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Archiv "Methylphenidat bei hyperkinetischen Störungen: Verordnungen in den 90er-Jahren" (02.03.2001)

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ie medikamentöse Behandlung von hyperkinetischen Störungen hat in den letzten Jahren deut- lich zugenommen. Untersuchungen in den Vereinigten Staaten – basierend auf den Daten des National Ambula- tory Medical Care Survey (NAMCS) für die Jahre 1990 bis 1995 – ergaben für diesen Zeitraum einen 2,3fachen Anstieg in der Diagnosestellung bei den Fünf- bis Achtzehnjährigen und einen 2,6fachen Anstieg der Zahl der Kinder, denen Methylphenidat ver- ordnet wurde (13).

Diese Daten konnten sowohl in re- gionalen wie auch in nationalen Stich- proben repliziert werden (14). Auch die in der letzten Zeit erfolgte Zunah- me der Stimulationstherapie (Methyl- phenidat und Dextroamphetamin) bei Adoleszenten mit Aufmerksamkeits- störungen ist in den Vereinigten Staa- ten gut belegt (10). Für die Niederlan- de kann ein rund sechsfacher Anstieg der verordneten Packungen zwischen den Jahren 1990 und 1996 dokumen-

tiert werden (2). Diese Entwicklung, die sich auch in einer deutlichen Zu- nahme von entsprechenden Veröf- fentlichungen in der Fach- und in der Laienpresse niederschlägt, wird von Experten kontrovers bewertet – oft- mals warnend vor Fehlgebrauch (4) oder ablehnend unter Hinweis auf ei- ne Medikalisierung psychosozialer Probleme.

Dies gilt hier als Anlass, die Ver- brauchsentwicklung von Methylphe- nidat für die Bundesrepublik Deutsch- land für die 90er-Jahre darzustellen und vor dem Hintergrund der epide- miologischen Daten zu hyperkineti- schen Störungen (ADHD, Attention-

Deficit/Hyperactivity Disorder) und der Indikationsstellung für eine medi- kamentöse Therapie zu diskutieren.

Indikationsstellung

Die europäischen Leitlinien und die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie sowie die kinder- und jugendpsychiatrischen Berufsver- bände empfehlen bei ADHD eine multimodale Therapie unter Ein- schluss von Stimulanzien und verhal- tenstherapeutischen Interventionen (6, 20, 12).

Eine medikamentöse Therapie wird als indiziert angesehen, wenn die hy- perkinetischen Auffälligkeiten sehr stark ausgeprägt sind und sie dadurch die weitere Entwicklung des Kindes gefährden und wenn sie sich durch an- dere Maßnahmen und Therapiefor- men nicht hinreichend vermindern lassen. Dabei erfordern die Diagnose- M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 9½½½½2. März 2001 AA541

Methylphenidat

bei hyperkinetischen Störungen

Verordnungen in den 90er-Jahren

Zusammenfassung

Die medikamentöse Behandlung hyperkineti- scher Störungen mit Methylphenidat wird in der Fach -und Laienpresse hinsichtlich Nutzen und Risiko, aber auch in Bezug auf die Frage, ob heute eine Über- oder Unterversorgung besteht, kontrovers diskutiert. In der Bundes- republik war in den 90er-Jahren ein deutli- cher Anstieg der Verordnungsmenge an Me- thylphenidat zu beobachten. Aus den verfüg- baren Globaldaten zum Verbrauch lässt sich die Anzahl möglicher Dauertherapien berech- nen. Zieht man Angaben aus epidemiologi- schen Untersuchungen zur Behandlungs- prävalenz aus den Vereinigten Staaten heran, so wären jedoch – übertragen auf die Bundes- republik – deutlich mehr behandelte Kinder zu erwarten als sich aus den Verbrauchsdaten gegenwärtig ergibt. Zur Beurteilung des indi- kationsgerechten Einsatzes sowie der Qua-

lität der Therapie sind personenbezogene Langzeitbeobachtungen, zum Beispiel auf der Basis von Daten der Gesetzlichen Kran- kenversicherung, notwendig.

