf das Prozessrecht einerseits und auf das materielle Strafrecht andererseits aufgeteilten Anwendungsvoraussetzungen70 der ao Strafmilderung wurden durch die Schaffung des § 41 StGB zusammengeführt. Das beträchtliche Überwiegen der Milderungs- gegenüber den Erschwerungsgründen, ursprünglich normiert in §§ 265a und 339 StPO und die günstige Prognose hinsichtlich der künftigen Rechtstreue des Täters, einst geregelt in § 54 StG, sind somit seit der Zusammenführung in § 41 StGB festgeschrieben.71

§ 41 Abs 1 und 2 erfuhren seit 1. Jänner 1975 keine inhaltlichen Änderungen72. In dieser Form bestand die Regelung der ao Strafmilderung bis zur Einfügung des Abs 373 leg cit durch das StPÄG 199774, welches auch die mit § 41 Abs 3 StGB inhaltlich kohärente Norm des § 41a StGB in seiner aF schuf. Der Abs 3 des § 41 StGB wurde in Folge durch die JGG-Novelle 200175 dahingehend verändert, dass eine bedingte bzw teilbedingte Strafnachsicht gem §§ 43 und 43a StGB fortan nicht mehr generell auch im Falle ausgesprochener Freiheitsstrafen von mehr als zwei bzw drei Jahren möglich sein sollte, sondern diesbezüglich als Obergrenze eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren festgelegt wurde. In dieser Form besteht die Norm der ao Strafmilderung seit dem 7. März 2001 bis heute. Darüber hinaus wurde im Zuge dieser Änderung in § 41 Abs 3 seitens des Gesetzgebers festgehalten, dass eine Anwendung der

66

EBRV 30 BlgNR XIII. GP 135; Birklbauer in Jesionek-FS, 309 (310).

67

EBRV 30 BlgNR XIII. GP 135; Birklbauer in Jesionek-FS, 309 (309).

68

EBRV 30 BlgNR XIII. GP 135.

69

EBRV 30 BlgNR XIII. GP 135.

70

Nähere Ausführungen zu den Anwendungsvoraussetzungen in Kap III. D. dieser Diplomarbeit.

71 EBRV 30 BlgNR XIII. GP 136. 72 BGBl Nr 60/1974 in Gegenüberstellung zu BGBl I Nr 19/2001. 73 EBRV 49 BlgNR XX. GP 4. 74 Birklbauer in Jesionek-FS, 309 (310); BGBl I Nr 105/1997. 75 Birklbauer in Jesionek-FS, 309 (310); BGBl I Nr 19/2001.

(16)

16 §§ 43 und 43a nur insofern möglich ist, als die Voraussetzungen der ao Strafmilderung iSd § 41 Abs 1 vorliegen. Dieser Regelung ging ein umfassender Meinungsstreit76 voraus, der die Folge dogmatischer Schwachstellen des § 41 Abs 3 aF war. Dieser wird im Zuge dieser Diplomarbeit im Kap IV. C. 3. c. genauer beleuchtet.

C. Anwendungsbereich

Es wurde bereits festgehalten, dass die ao Strafmilderung in solchen Einzelfällen Abhilfe bietet, in denen die gesetzliche Mindeststrafdrohung als nicht mehr schuldadäquat empfunden wird. Da § 41 daher gerade nicht auf eine idealtypische Tatverwirklichung abstellt, ist dessen Anwendung stets im Einzelfall zu prüfen. Die ao Strafmilderung soll in jenen Fällen Abhilfe schaffen, die nicht als typische Tatbegehung vom gesetzlichen Strafrahmen abgedeckt werden. Paradebeispiele dafür sind etwa die Tatverwirklichung in Form einer untergeordneten Beteiligung oder die außergewöhnlich „leichte“ Begehung einer an sich schweren Straftat.77

1. Anwendungsbereich des § 41 Abs 1 StGB

§ 41 Abs 1 StGB normiert die grundlegenden Voraussetzungen für die Anwendung der ao Strafmilderung. Diese ist in jenen Fällen möglich, in denen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und eine begründete Aussicht besteht, der Täter werde auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheits-strafe keine künftigen strafbaren Handlungen begehen.78 Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Milderungs- und Erschwerungsgründen, dem beträchtlichen Überwiegen und der günstigen Täterprognose erfolgt in Kap IV. D. dieser Diplomarbeit.

