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Archiv "94. Deutscher Ärztetag in Hamburg: Die neuen Länder beeinflussen das Klima" (16.05.1991)

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Ehrengäste bei der Eröffnung des Ärztetages im Hamburger Rathaus: Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl sowie Hamburgs Erster

Bürgermeister, Dr. Henning Voscherau (ganz rechts) und Bun- desgesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt. Zweiter von rechts: Dr. Vilmar, ganz links: Bundesärztekammer-Vizepräsi- dent Prof. Dr. Gustav Osterwald

AKTUELLE POLITIK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

94. Deutscher Ärztetag in Hamburg

Die neuen Länder

beeinflussen das Klima

D

er erste gesamtdeutsche Ärztetag ist in Hamburg zu Ende gegangen. Die Be- kundungen der Einheit und die Auswirkungen der deut- schen Einigung kennzeichneten al- lenthalben die Versammlung, nicht nur bei den einleitenden Tagesord- nungspunkten dieses 94. Deutschen Ärztetages, die erklärtermaßen der Gesundheits- und Sozialpolitik im vereinten Deutschland gewidmet wa- ren und zu denen Dr. Karsten Vil- mar (Bremen) und Prof. Dr. Walter Brandstädter (Sachsen-Anhalt) refe- rierten. Vorstellungen der Ärzte aus den neuen Bundesländern kamen zum Beispiel auch bei der ärztlichen Weiterbildung und beim Schwanger- schaftsabbruch deutlich zum Aus- druck, um nur diese beiden wichti- gen Sachthemen des Hamburger Ärztetages zu nehmen.

Beim Ärztetag ist verschiedent- lich beklagt worden, die Delegierten aus den neuen Bundesländern mel- deten sich zu wenig zu Wort. Das ist, vergleicht man deren Wortbeiträge mit jenen der routinierten Kämpen aus den westdeutschen Ländern, ge- wiß richtig. Die „Neuen" müssen sich offenbar noch daran gewöhnen, daß demokratische Meinungsbildung auch im Ärzteparlament in einer Vielzahl oft sich wiederholender, ge- legentlich auch überflüssig erschei- nender Wortbeiträge entsteht. Man-

chem „Neuen" wird es auch schwer- gefallen sein, sich im Gehege der Geschäftsordnung zurechtzufinden.

Immerhin, Vorstellungen der Ärz- tinnen und Ärzte aus den neuen Ländern wurden zur Genüge und in aller Klarheit vorgetragen, nicht sel- ten übrigens durch Delegierte aus den westlichen Ländern, häufiger aber auch durch die Präsidenten der neuen Landesärztekammern. Viel- leicht sind hier alte Verhaltensmu- ster auch auf die neuen Verhältnisse übertragen worden.

Festzuhalten bleibt auch, daß die Ärzte aus Ostdeutschland nicht so ohne weiteres mehr all das, was ihnen aus dem Westen empfohlen wird, zu übernehmen bereit sind, sondern dazu neigen, ihnen Liebge- wordenes zu behalten und möglichst auf das gesamte Deutschland zu übertragen. Das gilt zum Beispiel für die Reform des Rechts auf Schwan- gerschaftsabbruch. Die sehr liberale Lösung, die der Ärztetag schließlich vorgeschlagen hat, ist mehr von dem

geprägt, was in Ostdeutschland bis heute gilt, als von dem, was in West- deutschland zur Zeit Recht ist. Das gilt auch für das eher banale, vielen Arzten aber zur Herzensangelegen- heit gediehene Anliegen der Fach- arztbezeichnung. Den „Facharzt"

gibt es nach wie vor in Ostdeutsch- land, während im Westen seit dem Westerländer Ärztetag 1972 die Be- zeichnung „Arzt für . . ." gilt. Der Ärztetag hat sich mit klarer Mehr- heit für den „Facharzt" ausgespro- chen. Wenn das Weiterbildungsrecht in diesem Sinne einmal geändert ist — voraussichtlich nicht vor 1993 —, kann sich also auch in Westdeutsch- land wieder jeder Spezialist Facharzt nennen; und auch der weitergebilde- te Allgemeinarzt wird dann „Fach- arzt für Allgemeinmedizin" sein.