Schlüsselwörter: Methylphenidat, hyperkineti- sche Störung, Methylphenidat-Verbrauchsent- wicklung, Versorgungsforschung

Summary

Methylphenidate in Hyperactivity Disorders

The treatment of children suffering from at- tention-deficit hyperactivity disorder (ADHD) with methylphenidate is still being contro- versially discussed in both the scientific and the lay press. Opinions differ not only on the assessment of the risk benefit ratio but also on whether methylphenidate is overpre-

scribed or ADHD undertreated. During the 90s the methylphenidate prescriptions increased substantially in Germany. From the available data on methylphenidate utilization, the number of continuous treatments compatible with the total consumption can be estimated.

In comparison with the expected number of treated children based on treatment preva- lences with methylphenidate from the United States, the number of treatments – estimated on total consumption data – in Germany is low. In order to assess prescription and treat- ment quality, long-term individual data are necessary. The statutory health insurance could provide such a population-based and person-related database for public health and primary health care research.

Key words: methylphenidate, attention-deficit hyperactivity disorder, methylphenidate utili- zation, health care research

Ingrid Schubert

1

Gerd Lehmkuhl

2

Axel Spengler

2

Manfred Döpfner

2

Liselotte von Ferber

1

1 Forschungsgruppe Primärmedizinische Versorgung (Leitung: Priv.-Doz. Dr. med. Liselotte von Ferber) an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychothe- rapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln

2Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychothera- pie des Kindes- und Jugendalters (Direktor: Universitäts- professor Dr. med. Gerd Lehmkuhl) der Universität zu Köln

(2)

stellung einer hyperkinetischen Stö- rung, die Indikationsstellung für eine Stimulationstherapie sowie die indivi- duelle Titration von Stimulanzien und die Verlaufskontrolle einen hohen zeitlichen Aufwand. Wichtig ist außer- dem eine kontinuierliche Behand- lungskontrolle, da nur bei positiven Therapieeffekten eine Behandlung zu rechtfertigen ist (6).

Entwicklung der

Methylphenidat-Verordnungen in der Bundesrepublik

Für die Bundesrepublik Deutschland diskutierte Elliger (1991) die Verord- nungszahlen für Methylphenidat in dem Zeitraum von 1985 bis 1990 (7).

Unter Zugrundelegung einer tägli- chen Dosis von 20 mg und einer Be- handlungsdauer von 150 Tagen wurde hypothetisch hochgerechnet, dass im Jahr 1990 etwa 2 580 Kinder mit Rita- lin behandelt worden waren. Elliger ging zum damaligen Zeitpunkt davon aus, dass die Indikation zur Methyl- phenidat-Therapie vorrangig subjekti- ven Maßstäben unterworfen schien, weil die meisten Ärzte dieses Medika- ment überhaupt nicht verschrieben

und es insgesamt äußerst zurückhal- tend verordnet wurde. Im Folgenden sollen die Entwicklung und die Verän- derungen von 1990 bis 1998 dargestellt werden. Informationen über den Ver- brauch an Methylphenidat sind gegen- wärtig aus zwei Quellen erhältlich:

dem GKV-Arzneimittelindex und den Angaben der Bundesopiumstelle. Bei- de Datenquellen geben Globaldaten zum Verbrauch.

Den verschiedenen Jahrgängen des Arzneiverordnungs-Reports (19) konn- ten die in Tabelle 1dargestellten Anga- ben zur Anzahl der Verordnungen, der verordneten Tagesdosen (DDD) und zum Umsatz von Methylphenidat ent- nommen werden. Zur Ermittlung der verordneten Arzneimittelmenge wird hier die definierte Tagesdosis (DDD) mit 30 mg Methylphenidat zugrunde ge- legt (16). Die durchschnittlichen DDD- Kosten lagen 1990 bei 1,61 DM, 1999 bei 2,98 DM. Die letzte Spalte in Tabel- le 1zeigt den Verordnungsrang, den das Präparat Ritalin unter den 2 000 führenden Arzneimitteln im jeweiligen Jahr einnahm.