Bei Erfüllung der Anforderungen iSd § 41 Abs 1 erster Satz StGB kann die gesetzliche Unter-grenze des Strafrahmens auf eine bestimmte Mindeststrafdrohung, welche aus Abs 1 Z 1 bis 5 leg cit hervorgeht, herabgesetzt werden. Wurde eine Tat verwirklicht, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, kann von der Untergrenze abgegangen werden, jedoch ist gem Z 1 leg cit auf eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu erkennen. Eine Mindeststrafe von sechs Monaten ist hingegen gem Abs 1 Z 2 leg cit bei einer mit mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Tat auszusprechen. Die Strafrahmenuntergrenze kann weiters gem Abs 1 Z 3 leg cit auf zumindest drei Monate herabgesetzt werden, wenn die verwirklichte Tat mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, gem Abs 1 Z 4 leg cit auf zumindest einen Monat bei einem mit zumindest einem Jahr Freiheitsstrafe pönalisiertem Delikt und nach Abs 1 Z 5 leg cit auf mindestens einen Tag bei einer angedrohten Freiheitsstrafe von unter einem Jahr. Der folgende Absatz soll diese Staffelung anhand entspr Normen des StGB demonstrativ verdeutlichen.79

Unter § 41 Abs 1 Z 1 können nur solche Delikte fallen, die mit lebenslänglicher oder zehn- bis zwanzigjähriger oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht sind, wie etwa der Mord gem § 75. § 41 Abs 1 Z 2 verlangt eine Mindeststrafdrohung von zehn Jahren, wie diese bspw für die

76

Nähere Ausführungen in Kap III. C. 3. b. dieser Diplomarbeit.

77

EBRV 49 BlgNR XX. GP 24 f; Birklbauer in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 § 75 Rz 103; OGH 11 Os 5/96; 12 Os 99/16z.

78

OGH 9 Os 163/80; Flora in WK2 § 41 Rz 6.

79

(17)

17 erpresserische Entführung gem § 102 Abs 1 mit einer Strafdrohung von zehn bis zwanzig Jahren vorgesehen ist. Bei einer Strafdrohung von fünf bis fünfzehn Jahren, wie sie § 87 Abs 2 etwa für die schwere Körperverletzung mit Todesfolge normiert, findet die ao Strafmilderung ggf gem § 41 Abs 1 Z 3 StGB Anwendung, welcher als Mindeststrafdrohung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren bestimmt. Z 3 leg cit fände daher grundsätzlich auch Anwendung auf den Totschlag gem § 76 mit einer Strafdrohung von fünf bis zehn Jahren. Z 4 des § 41 verlangt eine Strafrahmenuntergrenze von einem Jahr. Eine solche normiert das StGB etwa für die leichte Körperverletzung mit schwerer Dauerfolge iSd § 85 Abs 2, bedroht mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren oder dem schweren Raub iSd § 143 Abs 1, bedroht mit einer Freiheitsstrafe von einem bis fünfzehn Jahren. § 41 Abs 1 Z 5 legt fest, dass eine ao Strafmilderung auf bis zu einem Tag für solche Delikte vorgesehen ist, die mit geringerer als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Unter Z 5 leg cit fallen daher Delikte wie die mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten gefährlichen Drohung iSd § 107 oder die Erpressung gem § 144 Abs 1 mit einer Strafdrohung von sechs Monaten bis fünf Jahren.80

Der Gesetzgeber verneint durch die Staffelung der Mindeststrafdrohung in § 41 Abs 1 Z 1 bis 5 bereits a priori die Möglichkeit einer generellen Herabsetzung der Strafrahmenuntergrenze auf einen Tag. Der Gesetzgeber nimmt daher für bestimmte Delikte, wie etwa den Mord, einen erhöhten Tatunwert an, dem niemals über § 41 mit einer fiktiven Strafrahmenuntergrenze von einem Tag begegnet werden kann. Dies gilt selbst dann nicht, wenn die Tatbegehung „an die

Grenze der Rechtfertigung oder der Entschuldigung (z. B. durch Notstand oder Zurechnungs-unfähigkeit) heranreicht“81. An einer solchen Vorwegeinschränkung bzw Vorannahme wird kritisiert, dass es iS einer Einzelfallprüfung auch im Falle an sich schwerer Delikte zu atypischen Verwirklichungen kommen kann, welche ein weitergehendes Abgehen vom Strafrahmen als folgerichtig und adäquat erscheinen lassen.82

2. Anwendungsbereich des § 41 Abs 2 StGB

Führt ein Delikt, das iSd § 41 Abs 1 Z 3 bzw 4 mit Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren, fünf bis zehn Jahren, ein bis zehn Jahren oder ein bis fünf Jahren bedroht ist, zum Tod eines anderen Menschen, normiert § 41 Abs 2 eine zwingende Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten.83

