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Archiv "Darmkrebs trotz Screeningangebot" (20.03.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 12⏐⏐20. März 2009 193

M E D I Z I N

D

er gesetzlich krankenversicherten Bevölkerung steht in Deutschland ein im internationalen Ver- gleich sehr umfassendes Darmkrebs-Früherkennungs- programm zur Verfügung. Folgende Maßnahmen sind inbegriffen:

>ärztliche Beratung hinsichtlich bestehender Prä- ventionsmöglichkeiten zur Vermeidung von Darm- krebs (2,8 Mio. Beratungen im Jahr 2007)

>Test auf verborgenes Blut im Stuhl (FOBT), jähr- lich für Personen ab dem 51. Lebensjahr und zwei- jährlich ab dem 56. Lebensjahr (circa 4,5 Mio. Un- tersuchungen im Jahr 2007)

>alternativ zum FOBT: Früherkennungs-Kolosko- pie ab dem 56. Lebensjahr mit frühester Wiederho- lung nach zehn Jahren (circa 3,2 Mio. Menschen seit Einführung im Jahr 2002).

Der versicherte Personenkreis, der aus epidemiologi- scher Sicht die Hauptzielgruppe des Screenings auf Darmkrebs bildet, befindet sich im Alter zwischen 55 und 74 Jahren und umfasst circa 16,8 Mio. gesetzlich Versicherte.

Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit von Schopp- meyer und Koautoren bedeutsam, weil sie sich einge- hend mit 212 Patienten aus vier akademischen Lehr- krankenhäusern und einer Universitätsklinik der Region Leipzig befasst, bei denen im Zeitraum von November 2004 bis Dezember 2005 ein Darmkrebs aufgetreten ist.

In mühsamer Detailarbeit analysieren die Autoren rückblickend nach Diagnosestellung der Krebserkran- kung in Interviews mit den Patienten und ihren Hausärzten die Screeninganamnese der Betroffenen über die letzten zehn Jahre.

Vom methodischen Ansatz her handelt es sich um ei- ne Fallserie, die mit retrospektiv erhobenen Interview- daten vor dem Problem eines „recall-bias“ stehen dürf- te. Denn die nachträgliche Rekonstruktion von vorge- nommenen oder unterlassenen Untersuchungsmaßnah- men bei eingetretener bösartiger Erkrankung kann bei den Betroffenen oder den sie behandelnden Hausärzten einen selektiven Einfluss auf subjektive Erinnerungs- leistungen (zum Beispiel der Screeninganamnese) oder auf Zuschreibungsprozesse („who is to blame?“) aus- üben.

In der Leipziger Fallaufarbeitung werden im Grund- satz drei Fallgruppen untersucht:

>Patienten mit kolorektalen Karzinomen, die sich nie an Früherkennungsmaßnahmen beteiligt haben.

Diese Gruppe umfasst 105 der 212 Patienten. Mehr

als 66 % kannten das Angebot einer kostenfreien Früherkennungsuntersuchung angeblich nicht. Die anderen hielten sich hierfür noch zu jung (14 %), oder nutzten diese Untersuchungsmöglichkeiten aus Angst vor den Untersuchungen oder der Ent- deckung bösartiger Erkrankungen (11 %) bezie- hungsweise aus eigener Nachlässigkeit (9 %) nicht.

Insofern charakterisiert der im Titel verwendete Begriff der „Vorsorgemuffel“ nur eine sehr kleine Patientengruppe (n = 9), deren Zurückhaltung ge- genüber den präventiven Angeboten weder durch Wissensdefizite noch durch psychologische Barrie- ren erklärt werden kann. Da wir wissen, dass für die (regelmäßige) Nachfrage nach FOBT geschlechts- spezifische Faktoren eine wichtige Rolle spielen, hätte man sich als Leser an dieser Stelle mehr In- formationen zur sozialen Zusammensetzung dieser Patientengruppe gewünscht (1).

>Patienten mit kolorektalen Karzinomen und mindes- tens einmaliger Teilnahme an FOBT innerhalb von zehn Jahren vor Diagnosestellung. Zu dieser Patientengruppe zählten 100 Karzinompatienten.

Die Tatsache, dass bei 93 dieser Patienten alle Ok- kultbluttests stets negativ ausgegangen sein sollen, ist vor dem Hintergrund der mit circa 40 bis 50 % eingeschränkten Sensitivität im Hinblick auf Kar- zinome und einer Sensitivität von 15 bis 25 % hinsichtlich von „advanced adenomas“ des in Deutschland zur Früherkennung bevorzugten Gu- aiac-basierten Tests nicht überraschend. Hierauf basierend sind Forderungen plausibel, künftig auch immunologische Testverfahren im Screening zu er- proben, die hinsichtlich ihrer Testeigenschaften dem Guaiac-basierten FOBT überlegen zu sein scheinen (2), allerdings auch kostspieliger sind.