Die Anzahl der abgegebenen Tages- dosen zeigt im Zeitraum von 1991 bis 1997 eine deutliche Steigerung. Nimmt man das Jahr 1991 als Bezugsgröße, so

hat sich bis 1998 die Anzahl der abge- gebenen Tagesdosen fast verzwölffacht bis 1999 gar verzwanzigfacht. Nach den Angaben des Jahresberichts des Bun- desinstituts für Arzneimittel und Medi- zinprodukte (BfArM) von 1997 (4) stieg der Verbrauch an Methylphenidat von 34 kg im Jahr 1993 auf 119 kg im Jahr 1997. Dies entspricht einem An- stieg der insgesamt abgegebenen Ta- gesdosen von 1,1 Mio. auf 3,9 Mio.

Geschätzte Anzahl möglicher Dauertherapien

Da gegenwärtig keine personenbezo- genen erhobenen Daten zur Ermittlung der Behandlungsprävalenz mit Methyl- phenidat zur Verfügung stehen (zum Beispiel anonymisierte Daten einer Versichertenstichprobe), wird hier ei- ne auf Globaldaten beruhende Schät- zung der möglichen Anzahl von Dau- ertherapien vorgenommen und disku- tiert.

Für diese Schätzung werden folgen- de Annahmen über die Anwendungs- gewohnheiten zugrunde gelegt: Das Arzneimittel wird regelmäßig einge- nommen, das heißt Kind und Eltern sind compliant, und es wird – unab- M E D I Z I N

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A542 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 9½½½½2. März 2001

´ Tabelle 1C´

Verordnungsmenge und Kosten von Methylphenidat

Verordnung Tagesdosen Umsatz Verordnungs-

rang*2

in Tsd. Veränderung in Mio. Veränderung in Mio. Veränderung Nr.

in Prozent in Prozent DM in Prozent

1990 48,8 – 16,3 0,3*1 0,5 – 1,1 2 230

1991*1 62,8 + 28,7 0,4 + 28,7 0,7 + 37,3 1 978

1992 92,0 + 46,5 0,6 + 46,5 1,1 + 58,4 1 563

1993 145,1 + 43,9 1,0 + 43,9 1,7 + 39,2 1 376

1994 184,6 + 27,3 1,2 + 27,3 2,2 + 26,2 1 140

1995 188,3 + 2,0 1,3 + 2,0 2,4 + 11,2 1 181

1996 445,3 + 136,5 3,0 + 136,5 6,3 + 158,3 505

1997 586,0 + 31,6 3,9 + 31,6 9,1 + 43,7 293

1998 447,4 – 23,6*3 4,7 + 21,5 12,6 + 38,8 404

1999 695,1 + 55,4 8,4 + 77,4 25,1 + 99,4 213

*1, BRD gesamt ab 1991; Arzneiverordnungs-Report verschiedene Jahrgänge

*2, Verordnungsrang für Ritalin in Bezug auf die nach Verordnung führenden Präparate

*3, Die 1998 etwas geringere Verordnungszahl bei gestiegener Anzahl an DDD ist auf einen höheren Anteil an verordneten N2-Packungen zurückzuführen

(3)

hängig von Alter und Gewicht des Kindes – in einer mittleren Dosierung von 30 mg entsprechend der interna- tional festgelegten defined daily dose (DDD) als Dauertherapie eingesetzt.

Da häufig an Wochenenden und während der Schulferien keine Thera- pie erfolgt, werden 201 Behandlungs- tage als Dauertherapie festgelegt.

