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Die außerordentliche Strafmilderung in Bezug auf die Verhängung einer Geldstrafe

Sieht das StGB für eine Straftat als Strafdrohung sowohl eine Geld- als auch eine Freiheitsstrafe vor, ist vorrangig auf eine Geldstrafe zu erkennen. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des

§ 37 StGB.180 Die Verpflichtung des Ausspruchs einer Geld- anstelle einer kurzen Freiheitsstrafe obliegt den Gerichten grundsätzlich seit der Reform des StGB 1975.181

§ 37 Abs 1 normiert, dass zwingend auf eine Geldstrafe statt einer Freiheitsstrafe zu erkennen ist, wenn die Strafdrohung höchstens fünf Jahre beträgt, das Gericht gedenkt eine maximal einjährige Freiheitsstrafe auszusprechen und dies auch hinsichtlich spezialpräventiver Aspekte zweckmäßig ist. Generalpräventive Gründe sind für § 37 Abs 1 hingegen nicht bzw nicht mehr zu berücksichtigen. Im Falle einer Strafdrohung von fünf bis höchstens zehn Jahren legt § 37 Abs 2 fest, dass ebenso statt einer höchstens einjährigen Freiheitsstrafe auf eine Geldstrafe zu erkennen ist. § 37 Abs 2 setzt jedoch sowohl spezial- als auch generalpräventive Gründe voraus. Für Delikte, die mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe pönalisiert sind, ist die Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe grundsätzlich ausgeschlossen.182 Ein sehr anschauliches Beispiel für die Anwendung des § 37 liefert Satzger in seinen Schriften zum Internationalen und Europäischen Strafrecht. Eine schwere Sachbeschädigung gem § 126 StGB ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht. Gedenkt das Gericht den Täter zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten zu verurteilen, hat es nach § 37 Abs 1 vorzugehen, wenn dies auch im Hinblick auf spezialpräventive Überlegungen zweckmäßig ist. Das Gericht hat daher, obwohl § 126 selbst überhaupt keine Geldstrafe androht, zwingend auf eine solche zu erkennen.183

Die Schaffung des § 37 diente dem vornehmlichen Zweck, kurze Freiheitsstrafen aufgrund ihrer Ineffizienz und zielverfehlenden Wirkung weitgehend zu vermeiden. Wird der Täter zur Ver-büßung einer kurzen Freiheitsstrafe dem „resozialisierungsfeindlichen“ Umfeld des Strafvollzugs ausgesetzt, welches allseits durch kriminelle Einflüsse geprägt ist, hat dies in spezialpräventiver Hinsicht weitreichende negative Auswirkungen auf den Betroffenen. Die oftmals mit der zu verbüßenden kurzen Freiheitsstrafe einhergehenden Folgen, wie der Verlust des Arbeitsplatzes und die soziale Entwurzelung eines an sich gut integrierten Straftäters, wiegen weitaus schwerer als der kurz andauernde Schockeffekt bzw die Abschreckwirkung des Ausspruchs einer Freiheitsstrafe. Bereits die EBRV 1971 betonen, dass die Wirkungen der Geldstrafe seit der Einführung des Tagessatzsystems für den Täter gleichermaßen einschneidend sind, jedoch nicht in demselben drastischen Ausmaß zur Entsozialisierung184 des Straftäters führen.185

180 Ebner in WK2 § 32 Rz 56.

181 Satzger, Schriften 63.

182 Flora in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 § 37 Rz 2, 6; Satzger, Schriften 63.

183 Satzger, Schriften 63.

184 Birklbauer/Hirtenlehner, Das Dogma von der Schädlichkeit kurzer Freiheitsstrafen und ihre Verhängung in der Praxis, JSt 2006, 18 (18 ff).

185 Flora in WK2 § 37 Rz 1 ff; OGH 12 Os 52/79 zit n ÖJZ-LSK 1976/19; Ebner in WK2 § 32 Rz 56.

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In der Vergangenheit, so insb in der Regierungsvorlage von 1968, war die Verhängung einer Geldstrafe an Stelle einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten lediglich mithilfe der ao Strafmilderung möglich und auch nur dann, wenn die verwirklichte Tat mit einer Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr bedroht war.186 1971 wurde die Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe zur selbständigen Bestimmung, die unabhängig einer Anwendung der ao Strafmilderung normiert wurde. Seither erfuhr die Norm des § 37 diverse Novellierungen, insb durch das StrÄG 2015, durch welches der Anwendungsbereich des § 37 ausgedehnt wurde, um die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen weiter zurückzudrängen.187

