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Archiv "Häufigkeit von Meningitiden und Enzephalitiden bei Kindern und Erwachsenen" (24.04.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

LLE MEDIZIN

- Während noch vor wenigen Jahren Meningokokken die häufigste Ursa- - che für bakterielle Meningitiden bei Kindern und Pneumokokken bei erwachsenen Patienten waren, ist nun der Keim Haemophilus influen- zae bei Kindern an die erste Stelle gerückt, bei Erwachsenen hingegen

Borrelia burgdorferi. Diese Erkenntnis ist um so wichtiger, als nun die neu eingeführte Impfung gegen Haemophilus influenzae eine zusätzli- che wesentliche Bedeutung erhält. Nach wie vor hoch ist die Anzahl der Defektheilungen bei kindlichen und erwachsenen Patienten mit bakterieller Meningitis. Hoch ist auch die Zahl der Defektheilungen nach Enzephalitiden im Erwachsenenalter, während sie bei Kindern lediglich fünf Prozent beträgt.

Adolf Windorfer, Ulrike Rohde und Volker Windelboth

Häufigkeit von

Meningitiden und Enzephalitiden bei Kindern und Erwachsenen

Erhebung in Niedersachsen für das Jahr 1987

n einer Erhebung über das Auftreten zentralnervöser In- fektionen in Niedersachsen (Meningitis, Meningoenzepha- litis und Enzephalitis) für das Jahr 1987 beteiligten sich 64 niedersächsi- sche Krankenhäuser mit 85 Abtei- lungen: 42 internistische Abteilun- gen mit insgesamt 6127 Betten, 18 neurologische Abteilungen mit ins- gesamt 1036 Betten, 24 pädiatrische Abteilungen mit insgesamt 1803 Bet- ten.

Die hierbei erfaßte Bettenzahl betrug 8966 Betten. Legt man die Gesamtzahl aller niedersächsischen Krankenhausbetten der in Betracht kommenden drei Abteilungsarten mit 19 870 Betten zugrunde, so er- gibt sich allerdings lediglich eine Ge- samterfassung von 45 Prozent aller Krankenhausbetten. Betrachtet man jedoch die pädiatrischen und neuro- logischen Abteilungen getrennt von den internistischen, so beträgt der in der Studie erfaßte Bettenanteil für die Pädiatrie 74,1 Prozent (1803 von 2434 vorhandenen Betten) und für die Neurologie 65,4 Prozent (1036 von 1584 vorhandenen Betten). Da davon ausgegangen werden kann, daß bei erwachsenen Patienten zen- tralnervöse Infektionen zum über-

wiegenden Teil in neurologischen Abteilungen behandelt werden und die kindlichen Erkrankungsfälle be- vorzugt in den größeren pädiatri- schen Abteilungen zur Behandlung kommen — die sich alle an der Erhe- bung beteiligten —, kann man daraus schließen, daß die überwiegende Zahl der im Jahre 1987 aufgetrete- nen zentralnervösen Infektionen tat- sächlich in der Studie erfaßt werden konnten.

Ein erhebliches Problem ergab sich bei der Nomenklatur der Er- krankungen, da die von den Kran- kenhäusern in der Regel verwendete Bezeichnung „seröse" Meningitis als veraltet angesehen wird. Meist han- delt es sich dabei wohl um virale In- fektionen, die klinisch als lymphozy- täre Formen imponieren. Da nur zum kleinen Teil ein Erregernach- weis durchgeführt wird oder gelingt, kann der Ausdruck „virale" Meningi- tis nicht verwendet werden. Aus die- sem Grunde wurde die Bezeichnung

„seröse" Meningitis beibehalten.

Ebenfalls Schwierigkeiten gab es mit der Definition „Meningo-Enzephali-

Niedersächsisches Sozialministerium Hannover (Ministerialdirigent:

Professor Dr. Adolf Windorfer)

tis". Da nach wie vor diese Bezeich- nung im Bundes-Seuchengesetz fest- geschrieben ist und die Krankenhäu- ser diese Diagnose verwandten, wur- de er ebenfalls in die Erhebung mit aufgenommen. Entsprechend dem klinischen Krankheitsbild wurden Meningo-Enzephalitiden und Me- ningitiden zusammengefaßt.