Daraus errechnet sich ein Verbrauch von 201 DDD beziehungsweise 6,03 g Methylphenidat für eine Dauerthera- pie, das heißt pro „dauerbehandeltes“

Kind für ein Jahr.

Tabelle 2 zeigt die Anzahl der auf dieser Basis geschätzten Dauerthera- pien. Dabei ist festzuhalten, dass der GKV-Index die Verordnungen der Kassenärzte enthält. Die Angaben der Bundesopiumstelle berücksichtigen auch den Verbrauch in Kliniken und die Privatverordnungen. Die im Arz- neiverordnungs-Report veröffentlich- ten kassenärztlichen Verordnungsda- ten beziehen sich auf alle Versicherten der Gesetzlichen Krankenversiche- rung. Leider stehen keine Angaben über die Alters- und Geschlechtsver- teilung der Ritalin-Verordnungen rou- tinemäßig zur Verfügung. Die Angabe von Verordnungsdaten in Fünf-Jah- res-Altersgruppen würde eine bessere Schätzung der Dauertherapien bei Kindern und Jugendlichen ermögli- chen.

Indikationsgerechter Einsatz oder Fehlversorgung?

Die Daten belegen, dass Methylphe- nidat seit Anfang der 90er-Jahre häu- figer verschrieben wird. Dies sagt al- lerdings noch nichts über den indikati- onsgerechten Einsatz oder einen Fehl- gebrauch aus (5). Hierzu sind perso- nenbezogen erhobene Angaben nötig.

Allerdings können als erste Annähe- rung an die Fragestellung zur Qualität der Versorgung die geschätzten Dauertherapien der Anzahl der auf der Basis epidemiologischer Daten zu ADHD zu erwartenden Behandlun- gen gegenübergestellt werden.

Zunächst ist festzuhalten, dass auf der Basis von Globaldaten keine un- mittelbaren Prävalenzschätzungen vorgenommen werden können. Dar-

auf haben in Bezug auf Methyl- phenidat auch Safer et al. 1997 hinge- wiesen (14). Um dennoch eine Vor- stellung über den Anteil behandelter Personen zu gewinnen, mussten be- stimmte Annahmen zur Arzneimittel- anwendung getroffen werden (1, 8), die jedoch nur begrenzt die Versor- gungsrealität abbilden: Therapiever- suche, Therapiebeginner und -been- der sowie individuelle Dosierungen (Kinder/Erwachsene) und vor allem

„Noncompliance“ gehen in die Be- rechnungen nicht mit ein (17, 18). Die mögliche Anzahl an Dauertherapien stellt somit eine konservative Schät- zung dar; die Anzahl der Kinder, die mit Methylphenidat in Kontakt ge- kommen ist, liegt möglicherweise um ein Vielfaches höher.

Epidemiologische Untersuchungen zeigen für die Bundesrepublik eine mit den USA vergleichbare Prävalenz für Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (3). Legt man beispielsweise die von Zito et al. 1997 (21) geschätz- ten amerikanischen Zahlen zur Be- handlungsprävalenz (2,2 Prozent bei den Fünf- bis Fünfzehnjährigen) zu-

grunde, wäre in der Bundesrepublik mit rund 169 000 medikamentös be- handelten Kindern und Jugendlichen zu rechnen.

Aufgrund der vorliegenden Berech- nungen kann von circa 41 000 Dauer- therapien ausgegangen werden. Das sind deutlich weniger behandelte Kin- der, als nach den Daten aus den USA, auch unter Beachtung möglicher Ver- zerrungen durch Heranziehung von Medicaid-Daten (Versicherte mit ge- ringem Einkommen) zu erwarten wä- re. Auch wenn in der Bundesrepublik ein deutlicher Anstieg der Stimulati- onstherapie in den Jahren von 1990 bis 1999 zu verzeichnen ist, sprechen die Zahlen im Vergleich zu den erwarte- ten Behandlungen gegen die Vermu- tung einer zu häufigen Indikations- stellung.

