Arzneimittel-Urteil
„Off-label-use“
eingeschränkt
Kassen dürfen Arzneien nur noch in zugelassenen Indikationen erstatten.
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as Bundessozialgericht (BSG) hat die Verord- nung von Medikamenten außerhalb ihrer arzneimittel- rechtlichen Zulassung be- schränkt. Nach einem Grund- satzurteil dürfen die gesetzli- chen Krankenkassen die Arz- neimittel in solchen Fällen nicht mehr bezahlen. Ohne eine solche Begrenzung stün- den die Zulassungsvorschrif- ten und damit auch derSchutz der Patienten nur noch auf dem Papier, hieß es zur Begründung. Allerdings ließen die Richter Ausnah- men zu, wenn es bei lebensbe- drohenden Krankheiten kei- ne Behandlungsalternative gibt. (Az.: B 1 KR 37/00 R)
Häufig sparten sich die Hersteller weitere Zulassun- gen, weil sie hofften, dass ein Medikament auch so in ver- schiedenen Bereichen ange- wendet werde, kritisierten die Richter. Damit werde das Zu- lassungsverfahren seiner Auf- gabe nicht mehr gerecht. Das Risiko solcher Off-label-An- wendungen liege allein bei den Ärzten und Patienten.
Bewährte Off-label-Behand- lungen will das BSG Patien- ten aber nicht vorenthalten, wenn es bei schweren Erkran- kungen keine Alternative gibt. Voraussetzung sei aber, dass sich nach den bisherigen Untersuchungen ein „klinisch relevanter Nutzen bei vertret- barem Risiko“ abzeichne.
Studien zufolge bezieht sich jede vierte Verordnung auf Anwendungsbereiche, für die das Medikament nicht zu- gelassen ist. Dies gilt vor al- lem für die Kinderheilkunde, weil viele Medikamente nur an Erwachsenen getestet wurden. Betroffen sind aber auch Krebs, Nerven- und Hautkrankheiten.
Ä
rzte des Medi-Verbundes haben eigene Disease-Man- agement-Programme zur Be- handlung von Diabetes melli- tus, koronarer Herzerkran- kung, Asthma und Brustkrebs ausgearbeitet. Die Konzepte sollen nun den Kassenärztli- chen Vereinigungen, den Be- rufsverbänden und den Kran- kenkassen zur Verfügung ge- stellt werden. Das gab der Me- di-Verbund Mitte März in Stuttgart bekannt. „Bisher wurden Vorschläge zu Dis-ease-Management-Program- men nur von den Kran- kenkassen veröffentlicht. Mit unseren eigenen Konzepten wollen wir zeigen: Gerade von praktizierenden Ärzten gibt es dazu konkrete und durchdachte Vorschläge“, sag- te Dr. med. Werner Baum- gärtner, Gründer und Vor- standsmitglied des Ärzte- verbundes. Baumgärtner ist gleichzeitig Mitglied des Vor- standes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
ZI-Studie
Ärzte beuten sich selbst aus
Niedergelassene Ärzte verdienen oft schlecht.
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iedergelassene Ärzte in Deutschland beuten sich zuneh- mend selbst aus. Ein Drittel von ihnen erzielt kein ange- messenes Nettoeinkommen aus der vertragsärztlichen Tätig- keit. 30 Prozent der Allgemeinärzte haben im Durchschnitt rund 1 600 Euro im Monat zur privaten Verfügung. Das sagte Dr. med Manfred Richter-Reichhelm, Vorsitzender der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, bei der Vorstellung einer Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) zur Einnahmestruktur der Vertragsarztpraxen (ausführ- licher Bericht in einer der nächsten Ausgaben).Zwischen 1 718 und 3 393 DM lag nach ZI-Angaben 1999 das Einkommen eines Arztes mit einer kleineren Praxis in Ostdeutschland. Im Westen verdiente man zwischen 2 041 und 4 075 DM. Praxen des mittleren Drittels erzielten Ein- kommen zwischen 4 003 und 6 418 DM. Spitzenverdiener ka- men auf Einnahmen zwischen 7 047 und 11 383 DM im Mo- nat. „Mit bis zu 3 000 Arbeitsstunden im Jahr beuten sich vie- le Ärzte selbst aus, quer durch alle Facharztgruppen“, sagte Richter-Reichhelm. Immer mehr Medizinstudenten wander- ten in andere Berufe ab. Als niedergelassene Ärzte sähen sie kein angemessenes wirtschaftliches Auskommen mehr. „Wir fordern die Politik auf, durch verbesserte Rahmenbedingun- gen im Interesse der Patienten die drohende Krise des Arzt- berufes abzuwenden“, so der KBV-Vorsitzende.
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rzte und Politiker rufen zu regelmäßigen Früher- kennungsuntersuchungen für Darmkrebs auf. Nur 40 Pro- zent der infrage kommenden Frauen und 20 Prozent der Männer nehmen an Präven-tionsmaßnahmen teil. „Jahr für Jahr erkranken in Deutsch- land Zehntausende an Darm- krebs“, warnte Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt auf einer Informationsver- anstaltung in Berlin. Rund 30 000 Menschen ster- ben jährlich daran.
Schmidt unterstützt als Schirmherrin zusammen mit anderen Organisa- tionen, darunter die Kas- senärztliche Bundesver- einigung (KBV), eine Früherkennungsinitiative der Felix Burda Stiftung (siehe DÄ, Heft 11/2002).
Gemeinsam mit dem KBV-Vorsitzenden Dr.
med. Manfred Richter- Reichhelm wies Schmidt darauf hin, dass Patien- ten, die älter als 50 Jah- re sind, ab dem 1. Juli 2002 einmal jährlich ihren Stuhl auf okkultes Blut testen las- sen können. Darauf habe sich der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen verständigt.
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A816 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 13½½½½29. März 2002
Disease Management
Medi-Verbund legt vor
Programme für vier Krankheiten ausgearbeitet
Ärzte, Politiker und Prominente warnen vor Darmkrebs.
Kinder erhalten häufig Medikamen- te, die nur an Erwachsenen getestet wurden. Foto: Peter Wirtz