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Archiv "Methylphenidat bei hyperkinetischen Störungen: Schlusswort" (07.09.2001)

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der Einsatz von hochpotenten Phar- maka, die Nebenwirkungen (Kopf- schmerzen, Appetit- und Schlafstö- rungen) hervorrufen, späteres Sucht- verhalten bahnen sowie möglicher- weise lebenslange Abhängigkeiten zur Folge haben können, wäre ganz im Sinne des genannten unabhängigen Kontrollorgans für die Einhaltung der Drogenkonvention der Vereinten Na- tionen.

Dr. med. Terje Neraal Höhenstraße 33a 35435 Wettenberg

Zu kurz gegriffen

Lobenswert ist das Bemühen der Au- toren, der Mär von der viel zu häufi- gen Anwendung dieser Substanz bei Kindern in Deutschland durch Ver- wendung von unstrittigem Zahlenma- terial entgegenzutreten. Weniger posi- tiv ist die Beschränkung der Pharma- kotherapie auf Personen zu bewerten, bei denen „die hyperkinetischen Auf- fälligkeiten sehr stark ausgeprägt sind“, da dies meines Erachtens dem Anliegen einer adäquaten Betreuung nicht entspricht. Eine solche Eingren- zung macht aus einem effizienten, lernbiologisch und daher die Persön- lichkeitsentwicklung unterstützenden Pharmakon doch nur wieder die „Pille für den Störenfried“. Solange man aber hierzulande den fehlleitenden Begriff des hyperkinetischen Syn- droms (noch) verwendet, wird man in Kauf nehmen müssen, dass einer wohl ebenso großen Anzahl bedürftiger Personen mit nichthyperaktivem ADS und dringlichem Bedarf medika- mentöse Begleitung verweigert wird und die hinlänglich dokumentierten Sekundärphänomene (Sucht, Zwang, Dissozialität) erwachsen. Die Versor- gungsvakanz wird noch erschrecken- der, zählt man die betroffenen Er- wachsenen hinzu, die unter persistie- renden Symptomen der ADHS leiden, aber kaum auf fachkundige ärztliche Hilfe rechnen können. Die Psychiater der BRD haben hier wohl ein bedeu- tendes Kapitel übersehen und dürfen sich nicht wundern, halten ihnen kun- dige Patienten Texte aus dem Internet

unter die Nase. Auch in der kinderpsy- chiatrischen Zunft gelten viele Sym- ptome der ADHS noch immer als Zei- chen psychischer Traumata, und so ist denn auch die Behandlungsstrategie ausgerichtet mit logischerweise gerin- ger Effizienz. Dann trägt der Patient die Verantwortung für ausbleibende Effekte. Er aber fühlt sich wiederholt unverstanden und das „Kunstmärchen von der psychogenen Verursachung“

der meisten seelischer Störungen, wie es Nissen schon 1985 in diesem Blatt beschrieb, wird fleißig weiter gepflegt.

Wie lange noch?

Dipl.-Med. Thomas Greger Johann-Sebastian-Bach-Straße 6 04552 Borna

Schlusswort

Die Kommentare spiegeln die aktuelle und überwiegend polarisiert geführte Diskussion über die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Störungen (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperakti- vitätsstörungen, ADHS) mit Methyl- phenidat wider und bieten Gelegen- heit, auf die vorhandene empirische Datenlage zu verweisen. Die Mehrzahl der Diskussionsbeiträge beklagt die zunehmende Verordnung von Methyl- phenidat und geht davon aus, dass ge- sellschaftliche Einflüsse und eine ver- änderte Familienstruktur zu einer Zu- nahme des Störungsbilds geführt ha- ben.

Die in den letzten Jahren stark an- gestiegene empirische Literatur über die Effekte von pharmakologischen und psychotherapeutischen Ansätzen legt jedoch ein Vorgehen nahe, das auch in den Leitlinien der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaf- ten seinen Ausdruck gefunden hat. Hier wird festgestellt, dass die Pharmako- therapie möglichst im Rahmen eines multimodalen Behandlungsvorgehens erfolgen sollte, das Beratung und ko- gnitive Intervention einschließt. Es wird ausdrücklich vermerkt, dass die Wirksamkeit nichtdirektiver oder tie- fenpsychologischer Therapien zur al- leinigen Behandlung der hyperkineti- schen Kernssymptomatik nicht belegt ist. Eine Stimulanziengabe ist immer

