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Archiv "Arzneiverordnungs-Report '90: Die Bremsspuren werden immer deutlicher sichtbar" (27.09.1990)

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I

m vergangenen Jahr wurde der geringste Kostenanstieg in den letzten zehn Jahren seit Beginn des „GKV-Arzneimittelindex"

festgestellt, für dessen statistische Auswertung das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen, (WIdO), Bonn—Bad Godesberg, ver- antwortlich zeichnet. An der Bewer- tung des von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen in- itiierten und getragenen Forschungs- projektes „GKV-Arzneimittelindex"

wirkten auch Repräsentanten der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft, der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesvereinigung Deutscher Apo- thekerverbände (ABDA)/Deutscher Apothekerverein und Vertreter der medizinischen Wissenschaft sowie der Pharmakologie mit.

Im GKV-Arzneimittelindex sind die Daten zu den führenden 2000 Medikamenten zusammengetragen und ausgewertet worden. Ebenfalls wurden pharmakologisch-therapeu- tische Kommentare zu 40 wichtigen Indikationsgebieten herangezogen.

Nicht erfaßt sind die vom Patienten in der Apotheke gekauften, aber nicht vom Arzt zu Lasten der gesetz- lichen Krankenversicherung (GKV) verordneten Präparate („Selbstme- dikation"). Nicht untersucht wurden auch die in Krankenhäusern abgege- benen Arzneien. Deshalb enthält der

GKV-Arzneiverordnungsreport kei- ne absoluten Meßzahlen über den tatsächlichen Verbrauch an Medika- menten.

Als positiv und der in den ver- gangenen Jahren ungebrochenen

„Mengenkonjunktur" bei den Arz- neimittelverordnungen registrierte Report '90: Das Verordnungsvolu- men nach definierten Tagesdosen (DDD) verminderte sich deutlich um 750 Millionen DDD ( — 3,7 Pro- zent) auf jetzt 20,2 Milliarden Tages- dosen. Bezogen auf die Zahl von 54,7 Millionen Krankenversicherten sind damit je Kopf durchschnittlich 369 Tagesdosen verordnet worden.

Der Marktanteil der Generika (Zweitanmelderpräparate) beträgt bereits 16,3 Prozent, gemessen am Umsatz, und sogar 21,9 Prozent, ge- messen an der Zahl der Verordnun- gen. Dort, wo überhaupt Generika verordnet werden können, geschieht dies bereits in jedem zweiten Fall.

Kombi-Pillen

Kritisch merken die Autoren des Reports (mehr als 20 Wissenschaft- ler und Verbandsexperten wirkten daran mit) an, daß noch immer in

„großem Umfang nicht zwecksmäßi- ge Kombinationsarzneimittel sowie zweifelhaft wirksame Präparate" ver- ordnet werden. 1989 entfielen dem

Report zufolge rund 30 Prozent der Verordnungen mit Kosten von min- destens 5,3 Milliarden DM (1988: 5,5 Milliarden DM) auf Präparate mit

„unsicherer oder umstrittener thera- peutischer Wirksamkeit" (wie wohl diese Apostrophierung und Rubri- zierung von Arzneimitteln keine Sprachregelung der Gesetze, der of- fiziellen Kommentare, der Wissen- schaft und der Ärzteschaft ist).

Als positiv wertet der Report da- gegen, daß die Verordnung der ge- nannten Arzneimittel-Gruppen 1989 überdurchschnittlich zurückgegan- gen ist. Mehr als die Hälfte der gesamten verordneten Arzneimittel entfällt wie bisher auf die über sech- zigjährigen Patienten, obwohl diese Population nur rund ein Fünftel der Bevölkerung ausmacht.

Versicherte mit einem Lebensal- ter von mehr als 70 Jahren erhalten im Durchschnitt über drei verschie- dene Medikamente in Dauerthera- pie. An Versicherte dieser Alters- gruppe werden so viele Psychophar- maka, Hypnotika und Sedativa ver- ordnet, daß jeder fünfte von ihnen damit dauerhaft therapiert werden könnte(! ).