Ergebnisse

Im Erhebungszeitraum von Ja- nuar 1987 bis Dezember 1987 wur- den insgesamt 678 zentralnervöse In- fektionen bei Kindern und Erwach- senen erfaßt; es handelte sich dabei um 252 Erkrankungen bei Erwachse- nen (37,2 Prozent) und 426 Erkran- kungen bei Kindern (62,8 Prozent).

Abbildung 1 zeigt die prozentuale Aufteilung zwischen den drei erfaß- ten Erkrankungsgruppen im Kindes- alter. Dasselbe ist in Abbildung 2 für das Erwachsenenalter dargestellt.

Bakterielle Meningitis bei Kindern

Von den insgesamt 426 erfaßten

zentralnervösen Infektionen bei Kin- dern handelte es sich bei 199 Erkran- kungsfällen um eine bakterielle Me- Dt. Ärztebl. 89, Heft 17, 24. April 1992 (43) A1-1525

(2)

Tabelle 1: Bakterielle Meningitiden bei Kindern in Niedersachsen (1987)

M111■11Mr.,

Fallzahl

-=x••■■11M

Defekt- Todesfälle heilungen

Erreger

Haemophilus influenzae Meningokokken

3 2

0 56

31 2

Borrelien (akuter Verlauf) 26 0 0

gesamt 173 15 13

Pneumokokken 14 2 1

Listerien 9 1

Staphylokokken I3-Streptokokken

Borrelien (chronischer Verlauf)

5 2 1

4 1 1

3 3 0

E. coli 3 1 0

andere Streptokokken andere Erreger

andere nicht identifizierte Erreger

1 0 1

4 1 0

43 2 1

6% Enzephalitiden

I 1 47% bakterielle Meningitiden

LJ 47% virale Meningitiden Meningoenzephalitiden

15% Enzephalitiden 42% bakterielle Meningitiden 43% virale Meningitiden

Meningoenzephalitiden

ningitis. Bei 156 Kindern konnte ein Erregernachweis im Liquor durchge- führt werden; dies entspricht einer Aufklärungsquote von 78,4 Prozent.

Abbildung 3 zeigt die Häufigkeitsver- teilung der bakteriellen Meningiti- den bei Kindern.

In Tabelle 1 sind die bei Kindern erfaßten Erkrankungsfälle nach Er- regern, Anzahl der Defektheilungen sowie Zahl der Todesfälle festgehal- ten. Dabei wird deutlich, daß bei acht Prozent aller kindlichen Patien- ten mit bakteriellen Meningitiden ei- ne Defektheilung und in 6,5 Prozent ein tödlicher Ausgang die Folge ei- ner bakteriellen Meningitis war. Bei Haemophilus-influenzae-Meningiti- den kam es bei zehn Prozent aller Erkrankungen entweder zu Defekt- heilungen oder zu einem tödlichen Ausgang der Erkrankung.

Haemophilus influenzae konnte bei 56 Erkrankungen (28 Prozent) als Erreger nachgewiesen werden und war damit die häufigste Ursache für eine bakterielle Meningitis bei Kindern. Lediglich die Hälfte dieser Zahl - nämlich 31 Erkrankungen -

Abbildung 1: Verteilung der Meningitiden Meningoenzephalitiden und Enzephalitiden bei Kindern in Niedersachsen 1987 waren durch Meningokokken her- vorgerufen worden. Die akute Borre- liose lag mit 26 Erkrankungen (13,1 Prozent) an dritter Stelle im Häufig- keitsvergleich. Besonders hervorzu- heben ist auch Listeria monocytoge- nes, die in neun Fällen (4,5 Prozent) die Ursache für eine bakterielle Me-

ningitis bei Kindern war. Erfreuli- cherweise konnte kein Fall einer Me- ningitis tuberculosa im Kindesalter in dem gesamten Jahr 1987 regi- striert werden.

