Imperativer Harndrang, ge- steigerte Miktionsfrequenz und Schmerzen – bei dieser Sym- ptomtrias muss an eine inter- stitielle Zystitis gedacht wer- den, die mit einem erhebli- chen Leidensdruck der Pati- enten einhergeht. Die chroni- sche Entzündung betrifft alle Schichten der Harnblasen- wand. Sie verläuft unbehan- delt nach Aussage von Prof.
Karl Heinz Kurth (Urologi- sche Universitätsklinik Am- sterdam) klinisch progredient bis hin zu einer kleinkapa- zitären Schrumpfblase.
Unbekannt sei die Pathoge- nese der Erkrankung. Als Ur- sache vermutet werde eine Schädigung der Blasenwand- schutzschicht, die aus Glykos- aminoglykanen (GAG-Schicht) gebildet werde. Kommt es zu Veränderungen in dieser Schutzschicht, sind Permeabi- litätsstörungen die Folge, die ihrerseits einen verstärkten Kaliumeinstrom und einen Zusammenbruch des Gegen- stromprinzips nach sich zie- hen, schreibt Kurth in sei- nem neuen Buch „Interstitiel- le Zystitis“. Der erhöhte Kali- umeinstrom löse – ebenso wie eine gefüllte Blase – Detru- sorkontraktionen aus, was den für die interstitielle Zy- stitis typischen imperativen Harndrang erkläre.
Die Entzündung äußert sich als Petechien und Hämorrhagien Da die physiologische Schutz- funktion gestört wird, können schädigende Substanzen aus dem Urin bis in tiefer gelege- ne Schichten der Blasenwand eindringen. Als Folge kommt es zur Entzündung und mikro- biellen Adhäsion. Die Blasen- wandschädigung stelle sich in Form von Petechien und Hä- morrhagien und im späteren Stadium auch von Ulzeratio- nen dar.
Bei der interstitiellen Zy- stitis komme der GAG- Schicht zentrale Bedeutung zu. Im intakten Zustand wer- de die Schutzschicht aus Gly- kosaminoglykanen (vor allem Chondroitinsulfat) sowie aus Heparin und Hyaluronsäure gebildet. Bei den Patienten – in 90 Prozent der Fälle han- delt es sich um Frauen – ist nach Aussage von Kurth aber eine erniedrigte oder fehlen- de Bildung von Glykosami- noglykanen nachweisbar.
Eine neue protektive Schleimschicht aufbauen Als mögliche Ursachen der Erkrankung, die auch als
„GAG-Layer-Deficiency-Syn- drom“ bezeichnet wird, gelten rezidivierende Infekte, Ra- diatio, relative Ischämie, toxi- sche Substanzen, Nebenwir- kungen von Medikamenten (Antibiotika), aber auch neu- rogene Schädigungen und Au- toimmunprozesse.
Die neuen pathogeneti- schen Erkenntnisse böten viel versprechende therapeutische Ansatzpunkte. Inzwischen wer- den nach Darstellung von Kurth vier Substanzen intrave- sikal angewendet: Chondroit- insulfat, Pentosanpolysulfat, Hyaluronsäure und Heparin.
Vor allem die intravesikuläre Instillationsbehandlung mit dem GAG-Hauptbestandteil Chondroitinsulfat (Uropol-S, Pohl Boskamp) zeige „ermuti- gende Ergebnisse“ sowohl bei der interstitiellen Zystitis als auch bei anderen abakteriellen benignen Zystitisformen.
„Der vorübergehende Er- satz der GAG-Schicht, zum Beispiel mit Chondroitinsul- fat, verschafft dem Urothel günstigere Bedingungen, sich zu regenerieren und eine neue schützende Schleim- schicht aufzubauen“, schreibt Kurtz. Christine Vetter V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 4215. Oktober 2004 AA2835
Interstitielle Zystitis
Die Schichten der Harn- blasenwand aufbauen
Unternehmen