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Archiv "Neue Influenza: Verschleuderte Millionen" (21.12.2009)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 51–52

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21. Dezember 2009 A 2559

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

NEUE INFLUENZA

Zu dem Seite-eins- Beitrag und den Be- richten über die Impfung (DÄ 44/

2009: „Vertrauens- krise“ von Vera Zyl- ka-Menhorn und DÄ 46/2009: „Es wird Impfstoff fehlen“ von Nicola Siegmund-Schultze und „Wenig Honorar, aber wohl genug Impfärzte“

von Sabine Rieser).

Eine der wirksamsten Waffen der Medizin

In Deutschland haben Impfgegner aller Richtungen offenbar wieder Auftrieb: Dies zeigen die Reaktio- nen (auch in Leserbriefen an das DÄ) auf den zu Recht mit dem No- belpreis für Harald zur Hausen aus- gezeichneten ersten Impfstoff gegen eine Form von Krebs, bereits ein Traum von Paul Ehrlich, dem Vater der exakten Immunologie. Und jetzt die Impfung gegen das neue pande- mische Influenzavirus: Zur allge- meinen Verunsicherung trägt hier leider auch der Aufruf der Arznei- mittelkommission im DÄ bei (Heft 43/2009). Hätte man zur Kontrolle nicht wenigstens auch nach der

„normalen“ Impfung gegen die sai- sonale Grippe fragen können? Ken- nen die Experten denn nicht das Problem des „Reporting Bias“, der Häufung relevanter wie nicht rele- vanter Meldungen nach öffentlicher Diskussion und erst recht nach ei- nem solchen Aufruf zur Meldung anhand einer detaillierten Liste wirklicher, möglicher und scheinbar möglicher Reaktionen auf die neue Impfung, von Krampfanfällen bis zur MS? Denn das ist ja die häufigs- te Form einer Demyelinisierung, und hier empfiehlt die Deutsche MS-Gesellschaft im Gegenteil zu

Recht die Impfung. Bei der Nutzen- Risiko-Abwägung wird in der Dis- kussion zumeist nur der Eigennutz des Geimpften gewertet; aber diese soll ja nicht nur den Einzelnen vor bisher noch mäßigen Risiken schüt- zen, sondern vor allem auch mög- lichst die Ausbreitung auf Hochrisi- kogruppen unterbinden (z. B. Pa- tienten mit Atemwegserkrankungen, Schwangere, Kinder) und nicht zu- letzt ebenso eine Selektion gefährli- cherer Varianten, die weitere, schlimmere Wellen der Pandemie auslösen könnten. Was, wenn sich die tödliche Wirkung des Vogelin- fluenzavirus mit der Verbreitungsfä- higkeit des Schweineinfluenzavirus verbindet? Wenn dies einmal ver- hindert werden kann, auch nach mehreren vergeblichen oder im Rückblick überflüssigen Versuchen, haben wir dann als Mediziner nicht ungeheuer viel erreicht? Wir Ärzte sollten Impfungen als eine der wirk- samsten Waffen der Medizin vertei- digen, oder vergessen wir bereits Pocken, Hämophilus und Polio?

Dr. med. Reinhard Horowski, Axxonis Pharma AG, Schöneberger Straße 15, 10963 Berlin Prof. Dr. med. Herbert Hof, Labor Limbach, Im Breitspiel 15, 69126 Heidelberg

Verschleuderte Millionen

Ungläubig hörte ich vor Monaten, nicht die Ärzteschaft, sondern die Politik und das öffentliche Gesund- heitswesen würden dieses Mal den Umgang mit der Impfung gegen den H1N1-Virus organisieren. Das konnte nur ein schlechter Scherz sein, hatte ich von meinem zuständi- gen Kreisgesundheitsamt doch seit mehr als 20 Jahren nie etwas gehört (wohl, dass es ein solches gäbe). Es kam, wie es bei Planwirtschaft kom- men musste: Ständig neue, zum Teil widersprüchliche bürokratische Vor-

gaben, und Millionen Impfstoffe so- wie Steuermillionen werden wohl größtenteils in die Tonne geschmis- sen. Nicht überraschend sollen in letzter Sekunde nun doch wir Kas- senärzte wieder vor Ort retten: für unverschämte fünf Euro pro Imp- fung und unter den bürokratischsten, das heißt hinderlichsten Vorgaben.