In Abbildungen 4 bis 6 ist die Al- tersverteilung der drei häufigsten bakteriellen Meningitisformen im Kindesalter aufgetragen. Hierbei

Abbildung 2: Verteilung der Meningitiden Meningoenzephalitiden und Enzephalitiden bei Erwachsenen in Niedersachsen 1987 wird deutlich, daß die durch Haemo- philus influenzae verursachten Me- ningitiden ihre größte Häufigkeit in der Zeit bis zum vierten Lebensjahr haben, die Meningokokken-Menin- gitiden im ersten und zweiten Le- bensjahr und die Meningitiden - her- vorgerufen durch Borrelia burgdor- feri - ab dem dritten Lebensjahr ge- häuft vorkommen

Während erwartungsgemäß ent- sprechend ihrer Ursache durch Zeckenbisse die Borrelien-Meningi- tiden fast ausschließlich in den Mo- naten Juli bis Oktober auftreten, ha- ben Meningitiden - verursacht durch Haemophilus influenzae - ihr Maxi- mum im Oktober und November so- wie Januar bis April. Meningokok- ken-Meningitiden sind praktisch über das gesamte Jahr verteilt.

Seröse Meningitis und Meningo- enzephalitis bei Kindern Der Anteil der kindlichen serö- sen Meningitiden und Meningoenze- phalitiden lag bei 47,4 Prozent (202 Erkrankungen). Lediglich bei 79 der 202 registrierten Erkrankungsfälle A1 -1526 (44) Dt. Ärztebl. 89, Heft 17, 24. April 1992

(3)

Haemophilus influenzae 56

Meningokokken 31

Borrelien (akuter Verlauf) A 26

Pneumokokken A 14

Listerien Staphylokokken V A

ß-Streptokokken 4 Borrelien (chronischer Verlauf) 3

E. coli 3 andere Streptokokken 1 andere identifizierte Erreger

andere nicht identifizierte Erreger 43

0 10 20 30 40 50 60

Fallzahlen

Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung der bakteriellen Meningitiden bei Kindern in Nieder- sachsen 1987

0

/

A 4 4 . A A vA rA

Tabelle 2: Seröse Meningitiden / Meningoenzephalitiden bei Kindern in Niedersachsen (1987)

Erreger Fallzahl Defekt-

heilungen

Todesfälle

Echo-Viren 7 0 0

Coxsackie-Viren 5 0 0

Mumps 57 0

andere Erreger 10 0 0

andere nicht identifizierte Erreger

123 3 0

gesamt 202 3 0

wurde ein Erregernachweis geführt.

Dies entspricht einer Aufklärungs- quote von 39 Prozent.

In Tabelle 2 finden sich die Häu- figkeitsverteilung der Erreger sowie die Zahl der aufgetretenen Defekt- heilungen und der Todesfälle. Nach wie vor ist das Mumpsvirus der am häufigsten identifizierte Erreger bei insgesamt 57 Erkrankungen (28,2 Prozent).

Bei keiner der registrierten Er- krankungen kam es zu einem tödli- chen Ausgang, allerdings heilten drei der insgesamt 202 Erkrankungen nur m it einem Defekt aus.

Enzephalitis bei Kindern Insgesamt wurde nur bei 25 Kin- dern eine Enzephalitis registriert.

Erfreulich ist, daß bei 64 Prozent ein Erregernachweis gelang. In Tabelle 3 sind die Erkrankungen nach Erre- gern aufgeteilt festgehalten sowie auch die Anzahl der Defektheilun- gen und der Todesfälle.