dann indiziert, wenn eine stark ausge- prägte situationsübergreifende hyper- kinetische Symptomatik mit krisenhaf- ter Zuspitzung (wie drohende Um- schulung, Sonderschule, starke Be- lastung der Eltern-Kind-Beziehung) vorliegt. Die erst vor kurzem publizier- ten Ergebnisse der Multimodal Treat- ment Study of Children With Attention- deficit/Hyperactivity Disorder (MTA- Studie), in die 579 Kinder einbezogen wurden, zeigen deutlich den positiven Effekt einer Methylphenidat-Behand- lung (2, 4). Diese sollte nach sorgfälti- ger Titrierung und Kontrolle einsch- ließlich Beratung der betroffenen Kin- der und ihrer Eltern erfolgen. Ein mul- timodales Vorgehen, das behaviorale Maßnahmen mit einbezog, verbesserte den Effekt nur in einigen Bereichen und nur geringfügig. Einschränkend muss gesagt werden, dass diese Ver- besserungen für einen Zeitraum von 14 Monaten nach Therapiebeginn festge- stellt wurden und langfristige verglei- chende Aussagen noch nicht möglich sind. In einer neueren Studie konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass im Vorschulalter familienbezogene Inter- ventionen die medikamentöse Behand- lung meist überflüssig machen (1).

Insofern ergibt sich ein differen- ziertes therapeutisches Vorgehen, das auch Entwicklungsaspekte und den Schweregrad der Störung mit einzube- ziehen hat (3).

Der Meinung, dass allein gesell- schaftlichen Faktoren eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung des Störungsbilds spielen, muss widerspro- chen werden. Die Studien der letzten Jahre weisen vielmehr eindeutig darauf hin, dass psychosoziale Variablen eine geringere Rolle als biologische für die Entstehung hyperkinetischer Störun- gen spielen. Da häufig komorbide Störungen wie Angst, depressive Stö- rungen oder auch soziale Störungen vorliegen, sollten diese in einem Thera- piekonzept ebenfalls berücksichtigt werden. Psychoanalytische Ansätze bei Kindern mit dem ADHS sind bislang empirisch kaum untersucht und in dem genannten Themenheft der Zeitschrift

„Kinderanalyse“ werden nur Einzelfäl- le beschrieben. Eine tiefenpsycholo- gisch orientierte Behandlung mag dann erfolgreich sein, wenn die begleitenden M E D I Z I N

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A2286 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 36½½½½7. September 2001

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M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 36½½½½7. September 2001 AA2287

komorbiden Störungen wie Angst und Depression im Vordergrund stehen, al- lerdings ist auch dann eher unwahr- scheinlich, dass die hyperkinetische Kernsymptomatik nachhaltig beein- flusst werden kann. Auch der kritische Einwand, dass die Gabe von Stimulan- zien die Kinder „ruhigstellt und strom- linienförmig anpasst“, ist aufgrund des Wirkungsprofils nicht aufrechtzuerhal- ten. Zu achten ist auf eine exakte Ti- trierung der Dosierung, eine Kontrolle der Effektivität, wobei bis zu 30 Pro- zent Nonresponder auftreten. Es liegen keine Hinweise für eine körperliche Abhängigkeit oder Langzeitgewöh- nung vor.

Audiometrisch oder sprachgebun- dene Testergebnisse können unter Methylphenidat nur insofern beein- flusst werden, wie die Aufmerksam- keitsleistung in die Bearbeitung der Aufgaben mit einfließt. Sollten hierfür entsprechende Hinweise vorliegen, wä- re eine entsprechende Untersuchung vor und unter Stimulanziengabe sinn- voll, um diesen Effekt zu erkennen.

Aufgrund der bekannten Prävalenzen von hyperkinetischen Störungen und Narkolepsie ist davon auszugehen, dass die Zunahme der Stimulanzienverord- nung, die insbesondere durch Pädiater und Kinderpsychiater erfolgt ist, fast ausschließlich die Indikation der hyper- kinetischen Störung betrifft.

Literatur

1. Döpfner M, Frölich J, Lehmkuhl G: Hyperkinetische Störungen. Göttingen: Hogrefe 2000.

2. MTA Cooperative Group: A 14month randomized clinical trial of treatment strategies for attention defi- cit/hyperactivity disorder. Archives of General Psy- chiatry 1999; 56: 1088–1096.

3. Sonuga-Barke, EJS, Daley D et al.: Parent-based the- rapies for preschool attention-deficite/hyperactivity disorder: a randomized, controlled trial with a com- munity sample. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 2001; 40: 402–408.

4. Vitiello B, Severe JB et al.: Methylphenidate dosage for children with ADHD over time under controlled conditions: Lessons from the MTA. J Am Acad Adole- sc Psychiatry 2001; 40: 188–196.