§ 41 Abs 2 legt somit fest, dass auf eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu erkennen ist, wenn die Tatverwirklichung den Tod eines anderen Menschen zur Folge hat. „Zur Folge haben“ bedeutet in diesem Zusammenhang aufgrund des ausdrücklichen Verweises in § 41 Abs 2 wenigstens Fahrlässigkeit iSd § 7 Abs 2. Grundsätzlich ist gem § 7 Abs 1 nur die vorsätzliche Tatbegehung strafrechtlich verfolgbar, es sei denn, das Gesetz normiert etwas anderes. § 7 Abs 2 beinhaltet die sog Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen84 bzw die erfolgs-qualifizierten Delikte. Diese setzen sich zusammen aus der vorsätzlichen Verwirklichung des Grunddelikts und der zumindest fahrlässigen Herbeiführung der besonderen Folge und drohen für den Eintritt dieser besonderen Folge eine höhere Strafe an.85

80 Tipold in L/St4 § 41 Rz 8. 81 EBRV 30 BlgNR XIII. GP 135. 82 Flora in WK2 § 41 Rz 15. 83 Tipold in L/St4 § 41 Rz 9. 84

Steininger in SbgK § 7 14; Huber in Leukauf/Steininger, Strafgesetzbuch Kommentar4 § 7 Rz 32.

85

(18)

18 Begründet wird die in § 41 Abs 2 normierte zwingende Mindeststrafe von sechs Monaten mit dem „besonderen Unwert“, der einer Tat innewohnt, die den Tod eines anderen Menschen nach sich zieht. Eine Ausnahme betrifft gem § 5 Abs 8 JGG jugendliche Täter. Demzufolge findet § 41 Abs 2 auf Jugendstraftaten keine Anwendung.86

Resultiert aus einer schweren Straftat iSd § 41 Abs 1 Z 3 oder 4 iSd Abs 2 leg cit der Tod eines anderen Menschen, wird der ao Strafmilderung eine zwingende Untergrenze von sechs Monaten gesetzt. Das Delikt der fahrlässigen Tötung gem § 80 StGB kennt demgegenüber überhaupt keine Strafuntergrenze. Es stellt sich somit die Frage, worin für den Gesetzgeber zwischen einer fahrlässigen Tötung gem § 80, bedroht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen, und dem zumindest fahrlässig herbeigeführten Tod iSd § 41 Abs 2, der eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorgibt der Unterschied liegt Dieser besteht darin, dass ein mit langer Freiheitsstrafe bedrohtes und daher bereits mit hohem Tatunwert gekennzeichnetes Delikt umso schwerer wiegt, wenn als zumindest fahrlässige Folge der Tod eines anderen Menschen eintritt.87

Des Weiteren gilt es die Gesetzespassage des § 41 Abs 2 zu klären, in der es heißt, dass selbst dann auf eine Mindeststrafe von sechs Monaten zu erkennen ist, wenn der Tod eines anderen Menschen iSd § 7 Abs 2 bereits die Strafdrohung bestimmt. Wird der Tod einer anderen Person als eine solche besondere Folge zumindest leicht fahrlässig herbeigeführt, folgt daraus aus § 41 Abs 2 unter den Voraussetzungen des Abs 1 Z 3 und 4 leg cit ebenso eine zwingend zu verhängende Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten.

Z 4 des § 41 Abs 1 normiert grundsätzlich eine mögliche Strafmilderung bis zu einer Freiheits-strafe von einem Monat, wenn die verwirklichte Tat mit FreiheitsFreiheits-strafe von mindestens einem Jahr bedroht ist. Dies wäre etwa der Fall bei einer Körperverletzung mit Todesfolge gem § 86. Wird das Opfer vom Täter iSd Abs 1 leg cit misshandelt oder iSd Abs 2 leg cit am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt und dadurch dessen Tod zumindest fahrlässig herbei-geführt, droht dem Täter nach Abs 1 leg cit eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, nach Abs 2 leg cit eine Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren. Bei gegebenen Voraussetzungen der ao Strafmilderung und der verwirklichten Tat des § 86 Abs 1 oder 2 käme somit die Anwendung des § 41 Abs 1 Z 4 in Betracht. In einer derartigen Konstellation müsste der Täter zwingend bei Anwendung des ao Strafmilderungsrechts zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt werden.

Die Erfüllung eines qualifizierten gesetzlichen Tatbestands durch die Tötung eines anderen Menschen steht der Anwendung der zwingenden Mindeststrafe von sechs Monaten gem § 41 Abs 2 nicht im Wege. Da sich bei Verwirklichung eines qualifizierten Tatbestands der Strafrahmen im Vergleich zum Grunddelikt erhöht, könnte bei gleichzeitiger Anwendung der zwingenden Mindeststrafe von sechs Monaten iSd § 41 Abs 2 ein Verstoß gegen das

86

Seiler, AT II8 Rz 263.