Was, wenn wirklich mal eine sehr ernste Pandemie droht? Dann doch bitte das Management – wie bei den anderen Impfungen auch – direkt den Ärzten überlassen! Die jetzt verschleuderten Millionen könnten für eine faire Bezahlung verwendet werden.

Ralph Thiel, Frankenforster Straße 21, 51427 Bergisch Gladbach

Unglückliche Diskussion

Trotz grandioser Erfolge der großen Impfprogramme ist die initiale Ak- zeptanz bei H1N1 enttäuschend.

Nach erstem Bangen um rechtzei - tige Impfstoffentwicklung wirkt es ein bisschen wie Übermut.

Unabhängig von der Effizienz der jetzigen Aktion droht jedoch ein riesiger Schaden durch die breitge- tretene Nebenwirkungsdiskussion:

Das Prinzip der Impfung gerät in Misskredit, Öl ins Feuer aller Impf- gegner und eine potenzielle Kata- strophe aus pädiatrischer Sicht.

Ursächlich müssen widersprüchli- che Expertenaussagen beklagt wer- den. Statt Unisono-Empfehlungen über das Bundesgesundheitsamt/

Robert-Koch-Institut preschen un- terschiedliche Meinungsbildner vor und schüren damit Verunsicherung.

Natürlich nutzen die Medien ihre garantierte Freiheit, sie schlachten Einzelheiten umgehend aus und streuen Diskussionen über Impf- stoffzusammensetzungen und Adju- vantien in Laienkreise. Könnten

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Z B r I 2 k k 46/2009: Es wird Im

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21. Dezember 2009 nicht manchmal Einschränkungen

akzeptiert werden ähnlich wie in der Forensik im Sinne eines überge- ordneten Nutzens?!

Ergänzend sei noch eine kleine An- merkung zur Nomenklatur erlaubt:

Während die Bezeichnung

„Schweinegrippe“ volksnah und griffig klingt, dürfte „Neue Grippe“

bald überholt sein, wenn nach dem nächsten Antigenshift eine „Neue Neue Grippe“ auftaucht. Warum spricht in folgerichtiger Analogie zur „Aviären-Influenza“ niemand von „Porciner-Influenza“, mindes- tens in Fachkreisen oder wissen- schaftlichen Abhandlungen?

Dr. med. Manfred Doerck,

Robert-Kirchhoff-Straße 43, 97076 Würzburg

Australien im Glück

Durch den aggressiven und den sai- sonalen Grippevirus verdrängenden H1N1-Virus wurden in Australien im Laufe der jetzt abgeschlossenen Grippesaison 1 900 Menschenleben gerettet. Die saisonale Grippeinfek- tion hätte bei 20 Millionen Einwoh- nern hochgerechnet 2 500 Leben gefordert. Tatsächlich starben aber nur 600 Menschen. Dieses verdan- ken wir dem netten Virus H1N1, der auch im Tierversuch bei einer Doppelinfektion mit beiden Viren als Sieger am Ende die Oberhand behält . . .

Vielleicht hat auch deshalb die AOK Rheinland-Pfalz versucht, die Ärzte vom Impfen gegen den guten Virus abzuhalten, indem sie einen Regress von neun Euro pro nicht geimpfte Dosis androhte, bei wohl- gemerkt sechs Euro Honorar und dies ohne Chipkarte, da sich ja sonst wiederum das RLV erhöhen könnte. Die AOK will ja nicht die- sem schützenden Virus im Weg ste- hen. Wer dennoch Angst vor einer Infektion mit dem Schweinegrippe- virus hat, kann sich ja impfen las- sen, wenn er sich nicht gerade mit dem Schweinegrippeimpfangstvirus angesteckt hat. Sadistischen Journa- listen macht es ja derzeit Spaß, die Bevölkerung von rechts: Angst vor Infektion, nach links: Angst vor der Impfung zu treiben.

Also freuen wir uns, dass er da ist, der gute Virus, und heißen ihn will-

kommen in unseren Reihen. Die Journalisten haben etwas zu schrei- ben, die Stammtischler was zu bere- den, wir Ärzte werden von unserer eigentlichen Arbeit abgehalten, und politische Aktivitäten können wir uns so oder so zeitlich nicht leisten.