Solche Beschlüsse kamen natür- lich nicht allein deshalb zustande, weil man den ostdeutschen Kollegin- nen und Kollegen entgegenkommen wollte, sondern zweifellos auch des- halb, weil sie mehr oder weniger ge-

Integriert im Plenum des Ärztetages, die Delegierten aus den neuen Ländern, hier die Vertreter der Ärztekammern Mecklen- burg-Vorpommem und Brandenburg, hinter ihnen die Delegier- ten aus Hamburg und Nordrhein, Insgesamt kamen 38 Delegier- te aus den neuen Ländern (dazu einige aus Ost-Berlin innerhalb der 16köpfigen Berliner Delegation)

Dt. Ärztebl. 88, Heft 20, 16. Mai 1991 (21) A-1745

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I Vertrauensbeweis für Dr. Karsten Vilntar

Auf diesem 94. Deutschen Ärz- tetag wurde gewählt. Der Präsident der Bundesärztekammer und des

[Freie und geheime Wahl: Delegierte bei der Stimmabgabe heimen Wünschen im Westen ent-

sprachen. Die ostdeutschen Vorstel- lungen kamen den Westlern da halt sehr zupaß. Auch an anderer Stelle wurde versucht, Ostdeutsches auf Westdeutschland beziehungsweise ganz Deutschland zu übertragen. Al- ternativ gesonnene Delegierte und Funktionäre aus Westdeutschland oder Westberlin etwa sind nach wie vor von dem Gedanken fasziniert, al- te DDR-Strukturen beizubehalten und mit ihrer Hilfe das gesamte Ge- sundheitswesen umzugestalten. Kon- kret: Die Polikliniken sollten zumin- dest als alternative Versorgungsform beibehalten werden. Der Arztetag hat keinerlei Beschlüsse in dieser Hinsicht gefaßt, doch ist unverkenn- bar, daß die Idee der Poliklinik inso- fern das „westliche" Gesundheitswe- sen beeinflußt, als auch im Westen mehr und mehr den Gruppenpraxen in ihren verschiedenen Erschei- nungsformen das Wort geredet wird.

Wer hätte das vor, sagen wir mal, fünf Jahren gedacht?

Deutschen Ärztetages, die beiden Vizepräsidenten und die beiden Vertreter der angestellten Ärzte im Vorstand der Bundesärztekammer standen zur Wahl. Sollte eine dieser beiden Positionen einem Vertreter der neuen Bundesländer vorbehal- ten werden, so wurde gefragt. Gewiß wäre jeder damit einverstanden ge- wesen, wenn ein Kollege oder eine Kollegin aus Ostdeutschland bei den Wahlen durchgekommen wäre; zu einer Sonderregelung zugunsten der neuen Länder vermochte man sich aber nicht zu entschließen. Die Kan- didaten aus den neuen Ländern gin- gen also gleichsam gleichberechtigt mit ihren Kollegen aus dem Westen ins Rennen. Und keiner kam durch.

Es reichte zu Achtungserfolgen.

Unangefochten freilich kandi- dierte der bisherige Präsident der Bundesärztekammer und des Deut- schen Ärztetages, Dr. Karsten Vil- mar. Er wurde mit einer überzeugen- den Mehrheit im Amt bestätigt und tritt nunmehr seine vierte Wahlperi- ode an. Über 80 Prozent der Dele- gierten sprachen sich in geheimer Wahl für Vilmar aus. Das hohe Wahlergebnis spricht dafür, daß Vil- mar auch in den neuen Bundeslän- dern als der Repräsentant der nun- mehr vereinten deutschen Ärzte- schaft anerkannt ist.