87

(19)

19 Doppelverwertungsverbot88 geortet werden, da die Strafrahmenuntergrenze „doppelt

ange-hoben“89 wird. Ein solcher Verstoß wird in concreto jedoch von Seiler verneint.90

In conclusio sieht § 41 Abs 2 eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten sowohl für jene „regulären“ Delikte vor, die eine Strafdrohung gem § 41 Abs 1 Z 3 oder 4 vorsehen, als auch „entgegen § 32 Abs 2“91 für erfolgsqualifizierte Delikte mit ebendieser Strafdrohung, wenn jeweils der Tod eines anderen Menschen zumindest fahrlässig herbeigeführt wurde.

3. Anwendungsbereich des § 41 Abs 3 iVm §§ 43, 43a StGB a) Die (teil)bedingte Strafnachsicht nach §§ 43, 43a StGB

Stellt sich im Zuge des Strafverfahrens die Schuld des Täters heraus, wird gegen diesen ein Urteil ergehen. Eine Vollstreckung dieses Urteils erfolgt jedoch nicht in jedem Fall. Unter den Voraussetzungen der bedingten bzw teilbedingten Strafnachsicht gem §§ 43 und 43a StGB wird dem Täter ohne Urteilsvollstreckung die Gelegenheit geboten, während einer vom Gericht festgesetzten Probezeit ein rechtstreues Leben zu führen, infolgedessen die ausgesprochene Geld- oder Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen wird.92 Legt der Täter während dieser Probezeit von einem bis maximal drei Jahren kein rechtskonformes Verhalten an den Tag bzw wird er erneut straffällig, ist die Nachsicht zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen. Mit diesem Rechtsinstitut soll primär dem Strafzweck der Resozialisierung des Täters gedient werden.93 § 43 StGB, die zentrale Norm der bedingten Strafnachsicht, setzt die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren voraus. § 43a Abs 4 ermöglicht hingegen eine teilbedingte Nachsicht auch im Falle einer mehr als zweijährigen, jedoch drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe. Des Weiteren verlangt § 43 eine günstige Prognose in Hinblick auf das künftige Täterverhalten. Es muss daher zumindest mit begründeter Wahrscheinlichkeit94 angenommen werden können, dass der urteilsmäßige Schuldspruch und die Androhung der Vollstreckung im Falle erneuter Straffälligkeit genügen werden, um den Täter von weiteren Tathandlungen abzuhalten.Man spricht von der sog Spezialprävention, welche iRd § 43a Abs 4 in erhöhtem Maß95 zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus hat das Gericht zu prüfen, ob eine Vollstreckung auch aus generalpräventiven Gründen nicht geboten ist. Das Vertrauen der Gesellschaft96 in die Justiz darf demnach durch die Nichtvollstreckung des Urteils nicht beeinträchtigt werden. Gleichzeitig sollen andere potentielle Rechtsbrecher von der Begehung einschlägiger Delikte abgehalten werden. Diese zweckmäßigen Überlegungen werden als

88

Ebner in WK2 § 32 Rz 59. Das Doppelverwertungsverbot iSd § 32 Abs 2 StGB besagt, dass Milderungs- und Erschwerungsgründe, die bereits den jeweiligen Strafrahmen mitbestimmen, iRd Strafbemessung nicht erneut in Anschlag gebracht werden dürfen. Dadurch soll vermieden werden, dass dem Betroffenen der konkrete mildernde oder erschwerende Umstand doppelt zur Last gelegt wird.

89

EBRV 30 BlgNR XIII. GP 137.

90

Seiler, AT II8 Rz 263; Tipold in L/St4 § 41 Rz 9; OGH 11 Os 87/10v = RS0090977.

91

EBRV 30 BlgNR XIII. GP 138.

92

Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 (2020) § 43 Rz 1.

93

Seiler, AT II8 Rz 298 ff; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB Update 2020, Strafgesetzbuch Kommentar (2020) § 43 Rz 1.

94

Jerabek/Ropper in WK2 § 43 Rz 17.

95

Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 (2020) § 43a Rz 16, wonach die teilbedingte Strafnachsicht nach § 43a Abs 4 eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ der künftigen Rechts-treue des Täters voraussetzt; s auch OGH 13 Os 145/18z; 13 Os 114/19t.

96

Jerabek/Ropper in WK2 § 43 Rz 18, wonach der generalpräventive Zweck einer Strafe auch „als Mittel der Bekräftigung des Geltungsanspruchs der Rechtsordnung, insb unter dem Gesichtspunkt der Auf -rechterhaltung des Vertrauens der Bevölkerung auf Durchsetzung des Rechts“ verstanden wird.

