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Rechtswege gegen die Falsch- oder Nichtanwendung des § 41 StGB

Um gegen den Strafausspruch eines Urteils vorzugehen, stehen grundsätzlich verschiedene Rechtswege zur Verfügung. Zum einen kann Nichtigkeitsbeschwerde gem § 281 Abs 1 Z 11 bzw

§ 345 Abs 1 Z 13 StPO und zum anderen Berufung erhoben werden. Zentraler Unterschied dieser beiden Rechtsmittel ist ihr Anwendungsbereich. Eine alternative Erhebung ist a priori ausgeschlossen, da mit der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung jeweils nur bestimmte Rechtsverletzungen bekämpft werden können, welche in den folgenden Absätzen näher erläutert werden.226

Bei Verstößen iRd Strafzumessung kommt grundsätzlich der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall227 bzw § 345 Abs 1 Z 13 StPO in Betracht. Diese sog „Sanktionsrüge“ kann unter Berücksichtigung des Neuerungsverbots228 in jenen Fällen erhoben werden, in denen das Schöffengericht seine Strafbefugnis überschritten oder bei dem Ausspruch über die Strafe für

221 Haudum, Kronzeugen im Straf- und Kartellrecht (2013) 60.

222 Haudum, Kronzeugen 60.

223 Flora in WK2 § 41 Rz 6 zit n Medigovic/Reindl-Krauskopf, Strafrecht Allgemeiner Teil II (2013) 91.

224 Haudum, Kronzeugen 62.

225 OGH 11 Os 85/03 = RS0099839; s auch OGH 15 Os 71/99; 15 Os 45/00; Leitner in StPO 434.

226 Leitner in StPO 432 ff.

227 Leitner in StPO 431 f.

228 Ebner in WK2 § 32 Rz 108.

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die Strafbemessung maßgebende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt oder die Vorschriften der Strafbemessung in unvertretbarer Weise missachtet hat.229

Es stellt sich die Frage, ob und ggf wann dieser Nichtigkeitsgrund für die Frage der Falsch- oder Nichtanwendung des § 41 gegeben ist bzw in welchen Fällen dem Betroffenen gegen derartige Verstöße das Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung steht.

Unter der Überschreitung der Befugnisse iSd § 281 Abs 1 Z 11 bzw § 345 Abs 1 Z 13 StPO werden jene Fehler verstanden, die iRd Strafzumessung auftreten. Damit werden jene Fälle angesprochen, in denen Umstände, die für die Strafe bzw Strafhöhe oder den Strafrahmen maßgeblich sind, von Seiten des Gerichts verkannt werden. Für die ao Strafmilderung bedeutet dies, dass eine Falschanwendung des § 41 dann Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 11 bzw § 345 Abs 1 Z 13 StPO zur Folge hat, wenn die neue, sich aus der Anwendung des § 41 Abs 1 Z 1 bis 5 ergebende mildere Mindeststrafe in höherem Maß unterschritten230 wird.231

Kommt die ao Strafmilderung zwar richtigerweise zur Anwendung oder wird auf diese inhaltlich eingegangen, jedoch die Norm des § 41 StGB nicht expressis verbis im Urteil angeführt232 oder die Anwendung des § 41 nicht begründet, so folgt daraus hingegen keine Nichtigkeit. Davon ist jener Fall zu unterscheiden, in dem das Gericht die ao Strafmilderung wissentlich und intentional233 außer Acht gelassen hat, was wiederum mit Berufung bekämpft werden kann.234 Das Gericht trifft die Pflicht, eine der Schuld und dem Unrecht des verwirklichten Delikts angemessene Strafe auszusprechen. Ob dies unter Heranziehung der in §§ 33 und 34 demon-strativ235 angeführten Milderungs- und Erschwerungsgründe oder weiterer ungeschriebener Strafzumessungsgründe geschieht, ist wie bereits erläutert eine gerichtliche Ermessens-entscheidung.236 Gleiches gilt für die E über die Voraussetzungen der ao Strafmilderung.237 Ob § 41 zur Anwendung kommt, stellt daher gleichermaßen eine Ermessensfrage dar, die lediglich mit Berufung bekämpft werden kann. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 41 („…so kann erkennt werden…“) und wurde bereits mehrfach von der Rsp klargestellt.238

Das hat zur Folge, dass eine Nichtigkeitsbeschwerde, die den Vorwurf beinhaltet, das Gericht hätte die Voraussetzungen für § 41 fälschlicherweise verneint und die Anwendung des ao Milderungsrechts ausgeschlossen, als unzulässig zurückzuweisen ist, da es sich hierbei um

229 Nimmervoll, Das Strafverfahren, Systematische Darstellung für Ausbildung und Praxis2 (2017) Kap VI Rz 167 ff; Steininger, Nichtigkeitsgründe7 595; Seiler, Strafprozessrecht18 (2020) Rz 1133.