Dr. Cornel Certain, Zähringerplatz 7, 78464 Konstanz

Schnäppchenjagd

. . . Wer bekommt die Deutungsho- heit über die Schweinegrippe? Die Fronten sind verwirrend, Sieger sind nicht auszumachen – abgese- hen von den Herstellern der Impf- dosen. Sie haben ihr Geschäft ge- macht – gemäß ihrer raison d’être.

Ansonsten tummeln sich alle übli- chen Verdächtigen auf dem Schlachtfeld der Meinungen: Die prinzipiellen Impfgegner, die Sen- sationspresse, die Apotheken-Rund- schau, die Fach- und Hausärzte und die vielen Individuen, die sich inter- aktiv (Leserbrief, Magazin-Sendun- gen) äußern. Gemeinsam ist ihnen allen: Sie wissen meist nicht, wo- von sie reden. Bestenfalls beteiligen sie sich am Verwechseln von Birnen und Äpfeln, von Statistik und Ein- zelfall, von relativem Risiko und Hochrechnen inkommensurabler Daten . . . Der Wanderer auf der mühsamen Strecke evidenzbasierter Medizin schwitzt unter der gleißen- den Sonne eminenzbasierter Exper- tisen. Allerorten vage Daten, die in den Niederungen praktizierter Me- dizin nicht verifizierbar sind.

Wer bleibt auf der Strecke? Hof- fentlich wenige Impfgeschädigte, die den Preis einer präsumptiven – noch immer nicht evidenten – Volksfürsorge zahlen müssen. Fair- ness gebietet es, auch an die zu den- ken, die wegen der allgemeinen Wirren nicht geimpft sind und in- fektionsbedingt Schaden nehmen könnten.

Ganz sicher aber wird sich die Poli- tik die Augen reiben müssen: Sie hat die bewährten „Innungen“ der Ärzteschaft außen vor gelassen. De- ren Erfahrung in Organisation und Verwaltung der deutschen Ärzte- schaft, ihre Qualitätssicherung und den großen Pool ihrer Experten hat sie nicht genutzt, um sich sachge-

recht beraten zu lassen. Politiker haben gehandelt, um ihre Hand- lungsfähigkeit unter Beweis zu stel- len. Heraus kam das Chaos, unter dem wir leiden, auch wenn derzeit eine Art „Schnäppchenjagd“ auf verknappte Impfdosen als Erfolg gewertet wird.

Wir Ärzte sollten diese Lektion nicht vergessen. Hier zeigt sich, was unter dem Abstraktum „Staats- medizin“ höchst konkret werden könnte: Weisungsgebundene Ärzte unter dem Imperativ von Politikern, denen man im – besten Falle – Un- kenntnis vorwerfen kann, wenn nicht eine investigative Presse gar Schlimmeres zutage befördert.

Dr. Hans-Georg Fritz, Senftenberger Ring 5 a, 13439 Berlin

DEKUBITUS

Pflegewissenschaft- ler empfehlen Ma - tratzen mit automa- tischem Druckaus- gleich (DÄ 44/2009:

„Studie: Dekubitus in Kliniken häufiger als in Heimen“).

Fragwürdig

Ihr aufgeführter Artikel erscheint mir sehr fragwürdig. Mit wenig aus- sagekräftigen Zahlen werden hier bereits Konsequenzen gezogen. Hier bleibt die Frage offen: Sind die Pa- tienten im Krankenhaus – deshalb sind sie ja dort – nicht viel kränker und daher dekubitusanfälliger? Wird dar aus dann die gesamte Konse- quenz für ein Pflegesystem gezogen, bleibt zu fragen, ob die Untersuchung industriell gesponsert wurde. Es er- scheint mir außerdem, dass die Zahl der Dekubituspatienten insgesamt viel zu hoch ist, begründet durch die Tatsache, dass durch einen Mangel an Pflegekräften infolge Überlas- tung und schlechter Bezahlung zu wenig tatsächlich gepflegt wird und werden kann. Da erscheinen solche Vergleiche doch fehl am Platze, zu- mal die „Werbung“ für ein Pflege- system die Pflege an sich nicht er- setzt, geschweige denn verbessert.

Dr. Bernhard Müller, Ludwig-Prager-Straße 48, 83059 Kolbermoor

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Referenzen

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