(20)

20 positive und negative Generalprävention bezeichnet. § 43 Abs 1 führt sowohl die Spezial- als auch die Generalprävention gleichermaßen an. Vordergründig ist jedoch regelmäßig die Frage, ob der Straftäter künftig von weiteren Delikten abgehalten und wieder vollständig in die Gesellschaft eingegliedert werden kann.97

§ 43a normiert ebenso die bedingte Strafnachsicht, jedoch bloß für einen Teil der vom Gericht festgelegten Geld- bzw Freiheitsstrafe.98 Während gem § 43 Abs 1 eine zwei Jahre nicht über-steigende Freiheitsstrafe gänzlich bedingt nachgesehen werden kann, besteht diese Möglichkeit für eine ausgesprochene Geldstrafe gem § 43a Abs 1 nur im Ausmaß von drei Viertel. Gleichermaßen ist eine teilbedingte Nachsicht einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren gem § 43a Abs 2 bzw drei Jahren gem § 43a Abs 4 zulässig.Unter den Voraussetzungen des § 41 Abs 399 steht den Gerichten darüber hinaus seit dem 7. März 2001 offen, eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren unter Anwendung des § 43 oder § 43a (teil)bedingt nachzusehen. Eine bedingte Nachsicht der gesamten Strafe ist folglich nur hinsichtlich der Freiheitsstrafe möglich. 100

Freiheitsstrafen sind aufgrund ihrer der Resozialisierung des Täters zuwiderlaufenden Wirkung im Bereich der minderschweren Kriminalität weitgehend durch andere Arten der Sanktionierung, wie die Geldstrafe oder die Diversion, verdrängt worden. Folglich kommt es nur mehr im Bereich der schweren Kriminalität zum Ausspruch einer Freiheitsstrafe. Wenig einleuchtend ist daher die Regelung des § 43a StGB insoweit, als dass sie die bedingte Nachsicht einer Geldstrafe beschränkt, die einer Freiheitsstrafe hingegen vollständig ermöglicht.Zwar wird in der L und Rsp die ähnliche Wirkung der Geldstrafe für den Täter bejaht, dennoch ist eine Geldstrafe grundsätzlich für minderschwere Delikte angedroht. Aus welchem Grund die Möglichkeit der vollständigen bedingten Nachsicht für leichtere mit Geldstrafe bedrohte Delikte ausgeschlossen, für schwere mit Freiheitsstrafe bedrohte Delikte wiederum möglich ist, ist daher nicht nachvoll-ziehbar.101

Was bedeutet dies nun in concreto für die gerichtliche Strafbemessung? Primär hat das Gericht das konkrete Strafmaß im gesetzlich normierten Rahmen zu bestimmen102.In weiterer Folge legt das Gericht als Art der Sanktionierung eine Freiheits-, Geldstrafe oder ein diversionelles Vorgehen fest, es sei denn das verwirklichte Delikt ist gesetzlich nur mit Freiheitsstrafe oder nur mit Geldstrafe bedroht. Im Anschluss hat das Gericht darüber zu entscheiden, ob die aus-gewählte Strafart respektive die Freiheits- oder Geldstrafe in Hinblick auf spezial- und general-präventive Überlegungen auch notwendigerweise zu vollstrecken ist. Ob die (teil)bedingte Strafnachsicht103 gewährt wird oder nicht, ist somit keine E, die zusammen mit der Festsetzung der Strafhöhe104 gefällt wird. Setzt das Gericht daher eine Strafe bloß deshalb niedrig an, um die Strafe bedingt nachsehen zu können, handelt es sich um eine gem § 281 Abs 1 Z 11 StPO nichtige E. Der Grund für die Nichtigkeit liegt in der prinzipiell nicht aus dem Gesetz ableitbaren Verknüpfung der E über die Strafhöhe mit jener über die bedingte Strafnachsicht.105

97

Jerabek/Ropper in WK2 § 43 Rz 16 ff; Tipold in L/St § 43 Rz 6 ff; EBRV 33 BlgNR XX. GP 35.

98

Jerabek/Ropper in WK2 § 43 Rz 6.

99

Nähere Ausführungen zu § 41 Abs 3 StGB im folgenden Kap III. C. 3. b. .

100

Jerabek/Ropper in WK2 § 43 Rz 14, 25.

101

Seiler, AT II8 Rz 34, 301; OGH 13 Os 95/79.

102

Siehe dazu bereits die Kap II. A. und B. dieser Diplomarbeit.

103

Als eine Vollstreckungsmodalität iSd Strafzumessung iwS.

104

ISd Strafzumessung ieS.