Der 94. Deutsche Ärztetag wur- de durch viel politische Prominenz geehrt. Bei der Eröffnung war Bun- deskanzler Dr. Helmut Kohl nicht nur anwesend, er hielt vielmehr eine auf Deutschlands Vereinigung abge- stellte Rede. Auch der Präsident des Bundesrates, der Hamburger Erste Bürgermeister, Dr. Henning Vor- scherau, begrüßte den Ärztetag. Zu Gast waren auch Gesundheitsmini- sterin Gerda Hasselfeldt und schließlich Familienministerin Han- nelore Rönsch. Sie war nicht nur anwesend, sondern diskutierte einen vollen Nachmittag mit den Delegierten über die Reform des

§ 218.

Frau Rönsch trug dabei ihr Kon- zept vor, das im wesentlichen darauf basiert, den Arzt zum Träger der Entscheidung zu machen. Dem ver- mochte der Arztetag nicht zuzustim- men, und insofern hatte Frau Rönsch bei den Ärzten keinen Er- folg. Es wurde ihr allerdings vom Arztetag hoch angerechnet, daß sie ihre Vorstellungen zur Diskussion stellte und sich ihrerseits mit den Vorschlägen aus dem Plenum des Ärztetages auseinandersetzte. So hatte man sich politische Auseinan- dersetzung vorgestellt!

Mit großer Mehrheit sprach sich der 94. Deutsche Arztetag dafür aus, die Entscheidung über den Schwan- gerschaftsabbruch letztendlich der Frau zu übertragen. Vorbereitet hat- te das Konzept ein eigens eingesetz- ter „deutsch-deutscher" Ausschuß unter Leitung von Dr. Ingeborg Retzlaff. Gemeinsam sind dem Kon- zept von Frau Rönsch und des Ärz- tetages die Pflichtberatung. Und ge- meinsam ist beiden Konzepten auch, den Schutz des Lebens nicht durch Strafandrohung, sondern durch sorg- fältige Beratung und begleitende so- ziale Hilfen zu verbessern. Die Be- fürworter der Strafandrohung ka- men beim Ärztetag selbstverständ- lich gleichfalls zu Wort, sie erhielten indes keine Mehrheit.

Insgesamt gehörte die Debatte des Deutschen Arztetages über den

I Schwangerschaftsab- bruch: zwei Konzepte

A-1746 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 20, 16. Mai 1991

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Nach der Bestätigung im Amt: Dr. Karsten Vilmar, der Präsident der Bundesärztekam- mer und des Deutschen Ärztetages, dankt für den eindrucksvollen Vertrauensbeweis und ruft dazu auf, die mit der deutschen Einigung notwendigerweise verbundenen Pro- bleme gemeinsam zu überwinden

§ 218 zu den Höhepunkten der Ta- gung. Es wurde mit Achtung vor der jeweils gegnerischen Meinung disku- tiert. Boshafte Unterstellungen wie sie bei einem derart emotionsgelade- nen Thema hätten befürchtet wer- den müssen, blieben aus.

Die meiste Zeit beanspruchten die Beratungen über eine Reform der ärztlichen Weiterbildung, eingeleitet durch ein ausgefeiltes Referat von Prof. Dr. Hans Joachim Sewering.

Fast zwei Tage wurde um eine Fülle von Details, die notgedrungen bei die- sem alle medizinischen Fachbereiche berührenden Thema aufs Tapet kom- men müssen, beraten und gestritten.

Die Delegierten waren's schließlich schlichtweg müde, das Thema zu En- de zu beraten. Ohnehin war für Ham- burg lediglich eine erste Meinungsbil- dung angesetzt, die eigentliche Re- form der Weiterbildungsordnung soll auf dem nächsten Ärztetag, der im Mai 1992 in Köln stattfindet, beraten und beschlossen werden.