Die Diskussion über die Häufigkeit der Methylphenidat-Therapie weist zu- gleich auf die Problematik, dass zur Qualitätssicherung der Therapie und für die epidemiologische (public health) Forschung keine ausreichen- den Daten zur Verfügung stehen. Safer et al. (15) betonen, dass erst in per- M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 9½½½½2. März 2001 AA543

´ Tabelle 2C´

Schätzung der Anzahl möglicher Dauertherapien auf der Grundlage von Verbrauchs- daten des GKV-Arzneimittelindex und der Bundesopiumstelle

GKV-Arzneimittelindex Bundesopiumstelle

Tagesdosen daraus ermittelte Verbrauch daraus ermittelte

in Mio. Anzahl an in kg Anzahl an

möglichen möglichen

Dauertherapien Dauertherapien

(= 201 DDD)*1 (= 6,03 g/Jahr)

1990 0,3*1 1 493 –

1991*2 0,4*1 1 990 –

1992 0,6 2 985 –

1993 1,0 4 975 34 5 638

1994 1,2 5 970 42 6 965

1995 1,3 6 468 58 9 618

1996 3,0 14 925 88 14 594

1997 3,9 19 403 119 19 734

1998 4,7 23 383 – –

1999 8,4 41 791 – –

*1, gerundete Werte

*2, ab 1991 für BRD gesamt

(4)

sonenbezogenen Langzeitstudien die Kosten-Nutzen- und Nutzen-Risiko- Relationen etwas über die generelle Wirksamkeit der medikamentösen Be- handlung aussagen können (15). Versi- chertenbezogene Stichproben der Ge- setzlichen Krankenversicherung, die Analysen zur Versorgungsforschung erlauben (9, 11), wären hierfür wert- voll. Die Diskussion in der Fach- und Laienpresse zeigt darüber hinaus, dass der Aufklärungs- und Öffentlichkeits- arbeit über den richtigen Einsatz von Methylphenidat speziell im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein besonderer Stellenwert zukommt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 541–544 [Heft 9]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Gerd Lehmkuhl Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln

Robert-Koch-Straße 10 50931 Köln

E-Mail: Ingrid.Schubert@medizin.uni-koeln.de

M E D I Z I N

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A544 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 9½½½½2. März 2001

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im medizi- nisch-wissenschaftlichen Teil – aus- genommen Editorials, Kongress- berichte und Zeitschriftenreferate – können grundsätzlich in der Rubrik

„Diskussion“ zusammen mit einem dem Autor zustehenden Schluss- wort veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb vier Wochen nach Er- scheinen der betreffenden Publikati- on bei der Medizinisch-Wissenschaft- lichen Redaktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens einer Schreibmaschinenseite (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen, Literaturver- zeichnis mit bis zu vier Zitaten) wis- senschaftlich begründete Ergänzun- gen oder Entgegnungen enthalten.

Für Leserbriefe anderer Ressorts gelten keine besonderen Regelun- gen (siehe regelmäßige Hinweise).

DÄ/MWR

In den letzten Jahren hat sich die Phar- maforschung zunehmend mit Cyclo- oxygenase-2-(COX-2-)selektiven An- tirheumatika beschäftigt. Eine der zwi- schenzeitlich erhältlichen und neu ent- wickelten Substanzen ist das Rofeco- xib, das in einer großen Vergleichsstu- die in einer Dosierung von 50 mg pro Tag mit zweimal 500 mg Naproxen ver- glichen wurde.

Insgesamt nahmen 8 076 Patienten unter 50 Jahren, die an einer rheu- matoiden Arthritis litten, an dieser internationalen Multizenterstudie teil.