105

(21)

21 Die Strafzumessung ieS und die Strafzumessung iwS sind prinzipiell zwei von einander zu trennende Schritte.106 Der Gedanke der Trennung dieser E ergibt sich bereits aus der Möglichkeit, den Ausspruch über die (teil)bedingte Strafnachsicht gem § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO separat zu bekämpfen. Demgegenüber vertritt Ebner die A, die von den Gerichten in der Praxis gängige Verbindung der E über die Strafhöhe mit jener über die (teil)bedingte Strafnachsicht begründe keine Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO. Gegen eine strikte Trennung der beiden E spricht nach Ebner, dass präventive Überlegungen in der Praxis regelmäßig schon in die E über die Strafhöhe einfließen. Durch das StRÄG 1996 und der Neuformulierung des § 32 Abs 2 erster Satz wurde diese Möglichkeit auch von Seiten des Gesetzgebers bekräftigt. Der Umstand, dass das Gericht gem § 32 Abs 2 nun expressis verbis die Auswirkungen der Strafe und andere absehbarer Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters zu berücksichtigen hat, was die E über eine (teil)bedingte Nachsicht miteinschließt, spricht gegen eine strikte Trennung und für die Berücksichtigung spezial- und general-präventiver Zwecke iRd konkreten Straffindung.107

b) Die (teil)bedingte Strafnachsicht nach § 41 Abs 3 StGB

Der Abs 3 des § 41 fand mit dem „Bundesgesetz über besondere Ermittlungsmaßnahmen“ vom 19. August 1997, BGBl I Nr 105/1997, Eingang in das StGB. Wird der Täter zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei bzw drei, höchstens jedoch fünf Jahren verurteilt oder hätte dieser dazu verurteilt werden müssen, ist eine Anwendung der (teil)bedingten Strafnachsicht gem §§ 43 und 43a durch den Verweis in § 41 Abs 3 auch iRd ao Strafmilderung möglich.108 Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anwendung der (teil)bedingten Strafnachsicht von mehr als zwei- bzw dreijährigen Freiheitsstrafen gem § 41 Abs 3 gehen die Meinungen in der Rechtspraxis jedoch auseinander. Nach Seiler erfordert die Anwendung des § 41 Abs 3 das beträchtliche Überwiegen der Milderungsgründe und eine günstige Prognose hinsichtlich der Rechtskonformität des künftigen Täterverhaltens, wohingegen das tatsächliche Unterschreiten der gesetzlich normierten Mindeststrafe nicht notwendigerweise damit einhergehen muss.109 Einer aA zufolge bedarf es darüber hinaus der Festsetzung einer Strafe, die iSd § 41 Abs 1 unter dem gesetzlichen Strafmindestmaß liegt. Diese unterschiedlichen Positionen werden auch von Bertel anhand zweier OGH-Entscheidungen veranschaulicht.110

Im Zentrum dieses Meinungsstreits steht die Frage, ob eine Anwendung des § 41 Abs 3 auch dann zulässig ist, wenn die Voraussetzungen des § 41 Abs 1 verneint werden. Überwiegen zwar die Milderungsgründe, jedoch nicht in solch einem Ausmaß, welches die Anwendung des Abs 1 leg cit rechtfertige, ist die Überlegung anzustellen, ob dieses Überwiegen nicht möglichweise iRd Abs 3 leg cit berücksichtigt werden kann bzw muss. Ist die Anwendung des § 41 Abs 3 somit nur dann denkbar, wenn zugleich die Strafrahmenuntergrenze unter Anwendung des § 41 Abs 1 tatsächlich unterschritten wurde?

106

Birklbauer in Jesionek-FS 309 (311); Jerabek/Ropper in WK2 § 43 Rz 3.

107

Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 39.21 ff; Birklbauer in Jesionek-FS 309 (311 f); Ebner in WK2 § 32 Rz 104, demzufolge eine strikte Trennung nicht vereinbar ist mit dem Verständnis des Strafensystems „als Teil eines Gesamtkonzepts zur Behandlung deliktischen Verhaltens“; zust EBRV 33 BlgNR XX. GP 34 f, wonach das vom Gesetzgeber primär verfolgte Ziel der Strafe die Resozialisierung des Straftäters ist.

108

OGH 12 Os 122/99 ÖJZ-LSK 2000/78 = RS0110755; Seiler, AT II8 Rz 264.

109

Seiler, AT II8 Rz 264.

110

Bertel, § 41 Abs 3, § 43 Abs 1, § 43 a Abs 4 StGB – Bedingte und teilweise bedingte Nachsicht von Freiheitsstrafen, AnwBl 2000, 423 (423 f).