Dem Ermüdungseffekt fiel lei- der auch die an sich fällige Beschluß- fassung über eine dreijährige Wei- terbildung in Allgemeinmedizin zum Opfer. Zumindest hatte man von diesem Ärztetag ein grundsätzlich positives Votum in dieser Sache er- wartet, zumal zuvor schon die Kas- senärztliche Bundesvereinigung und Gesundheitsministerin Gerda Has- selfeldt sich für eine Pflichtweiterbil- dung als Zulassungsvoraussetzung für die kassenärztliche Tätigkeit ausgesprochen hatten. Dieses Zulas- sungsmodell kann freilich nur laufen, wenn der Ärztetag und später die Ärztekammern einen entsprechen- den Weiterbildungsgang einführen.

Die dreijährige Pflichtweiterbil- dung ist in der Vergangenheit im Zu- sammenhang mit einer Verkürzung des Medizinstudiums auf fünf Jahre diskutiert worden — das sogenannte 5 + 3-Modell. Bei den Beratungen über die Reform der ärztlichen Aus- bildung kam in Hamburg indes her- aus, daß es mit einer Verkürzung des Medizinstudiums wohl nichts wird, sondern daß auch nach den Vorga- ben der EG ein sechsjähriges Medi- zinstudium weiterhin zu absolvieren sein wird. Davon scheint auch die Sachverständigenkommission beim Bundesgesundheitsminister, die über

eine Reform des Medizinstudiums berät, auszugehen.

Aus der Arbeit dieser Kommissi- on berichtete beim Ärztetag Dr. Jörg Hoppe. Das interessanteste Ergeb- nis: Bei der Beratung über verschie- dene Studienmodelle hat sich die Kommission bislang für ein Modell ausgesprochen, das der heutigen Ausbildung auffallend ähnlich ist, nämlich Erteilung einer beschränk- ten Approbation nach dem Medizin- studium, anschließend ärztliche Tä- tigkeit in abhängiger Stellung (zum Beispiel als Pflichtassistent; heute:

AiP), dann Erteilung der vollen Ap- probation. Nachdem sich der Ärzte- tag in Würzburg allerdings für eine Pflichtweiterbildung ausgesprochen hat, dürfte ein anderes Ausbildungs- modell größere Chancen bekommen .

Medizinstudium, Erteilung einer be- schränkten Approbation, eigenver- antwortlich aber nicht selbständig, jedoch unter der Berufsbezeichnung Arzt, anschließend gebietsärztliche

„Ausbildung", sodann Erteilung ei- ner Approbation als Allgemeinarzt oder als Gebietsarzt. Fürs erste sind das alles Modellspiele. Wie und wann das Medizinstudium refor- miert wird, weiß bisher niemand.

Zum Schluß geriet der Ärztetag (wieder einmal) in Zeitnot

Die Beratungen über die Ausbil- dungsreform standen unter erhebli- chem Zeitdruck. Wie so oft kam auch dieser 94. Deutsche Ärztetag mit seinem Arbeitspensum nur mit Mühe über die Runden. Das Schwerpunktthema „Qualitätssiche- rung" fiel sogar unter den Tisch. Das vorbereitete Referat von Prof. Dr.

Gustav Osterwald wurde lediglich verteilt, eine Entschließung immer- hin unter dem „Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer" verabschiedet.

Das ist ein Tagesordnungspunkt, zu dem alles und jedes aus dem weiten Feld der Gesundheitspolitik zur Sprache gebracht werden kann. Und auch in diesem Jahr zeichnete sich der „Tätigkeitsbericht" durch eine unendliche Vielzahl an Beschlußvor- lagen aus, die in einem Schnellver- fahren zumeist verabschiedet wur- den. Die Themen hier alle anzuspre- chen, hieße den Leser überfordern.

Die Entschließungen zum „Tätig- keitsbericht" werden sämtlich im nächsten Heft dokumentiert. NJ Dt. Ärztebl. 88, Heft 20, 16. Mai 1991 (23) A-1747

Referenzen

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9.00 Uhr, Sitzung des Vorstandes, Haus der Patrioti- schen Gesellschaft, Trostbrücke 6, 2000 Hamburg 11 11.00 Uhr, Gemeinsame Sitzung der Vorstände des Bundesverbandes und

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