Bis zum StrÄG 2015, BGBl I Nr 154/2015, bestand die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe statt einer Freiheitsstrafe nur im Falle einer vom Gericht festgelegten Freiheitsstrafe von höchstens sechs Monaten. Durch das StrÄG 2015 wurden diese sechs Monate auf ein Jahr angehoben. Diese Änderung wurde damit begründet, dass die Begrenzung auf Fälle von höchstens sechsmonatigen Freiheitsstrafen angesichts jener Straftaten, welche eine Geldstrafe neben einer ein- bis teilweise dreijährigen Freiheitsstrafe androhen, außer Verhältnis stünde.

Bereits vor dem StrÄG 2015 durfte die angedrohte Freiheitsstrafe für die Anwendung § 37 Abs 1 aF höchstens fünf Jahre betragen, unabhängig davon, ob alternativ dazu eine Geldstrafe vorgesehen war. Die Gesetzespassage wurde im Zuge des StrÄG 2015 dahingehend novelliert, dass für § 37 Abs 1 die angedrohte Freiheitsstrafe höchstens fünf Jahre betragen darf, jedoch ohne einer alternativ angedrohten Geldstrafe, weil darin keine gleichwertige Alternative188 gesehen wurde. Gleichzeitig mit der Erhöhung der nach § 37 Abs 1 vorausgesetzten verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf ein Jahr wurde die Höhe der unter Anwendung des § 37 Abs 1 stattdessen zu verhängenden Geldstrafe von 360 auf 720 Tagessätze angehoben, somit gleichermaßen verdoppelt. Des Weiteren entfielen zum einen die Voraussetzung der Generalprävention in Abs 1 leg cit und zum anderen das Erfordernis besonderer Gründe iRd Generalprävention des Abs 2 leg cit. Sämtliche Änderungen dienten der zentralen Intention des Gesetzgebers, welche bereits aus der Regierungsvorlage zum StGB 1975 hervorging, kurze Freiheitsstrafen aufgrund ihrer schädlichen Wirkung nur in Ausnahmefällen189 zu verhängen.

Stattdessen soll von den Gerichten vermehrt auf Geldstrafen erkannt werden, welche wiederum nach §§ 43 und 43a StGB (teil)bedingt nachgesehen werden können. Gem § 37 sind von dieser Regel jedoch weiterhin solche Fälle ausgenommen, in denen kurze Freiheitsstrafen aus präventiven190 Gründen zweckmäßig bzw zwingend erforderlich sind191.192

Angesichts der nach wie vor hohen Zahl verhängter kurzer Freiheitsstrafen ist jedoch fraglich, inwieweit dieses Ziel auch tatsächlich erreicht wurde. Im Jahr 2003 lauteten immerhin 74 % aller Freiheitsstrafen auf bis zu sechs Monate, 51 % davon sogar auf bloß bis zu drei Monate.193 Ein Blick auf die Verteilung der Strafgefangenen in Hinblick auf die Strafdauer im Jahr 2019 zeigt deutlich, dass in Österreich nach wie vor überwiegend kurze Freiheitsstrafen ausgesprochen

186 EBRV 30 BlgNR XIII. GP 130.

187 Flora in WK2 § 37 Rz 1 f; Tipold in Leukauf/Steininger, Strafgesetzbuch Kommentar4 (2017) § 37 Rz 1a. 188

Flora in WK2 § 37 Rz 29; EBRV 689 BlgNR XXV. GP 10 f.

189 Flora in WK2 § 37 Rz 5 spricht von der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe als „ultima ratio“.

190 Nach Abs 1 leg cit sind spezial-, nach Abs 2 leg cit generalpräventive Überlegungen ausschlaggebend.

191 Tipold in L/St4 § 37 Rz 1; Flora in WK2 § 37 Rz 5.

192 EBRV 689 BlgNR XXV. GP 10 f; Flora in WK2 § 37 Rz 7; Bertel, Die Wiederkehr der kurzen Freiheits-strafe, ÖJZ 1987, 75 (75 f); Grafl, Freiheitsstrafe als ultima ratio? Gedanken zur Effizienz von strengen Strafen, JAP 2006/2007,196 (198).