(22)

22 Der 13. Senat des OGH111 vertrat die A, dass eine (teil)bedingte Strafnachsicht iSd § 41 Abs 3 auch dann möglich sei, wenn zwar gem § 41 Abs 1 die Milderungs- die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und eine günstige spezialpräventive Prognose vorliegt, dies aber dennoch kein Unterschreiten der Mindeststrafdrohung rechtfertige, jedoch als Grundlage der E über die Gewährung einer (teil)bedingten Strafnachsicht herangezogen werden kann. Dieses Verständnis hätte jedoch die Erweiterung der Obergrenzen der (teil)bedingten Strafnachsicht gem §§ 43 und 43a zur Folge.112

Der 12. Senat des OGH war hingegen der Auffassung, dass für die Anwendung des § 41 Abs 3 die verhängte Freiheitsstrafe nach Abs 1 leg cit jedenfalls unter der gesetzlichen Mindeststrafe festgesetzt werden muss. In dieser E wurde zum einen dargelegt, dass das Herabsetzen der gesetzlichen Mindeststrafe dem ao Strafmilderungsrecht inhärent ist und zum anderen, dass der 1997 eingefügte Abs 3 des § 41 „als bloßer Folgeabsatz (…) als Annex zu den Vorabsätzen und

im Zusammenhang mit diesen zu verstehen“113 ist. Demnach bedarf es für die Anwendung des § 41 Abs 3 jedenfalls der Voraussetzungen der ao Strafmilderung und damit dem tatsächlichen Herabsetzen der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens. Es wird dem Gericht damit primär ermöglicht, die Strafrahmenuntergrenze auf ein in § 41 Abs 1 Z 1 bis 5 normiertes Minimum herabzusetzen. Gleichzeitig soll dem Gericht offenstehen, eine unter Anwendung des § 41 herabgesetzte unbedingte Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren gem §§ 43 Abs 1, 43a Abs 3 bzw drei Jahren gem § 43a Abs 4 über den Abs 3 des § 41 bedingt bzw teilbedingt nachzusehen. Gegen die Annahme, es handle sich bei § 41 Abs 3 um ein von § 41 Abs 1 gänzlich „unabhängiges Alternativinstrument“114, sprechen dieser A zufolge die fehlenden näheren Ausführungen des Gesetzgebers, welche im Fall eines solchen Rechtsverständnisses zu erwarten gewesen wären.115

Der Ursprung dieses Diskurses liegt in der aF des § 41 Abs 3. Diese besagte, „dass §§ 43 und

43 a auch dann angewendet werden können, wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei bzw drei Jahren erkannt wird oder zu erkennen wäre“116. An der Auslegung, § 41 Abs 3 bestünde neben § 41 Abs 1 als selbständiger Absatz, wurde kritisiert, dass eine (teil)bedingte Nachsicht ferner für sämtliche, theoretisch auch für lebenslängliche Freiheitsstrafen möglich wäre. Die gegenteilige Auslegung, Abs 3 leg cit könne nur zusammen mit Abs 1 leg cit gelesen werden und setze die Anwendung des Abs 1 leg cit voraus, vermag jedoch auch nicht vollends zu überzeugen. Ein solches Verständnis hieße, dass § 41 Abs 3 auf Delikte ohne gesetzliche Strafrahmenuntergrenzen generell unanwendbar wäre, da die Voraussetzung der ao Strafmil-derung, das Bestehen einer gesetzlichen Mindeststrafe, in solchen Fällen nicht erfüllt wäre.117 Der Meinungsstreit wurde schließlich durch die JGG-Novelle im BGBl I 2001/19 durch die Neuformulierung des § 41 Abs 3 beigelegt, sodass fortan „einerseits die erweiterte Anwendung

111

OGH 13 Os 111/98 JBl 2000, 806 EvBl 1999/43.

112

Flora in WK2 § 41 Rz 24 f; OGH 13 Os 111/98 zit n EBRV 49 BlgNR XX. GP 26, wonach dem Gesetz eine zwingende Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafe für § 41 Abs 3 StGB nicht entnommen werden kann und dem Gericht die Möglichkeit eröffnet werden soll, „zwar das Gewicht des Fehlverhaltens und die Schwere der verschuldeten Rechtsgutbeeinträchtigung deutlich zum Ausdruck zu bringen, zugleich aber gegebenenfalls von der Verhängung einer (zur Gänze) unbedingten Freiheitsstrafe abzuse-hen“; krit Moos in Jesionek-FS 385 (394); ebenso krit Birklbauer in Jesionek-FS 309 (326 f).

113

OGH 12 Os 122/99 ÖJZ-LSK 2000/78.

114

OGH 12 Os 122/99 ÖJZ-LSK 2000/78.