Lediglich bei einem Kind kam es zu einer Defektheilung. Erstaunlich hoch ist die Anzahl von Masern-En- zephalitiden mit sechs Fällen, er- staunlich deshalb, weil im Jahre 1987 entsprechend freiwilliger Meldungen aus niedersächsischen Kinderarzt- praxen mit einer Gesamtanzahl von Masernerkrankungen in ganz Nie- dersachsen von zirka 1000 Fällen ge- rechnet werden konnte. Dies bedeu- tet, daß sechs Masern-Enzephaliti- den auf etwa 1000 Masernfälle insge- samt im Jahre 1987 kamen Erfreu- lich ist aber, daß lediglich bei einem Kind eine Defektheilung auftrat und keine Todesfälle zu verzeichnen wa- ren.

Bakterielle Meningitis bei Erwachsenen

Insgesamt wurden im Untersu- chungszeitraum 1987 107 Erkran- kungsfälle von bakteriellen bezie- hungsweise eitrigen Meningitiden bei erwachsenen Patienten regi- striert. Bei 79 von 107 Patienten konnte ein Erregernachweis geführt werden (74 Prozent).

In Abbildung 7 ist aus der Häu- figkeitsverteilung ersichtlich, daß als häufigster Erreger für eine akute bakterielle Meningitis bei Erwachse- nen Borrelia burgdorferi bei 21 Pa-

tienten nachgewiesen wurde (19 Pro- zent). Weitere acht Borrelieninfek- tionen wiesen einen chronischen Verlauf auf. Neben der hohen Zahl

Abbildung 4: Altersverteilung der Haemo philus-influenzae-Meningitiden (Kinder)

von Borrelieninfektionen konnten in dem Beobachtungszeitraum noch sieben tuberkulöse Meningitiden er- faßt werden. Fünf dieser Erkrankun-

gen traten im Alter von 40 bis 50 Jah- ren auf. Die beiden anderen Fälle entfielen auf die Altersstufe 20 bis 30 Jahre. 15 der akuten Borrelien-Me- ningitiden fanden sich in der Alters- stufe 40. bis 60. Lebensjahr.

In Tabelle 4 sind neben der Erre- gerhäufigkeit auch die Anzahl der De- fektheilungen sowie die Zahl der To- desfälle festgehalten. Die hohe Zahl von Defektheilungen bei akuter Bor- relien-Meningitis ist dabei auffallend.

Insgesamt kam es bei fast 20 Prozent der bakteriellen Meningitiden im Er- wachsenenalter zu einer Defekthei- lung und bei fast vier Prozent zu einem tödlichen Ausgang.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 17, 24. April 1992 (47) A1-1529

(4)

6 0 0

gesamt 25 1 0

Herpes simplex

Tabelle 3: Enzephalitiden bei Kindern in Niedersachsen (1987)

Erreger Fallzahl Defekt- Todesfälle

heilungen

Masern 6 0 0

Varizellen 2 0 0

Herpes zoster andere Erreger

andere nicht identifizierte Erreger

0 0

1

0 0

1

1 0

9

Tabelle 4: Bakterielle Meningitiden bei Erwachsenen in Niedersachsen (1987)

111 21 4

gesamt Erreger

Borrelien (akuter Verlauf) Pneumokokken

Borrelien (chronischer Verlauf) Mykobakterium tuberculosa Meningokokken

Listerien

Treponema pallidum Andere Streptokokken E. coli

andere Erreger

andere nicht identifizierte Erreger

Fallzahl Defekt- Todesfälle heilungen

21 4 0

14 2 0

8 5 0

7 3 0

7 1 0

7 0 1

3 1 0

2 0 1

1 0 0

3 3 0

28 2 2

Seröse Meningitis und Meningo- enzephalitis bei Erwachsenen 108 Fälle mit seröser Meningitis beziehungsweise Meningoenzephali- tis konnten erfaßt werden. Lediglich in 22 Prozent konnte der in Frage kommende Erreger nachgewiesen werden.

Tabelle 5 zeigt die Erreger sowie die Anzahl der Defektheilungen und

der tödlichen Ausgänge. Bei sechs Prozent kam es zu einer Defekthei- lung und bei zwei Prozent zu einem tödlichen Ausgang der Erkrankung.