>Patienten mit einer früher bereits vorgenommenen Koloskopie innerhalb von zehn Jahren (!) vor Dia- gnosestellung. Diese Gruppe umfasst lediglich 25 der 212 Personen. In vier Fällen ging ein positiver FOBT voraus, sodass es sich streng genommen nicht um eine sogenannte Vorsorgekoloskopie, sondern vielmehr um eine Abklärungsuntersu- chung handelte. Sieben koloskopierte Patienten hatten nie an einem FOBT teilgenommen. Bei mehr als der Hälfte der koloskopierten Patienten (n = 13) wurde eine Polypektomie vorgenommen.

Fünf der 13 Patienten folgten allerdings nicht der Empfehlung zur Wiedervorstellung innerhalb eines EDITORIAL

Darmkrebs trotz Screeningangebot

Schlechte Erfahrungen aus Leipzig Lutz Altenhofen

Editorial zum Beitrag:

„Vorsorgemuffel oder Screening- versager?“

von Schoppmeyer, Spieker und Mössner auf den folgenden Seiten

Zentralinstitut für die kassenärztliche

Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Projektbüro Disease- Management- Programme, Köln:

Dr. rer. soc.

Altenhofen

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194 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 12⏐⏐20. März 2009

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bestimmten Zeitintervalls. Das Auftreten soge- nannter Intervallkarzinome trotz Koloskopie kann mit biologischen (zum Beispiel rasches Tumor- wachstum bei Mikrosatelliteninstabilität), lokalisa- tionsbedingten (proximaler Kolonabschnitt) und untersuchungstechnischen Faktoren (Geräteaus- stattung, mangelnde Erfahrung der Untersucher) sowie mit ungenügender Darmreinigung oder mit Mängeln bei der Polypektomie erklärt werden (3).

Welche der Faktoren im Einzelnen vorlagen, bleibt in der Leipziger Fallgruppensammlung der Speku- lation überlassen.

Festzuhalten ist, dass nur etwa jeder zweite von Darmkrebs Betroffene in den letzten zehn Jahren über- haupt eine Form der Früherkennung von Darmkrebs ge- nutzt hat. Oft scheiterte dies bereits an der Unkenntnis des präventiven Angebots. Somit haben die in den letz- ten Jahren mit dem großartigen Engagement verschie- dener Stiftungen (unter anderem Felix-BURDA-Stif- tung, Lebensblicke) und gemeinnütziger Vereine (zum Beispiel Deutsche Krebshilfe) massenmedial unter- stützten Aufklärungsbotschaften über die Früherken- nungsmöglichkeiten von Darmkrebs zumindest diese Leipziger Patienten nicht rechtzeitig erreicht.

Insgesamt widerspricht diese Erhebung jedoch nicht der Botschaft, dass kolorektale Karzinome frühzeitig entdeckt und die Sterblichkeit an Darmkrebs durch Früherkennungsmaßnahmen stärker als bei vielen ande- ren Krebsarten gesenkt werden kann. Die standardisier- ten Sterberaten zum Kolon- und Rektumkarzinom sind in Deutschland bei Männern und Frauen innerhalb der letzten zehn Jahre erheblich gesenkt worden (Statisti- sches Bundesamt 2009), beim Kolonkarzinom sogar um über 25 %. Dies ist sicher nicht allein, aber auch ein Er- folg der Bemühungen um eine Früherkennung dieser Erkrankung.

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

LITERATUR

1. Sieverding M, Matterne U, Ciccarello L: Gender differences in FOBT use: evidence from a large german survey. Z Gastroenterologie 2008;

46: 47–51.

2. Van Rossum LG, van Rijn AF: Random comparison of guaiac and immunochemical fecal occult blood tests for colorectal cancer in a screening population. Gastroenterology 2008; 135: 82–90.

3. Bechtler M, Eickhoff A, Riemann JF: Das Intervallkarzinom und mögli- che Ursachen. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 2458–62.

4. Statistisches Bundesamt 2009 (www.gbe-bund.de; letzter Zugriff am 1.3.2009).

5. Schoppmeyer K, Spieker H, Mössner J: Failure of screening or failure to screen? The screening behavior of patients with colorectal cancer in the Leipzig area. [Vorsorgemuffel oder Screeningversager? Vorsor- geverhalten von Patienten mit kolorektalem Karzinom in der Region Leipzig]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(12): 195–201.

Anschrift des Verfassers Dr. rer. soc. Lutz Altenhofen

Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland

Projektbüro Disease-Management-Programme Sedanstraße 10–16

50668 Köln

E-Mail: LAltenhofen@KBV.de

IInntteessttiinnaall CCaanncceerr DDeessppiittee SSccrreeeenniinngg——NNeeggaattiivvee EExxppeerriieennccee FFrroomm LLeeiippzziigg

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(12): 193–4 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0193

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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