Prof. Dr. med. Gerd Lehmkuhl Prof. sc. hum. Manfred Döpfner Dr. rer. soc. Ingrid Schubert Dipl.-Psych. Axel Spengerl

Priv.-Doz. Dr. med. Lieselotte von Ferber Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters

Universität zu Köln

Robert-Koch-Straße 10, 50931 Köln

Unvollständige und unrichtige Angaben

Die Jenaer Autoren stellen ein Verfah- ren vor, das als neu bezeichnet wird, in dem ein mittels CT-Datenaufnahme ge- neriertes virtuelles Patientenmodell zur computergestützten Planung, Konstruk- tion und Fertigung eines individuellen Implantats dient. Dieses Verfahren ist nicht neu, es wurde bereits Ende der 80er-Jahre durch Priv.-Doz. Dr. med. A.

Laubert (damals Medizinische Hoch- schule Hannover) erstmals für den Kopfbereich umgesetzt (3, 4), was sein- erzeit noch computertechnisch limitiert war. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre gelang der eigenen Arbeitsgruppe an der Ruhr-Universität Bochum – begün- stigt durch die Weiterentwicklung der CAD/CAM-Systeme – die standardi- sierte und rationelle Umsetzung des Verfahrens, das bis heute in mehr als 200 Anwendungen an 37 europäischen kopf- chirurgischen Zentren erfolgreich war und beispielgebend ist.

Selbstverständlich sind die Entwick- lungen im Computerbereich nicht stehen geblieben, sodass die eigene sowie ande- re Arbeitsgruppen andere stetig neue Aspekte in das „alte“ Verfahren inte- grieren. Ebenso selbstverständlich er- laubt diese Technik die Konstruktion und Fertigung jedweder Geometrie und

die Verwendung grundsätzlich aller Ma- terialien, die gefräst, geformt, gepresst, gegossen oder mit Rapid-Prototyping- Techniken bearbeitet werden können.

So wurde von den Bochumer Forschern neben Titan, das aus verschiedenen Gründen bevorzugt wird, eine Vielzahl anderer Materialien bereits verwendet, und Implantate wurden durchaus auch fern von Trepanationsdefekten einge- setzt. Aus klinischer Erfahrung muss aber äußerste Reserve vor alloplasti- schen Materialien in offenem Kontakt zu den Nasennebenhöhlen gezeigt werden, da dies bei guten Abflussbedingungen bestenfalls zu chronisch-entzündlich to- lerierten Zuständen führen kann. Die Behauptung, das Einbringen alloplasti- scher Materialien könne Liquorfisteln therapieren, erscheint noch weniger glaubwürdig, wenn nicht andere Maß- nahmen im Rahmen dieser Einbringung erfolgen. Auch für die einzeitige Resekti- on und Rekonstruktion am Hirn- und Gesichtsschädel hat die Bochumer Ar- beitsgruppe – entgegen der Behauptung im Beitrag – Techniken entwickelt, kli- nisch eingesetzt und wiederholt publi- ziert (1, 2). Vorgetragen wurden sie zu- letzt in Gegenwart von Teilen der Auto- renschaft des hier diskutierten Beitrags auf dem Leopoldina-Meeting der Sekti- on Ophthalmologie, Oto-Rhino-Laryn- gologie und Stomatologie (Implantate – Transplantate) der Deutschen Akade- mie der Naturforscher Leopoldina (Hal- le [Saale], 13. bis 14. 10. 2000) und auf dem 2. Jenaer Workshop „CAE – Glas- keramikimplantate und ihre klinische Anwendung“ (Jena, 8. Dezember 2000).

Aus klinischer Perspektive problema- tisch erscheint weiterhin die Fixierungs- frage der eingebrachten Implantate, die offenbar durch Nähte gelöst werden soll, wie sogar die Abbildung eines offensicht- lich nicht exakt passenden Implantats verdeutlicht. Die Möglichkeit der Osteo- synthese wird im Text kurz erwähnt, scheint aber für spröde Glaskeramiken nicht unproblematisch. Entsprechend dokumentieren die Angaben in der ver- öffentlichten Tabelle zu den bisherigen klinischen Versorgungen offenkundig neben geometrischen Abweichungen auch eine Implantationsdislokation. Zu- dem erscheinen die erfolgten Anwen- dungen im Hirnschädelbereich auf klei- ne Defekte beschränkt, die den Einsatz zu dem Beitrag

3-D-Referenzimplantate für den Gesichts- und Hirnschädel

von

Prof. Dr. med. habil.

Eggert Beleites

Dr. med. Gerlind Schneider Priv.-Doz. Dr. Ing. habil.

Wolfgang Fried

Prof. Dr. Dr. med. habil.

Dieter Schumann Prof. Dr. med. habil.

Werner Linß in Heft 5/2001

DISKUSSION

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