Enzephalitis bei Erwachsenen Bei 37 erwachsenen Patienten wurde eine Enzephalitis registriert.

Bei 25 Patienten (68 Prozent) gelang eine Identifikation des Erregers. In

Tabelle 6 sind die Erregerverteilung, die Zahl der Defektheilungen und die Zahl der Todesfälle aufgelistet.

Besonders häufig kam es nach Her- pes-simplex-Infektionen zu Defekt- heilungen. Bei der Altersverteilung der Enzephalitiden im Erwachse- nenalter wird deutlich, daß bei jün- geren Erwachsenen (16. bis 30. Le- bensjahr) mit 16 Erkrankungen das Maximum besteht. Die Altersgruppe der 60- bis 70jährigen folgt mit einer Erkrankungszahl von sechs.

Abbildung 5: Altersverteilung der Meningo- kokken-Meningitiden (Kmder)

Diskussion

isid11111111•11 In einer für die Jahre 1979 bis 1982 in Niedersachsen durchgeführ- ten Erhebung bei kindlichen Menin- gitiden konnten als häufigster Erre- ger noch Meningokokken nachge- wiesen werden (23, 24). In diesen Jahren traten jährlich durchschnitt- lich 38 Meningokokkeninfektionen gegenüber durchschnittlich 22 durch Haemophilus influenzae verursachte Meningitiden auf. Mit den Zahlen aus dem Jahre 1987 — das heißt mit einem nunmehr deutlichen Überwie- gen der Haemophilus-Influenzae- Meningitiden bei Kindern — treten dabei in Niedersachsen — und dies wohl stellvertretend für die Bundes- republik Deutschland — Verhältnisse auf, wie sie bereits ab 1964 in den USA und für die Jahre 1956 bis 1980 aus Schweden gemeldet wurden (2, 16, 17). Die Differenzen, die in der europäischen Literatur hinsichtlich der Häufigkeit der Erreger bei bak- terieller Meningitis im Kindesalter bestehen, werden dadurch demon- A1 -1530 (48) Dt. Ärztebl. 89, Heft 17, 24. April 1992

(5)

Fallzahl Defekt- Todesfälle heilungen

Erreger

Mumps 10 0 0

2 6

108 gesamt

Echo-Viren 3 0 0

Coxsackie-Viren 1 0 0

andere Erreger

andere nicht identifizierte Erreger

10 1 1

84 5 1

striert, daß in einer Veröffentlichung von Berger (1) Anfang der 80er Jah- re für die Bundesrepublik Deutsch- land und für das gesamte Mitteleu- ropa Meningokokken als häufigste Erreger einer bakteriellen Meningi- tis im Kindesalter angegeben wer- den. Auch standen in den Niederlan- den die Meningokokken 1985 nach wie vor an erster Stelle des Erreger- spektrums (15).

Auch bei den Erwachsenen hat sich ein deutlicher Erregerwandel eingestellt, da Borrelia burgdorferi als häufigste Ursache für bakterielle Meningitiden bei Erwachsenen iden- tifiziert werden konnte und damit Pneumokokken als bisher führende Erreger abgelöst wurden.

Nach wie vor stellen jedoch Tu- berkelbakterien neben Meningokok- ken und Listerien bei erwachsenen Patienten die dritthäufigste Ursache einer bakteriellen Meningitis dar. Im Gegensatz zu Kindern treten durch Haemophilus influenzae verursachte Meningitiden bei Erwachsenen stark in den Hintergrund. Im Vergleich zu einer für die Jahre 1980 bis 1983 in Niedersachsen durchgeführten Er- hebung ist die Anzahl der Meningo- kokken und Pneumokokkenmeningi-

Abbildung 6: Altersverteilung der akuten Boneliose (Kinder)

tiden bei Erwachsenen bis zum Jahre 1987 deutlich zurückgegangen, und zwar für Niedersachsen von 40 Fäl- len im Jahre 1984 auf 31 Fälle im Jahre 1987.