230 OGH 11 Os 85/03, wonach ein Urteil dann iSd § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO nichtig ist, wenn das Gericht „die Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens, soweit er durch namentlich angeführte Erschwe-rungs- oder Milderungsumstände begründet wird, oder die Grenzen des ihm zustehenden Strafumwand-lungs-, Strafschärfungs- oder -milderungsrechtes überschreitet“.

231 Nimmervoll, Das Strafverfahren² Kap VI Rz 170 ff; Stricker, Verbot der reformatio in peius bei strenge-rer rechtlicher Beurteilung? JBl 2017, 79 (89); Leitner in StPO 431; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 668/3.

232 OGH 15 Os 53/19m = RS0117723; OGH 12 Os 65/81.

233 OGH 15 Os 55/06m; 11 Os 85/03.

234 Flora in WK2 § 41 Rz 30 zit n Danek in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung § 270 Rz 43 und Ratz in WK-StPO § 281 Rz 681, 691.

235 OGH 13 Os 154/15v = RS0090881.

236 Seiler, AT II8 Rz 258 ff.

237 OGH 11 Os 125/05z = RS0099839.

238 Flora in WK2 § 41 Rz 29 f zit n Fabrizy, StGB12 § 41 Rz 7 und Ratz in WK-StPO § 281 Rz 728; Leitner in StPO 431 f; OGH 10 Os 78/79, 15 Os 71/99 = RS0091319; OGH 12 Os 43/82.

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einen Berufungsgrund handelt.239 Gleiches gilt für ein Vorbringen, mit dem behauptet wird, das gesetzliche Strafmaß hätte gem § 41 Abs 1 in einem höheren Maße gemildert werden müssen.

Wird dem Gericht hingegen vorgeworfen, es hätte zwingende Strafbemessungsregeln verkannt, wird wiederum der Nichtigkeitsgrund iSd § 281 Abs 1 Z 11 bzw § 345 Abs 1 Z 13 StPO angesprochen.240

Durch eine weitere E des OGH, in der dieser eine Nichtigkeitsbeschwerde der StA gem § 281 Abs 1 Z 11 StPO mangels Nichtigkeit zurückwies, soll dies nochmals verdeutlicht werden. Die StA erhob in casu die Nichtigkeitsbeschwerde mit der Behauptung, der Strafausspruch einer viermonatigen Freiheitsstrafe bei Verwirklichung des mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bedrohten Delikts iSd § 129 StGB begründe Nichtigkeit iSd Z 11 leg cit.

Diese A wurde vom OGH nicht geteilt. Das Gericht hat bei der Berechnung des konkreten Strafmaßes sowohl die in §§ 33 und 34 festgeschriebenen Milderungs- und Erschwerungs-gründe zu berücksichtigen als auch die Grenzen der ao Strafmilderung zu wahren. Eine Überschreitung der Strafbefugnis iSd § 281 Abs 1 Z 11 StPO würde erst damit begründet werden, wenn die ausgesprochene Strafe das durch die Anwendung des ao Milderungsrechts nach unten verschobene Strafmindestmaß unterschreiten würde. Gem der Z 5 des § 41 Abs 1 kann die gesetzlich normierte Untergrenze von Delikten, die mit einer geringeren, weniger als ein Jahr betragenden, Freiheitsstrafe bedroht sind, auf bis zu einen Monat herabgesetzt werden.

Diese Möglichkeit besteht gleichsam für § 129, dessen Mindeststrafdrohung iHv sechs Monaten folglich auf bis zu einen Monat reduziert werden kann. Die Verhängung einer viermonatigen Freiheitsstrafe stellt somit keine nichtigkeitsbegründende Unterschreitung der gerichtlichen Befugnisse dar. Die Frage der (Nicht)Anwendung des § 41 kann wiederum nur mit Berufung bekämpft werden.241

Wurde vom Angeklagten gegen die Nichtanwendung der ao Strafmilderung gem § 345 Abs 1 Z 13 StPO Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, mit der Behauptung, das Gericht habe irrigerweise angenommen, die Anwendung der ao Strafmilderung steht nur in atypischen Fällen zur Verfügung, ist die Rechtsrüge zu verwerfen, da diese A mit der stRsp übereinstimmt. Es kann somit keinesfalls von einer Falschanwendung des § 41 gesprochen werden. Wird stattdessen iRd Nichtigkeitsbeschwerde der Einwand vorgebracht, bei dem durch den Täter verwirklichten Delikt läge ein iSd § 41 außergewöhnlich gelagerter Fall vor, ist das Rechtsmittel ebenso zu verwerfen, da dieser Vorwand wiederum bloß einen Berufungsgrund darstellt.242

239 OGH 14 Os 30/17v = RS0099911.

240 OGH 11 Os 60/92 = RS0091303; Steininger, Nichtigkeitsgründe7 595.

241 OGH 12 Os 65/81.

242 OGH 12 Os 71/89 = RS0091303.

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VI. RECHTSVERGLEICHE