Kassenärzte ziehen mit

Als ein „wichtiger Beitrag zur Kostendämpfung" wurde die Reduk- tion des Rezeptvolumens mit Ein- sparungen um 730 Millionen DM ge- wertet. Dieser Posten hatte im Vor- jahr noch zusätzliche Kosten/GKV- Ausgaben in Höhe von 840 Millionen DM verursacht. Bemerkenswert gin- gen die Verordnungen im Festbe- tragsmarkt ( — 5,5 Prozent) noch stärker zurück als auf dem Gesamt- markt ( + 3,5 Prozent). Der geringe Arzneimittelverbrauch verteilt sich allerdings nicht gleichmäßig auf alle Indikationsgruppen, sondern ganz bestimmte Schwerpunkte. Besonders starke Einschnitte wurden bei den Aldosteronantagonisten, Venenmit- teln, durchblutungsfördernden Mit- teln, Herzmitteln, Rheumasalben

und Psychopharmaka festgestellt.

Widerlegt wurde auch die Behaup- tung, die Ärzte würden schon Kin- dern in größerem Umfang Psycho- pharmaka verordnen. Im statisti-

Arzneiverordnungs-Report '90:

Die Bremsspuren werden immer deutlicher sichtbar

Der Arzneimittelmarkt im Jahr 1989/90 ist von einer bemerkens- werten Trendwende gekennzeichnet: Erstmals seit fünf Jahren ging die Zahl der kassenärztlichen Arzneiverordnungen wie- der deutlich - und zwar um 3,5 Prozent - zurück. Damit ist wie- der der Stand von 1987 erreicht worden. Der damit verbunde- ne Gesamtumsatz erhöhte sich allerdings geringfügig um 92 Millionen DM auf 20,7 Milliarden DM. In den Jahren davor war ein Ausgabenanstieg bei den Krankenkassen zwischen 700 Millionen DM und 1,6 Milliarden DM jährlich die Regel.

Dt. Ärztebi. 87, Heft 39, 27. September 1990 (21) A-2869

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schen Durchschnitt wird aber weni- ger als eine Tagesdosis im Jahr an Kinder verordnet.

Besonders hohe Steigerungsra- ten entfielen auf Sexualhormone ( + 31,6 Prozent), Asthmamittel ( + 13,9 Prozent), Antiallergika + 13,7 Prozent) und lipidsenkende Mittel ( + 13,4 Prozent). Kommen- tar von Prof. Dr. med. Ulrich Schwa- be, Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg: „In allen Fällen sind die Verordnungszunah- men therapeutisch gut begründet, weil wichtige neue Arzneistoffe oder neue Therapiekonzepte eingeführt wurden."

Verändertes

Verorcinungs-Profil

Stark verändert hat sich das Verordnungsprofil in den letzten zehn Jahren. So hat beispielsweise die Verordnung von Herzglykosiden seit 1981 um mehr als die Hälfte ab- genommen.

Im Bereich der Psychopharmaka sind die Verordnungen von Tran- quillantien als der Gruppe der Ben- zodiazepine seit 1981 von 717 auf 370 Millionen Tagesdosen zurückge- gangen, Dies bedeutet: Rechnerisch werden statt zwei Millionen jetzt nur noch eine Million Patienten dauernd mit den Benzodiazepinen behandelt.

Prof. Schwabe: „Offenbar haben die wiederholten Appelle der Ärzte- schaft, das Risiko einer Benzodiaze- pin-Abhängigkeit zu beachten, ihre Wirkung nicht verfehlt."

Den mit Inkrafttreten des „Ge- sundheitsreform-Gesetzes" (§ 35 SGB V) neu eingeführten Arznei- mittelfestbeträgen wird von seiten der Krankenkassen ein „durchschla- gender Erfolg" attestiert. Jedenfalls hätten die Patienten keine Nachteile erlitten. So wurde das Preisniveau auf dem GKV-Arzneimittelmarkt mit Hilfe der Arzneimittelfestbeträ- ge dadurch nachhaltig beeinflußt, daß fast alle Anbieter von teureren Originalpräparaten deren Preise zu- meist um 20 bis 30 Prozent senkten.

Seit dem 1. Juli 1990 gelten Festbe- träge ftir inzwischen 43 Arzneiwirk- stoffe (bei einem Gesamtumsatz von 4,6 Milliarden DM), so daß dadurch

DER KOMMENTAR

Wird kritischer verordnet?

Kenner des bundesdeutschen Arzneimittelmarktes sahen die Ärz- teschaft bei ihren Arzneimittel-In- formationsaktivitäten bislang in ei- ner Art David-Rolle — respektabel, aber abgeschlagen gegenüber dem Meinungsbildner-Generalstab und den Pharmareferenten-Armeen des Goliath. Ging der Krieg bis zu Be- ginn der Dekade im Verborgenen, kann jetzt jeder Interessierte Siege und Niederlagen der wichtigsten Arzneimittel im jährlich erscheinen- den „Arzneiverordnungs-Report"

nachlesen.