In der internationalen Literatur werden Pneumokokken und Menin- gokokken immer noch als die häufig- sten Erreger eitriger Meningitiden

bei Erwachsenen angegeben (1, 3, 7, 9). Da jedoch in internationalen epi- demiologischen Studien über bakte- rielle Meningitiden der Keim Borre- lia burgdorferi als verursachender Erreger noch nicht aufgeführt ist, läßt sich ein Zahlenvergleich für die Borreliose im Gesamtspektrum der bakteriellen Meningitiden noch nicht durchführen. Die prozentualen Angaben für Pneumokokken (17 Prozent) und Meningokokken (9 Prozent) als Erreger von bakteriellen Meningitiden bei Erwachsenen in unserer Erhebung liegen jedoch weit unter den in der Literatur angegebe- nen mit 26 bis 42 Prozent für Menin- gokokken und 15 bis 31 Prozent für Pneumokokken (3, 9).

Damit hat nach unseren Zahlen der Keim Borrelia burgdorferi neben den bisher typischen Erregern einer eitrigen Meningitis sowohl im Kin- des- als auch im Erwachsenenalter eine erhebliche Bedeutung erlangt.

Als weiteres erscheint es uns we- sentlich hervorzuheben, daß in dem Erhebungszeitraum des Jahres 1987 keine kindliche Meningitis tubercu- losa erfaßt werden konnte, wohl aber sieben tuberkulöse Meningitiden bei Erwachsenen. Wir führen dies auf die in Niedersachsen konsequent durchgeführte BCG-Impfung bei Neugeborenen zurück. Immerhin konnte in Niedersachsen seit 1979 die Rate der BCG-Schutzimpfungen bei Neugeborenen von etwa 70 Pro- zent erreicht werden, ab 1986 sogar auf über 76 Prozent gesteigert wer-

den. Bei unveränderten Erkran- kungszahlen an Tuberkulose mit Keimnachweis (offener Tuberkulo- se) seit etwa 1934 in allen deutschen Ländern muß davor gewarnt werden, die Tuberkulose und auch die tuber- kulöse Meningitis bei differentialdia- gnostischen Überlegungen zu verges- sen (4, 10, 11, 13, 18). Die relative Seltenheit dieses Krankheitsbildes, Veränderungen des Manifestations- alters von Kindern zu Erwachsenen sowie die Vielgestaltigkeit des Krankheitsbildes führen nicht selten zu erheblichen Schwierigkeiten in der frühzeitigen Erkennung dieser Erkrankung. Eine frühzeitige Erken- nung ist jedoch entscheidend für die Prognose.

Immer noch ist ein tödlicher Ausgang einer bakteriellen Meningi- tis möglich. Mit 6,5 Prozent ist die Letalität bei Haemophilus influen- zae und Listerien besonders hoch.

Während im internationalen Schrift- tum sowohl für Meningokokken und Pneumokokken noch Letalitätsraten von 10 bis 20 angegeben werden(5, 6, 8, 14, 19, 21), liegen für diese beiden Keime die Raten möglicherweise wegen der relativ geringen Zahl — mit 3,2 Prozent erstaunlich niedrig.

Bei den Enzephalitiden im Kin- desalter war für uns die vergleichs- weise hohe Zahl an Masernenzepha- litiden mit insgesamt sechs insofern erstaunlich, als aus einer Hochrech- nung für das Jahr 1987 in Nieder- sachsen insgesamt nicht mehr als tausend Masernerkrankungen aufge- Tabelle 5: Seröse Meningitiden / Meningoenzephalitiden bei Erwach- senen in Niedersachsen (1987)

A1-1532 (50) Dt. Ärztebl. 89, Heft 17, 24. April 1992

(6)

28 21

14

3 2 01 31

A Borrelien (akuter Verlauf)

Pneumokokken Borrelien (chronischer Verlauf) Meningokokken Listerien Mykobakterium tuberkulosa Haemophilus influenzae Treponema pallidum andere Streptokokken ß-Streptokokken E. coli Staphylokokken andere identifizierte Erreger andere nicht identifizierte Erreger

