[112] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 4⏐⏐26. Januar 2007
S C H L U S S P U N K T
E
s hilft nichts, es heißt Ge- denktage abzuarbeiten. Letz- tens waren es der Nobelpreis des spanischen Neurologen Cajal vor 100 Jahren und der 150. Geburts- tag von Sigmund Freud (das be- deutet keine Entwarnung – wie ich mich kenne, werde ich auf letzteren Herrn zurückkom- men, er bietet sich mit seiner Pathologie des Alltags- [Schach-]Lebens auch allzu sehr an), doch diesmal geht es um den amerikanischen Staatsmann und Erfinder Benjamin Franklin, der vor 300 Jahren geboren wurde.Mit stets großem Interesse an der Medizin konzipierte er unter anderem die Bifokalbrille und einen Harnkathe- ter, vor allem Letzterer konnte ihm bei seinen Blasen- steinen nur willkommen sein.
Franklin war aber auch ein begeisterter Schachspie- ler, der darüber sogar eine Schrift verfasste „The Morals of Chess“: „Man sollte beim Schachspielen weder sin- gen noch pfeifen, noch auf die Uhr blicken, noch ein Buch zur Hand nehmen, noch mit den Füßen auf den Boden oder mit den Fingern auf den Tisch trommeln . . .“
Zu derartigen Überlegungen wurde er möglicherweise während seines Pariser Aufenthalts als Gesandter 1776–85 durch die Sitten im „Café de la Régence“ an- geregt, wo er es vorzog, Philidor, dem damals stärksten Spieler der Welt, beim Schachspiel zuzuschauen als dessen seinerzeit sehr beliebten Opern zu lauschen: „Ich nenne das meine Oper.“
Mit guten und bösen Vorkommnissen
Franklin sah im Schach einen Quell sittlicher Bildung:
„Schach ist nicht nur ein eitler Zeitvertreib. Das Leben ist eine Art von Schach, mit seinem Kampf, mit seinem Wettstreit, seinen guten und bösen Vorkommnissen.“
Andererseits konnte er diese Leidenschaft in einem fik- tiven Dialog zwischen ihm selbst und der Gicht (an der er später litt) auch durchaus selbstironisch betrachten:
Franklin: „Weh! Was hab’ ich getan, um so grausame Schmerzen zu verdienen?“
Gicht: „Mancherlei. Du hast unmäßig gegessen und ge- trunken, und diesen Beinen zu viel Ruhe gegönnt . . . Ver- ständige Menschen würden spazieren gehen; du hingegen ziehst es vor, dich an das Schachbrett zu setzen . . . Vertieft in die Spekulationen dieses unnützen Spiels, verdirbst du deine Konstitution . . . Liebliche Promenaden, reine Luft, schöne Frauen mit angenehmer und belehrender Unter- haltung verschmähst du des abscheulichen Schachspiels willen. Pfui, schäme dich, Franklin! . . . “
Franklin: „O! Au! Ich will auch geloben, nie wieder Schach zu spielen, mir täglich Bewegung zu verschaf- fen und immer mäßig zu sein.“
Gicht: „Ja, ich kenne dich! Ein Versprechen kannst du geben; kaum bist du aber ein paar Monate gesund ge- blieben, so sind die alten Gewohnheiten wieder da.“
Der ewige Zweite
Nun habe ich kein Schachbeispiel Franklins, sehr wohl aber eine Kombination, mit der der ebenfalls an Gicht leidende Paul Keres (den ich gelegentlich mit entspre- chenden Medikamenten versorgte), über Jahrzehnte ei- ner der besten Spieler der Welt („der ewige Zweite“), ei- nen gewissen Helmut Pfleger beim Turnier zum 100- jährigen Jubiläum des Bamberger Schachklubs 1968 besiegte. Mit welchem Schlag kam Keres als Schwarzer in entscheidenden Vorteil?
ÄRZTE-SCHACH
Beim Schach nicht singen
Dr. med. Helmut Pfleger
Nach dem Qualitätsopfer 1.
..
.Txc5!
war ic h in jedem Fall ver-
loren. 2.
Dxf7+ Kh6 3.Dh7+ Kg5 ist aussic htslos,2.
Txf7+ Kh6
3.Dxc5 führt gar zum Matt dur ch
3.
..
.Dd1. Ic h schluc
kte des-
halb mit 2.Dxc5 noc h die Henkersmahlzeit,
musste aber nach
2.
..
.Dd1+ 3.
Te1 Dd3+ 4.
Te2 (4.Kg1 Sf3+) Dh3+! 5.K
e1
Sf3+ aufgeben,weil 6. Kd1 Df1+ den Tu
rm verliert.
Lösung:
Foto:Dagobert Kohlmeyer