Pflichtlektüre in den Marketing- abteilungen der Hersteller und bei den Krankenkassen, fand er bislang wenig Resonanz bei den Ärzten.

Schuld daran mögen der Zahlenwust und die oft schulmeisterlichen Kom- mentare haben. Doch als Erfolgsbi- lanz, wenn auch noch bescheidener, ärztlicher Aktivitäten, sollte er auch die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, die Hauptverordner also, interessieren.

Obwohl auch 1989 die Zahl der Kassenärzte weiter um 2 Prozent (69 84-1) zugenommen hat, ging die Zahl der verordneten Tagesdosen um rund 1,4 Milliarden, d. h. um fast 4 Prozent, zurück. Daß sich diese Abnahme in der Menge nicht in den Arzneimittelausgaben der gesetzli- chen ICrankenkassen widerspiegelt (20,7 gegenüber 20,6 Milliarden in 1988), haben die Kassenärzte nur zum Teil zu vertreten. Sie haben den

jährlich brutto 825 Millionen DM eingespart werden können (für die Versicherten resultiert wegen der wegfallenden Rezeptblattgebühr von 3 DM je verordnetem Medikament daraus unmittelbar eine Gesamter- sparnis in Höhe von rund 355 Millio- nen DM).

Die Arzneimittelpreise vom Juli 1990 lagen um 1,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Originalpräpa- rateanbieter, die ihre Preise nicht auf das Festbetragsniveau gesenkt

Kostenanstieg, der zwischen 1982

und 1988 nie unter 3,4. Prozent (1988: 8,5 Prozent) lag, erfolgreich gebremst.

Was wurde weniger verordnet?

Die Tagesdosen für Aldosteron- Antagonisten nahmen um 13 Pro- zent ab, die der Antihypertonika („Rote Liste", Hauptgruppe 16) um 6,8 Prozent, der Verordnungen sogar um 9,9 Prozent. Beides läßt eine überlegtere Hochdrucktherapie ver- muten: Reserpin und Kombinatio- nen sowie Antisympathotonika (Clo- nidin, Methyldopa, Guanethidin) nahmen zugunsten der ACE-Hem- mer ( + 30 Prozent Tagesdosen) ab.

Auch Antihypotonika sind weniger gefragt (— 5 Prozent) und gleiches gilt für Psychopharmaka E4,3 Pro- zent).

Bei den von namhaften Pharma- kologen und Klinikern als „umstrit- ten wirksam" angesehenen Arznei- mittelgruppen hatten durchblutungs- fördernde Mittel mit 16,6 Prozent die höchste Umsatzeinbuße, gefolgt von Herzglykosid-Kombinationen mit 16,2 Prozent. Mit mehr als 10 Prozent mußten Glukokortikoid- Kombinationen, Hämorrhoidenmit- tel, Koronardilatatoren, Leberthera- peutika, Verdauungsenzyme und Xanthin-Kombinationen die meisten Federn lassen. Immerhin über 300 Millionen DM erspart!

Machen wir uns aber nichts vor:

Wirksamere, bessere und teurere Arzneimittel stehen vor der Tür des Bundesgesundheitsamtes (BGA), die den Kassenpatienten nicht vor- enthalten werden dürfen. Zu ihren Gunsten sollte man noch mehr auf Unnötiges verzichten!

Karl Heinz Kimbel, Hamburg

haben, erzielten im März 1990 nur noch einen Anteil von 2,5 Prozent al- ler Verschreibungen von Festbetrags- arzneimitteln. In weniger als 0,5 Pro- zent aller Verschreibungen mußten die gesetzlich Versicherten festbe- tragsbedingte Zuzahlungen leisten.

Dr. rer. pol. Harald Clade

Ulrich Schwabe/Dieter Paffrath (Hrsg.): Arznei- verordnungs-Report '90, herausgegeben vom Wissenschaftlichen Institut der Ortskrankenkas- sen, Band 6, Gustav Fischer-Verlag, Stuttgart, New York, 1990, kartoniert, 548 Seiten, zahlrei- che Tabellen, 32 DM

A-2870 (22) Dt. Ärztebl. 87, Heft 39, 27. September 1990

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