0

5 1 .5 20 25 30

Fallzahlen

Abbildung 7: Häufigkeitsverteilung der bakteriellen Meningitiden bei Erwachsenen in Nie dersachsen 1987

Tabelle 6: Enzephalitiden bei Erwachsenen in Niedersachsen (1987)

:11■11•1•11■■

Erreger Fallzahl Defekt-

heilungen

Todesfälle

Herpes simplex 8 3 0

Herpes zoster 5 1 0

gesamt 37 5 0

Varizellen 4 0 0

Arbo-Viren (FSME) andere Erreger

andere nicht identifizierte Erreger

1 0 0

7 1 0

12 0 0

Nach unserer Einschätzung ist es möglich, mit Erhebungen - wie der vorliegenden - relativ schnell auf Veränderungen im Keimspektrum bei zentralnervösen Infektionen zu reagieren. So war das vorliegende Zahlenmaterial die Grundlage für die schnell erfolgte öffentliche Emp- fehlung der Schutzimpfung gegen Haemophilus influenzae b; die nie- dersächsische Landesregierung hatte im Juni 1990 als erste oberste Lan- desbehörde die Impfung öffentlich empfohlen. Auch die Zahlen über Borrelien-Meningitiden haben kon- sequente Aktivitäten bedingt; so wurde durch das Niedersächsische Sozialministerium an dem Staatli- chen Medizinaluntersuchungsamt Lüneburg eine Forschungsstelle für Borrelienuntersuchungen eingerich- tet.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -1525-1533 [Heft 17]

In der Arbeit sind Auszüge der Promoti- onsarbeit von U. Rohde und V. Windel- both mit dem Thema „Zentralnervöse Infektionen bei Kindern und Erwachse- nen in Niedersachsen im Jahr 1987 - Organisation einer aktuellen Fallerhe- bung für einen langfristigen Zeitraum, Auswertung und retrospektive Aufarbei- tung für das Jahr 1987" enthalten. Die Promotionsarbeit wurde vollständig im

„Edition Infektionsreport" Nr. 2 des Nie- dersächsischen Sozialministeriums ver- öffentlicht. Diese Ausgabe kann unent- geltlich zur Verfügung gestellt werden.

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordem über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Adolf Windorfer Ministerialdirigent im Nieder- sächsischen Sozialministerium Heinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 2 W-3000 Hannover 1

treten waren. Dies bedeutet aber, daß bisherige Einschätzungen einer Enzephalitiskomplikation bei Ma- sern von bisher 1:1000 bis 1:2000 er- heblich verändert werden müssen, wenn man nämlich für Niedersach- sen sechs Masernenzephalitiden auf etwa tausend Masernerkrankungen rechnet.

Verhältnisse, wie sie in Nieder- sachsen vorliegen, sind mit Sicher- heit auch auf andere Bundesländer übertragbar. Dies sollte eine wichti- ge Motivation für eine noch erheb- lich zu verbessernde Impfrate mit Masernimpfstoff sein.

Nach wie vor ist die Herpes-sim- pl ex-Enzephalitis bei Erwachsenen durch ihre hohe Defektheilungsrate

gekennzeichnet. Während bei Kin- dern alle erfaßten Herpes-simplex- Enzephalitiden komplikationslos ausheilten, kam es bei drei von acht Erwachsenen zu Residualschäden.

Dies entspricht etwa einer Rate von etwa 38 Prozent, wie sie auch in der internationalen Literatur festgehal- ten ist (12, 20, 21).

Erfreulich war jedoch, daß ins- gesamt bei den erfaßten Enzephaliti- den die Defektheilungsrate ver- gleichsweise gering war, nämlich bei Kindern 5,3 Prozent (n = 1) und bei Erwachsenen 13,5 Prozent (n = 5).

Ebenso bemerkenswert ist, daß in dem Erhebungszeitraum 1987 in Niedersachsen kein Patient an einer Enzephalitis verstarb.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 17, 24. April 1992 (53) A1-1533

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