193 Birklbauer/Hirtenlehner, JSt 2006, 18 (18 ff).

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werden. In 85,1 % der Fälle handelte es sich um Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren, wohingegen sich die Zahl der fünf- bis zehnjährigen Freiheitsstrafen auf 9,6 % und jene der zehn- bis zwanzigjährigen Freiheitsstrafen auf 3,9 % belief. Eine Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren bis lebenslänglich wurde lediglich in 1,4 % der Fälle verhängt.194 Kurze, bedingt aus-gesprochene Freiheitsstrafen verursachen den Gerichten in der Praxis weniger Arbeitsaufwand iRd Strafvollzugs, da sämtliche E hinsichtlich der Zahlung einer Geldstrafe von den Gerichten zu fällen sind. Das könnte wiederum die weiterhin hohe Zahl der kurzen Freiheitsstrafen erklären.195 Zwar eröffnet § 41 die Möglichkeit, die Strafrahmenuntergrenze nach unten bis zu einer in § 41 Abs 1 Z 1 bis 5 normierte Mindeststrafe zu verschieben, dies bewirkt jedoch noch keine Änderung der Strafart. Eine solche erfolgt lediglich iRd § 37 StGB.196

Die gem § 37 verhängte Geldstrafe ist originär197. Die Unabhängigkeit des § 37 gegenüber des

§ 41 ergibt sich bereits daraus, dass die ao Strafmilderung ausschließlich auf Freiheitsstrafen Bezug nimmt. Das Loslösen der Norm des § 37 von § 41 ist insoweit zweckmäßig als zum einen für die jeweilige Anwendung verschiedene Bedingungen erfüllt sein müssen und zum anderen

§ 41 bloß auf atypisch gelagerte Fälle Anwendung finden soll, keineswegs jedoch § 37.198 Fraglich ist, wie das Gericht in der Praxis zur konkreten Höhe der Geldstrafe iSd § 37 kommt.

Zwar ist die Geldstrafe nach § 37 wie bereits erläutert als originäres Rechtsinstitut ausgestaltet, jedoch besteht zw der vom Gericht bestimmten kurzen Freiheitsstrafe und der stattdessen verhängten Geldstrafe regelmäßig ein Konnex, der nicht zuletzt auch der Nachvollziehbarkeit der substituierende Geldstrafe geschuldet ist. Grundsätzlich stellte der OGH in mehreren E klar, dass eine nach § 37 ausgesprochene Geldstrafe „unmittelbar auf den Strafzweck zu bemes-sen“199 ist und nicht das Ergebnis einer „Umwandlung einer – allenfalls durch Anwendung des

§ 41 StGB (…) herabgesetzten – bestimmten Freiheitsstrafe“200 ist. Demgegenüber wird ua von Pallin vertreten, dass es bei der Bemessung der Geldstrafe nach § 37 zu einer „Strafum-wandlung“ kommt, wonach der Bemessung der ersatzweisen Geldstrafe das Maß der kurzen Freiheitsstrafe, welche das Gericht verhängen möchte, unmittelbar zugrundegelegt wird.201 Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 37 als auch jene des § 41 vor, kann die ao Straf-milderung und die Verhängung einer Geld- anstelle einer Freiheitsstrafe verbunden werden.202 Aufgrund des Wortlauts des § 41 Abs 2 („muss…auf Freiheitsstrafe…erkannt werden“) wird teil-weise vertreten, iRd Abs 2 leg cit ist verpflichtend eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Das hätte zur Folge, dass die Anwendung des § 37 a priori ausgeschlossen wäre. Nach Flora kann ein derartiges Verständnis weder von der Formulierung des § 41 Abs 2 noch von der Grundidee der ao Strafmilderung abgeleitet werden. Es wäre demnach gänzlich unverständlich, ein

194 Für 2019, URL: https://www.justiz.gv.at/home/strafvollzug/statistik/verteilung-der-strafgefangenen-nach-strafdauer~2c94848542ec49810144458dbd9a3df9.de.html (letzter Zugriff am: 14.9.2020)

195 Satzger, Schriften 63 f.

196 Tipold in L/St4 § 41 Rz 3.

197 S bereits EBRV 30 BlgNR XIII. GP 131.

198 Flora in WK2 § 37 Rz 34 f.

199 OGH 9 Os 157/76 = RS0090396.

200 OGH 9 Os 157/76 = RS0090396; aA Seiler, AT II8 Rz 97.

201 Flora in WK2 § 37 Rz 10 f.

202 Satzger, Schriften 64; Flora in WK2 § 37 Rz 34 f.

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institut, welches explizit für atypische, vom Gesetzgeber gerade nicht vorhergesehene Fälle konzipiert wurde, in einer bestimmten Fallkonstellation wiederum generell auszuschließen.203