115

OGH 12 Os 122/99 ÖJZ-LSK 2000/78 = RS0112916; Bertel, AnwBl 2000, 423 (423 f).

116

Flora in WK² § 41 Rz 22; BGBl I Nr 105/1997.

117

(23)

23

(teil-)bedingter Strafen auch ohne Unterschreitung des gesetzlichen Mindestmaßes der Strafdrohung zulässig sein, andererseits aber auf die Verhängung von Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren bechränkt [sic!] werden soll“118. Der Anwendungsbereich des § 41 Abs 3 ist daher sowohl für Delikte ohne gesetzliche Mindeststrafdrohung eröffnet als auch für jene Straftaten, deren Strafrahmenuntergrenze fünf Jahre beträgt, sofern das die ausgesprochene Freiheits-strafe auf nicht mehr als fünf Jahre lautet. Dem Richter soll es darüber hinaus ermöglicht werden, das „Milderungspotenzial“, welches sich aus § 41 ergibt, jedoch für dessen Anwendung nicht ausreicht, „auf die bedingte Nachsicht der Strafe umzuleiten“119.120

c) Abgrenzung des § 41 Abs 3 StGB von §§ 43, 43a StGB

Zwar verweist § 41 Abs 3 auf §§ 43 und 43a, dennoch gibt es drei zentrale Aspekte, anhand derer ich die Unterschiede der (teil)bedingten Strafnachsicht gem §§ 43, 43a von jener gem § 41 Abs 3 extrahieren möchte.

Im Zuge dieses Kap widme ich mich den Fragen, welche präventiven Überlegungen für die jeweilige Norm ausschlaggebend sind, bis zu welchem Strafmaß die (teil)bedingte Nachsicht erfolgen darf und ob bzw welche Rechtsgrundlage einen Rechtsanspruch auf die Anwendung der (teil)bedingten Strafnachsicht begründet.

Wie bereits iZm § 43 erläutert, bedarf es für die (teil)bedingte Strafnachsicht gem §§ 43 Abs 1 und § 43a neben der Erfüllung spezialpräventiver auch generalpräventiver Zwecke. Die ao Strafmilderung wurde bis zum StPÄG 1997 ausschließlich der Strafzumessung ieS zugeordnet. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand die Norm des § 41 lediglich aus den ersten beiden Absätzen. Neben der gesetzlich normierten Strafrahmenuntergrenze und dem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe setzten § 41 Abs 1 und 2 bereits die Spezialprävention iS einer günstigen Prognose des künftigen Täterverhaltens voraus. Für die Anwendung des § 41 Abs 1 und 2 bedarf es folglich einer positiven und sachlich begründeten Aussicht, der Täter werde künftig keine weiteren Straftaten begehen, somit lediglich der Spezialprävention. Generalpräventive Überlegungen haben damit grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben. Dies gilt jedoch nicht für den Abs 3 leg cit. Die Vermutung einer nicht intendierten Gesetzeslücke wurde von L und Rsp bereits verneint. In Hinblick auf den Wortlaut des § 41 Abs 3 idgF, welcher ebenso bloß die Spezialprävention121 verlangt, ist es jedoch fraglich, ob neben dieser tatsächlich auch generalpräventive Aspekte iRd § 41 Abs 3 Beachtung finden müssen. Diese Vermutung drängt sich insoweit auf, als § 41 Abs 3 ausdrücklich auf §§ 43 und 43a verweist, für deren Anwendung auch die Generalprävention zu beachten ist. Nach Birklbauer hätte das Außerachtlassen der Generalprävention bei § 41 Abs 3 die diametrale Folge, dass generalpräventive Faktoren zwar iRd teilbedingten Nachsicht § 43a Abs 4 zu beachten wären, jedoch nicht bei jener gem § 43a Abs 3 iVm 41 Abs 3. Diese wenig zufriedenstellende Konsequenz widerspräche der Auffassung, dass iRd Strafzumessung iwS die Spezial- und Generalprävention gleichermaßen zu berücksichtigen sind. Nach Birklbauer ist § 41 Abs 3 eine mit §§ 43 und 43a in enger Verbindung Norm, die bloß der Abgrenzung zu §§ 43 und 43a dient und für deren Anwendung generalpräventive Aspekte im selben Maß zu beachten sind wie für §§ 43 und 43a.122

118 JAB 404 BlgNR XXI. GP 7. 119 Flora in WK² § 41 Rz 24. 120

Flora in WK² § 41 Rz 22 f; Moos in Jesionek-FS 385 (393 ff); OGH 13 Os 111/98JBl 2000, 806 EvBl 1999/43= RS0110755.

121

EBRV 49 BlgNR XX. GP 26.

122

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