Diabetespatienten mit langer Krankheitsdauer und schlechter Einstellung erkranken vor allem an Mikroangiopathien.
Während beim Typ-1-Diabetes häufiger eine proliferative Re- tinopathie auftritt, kommt diese beim Typ-2-Diabetes kaum vor. Erfreulicherweise geht die Inzidenz dieser proliferieren- den diabetischen Augenerkrankung dank der besseren Diabe- teseinstellung von heute signifikant zurück. Die beiden Krankheitsbilder des Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterschei- den sich auch durch das bevorzugte Auftreten von Makulo- pathien beim Typ 2.
Die Mikroangiopathie lässt sich durch die Mikroalbuminurie schon früh diagnostizieren – noch bevor Mikroaneurysmen in der Retina auftreten. Dies war früher genau umgekehrt.
Damals galt, was auch heute noch begrenzt gültig ist: Eine diabetische Glomerulosklerose tritt nicht ohne gleichzeitige Mikroaneurysmen an der Retina auf. Die frühzeitige Thera- pie mit ACE-Hemmern (ACE: angiotensin-converting en-
zyme) oder Sartanen ist schon bei Auftreten einer Mikro- albuminurie bedeutsam. So lässt sich nicht nur die Eiweiss- ausscheidung im Urin reduzieren, sondern auch die Prognose einer Nierenerkrankung signifikant verbessern.
Für die Entwicklung von Makroangiopathien haben die sys- tolische Hypertonie und die Hypertriglyzeridämie bei Diabe- tikern eine grössere Bedeutung als bei Nichtdiabetikern. Dies konnte die Schwabinger Studie schon früh zeigen. Die Lipid- trias (niedriges HDL [high-density lipoproetein], erhöhtes aggressives LDL [low-density lipoprotein] und erhöhte Tri- glyzeride) ist besonders gefürchtet. Statine sind hier als Me- dikation hervorragend geeignet, die eventuell noch durch das LDL-senkende Ezetimib ergänzt werden sollte, um Muskel- beschwerden bei hoher Statindosis zu vermeiden, sowie durch Fibrate bei erhöhten Triglyzeriden.
Diabetischer Fuss, diabetisches Herz
Weit mehr als in früheren Jahren kann man beim diabetischen Fusssyndrom (DFS) mit guter Pflege länger konservativ the- rapieren – dies hat der bekannte Leipziger Diabetologe Max Bürger schon in den 1930er- und 1940er-Jahren erkannt.
Nach wie vor wird aber viel zu viel amputiert. Mit Minor- amputationen versucht man quasi «scheibchenweise» (Sala- mitechnik) den Verlust an gesundem Gewebe zu vermeiden, wie etwa bei hohen Beinamputationen.
Für die Prognose sehr bedeutsam ist auch das diabetische Herz: Die Diagnose des Typ-2-Diabetes birgt per se ein ähn- lich hohes koronares Risiko wie der Zustand nach Infarkt ohne Diabetes.
Um diabetische Folgekrankheiten zu verhindern beziehungs- weise zu verzögern, ist eine gute Diabeteseinstellung mit regel- mässigen Kontrollen durch den Patienten und seinen Arzt entscheidend. Hier erweisen sich die seinerzeit nicht evidenz- basierten Erfahrungen der beiden Pioniere der Diabetologie, Elliott P. Joslin und Georg Constam, heute noch als richtig.
So hat sich der Wert einer guten Einstellung beim Typ-1-Dia- betes in der DCCT-Studie sowie beim Typ-2-Diabetes in der UKPDS- und in der STENO-2-Studie gezeigt. Die mitunter als Gegenbeispiel zitierten Studien (ACCORD, ADVANCE
FORTBILDUNG
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ARS MEDICI 10 | 2021Einstellung optimieren, Risikofaktoren im Auge haben
Management diabetischer Folgeerkrankungen
Bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes treten vaskuläre Komplikationen in ganz ähnlicher Weise auf. Diese Er- kenntnis hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt. So erkranken beide Patientengruppen an Retino- und Nephropathie, wobei eine lange Diabetesdauer und die Diabeteseinstellung immer eine wichtige Rolle spielen.
Hellmuth Mehnert
� Diabetespatienten mit langer Krankheitsdauer und schlech- ter Einstellung erkranken vor allem an Mikroangiopathien.
� Für die Entwicklung von Makroangiopathien haben die sys- tolische Hypertonie und die Hypertriglyzeridämie bei Diabe- tikern eine grössere Bedeutung als bei Nichtdiabetikern.
� Obwohl sich das diabetische Fusssyndrom heutzutage mit guter Pflege länger konservativ therapieren lässt, wird nach wie vor zu viel amputiert.
� Die Diagnose des Typ-2-Diabetes birgt ein ähnlich hohes ko- ronares Risiko wie der Zustand nach Infarkt ohne Diabetes.
� Um diabetische Folgekrankheiten zu verhindern bzw. zu ver- zögern, ist eine gute Diabeteseinstellung mit regelmässigen Kontrollen durch den Patienten und seinen Arzt entschei- dend.
MERKSÄTZE
und VADT) können diese Ergebnisse nicht entkräften. In der ACCORD-Studie traten vermehrt kardiovaskuläre Todesfälle unter absolut unüblichen, überscharfen Zielwerten (HbA1c
< 6%!) vor allem bei schwer gefässkranken Patienten auf. Der Arzt sollte deshalb immer eine optimierte, patientengerechte Einstellung der Blutzucker- und HbA1c-Werte anstreben.
Denn als Folge von Unterzuckerungen, womöglich kombi- niert mit autonomer Neuropathie, können lebensbedrohliche Blutdruckanstiege oder Rhythmusstörungen auftreten.
Auf die neuere Option der kontinuierlichen Gewebezucker- messung (CGM) sei hier noch ausdrücklich hingewiesen, die vor allem für junge Menschen mit Diabetes einen grossen Fortschritt bedeutet.
Fazit
Der Paradigmenwechsel bei den vaskulären Folgekrankheiten bezieht sich auf wichtige Erkenntnisse aus vielen Jahrzehnten.
Das metabolisch-vaskuläre Syndrom mit Hypertonie, Stamm- fettsucht, Dyslipoproteinämie, Fettleber, Gerinnungsstörun-
gen und gestörter Glukosetoleranz prädisponiert Menschen mit Typ-2-Diabetes schon früh für Folgeschäden. Es verwun- dert deshalb nicht, dass aufgrund dieser Komplikationen schon bei der Diagnose schwerwiegende Gefässerkrankungen vor allem im Sinne der Makroangiopathie vorliegen. Die mul- timodale Behandlung all dieser Risikofaktoren ist nach den Ergebnissen der so wichtigen STENO-2-Studie das Gebot der Stunde bei Typ-2-Diabetes. Beim Typ-1-Diabetes sollte der Arzt vor allem die schädliche Langzeitwirkung eines erhöhten Blutzuckers bedenken, die zu Gefässkomplikationen und Nervenstörungen (diabetische Neuropathie) führt. Extrem häufig sind hier Herzinfarkte bei gleichzeitig vorliegender diabetischer Nierenerkrankung.
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert Forschergruppe Diabetes e.V.
D-82152 Krailling
Interessenlage: Der Autor hat keine Interessenkonflikte deklariert.
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