Primäre Endpunkte der Studie waren klinisch relevante gastrointestinale Ne- benwirkungen wie Ulzera, Blutungen und Perforationen. Während einer neunmonatigen Beobachtungszeit tra- ten unter Refocoxib 2,1 gastrointesti- nale Ereignisse pro 100 Patientenjahre auf, unter Naproxen 4,5 pro 100 Patien- tenjahre (p < 0,001). Schwerwiegende

Komplikationen wie Perforation, Ob- struktion und massive Blutung waren unter Rofecoxib bei 0,6 Fällen pro 100 Patientenjahre zu verzeichnen. Die Zahl der beobachteten Myokardin- farkte lag unter Naproxen niedriger als unter Rofecoxib, doch war dieser Un- terschied nicht signifikant.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass, wie zu erwarten, das COX-2-selektive nichtsteroidale Anti- rheumatikum bezüglich gastrointesti- naler Nebenwirkungen günstiger ab- schneidet als die älteren Substanzen, die sowohl Cyclogenase-1 als auch Cy-

clogenase-2 hemmen. w

Bombardier C, Laine L, Reicin A et al.: Comparison of up- per gastrointestinal toxicity of Rofecoxib and Naproxen in patients with rheumatoid arthritis. N Engl J Med 2000;

343: 1520–1528.

Dr. Claire Bombardier, Institute for Work and Health, 250 Bloor St. E., Suite 702, Toronto, ON M4W 1E6, Ka- nada.

Gastrotoxizität von Rofecoxib

Referiert

In zwei nordamerikanischen Untersu- chungen konnte eindrucksvoll die Ef- fektivität der frühen Defibrillation durch Laien demonstriert werden. In einer Studie wurde das Wachpersonal von Spielcasinos mit der Methode der automatisierten Defibrillation ver- traut gemacht, in einer zweiten Studie das Flugpersonal einer amerikani- schen Fluggesellschaft. In beiden Un- tersuchungen konnte an einer verläss- lich großen Zahl von Patienten sowohl die regelrechte Funktion des automati- schen Defibrillators hinsichtlich des richtigen Erkennens von Kammerflim- mern als auch die effektive Defibrilla- tion demonstriert werden.

Bei der Studie in den Spielcasinos konnte im Mittel bereits 4,4 Minuten nach beobachtetem Kollaps der erste Elektroschock appliziert werden, wäh- rend Hilfe durch Sanitäter erst nach 9,8 Minuten eintraf. Die Überlebens- rate lag bei Patienten, die innerhalb der ersten drei Minuten defibrilliert werden konnten bei 74 Prozent, dage- gen bei den übrigen nur bei 49 Prozent.

In der Studie der Fluggesellschaft konnte bei 200 Patienten das Gerät

eingesetzt werden, in 13 von 14 Fällen wurde erfolgreich defibrilliert, am En- de resultierte eine Überlebensrate bei diesen Patienten von 40 Prozent.

Aufgrund der erhobenen Daten empfehlen die Studienautoren, die Frühdefibrillation durch Laien in Fäl- len von Kammerflimmern mithilfe au- tomatisierter Defibrillatoren vermehrt einzusetzen, da hierdurch die Letalität dieser Akutereignisse deutlich verrin-

gert werden kann. acc

Valenzuela TD et al.: Outcomes of rapid defibrillation by security officers after cardiac arrest in casinos. N Eng J Med 2000; 343: 1206–1209.

Dr. Valenzuela, Department of Emergency Medicine, 1501 N. Campell Ave., P.O.B. 245057, Tucson, AZ 85724-5057, USA.

Page RL et al.: Use of automated external defibrillators by a U.S. airline. N Eng J Med 2000; 343: 1210–1216.

Dr. Page, Divison of Cardiology, Department of Internal Medicine, University of Texas Southwestern Medical Center, Rm CS7.102, 5323 Harry Hines Blvd., Dallas, TX 75390-9047, USA.

Dr. Lichtenstein, Jean Mayer USDA Human Nutrition Re- search Center on Aging at Tufts University, 711 Was- hington St., Boston, MA 02111, USA.

Früh-Defibrillation in Laienhänden

Referiert

Referenzen

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